das gleiche Buch lesen

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Jörn Budesheim
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Mi 14. Nov 2018, 05:23

"Wenn mehrere Menschen das gleiche Buch lesen, lesen sie dann wirklich dasselbe?"
(Michael Ende)




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Stefanie
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Mi 14. Nov 2018, 18:33

Dasselbe und das Gleiche ...ich habe es gerade mal wieder nachgelesen und bin mal wieder verwirrt. :- )



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Friederike
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Do 15. Nov 2018, 09:57

Stefanie hat geschrieben :
Mi 14. Nov 2018, 18:33
Dasselbe und das Gleiche ...ich habe es gerade mal wieder nachgelesen und bin mal wieder verwirrt. :- )
:lol: Gut, dann versuche ich mich freihand. Wenn Du mir Dein Buch-Exemplar von "Der kleine Prinz" ausleihst, dann lese ich dasselbe Buch wie Du. Wenn wir beide unterschiedliche Buch-Exemplare haben, dann lesen wir zwar denselben Text, allerdings nicht in demselben, sondern in dem gleichen Buch. Wir lesen denselben Text in dem gleichen Buch ... ob wir dasselbe lesen, damit meint M. Ende wohl nicht, ob wir denselben Text lesen, sondern ob wir dasselbe lesen, wenn wir denselben Text lesen. Es ist ja schon so formuliert, daß ein "Nein" nahegelegt wird.




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Jörn Budesheim
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Mi 21. Nov 2018, 19:47

Wenn Hans bibliophil ist, dann ist meine Ausgabe der KrV als Paperback ein ganz anderes Buch als seine Originalausgabe der CrV aus dem 18. Jahrhundert :-) Wenn es um den schieren Inhalt geht, dann sind es meines Erachtens die selben Bücher, weil sich die Selbigkeit auf den Inhalt bezieht - meine ich - und nicht auf die Papierqualität oder dergleichen mehr - sehen wir von Textanpassungen einmal ab. Es kömmt drauf an, welchen Aspekt man betrachtet, finde ich.

Michael Ende will vielleicht darauf aus, dass zwei Menschen ein Buch immer anders lesen und verstehen. Das wäre vielleicht eine Form von Rezeptionsästhetik, wo der Leser den Text "macht". Ich wäre an der Stelle "traditioneller" und würde sagen, dass sie vielleicht zwei in Maßen verschiedene Interpretationen desselben Buchs liefern - also das selbe Buch (in verschiedenen Exemplaren) lesen, aber abweichend auslegen.

Oder das hier:

p p

meines Erachtens zweimal der selbe Buchstabe, aber zwei verschiedene Pixelkonstellationen, weil sie an verschiedenen Raumstellen vorkommen.




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Jörn Budesheim
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Do 22. Nov 2018, 05:43

Dazu ein kleines Gedankenexperiment. In einem entlegenen, bisher nicht entdeckten Bereich der Erde gibt es eine Sprache, die dem deutschen verblüffend ähnelt. Alle Wörter dieser Sprache gibt es in unserem Deutsch auch, jedoch bezeichnen sie stets andere Begriffe. Der Satz das Gras ist grün ist, würde dort nicht wie bei uns bedeuten, dass das Gras grün ist, sondern dass der Mond aufgeht. Das Buch "die Zeit, die Zeit" würde dort bedeuten "der Tisch, der Tisch!" Stellen wir uns nun vor, dass dieses Buch durch einen Zufall in dieses Land kommt. Und stellen wir uns darüber hinaus vor, dass ein weiterer Zufall es so will, dass in diesem Buch tatsächlich eine sinnvolle Geschichte erzählt wird, wenn auch eine ganz andere, als wir sie hier erfassen würden/könnten.

Die Leser dort halten - physikalisch gesehen - das identische Buch in den Händen wie wir hier. Aber sie lesen doch ein ganz anderes Buch, oder?




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Jörn Budesheim
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Do 28. Mär 2019, 09:42

Das, was hierher passt, beginnt ungefähr in der Mitte dieses Textes ...
Markus A. Hediger hat geschrieben : [...] Aber Borges findet auch hierfür noch eine Steigerung – und damit will ich schliessen:

„Pierre Menard, Autor des Quijote“ beginnt mit einem Überblick über die literarische Hinterlassenschaft des Autors Pierre Menard. Meist Unbedeutendes ist’s, was in seinem Privatarchiv gefunden wird: Monographien, Untersuchungen, Übersetzungen, aber auch eine Reihe bewundernswerter Sonette. Dann kommt Borges auf das wahre, das wahrlich bedeutende Unternehmen Menards zu sprechen, die Abfassung des Quijote:
Borges hat geschrieben : Er wollte nicht einen anderen Quijote verfassen – was leicht ist -, sondern den Quijote. Unnütz hinzuzufügen, dass er niemals eine mechanische Transkription ins Auge fasste; er wollte es nicht kopieren. Sein bewundernswerter Ehrgeiz war es, ein paar Seiten hervorzubringen, die – Wort für Wort und Zeile für Zeile – mit denen von Miguel de Cervantes übereinstimmen sollten...
Quelle: https://turmsegler.net/20070525/das-spi ... ichkeiten/




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