Geist als Erschrecken

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Jörn Budesheim
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Fr 1. Jun 2018, 19:28

Wenn das mal keinen Zettel im Zettelkasten wert es: "Von seiner etymologischen Herkunft her meint das deutsche Wort "Geist", das es in dieser Form bereits im Alt- und Mittelhochdeutschen gab, ursprünglich ein Erschrecken, Erschauern, eine Erregung oder Ergriffenheit." (Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe)




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Jörn Budesheim
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So 10. Jun 2018, 17:13

Hegel: »Der Geist ist nur, wozu er sich macht; er ist Tätigkeit, sich zu produzieren, sich zu erfassen.«




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Jörn Budesheim
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Fr 28. Mai 2021, 06:50

Vertreter der Anti-Geist-Religion haben tatsächlich sehr viel Angst vor dem Begriff "Geist". Mich selbst macht eher der Ausdruck Spiritualität nervös. Wie geht es euch?




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Stefanie
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Sa 29. Mai 2021, 22:12

Nicht überraschend habe ich mit Spiritualität so meine Schwierigkeiten.
Geist ist für mich nicht fassbar.
Zum einem weil ich mich mit Hegel sehr schwer tue, was dazu führt, dass mir nicht klar ist, was er genau damit meint.
Zum anderen wird Geist heute doch wohl mehr im Zusammenhang mit Geister verwendet. Man sagt zudem Leib und Seele. Nicht Leib und Geist. Sagt man geistige Tätigkeit anstatt denken?
Kurz bei Geist werde ich nervös, weil ich nicht sicher bin, was meint man damit. Z.B. das Zitat hier von Hegel....meint Geist denken, die Seele, das ich, der Mensch oder was.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Jörn Budesheim
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So 30. Mai 2021, 07:35

Wir hatten mal vor längerer Zeit, ist mir gestern Abend noch eingefallen, einen Faden, wo der Hirn-Forscher Thomas Metzinger sich für den Begriff der "Spiritualität" stark gemacht hat. Er spricht dabei von einer "säkularisierten Spiritualität". Damit könnte ich als bekennender Atheist natürlich durchaus etwas anfangen. Metzinger sagt dementsprechend: "Das Gegenteil von Religion ist nicht Wissenschaft, sondern Spiritualität."

Das Problem dabei ist jedoch, wie ich finde, dass der Begriff nach meinem Gefühl selten in dieser Fassung verwendet wird. Mein Vorurteil zu diesem Begriff geht ungefähr so: Manche (oder viele?) Spiritualitäts-Begriffsverwender bevölkern nach meinem Gefühl, bzw nach diesem Vorteil die Wirklichkeit zum Beispiel mit diversen Substanzen, die im Grunde nach dem Vorbild der Materie gebildet sind, jedoch angeblich eigener Art und daher von den Naturwissenschaften nicht entdecktbar. Das ist jedoch eine Art Jenseits- oder Abseits-Materialismus für mich. Das wäre ungefähr so, als wenn man sich vorstellen würde, dass die Zahl 7 aus einer bestimmten Zahlen-Substanz besteht, die irgendwo zwischen den Elementarteilchen und Feldern lokalisiert ist. Die Realität der Abstraktionen ist aber nicht aus einer Art Sonder-Materie geformt.

Das wäre meines Erachtens tatsächlich eine Abart von Materialismus. Wir hatten mal einen Faden, in dem es um Ethik (mal wieder) ging. Da wurde ein Philosoph zitiert (wenn ich mich recht entsinne: John Mackie) der erläutert hat, dass die Ethik nicht objektiv sein kann, weil das implizieren würde, dass es bestimmte seltsame metaphysische Entitäten geben müsste, die die Objektivität sichern. Und in diesem Punkt sind sich diejenigen, zumindest manche davon, die von Spiritualität sprechen, mit Mickie einig: sie glauben ähnlich wie er in Bezug auf die Ethik, dass Spiritualität von seltsamen metaphysischen Entitäten realisiert werden müsste. Der Unterschied besteht nur darin, dass John Mackie, denkt, dass es das nicht gibt, während jene das Gegenteil glauben.

Mein Problem mit diesem Begriff ist aber nicht total. Vor der Corona-Zeit (und ich hoffe bald wieder) habe ich mich regelmäßig in einem kleinen Kreis mit Leuten getroffen, die mit diesen Begriff nicht das geringste Problem haben. Das sind Menschen, die ich schätze, sonst hätte ich mich nicht regelmäßig mit ihm an einen Tisch gesetzt, um z.b. zu debattieren.




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Jörn Budesheim
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So 30. Mai 2021, 08:40

Bild

https://www.crfashionbook.com/culture/a ... y-chicanx/

Leider ist der Artikel auf Englisch, ich habe ihn mir mit deepl zu einem guten Teil übersetzt. Ich poste das hier, weil das für mich ein Beispiel für den Begriff Geist ist.




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Stefanie
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Mo 31. Mai 2021, 20:13

Der Artikel ist interessant.

Wenn man Geist als alle Fähigkeiten des Menschen ansieht, also Denken, handeln, verstehen, Kommunikation, die emotionalen Fähigkeiten, halt alle Fähigkeiten, ist das ein Beispiel für Geist. Gilt dann auch für den Minirock.
Meint das auch Hegel?
Jörn:
Wir hatten mal vor längerer Zeit, ist mir gestern Abend noch eingefallen, einen Faden, wo der Hirn-Forscher Thomas Metzinger sich für den Begriff der "Spiritualität" stark gemacht hat. Er spricht dabei von einer "säkularisierten Spiritualität". Damit könnte ich als bekennender Atheist natürlich durchaus etwas anfangen. Metzinger sagt dementsprechend: "Das Gegenteil von Religion ist nicht Wissenschaft, sondern Spiritualität."
Ähm...Spiritualität ist wie Religion, nur ohne einem Gott. Anstatt sich auf einen Gott zum beziehen, der das erklärt, was man sich nicht erklären kann, bezieht man sich auf sowas wie "innewohnende" Mechanismen oder Kräfte, sei es bei Gegenständen oder im Menschen selber. Spirituelle Kräfte oder Gedanken. Anstatt auf Gott Vertrauen, vertraut man einer spirituellen Kraft. Was immer das sein soll. Ist nicht bei beiden Religion und Spiritualität das Gegenteil die Wissenschaft?



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Jörn Budesheim
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Di 1. Jun 2021, 06:06

Stefanie hat geschrieben :
Mo 31. Mai 2021, 20:13
Meint das auch Hegel?
Keine Ahnung! Dennoch hier ein Zitat von Hegel, auch wenn es in diesem Faden ja nicht Hegel gehen soll/muss: "Der Geist ist nur, wozu er sich macht; er ist Tätigkeit, sich zu produzieren, sich zu erfassen." Und unter diesem Gesichtspunkt habe ich auch den Beitrag verstanden, gewissermaßen als Beispiel für diese Auffassung von Geist.




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AndreaH
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Di 1. Jun 2021, 11:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 28. Mai 2021, 06:50
Vertreter der Anti-Geist-Religion haben tatsächlich sehr viel Angst vor dem Begriff "Geist". Mich selbst macht eher der Ausdruck Spiritualität nervös. Wie geht es euch?
Was ich bisher auf Geist und Erschrecken bezogen hätte, wären die traditionellen Perchten. Nach alter Tradition sollten diese nach dem Winter, die bösen Geister vertreiben.
Es gibt von diesen Perchten auch sehr schöne Perchten, die sogenannten Schönperchten. Diese Tradition ist im Alpenraum zu finden.

Auch die spirituellen Traditionen der Indianer finde ich spannend.

Grundsätzlich denke ich, dass sich die Spiritualität in sehr unterschiedliche verschiedene Bereiche hineinbewegt, so ist es schwierig von außen zu beurteilen in welchen Bereichen sie sich sehr negativ auswirkt und in welchen positiv.
Ich bin dem ganzen eher positiv eingestellt, da ich z.B auch einen Bekannten habe der als Shiatsu Therapeut arbeitet, dieses Arbeiten finde ich persönlich sinnvoll.
Außerdem stehe ich der normalen Meditation sehr aufgeschlossen gegenüber, bin aber in diesem Bereich sehr unerfahren. Intuition finde ich auch sehr interessant.

Während in anderen Bereichen Spiritualität Menschen so vereinnahmt, dass so manches sehr fragwürdig ist. :shock: Ich denke, es ist aber oft der Mensch selbst, der dies zu verantworten hat. Nicht nur in Bereichen der Spiritualität findet man diese Fragwürdigkeit.




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Friederike
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Di 1. Jun 2021, 17:05

"Spiritualität" meint, mit dem Geist (spiritus) auf irgendeine Art in irgendeine Beziehung zu treten?
oder
"Spiritualität" ist immer eine ent-institutionalisierte Religion?
oder
was mir gut gefällt, "Geist" als Tätigkeit (wie bei Hegel) - die reflexive Form stört :lol: - sie widersetzt sich einfachen Auslegungen.

Der Zeit-Geist, der Geist der Zeit - das erinnert mich stark an das "Wesen" (der Dinge). (@Alethos, das ist ein Thema wie maßgeschneidert für Dich).




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Friederike
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Di 1. Jun 2021, 17:36

AndreaH hat geschrieben :
Di 1. Jun 2021, 11:26
Während in anderen Bereichen Spiritualität Menschen so vereinnahmt, dass so manches sehr fragwürdig ist. :shock: Ich denke, es ist aber oft der Mensch selbst, der dies zu verantworten hat.
Zum Beispiel, wenn alltägliche Banalitäten ins Mystische verkleidet, auftreten; dies in Bücher gegossen und zu einer Gruppierung wird (mir fällt leider nichts Konkretes ein, vielleicht gibt es solche Gruppierungen in Wirklichkeit gar nicht, es wäre nur ein Klischee). Aber die ins Mystische erhobenen Banalitäten ... zwei denken zufällig an dasselbe und man meint, es handele sich um "Geistes"verwandtschaft oder den siebten Sinn o.ä.




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