Intuition

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Jörn Budesheim
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Mo 9. Sep 2019, 12:01

Titus Stahl hat geschrieben : [das intuituve Wissen ist ein »nicht-inferenzielles Wissen] »Nicht-inferenziell« meint: Wir leiten unsere Urteile [...] nicht von anderen Urteilen ab, sondern erfassen die Wahrheit dieser Urteile direkt. Wie aber soll diese »Erfassung« verstanden werden? Die Idee des Intuitionismus ist dabei die folgende: Wir können [das fragliche] Wissen haben, wenn manche Aussagen [...] »selbstevident« sind, wenn also (vereinfacht) folgendes gilt: (Selbstevidenz): Die Aussage, dass p, ist dann selbstevident, wenn jeder, der »p« vollständig versteht, weiß, dass p wahr ist, ohne weitere Überzeugungen zu benötigen, aus denen er die Wahrheit von p ableiten kann. Solches Wissen, das auf Selbstevidenz beruht, haben wir zum Beispiel im Hinblick auf einfache mathematische Zusammenhänge.
Solches Wissen ist natürlich nicht ohne Voraussetzungen zu haben, das dürfte klar sein. Nur warum spricht das gegen die Selbstevidenz von p? Das verstehe ich nicht.




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Alethos
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Mo 9. Sep 2019, 12:24

Wenn jeder, der "p vollständig versteht" weiss, dass p wahr ist, dann muss man über p nicht streiten, das ist gewiss so. Dann hat sich 'p' vollständig erschlossen. Ich halte einfach Selbstevidenz für einen etwas hoch gegriffenen (wenn auch schönen) Begriff.



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Jörn Budesheim
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Mo 9. Sep 2019, 13:00

Sich "vollständig erschließen" (1) und erkennen, dass p wahr ist (2), sind doch zwei verschiedene Dinge, oder? Bei (2) ist es meines Erachten sinnvoll von selbstevidenz zu sprechen, weil es eben ein nicht referentielles Verstehen ist und es sich eben von selbst versteht.




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Alethos
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Mo 9. Sep 2019, 14:32

Ja, es sind zwei Aussagen, die aber bei Titus Stahl zusammenhängen:
Titus Stahl hat geschrieben : Die Aussage, dass p, ist dann selbstevident, wenn jeder, der »p« vollständig versteht, weiß, dass p wahr ist, ohne weitere Überzeugungen zu benötigen, aus denen er die Wahrheit von p ableiten kann.
Es heisst, dass jeder über etwas Selbstevidentes (p) weiss, dass es (p) wahr ist, wenn er "p" vollständig verstanden hat. Aber kann man denn z.B. den Satz des ausgeschlossenen Dritten (p1) vollständig verstehen ohne den Satz, dass a=a (p2)? Du hast dies schon beantwortet: Vieles hängt mit einigem zusammen und ich stimme zu, dass dies nicht gegen den Intuitionismus spricht. Aber es zeigt an, dass "vollständig" verstehen nicht zu haben ist als nicht-inferenzielles Wissen. Ein "ganz von selbst Einleuchtendes" kann es nicht geben, wenn einiges mit einigem zusammenhängt.

Es ist ohne weiteres vorstellbar, dass es Wahrheiten gibt, die sehr einleuchtend sind, ohne, dass man sie noch weiter begründen müsste (oder begründen könnte) oder dass man dazu noch weiterer Überzeugungen bedürfte, um sie für wahr zu halten. "Von selbst einleuchtend sein" ist vielleicht ein Synonym von Selbstevidenz? Aber wenn es so etwas gibt, welche Beispiele neben den hier besprochenen ("a=a", "tertium non datur") haben wir noch? Wenn diese paar wenigen Beispiele das gesamte Feld des Intuitionismus abstecken, dann widerspricht dies dem gängigen Verständnis von Intuition, das sich viel weiter fassen lässt z.B. auch als "gefühlte Erfahrung" oder als "Ahnungswissen". "Etwas intuitiv richtig machen" (= ohne zu wissen, wie genau) oder beim Schach: "Ich habe diesen Zug nach langem Überlegen einfach machen müssen und mich dabei auf meine Intuition verlassen". In dieser Konnotation hat Intuition nicht mit Nicht-Inferenz zu tun, sondern mit einem "blinden Vertrauen in das eigene Fürwahrhalten", bei dem die ganze inferenzielle Komplexität reduziert wird auf Gewissheit. Wenn wir über Intuition sprechen, dann dürfen diese Aspekte nicht fehlen, meine ich.



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Jörn Budesheim
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Mo 9. Sep 2019, 15:18

Titus Stahl hat geschrieben : Die Aussage, dass p, ist dann selbstevident, wenn jeder, der »p« vollständig versteht, weiß, dass p wahr ist, ohne weitere Überzeugungen zu benötigen, aus denen er die Wahrheit von p ableiten kann.
Was der Autor mit direkt meint, beschreibt er so: "»Nicht-inferenziell« meint: Wir leiten unsere Urteile [...] nicht von anderen Urteilen ab, sondern erfassen die Wahrheit dieser Urteile direkt." Man kann hier also zwei Dinge unterscheiden: (1) P hängt mit anderen Aussaugen zusammen. (2) P wird nicht begründet, sondern direkt als wahr erfasst. (1) kann wahr sein, ohne dass (2) falsch wird, finde ich. Denn die Zusammenhänge in (1) können zum Beispiel semantischer Art sein und müssen nicht Begründungen zu sein.

Die Intuition des Schachspielers ist etwas anderes: Ich hab die Intuition, dass "hier was drin sein muss / Irgendein Opfer" Diese Intuition speist sich aus der Erfahrung und kann auch noch begründet werden: "Und richtig, das Opfer ging, weil (hier folgt die begründende Variante)"




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Jörn Budesheim
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Mo 9. Sep 2019, 16:50

Aber er liefert ja nicht durch sich selbst Evidenz für seine Richtigkeit, sondern die Einsicht, dass er wahr ist, wird befördert durch Erfahrungen / Gedanken, die wir uns im Laufe der Zeit über logische Sachverhalte gemacht haben.
Hier würde sich wohl eher eine im weitesten Sinne Kantianische Argumentation anbieten. Die Logik entnehmen wir nicht der Erfahrung. Die Gesetze des Wahrseins brauchen wir um Erfahrungen überhaupt machen zu können.




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Jörn Budesheim
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Mo 9. Sep 2019, 18:02

Alethos hat geschrieben :
Mo 9. Sep 2019, 11:32
... aber auch bei Aussagen der Art: "Es wird Frösche auf dem Mond Europa geben." gibt es unentscheidbare Widersprüchlichkeit: Denn es kann sowohl sein als auch nicht sein, dass es dort einmal Frösche geben wird. Es sind beide Aussagen wahr, dass es Frösche geben wird wie auch, dass es keine geben wird, d.h. sie sind nicht einfach weder falsch noch wahr, sondern insofern es wahr sein wird, dass es (diese) Frösche geben wird (die man sich heute vorstellt) oder nicht geben wird, wird eine von beiden Varianten heute schon wahr sein und die andere dann auch, da es sich noch weisen muss, ob es Frösche geben wird oder nicht geben wird ...
Wenn es dort Frösche geben wird, dann ist der Satz wahr, andernfalls falsch. Wo sollte es hier ein Problem geben? Ob wir das entscheiden können, ist irrelevant.




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Alethos
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Mo 9. Sep 2019, 18:46

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 9. Sep 2019, 18:02
Alethos hat geschrieben :
Mo 9. Sep 2019, 11:32
... aber auch bei Aussagen der Art: "Es wird Frösche auf dem Mond Europa geben." gibt es unentscheidbare Widersprüchlichkeit: Denn es kann sowohl sein als auch nicht sein, dass es dort einmal Frösche geben wird. Es sind beide Aussagen wahr, dass es Frösche geben wird wie auch, dass es keine geben wird, d.h. sie sind nicht einfach weder falsch noch wahr, sondern insofern es wahr sein wird, dass es (diese) Frösche geben wird (die man sich heute vorstellt) oder nicht geben wird, wird eine von beiden Varianten heute schon wahr sein und die andere dann auch, da es sich noch weisen muss, ob es Frösche geben wird oder nicht geben wird ...
Wenn es dort Frösche geben wird, dann ist der Satz wahr, andernfalls falsch. Wo sollte es hier ein Problem geben? Ob wir das entscheiden können, ist irrelevant.
Ich habe ja schon eingeräumt, dass es kein Argument ist, denn die Modalität von Wahrheit (als Möglichkeit) ist natürlich nicht widersprüchlich: 'Es ist möglicherweise wahr, dass p' und 'Es ist möglicherweise nicht wahr, dass p' widerspricht sich nicht.
Der Satz vom Widerspruch kommt hier gar nicht zur Anwendung.

Mein Punkt war jedoch ein anderer: Es gibt Fälle, wo wir Widersprüchlichkeit einfach hinnehmen müssen, so bei der Ewigkeit, beim Anfang der Welt, bei Photonen als Welle und nicht-Welle. Das ist schier unerträglich, weil alles in uns danach strebt, eine Entscheidung herbeizuführen: Entweder, oder. Darum ist Entscheidbarkeit schon auch relevant für uns, wenn auch nicht für die Wahrheit selbst, so doch für unser Erkennen und den logischen Aufbau von Argumenten etc.

Und es gibt meines Erachtens noch einen Einwand gegen den Intuitionismus: die kleine Menge an Aussagen, die ohne weiteres für ein evidentes Wissen sprechen, dass p wahr ist. Es sind ganz wenige Wahrheiten, von denen wir wissen, dass sie wahr sind, ohne sie abzuleiten (die also nicht-inferenziell sind). Vielleicht kannst du noch ein paar Beispiele für solche intuitiven Wahrheiten bringen, damit sich mir erschliesst, wofür du eigentlich argumentierst.



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Mi 11. Sep 2019, 05:33

Wittgenstein bietet uns dafür eine bekanntgeworde Metapher an. An irgendeiner Stelle geht der Spaten auf Grund und biegt sich zurück. Manche Dinge sind einfach wahr. (Ich will hier also nicht behaupten, dass der Grund soziale Konventionen sind.)

Ich habe mir gestern Abend den Beginn einer Vorlesung zum Thema Logik angeschaut, nur die ersten 15 bis 20 Minuten. Bei Minute 17 erläutert Hoyningen sehr anschaulich, dass man den Zwang des Syllogismus selbst erfahren muss. Das ist die Stelle, wo sich der Spaten zurück biegt und man erkennt (erkennen sollte), dass die Dinge einfach so liegen. Das heißt, es gibt im Denken immer wieder Stellen, wo es nichts anderes bleibt, als darauf hinzuweisen, dass hier eine Wahrheit vorliegt.

Das kann persönlich, muss aber natürlich nicht, in eine paradoxe Situation führen: zu dem Gefühl, dass das Denken auf einem haltlosen Halt, auf einem grundlosen Grund beruht.

https://youtu.be/k89wRDg5H-0




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Alethos
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Mi 11. Sep 2019, 18:40

Ich kann mich vage an den Vortrag und an die besagte Stelle mit dem Zwang des Syllogismus erinnern. Und schon damals leuchtete mir ein: Es gibt logische Schlüssigkeit, der man sich, wenn man gewisse Spielregeln akzeptiert hat, einfach nicht entziehen kann. Da nützt alles Vernünfteln nichts: Das sind die Regeln und man kann die Wahrheit des Schlusses nicht aushebeln, ohne den Versuch ihn auszuhebeln, selbst auszuhebeln. Daran scheitert letztlich auch der Skeptizismus, weil er sich selbst 'weg zweifeln' würde, würde er nicht wenigstens die eine Intuition stehen lassen, dass der Zweifel selbst auf unverrückbarem Grund liegt.

Aber es gibt doch einen Unterschied zwischen der Erkenntnis aus logischen Gründen und einer Intuition, oder? Der 'Zwang des Syllogismus' ergibt sich aus dem logischen Konnex von Prämissen. Aber intuitive Erkenntnis soll ohne Prämissen möglich sein: Denn es gibt bei Selbstevidenz schlicht keine Prämissen. Die Wahrheit von etwas ist eben selbstevident, sie ist offensichtlich und nicht weiter erklärbar durch anderes. Das ist beim syllogistischen Schluss ja gerade nicht der Fall, da die Konklusion zurückgeführt werden kann auf Prämissen. Und die Prämissen selbst sind Setzungen, die man zwecks Konstruktion des Schlusses vornimmt, aber nicht etwa solche, die sich durch sich selbst als Prämissen begründeten, sondern wiederum durch anderes.

"Alle Menschen sind sterblich" wäre so eine Prämisse, die wiederum begründet werden kann mit diesem und jenem. Dass sie uns von selbst einleuchtet, das hat ja nicht mit selbstevidenter Wahrheit im hier beschriebenen Sinn zu tun.

Ich frage mich, welche Beispiele wir für Intuitionen (als nicht-inferenzielle Wahrheiten) sonst noch anführen können.



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Jörn Budesheim
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Do 12. Sep 2019, 10:05

Alethos hat geschrieben :
Mi 11. Sep 2019, 18:40
Der 'Zwang des Syllogismus' ergibt sich aus dem logischen Konnex von Prämissen.
Man sollte, meines Erachtens, unterscheiden zwischen dem konkreten Fall, einem bestimmten Schluss, der aus diesen oder jenen konkreten Prämissen folgt und der allgemeinen Form. Es geht also dabei und die allgemeine Form des Schlusses, die nicht weiter begründbar ist. Die muss man einfach einsehen.

Nicht dass Sokrates sterblich ist bleibt unbegründet, sondern die Form der Begründung selbst.




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Alethos
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Sa 14. Sep 2019, 11:13

Dass wir den Zwang des Formalismus durch ihn selbst einsehen können sollen, halte ich für eine gewagte Hypothese, die wenigstens ein paar Erklärungen verlangt. Was soll es heissen, dass etwas aus etwas folgt? Man muss wenigstens die Wenn-Dann-Regel erkennen und anerkennen können. Dafür muss sie erst einmal begriffen worden sein, was nicht geht ohne ein anderes. Und deshalb ist es durch dieses andere, dass sie verstanden werden kann und fundiert wird als unumstösslich und für sich selbst stehend.

Es ist etwas anderes, finde ich, zu behaupten, dass etwas selbstevident sei (durch sich selbst ersichtlich sei; selbst Beweis sei, sich selbst beweise etc.) und dass es für sich selbst stehe, d.h. nicht weiter gegründet werden könne auf noch 'basalare' Tatsachen. Denn, auch wenn sich rudimentäre Tatsachen nicht durch noch rudimentärere Tatsachen begründen lassen, so stützen sie sich doch wenigstens gegenseitig, und begründen dadurch das Gerüst, in welchem sie für sich selbst stehen können, nie aber aber als absolute Wahrheit, sondern immer durch anderes bekräftigte Wahrheit.

a=a, also dass etwas mit sich selbst identisch ist, bedingt sich durch die Tatsache, dass alles nur im Unikat vorkommen kann. Denn, ist es möglich, dass etwas anderes alle seine Eigenschaften mit etwas anderem teilte, dann wären sie numerisch zwei Identische. Insofern sie sich aber bspw. in der Raumzeit an anderer Stelle befinden, oder allgemein gesagt, indem sie sich aber mindestens in einer Eigenschaft unterscheiden, sind sie nicht identische Zweiheit, sondern immer nur Einheit. Aber nur deshalb, weil a immer nur Eines sein kann, muss seine Identität in der Einheit notwendig sein als Seiendheit. Denn indem es ist, ist es notwendig Etwas und notwendig Eins seiend. Dass a=a ist, das ergibt sich aus anderen, wiederum für sich selbst stehende Wahrheit, wobei für sich selbst stehend hier heisst, dass sie nicht auf etwas Grundlegenderes zurückgeführt werden können. Aber es heisst nicht, dass sie ohne Grund wären, ihr Grund ist die Inferenz mit anderen Gründen.



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Sa 14. Sep 2019, 11:21

J.G. Fichte hat geschrieben : Wir haben den absolut-ersten, schlechthin unbedingten Grundsatz alles menschlichen Wissens aufzusuchen. Beweisen oder bestimmen lässt er sich nicht, wenn er absolut-erster Grundsatz seyn soll.
Was Fichte hier versucht, kann nur in der Lesart des subjektiven Idealismus überhaupt erst erfolgversprechend versucht werden. Dass es nämliche Unbedingheit geben kann, ist nur unter der Voraussetzung möglich, dass es ein alle Bedingungen selbst setzendes Etwas gebe (das allgemeinste Ich), das als Bedingung alles Bedingten selbst unbedingt sein muss. Dass es so eine 'Urstelle aller Wahrheit' überhaupt gibt, kann man wenigstens hinterfragen.



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Jörn Budesheim
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Sa 14. Sep 2019, 13:03

Alethos hat geschrieben :
Sa 14. Sep 2019, 11:13
Dass wir den Zwang des Formalismus durch ihn selbst einsehen können sollen, halte ich für eine gewagte Hypothese, die wenigstens ein paar Erklärungen verlangt. Was soll es heissen, dass etwas aus etwas folgt? Man muss wenigstens die Wenn-Dann-Regel erkennen und anerkennen können. Dafür muss sie erst einmal begriffen worden sein, was nicht geht ohne ein anderes. Und deshalb ist es durch dieses andere, dass sie verstanden werden kann und fundiert wird als unumstösslich und für sich selbst stehend.
Die Fähigkeit, etwas einzusehen mag durch vieles bedingt sein. Diese Bedingungen kann man aber nicht einfach dem zuschlagen, was einzusehen ist. Die Studenten der fraglichen Vorlesung mussten sprechen lernen, mussten schreiben lernen, mussten sich immatrikulieren und vieles andere mehr ... es war ein langer Weg bis in den Hörsaal. Und jetzt sind sie in der Situation, wo sie dieses Erlebnis haben müssen, wie sich der Professor ausdrückt, das ihn keiner abnehmen kann. Dass es Gründe und Ursachen für dieses Erlebnis gibt, heißt einfach nicht, dass es Gründe und Ursachen für die Form des Syllogismus gibt.

Die Bedingungen der Erkenntnis sind nicht zugleich die Bedingungen des Erkannten.




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Sa 14. Sep 2019, 14:08

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 14. Sep 2019, 13:03
Die Bedingungen der Erkenntnis sind nicht zugleich die Bedingungen des Erkannten.
Was ich auch nicht behauptet habe. Vielmehr sagte ich, dass sich die Bedingungen des Erkannten und der Erkenntnis nicht durch sich selbst einsehen lassen, sondern durch Gegenseitigkeit, also sich aus einander zeigen. Das ist beim syllogistischen Schluss formaliter genau so: Der Schluss bedingt einen Obersatz. Und die Schlussregel kann nicht selbstevident sein genau deshalb: wegen der Verkettung von etwas mit etwas anderem. Es braucht sowohl etwas als auch etwas anderes, damit die Regel die Art und Weise der Verkettung von Prämisse und Konklusion sein kann. Aber als solche ist sie nicht selbstevident, sondern muss als Relation akzeptiert werden. Sie ist auch nicht abstreitbar, aber deshalb doch nicht sich selbst beweisend. Sie ist die Bedingung des Beweises selbst.

Auch Naturgesetze, die du weiter oben angeführt hast. Sie können nicht wiederum durch anderes begründet werden, aber deshalb sind sie ja nicht selbstevident, sondern einfach unumstössliche Grundlage der Physikalität und zeigen sich an jeweils etwas anderem: dem fallenden Apfel, der Kohäsion von Molekülen etc. Nie durch sich selbst.

Ich störe mich nicht daran, dass es unbestreitbare, unhintergehbare Tatsachen gibt, ich möchte sie nur nicht für selbstevident gehalten wissen. Denn das sind sie nicht: Evidenz heisst ja Beweis, Selbstevidenz dann Selbstbeweis. Aber was wollte der Selbstbeweis denn anderes beweisen können als das zu Beweisende? Das ist im besten Fall zirkulär, im schlechtesten Fall ohne Inhalt.



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Sa 14. Sep 2019, 14:18

Alethos hat geschrieben :
Sa 14. Sep 2019, 14:08
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 14. Sep 2019, 13:03
Die Bedingungen der Erkenntnis sind nicht zugleich die Bedingungen des Erkannten.
Was ich auch nicht behauptet habe.
Was soll das folgende Zitaten ansonsten bedeuten?
Dafür muss sie erst einmal begriffen worden sein, was nicht geht ohne ein anderes.




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Alethos hat geschrieben :
Sa 14. Sep 2019, 14:08
Auch Naturgesetze, die du weiter oben angeführt hast.
Oops? Wo?




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Sa 14. Sep 2019, 14:29

Hier noch mal, was mit selbstevident wirklich gemeint ist:
Titus Stahl hat geschrieben : [das intuituve Wissen ist ein »nicht-inferenzielles Wissen] »Nicht-inferenziell« meint: Wir leiten unsere Urteile [...] nicht von anderen Urteilen ab, sondern erfassen die Wahrheit dieser Urteile direkt. Wie aber soll diese »Erfassung« verstanden werden? Die Idee des Intuitionismus ist dabei die folgende: Wir können [das fragliche] Wissen haben, wenn manche Aussagen [...] »selbstevident« sind, wenn also (vereinfacht) folgendes gilt: (Selbstevidenz): Die Aussage, dass p, ist dann selbstevident, wenn jeder, der »p« vollständig versteht, weiß, dass p wahr ist, ohne weitere Überzeugungen zu benötigen, aus denen er die Wahrheit von p ableiten kann. Solches Wissen, das auf Selbstevidenz beruht, haben wir zum Beispiel im Hinblick auf einfache mathematische Zusammenhänge.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 14. Sep 2019, 14:20
Alethos hat geschrieben :
Sa 14. Sep 2019, 14:08
Auch Naturgesetze, die du weiter oben angeführt hast.
Oops? Wo?
Sorry, anderer Thread. Und du hast auch nichts von Selbstevidenz im Zusammenhang mit Naturgesetzen gesagt. Sorry.



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Alethos hat geschrieben :
Sa 14. Sep 2019, 14:08
Evidenz heisst ja Beweis, Selbstevidenz dann Selbstbeweis.
Evident heißt laut Lexikon: unmittelbar einleuchtend, keines Beweises bedürfend, augenfällig, offenkundig




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