Weltoffenheit schließt die Wirklichkeit auf
- Jörn Budesheim
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Der Philosoph Franz Josef Wetz hat ein Buch über die Duineser Elegien von Rilke geschrieben, dort findet man in der Einleitung:
Nicht die vertraute Enge eingespielter Routinen, sondern die mit der Unsicherheit verknüpfte Weltoffenheit schließt uns Menschen die Wirklichkeit als solche auf.
Nicht die vertraute Enge eingespielter Routinen, sondern die mit der Unsicherheit verknüpfte Weltoffenheit schließt uns Menschen die Wirklichkeit als solche auf.
Mein erster Gedanke geht mehr in die Richtung, sich nicht auf veränderte Bedingungen, meistens gesellschaftliche Änderungen, einstellen zu können, weil man sich in den alten Bedingungen zu sehr eingerichtet hat, dass man da nicht mehr raus will.
Der, die, das.
Wer, wie, was?
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Ich finde, das ist eine Auslegung, die sich mit dem Zitat gut verträgt, auch wenn ich es noch weiter fassen würde.
- Jörn Budesheim
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Wichtig ist, dass diese Offenheit, die Rilke nach Wetz fordert, die Kehrseite unserer metaphysischen Heimatlosigkeit ist. Diese Offenheit und die Tatsache, dass wir in der gedeuteten Welt nicht sehr verlässlich zu Hause sind, gehören zusammen. So jedenfalls verstehe ich Wetz.
Ich denke, da ist noch etwas, das zusammengehört: Die Welt ist veränderlich; laufend gibt es neue Probleme, an denen zerbricht jede festgelegte Routine und Geborgenheit, daher muss ein Lebewesen weltoffen sein, aus dem Nest kommen, um neues zu erfahren, Lösungen zu finden und zu testen, woraus dann wieder ein neues, vorläufiges Nest entsteht. Und so weiter. So schwingt das Pendel hin und her zwischen Einkehr und Auskehr. Nacht und Tag.
Auch wenn jetzt jemand zusammen zucken sollte....was ist metaphysische Heimatlosigkeit bzw. was ersteht man darunter?
Ja, ich habe versucht, es herauszubekommen, aber irgendwie bin ich dafür wohl zu phantasielos.
Ja, ich habe versucht, es herauszubekommen, aber irgendwie bin ich dafür wohl zu phantasielos.
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Wenn man sich die Welt als einen Kosmos vorstellt, also als ein wohlgeordnetes Ganzes, in dem alles seinen richtigen Platz hat, auch der Mensch, dann kann der Mensch in diesem Bild seine relativ klar umrissene Heimat finden. Wird dieses Bild in Frage gestellt, dann muss sich jeder Einzelne seinen Platz in der Wirklichkeit selbst "erkämpfen", d.h. Heimatlosigkeit hat in dieser Sicht ihre Schatten, aber auch ihre Lichtseiten. Manchmal scheint alles bodenlos, manchmal alles offen.
Die Unsicherheit als Wirklichkeit aufschließende Weltoffenheit "positiv gewendet"... Routinen dagegen sind konservativ - sie haben "mit der Welt bereits abgeschlossen" und erwarten, ja "wollen" auch nichts Neues mehr.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 2. Nov 2023, 20:14"Nicht die vertraute Enge eingespielter Routinen, sondern die mit der Unsicherheit verknüpfte Weltoffenheit schließt uns Menschen die Wirklichkeit als solche auf."
Die Sache mit der Heimatlosigkeit ist mir immer noch nicht klar.
Nur weil dieses Bild in Frage gestellt wird (von uns selber), ist dieses Bild einer relativ klar umrissenden Heimat doch nicht verschwunden. Es ist hat sich nur verändert.
Und Routinen lassen sich auch ändern bzw. anpassen.
Nur weil dieses Bild in Frage gestellt wird (von uns selber), ist dieses Bild einer relativ klar umrissenden Heimat doch nicht verschwunden. Es ist hat sich nur verändert.
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Stefanie, ich denke, das Bild einer metaphysischen Heimat ist zwar nicht verschwunden, aber dieses Bild müssen wir selber erfinden. Wir erfinden Religionen oder Philosophien, bekommen aber auf unsere Fragen keine sicheren Antworten.
Hingegen bekommen wir einigermaßen sichere Antworten auf die Fragen der physischen Heimat (ohne meta). Wir schauen auf die Landschaft oder durchs Teleskop. Unsere Eindrücke sind da auch nicht absolut gewiss, aber doch erheblich sicherer als unsere Erfindungen im Bereich der Metaphysik.
Stefanie, ich denke, das Bild einer metaphysischen Heimat ist zwar nicht verschwunden, aber dieses Bild müssen wir selber erfinden. Wir erfinden Religionen oder Philosophien, bekommen aber auf unsere Fragen keine sicheren Antworten.
Hingegen bekommen wir einigermaßen sichere Antworten auf die Fragen der physischen Heimat (ohne meta). Wir schauen auf die Landschaft oder durchs Teleskop. Unsere Eindrücke sind da auch nicht absolut gewiss, aber doch erheblich sicherer als unsere Erfindungen im Bereich der Metaphysik.
- Jörn Budesheim
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Vielleicht noch ein Wort zu Ausdruck "Metaphysik" .
Es gibt Kontexte in der Philosophie, in denen die Begriffe Metaphysik und Ontologie fast synonym verwendet werden. Nach einem weit verbreiteten Verständnis jedoch, jedenfalls soweit ich es überblicke, werden die Begriffe unterschieden. In einem dicken Einführungswerk zur Geschichte der Metaphysik, das irgendwo bei mir im Regal steht, unterscheidet der Autor wie folgt: Die Metaphysik befasst sich mit der Welt als Ganzer. Ontologie hingegen ist die Lehre vom Sein und beschäftigt sich z.B. mit der Frage, was der Begriff des Seins eigentlich bedeutet.
Ein Beispiel: Markus Gabriel betreibt Ontologie und ist ein Anti-Metaphysiker :)
Für viele ist die Philosophie eigentlich gar nicht mehr für die Metaphysik zuständig, sondern diese wird in der Regel ganz der Physik zugeordnet. In diesem Verständnis sind wir metaphysisch heimatlos, weil die Welt als Ganzes völlig anonymen Prozessen unterliegt.
Es gibt Kontexte in der Philosophie, in denen die Begriffe Metaphysik und Ontologie fast synonym verwendet werden. Nach einem weit verbreiteten Verständnis jedoch, jedenfalls soweit ich es überblicke, werden die Begriffe unterschieden. In einem dicken Einführungswerk zur Geschichte der Metaphysik, das irgendwo bei mir im Regal steht, unterscheidet der Autor wie folgt: Die Metaphysik befasst sich mit der Welt als Ganzer. Ontologie hingegen ist die Lehre vom Sein und beschäftigt sich z.B. mit der Frage, was der Begriff des Seins eigentlich bedeutet.
Ein Beispiel: Markus Gabriel betreibt Ontologie und ist ein Anti-Metaphysiker :)
Für viele ist die Philosophie eigentlich gar nicht mehr für die Metaphysik zuständig, sondern diese wird in der Regel ganz der Physik zugeordnet. In diesem Verständnis sind wir metaphysisch heimatlos, weil die Welt als Ganzes völlig anonymen Prozessen unterliegt.
Die Philosophie wird in der Regel ganz der Physik zugeordnet?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 5. Nov 2023, 07:40Für viele ist die Philosophie eigentlich gar nicht mehr für die Metaphysik zuständig, sondern wird in der Regel ganz der Physik zugeordnet.
Oder die Metaphysik wird in der Regel ganz der Physik zugeordnet?
- Jörn Budesheim
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Ja, da fehlt ein Wort. Die Metaphysik wird der Physik zugeordnet, weil die Physik die Disziplin ist, die sich mit der Welt als Ganzer beschäftigt.
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Das Metaphysik betrieben wird, bedeutet doch nicht ineins, dass wir eine metaphysische Heimat haben.
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Du hast hier , wenn ich dich richtig verstehe, einen ganz anderen Begriff von Metaphysik als ich. Wenn ein Physiker der Ansicht ist, dass er über die Welt als Ganze spricht, dann betreibt er Metaphysik, ganz egal ob er durchs Teleskop schaut oder was auch immer er tut.
Das eine bedingt das andere: Das "Ganze" kennenzulernen, ist unmöglich; man kann nur darüber spekulieren. Was über das Beobachtbare hinausgeht, betrachte ich als Metaphysik. Sie ist unbeobachtbar. Auch das "Ganze" ist unbeobachtbar.
Einstein war Physiker und Philosoph.
Wenn er aß, war er ein Esser.
Wenn er schlief, war er ein Schläfer.
Wenn er Physik betrieb, war er ein Physiker.
Wenn er Metaphysik betrieb, war er ein Philosoph.
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Deswegen sage ich ja, dass wir einen unterschiedlichen Begriff von Metaphysik haben, für dich - so scheint es mir - ist es Metaphysik, weil es Spekulation ist, für mich ist es Metaphysik, weil der Gegenstand die Welt als Ganze ist.