Ich stimme zu. Alles Denken ist Vorstellung, man sollte zwischen der Vorstellung von real Seiendem und Möglichem sowie von konsistent Denkmöglichem und -unmöglichem unterscheiden. Je komplizierter, gehaltvoller das Denken ist, desto delikater wird die Feststellung der Angemessenheit des Denkens. Und selbstverständlich überschneidet sich, was wir zu differenzieren versuchen.
Phantasie
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Jörn hatte ja Cavell zitiert, der u.a. schreibt: "auf unsere Phantasien zu verzichten bedeutete, auf unseren Kontakt mit der Welt zu verzichten". Dem kann ich zustimmen. Ich glaube, dass der Weltkontakt und das in-Beziehung-Sein des Menschen über die Phantasie läuft. Der Mensch hat einen Horizont, d.h., er ist auch im Fortschreiten immer begrenzt und umgeben von Unbekanntem, Nicht-Gewusstem - von Dingen, die man aber glauben, vermuten, ahnen oder hoffen kann. Das Wissen ist begrenzt, aber die Phantasie nicht: Sie ermöglicht auch dort noch Kontakt, wo es gerade kein Wissen mehr gibt, weil es z.B. gar keine Möglichkeit objektiver Prüfung von Tatsachen mehr gibt.
Man kennt eine Szene wie diese aus Filmen, in der die Eltern zum Kind sagen : Du darfst überall spielen, aber geh' nie durch diese Tür. Mit diesem Tabu geben sie dem Kind Gelegenheit zum Phantasieren. Die Phantasie ist das Organ, dass selbst dort noch Verbindungen zur Welt herstellt, wo es keine gibt - weil es Orte, Zeiten usw. gibt, an denen wir nicht sind oder je sein werden. Die Phantasie malt die leeren Stellen aus, über die wir als Menschen nichts wissen können, in die wir uns aber 'versetzen' können. Ich denke, dass die Situation des Kindes vor der verschlossenen Tür für den Menschen als solchen charakteristisch ist. Bekanntes verweist auf Verborgenes, jede Klarheit enthält und erzeugt Unklarheiten, jede Lösung eines Problems ist Ausgangspunkt neuer Probleme. Man kann den Weg vom Diesseits zum Jenseits der Tür nicht faktisch gehen...aber die Phantasie ist die Brücke, sie schließt die Lücke.
Auch im Praktischen funktioniert das: "Wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her". Mit solchen Phantasmen kann sich der Mensch in scheinbar auswegloser Lage vormachen, dass es doch wieder irgendwie weitergeht. Die persönliche und soziale Erfahrung des Menschen besteht geradezu in diesem Sich-etwas-Vormachen und dem sich auf das Vorgemachte hin entwerfen und orientieren. Ausnahmen wären allenfalls bestimmte Grenzzustände primitiver Gegenwart (etwa im plötzlichen Erschrecken oder im Falle starker Schmerzen), wo das Leben der Phantasie seinen Spielraum verliert und sich die Wirklichkeit aufdringlich wird. Aber in der entlasteten Gegenwart, von der ja auch Gehlens Theorie der Phantasie ausgeht, ist der Weltkontakt immer von Phantasie erfüllt. Erst da wird es ja auch eigentlich menschlich: Denn der Mensch kann die Lücken nicht mit Instinkten oder natürlichen Programmen füllen, sondern muss es eigentätig schaffen. Nur die menschliche Welt hat Lücken oder Offenheiten die es durch Einbildungen zu schließen gilt.
Man kennt eine Szene wie diese aus Filmen, in der die Eltern zum Kind sagen : Du darfst überall spielen, aber geh' nie durch diese Tür. Mit diesem Tabu geben sie dem Kind Gelegenheit zum Phantasieren. Die Phantasie ist das Organ, dass selbst dort noch Verbindungen zur Welt herstellt, wo es keine gibt - weil es Orte, Zeiten usw. gibt, an denen wir nicht sind oder je sein werden. Die Phantasie malt die leeren Stellen aus, über die wir als Menschen nichts wissen können, in die wir uns aber 'versetzen' können. Ich denke, dass die Situation des Kindes vor der verschlossenen Tür für den Menschen als solchen charakteristisch ist. Bekanntes verweist auf Verborgenes, jede Klarheit enthält und erzeugt Unklarheiten, jede Lösung eines Problems ist Ausgangspunkt neuer Probleme. Man kann den Weg vom Diesseits zum Jenseits der Tür nicht faktisch gehen...aber die Phantasie ist die Brücke, sie schließt die Lücke.
Auch im Praktischen funktioniert das: "Wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her". Mit solchen Phantasmen kann sich der Mensch in scheinbar auswegloser Lage vormachen, dass es doch wieder irgendwie weitergeht. Die persönliche und soziale Erfahrung des Menschen besteht geradezu in diesem Sich-etwas-Vormachen und dem sich auf das Vorgemachte hin entwerfen und orientieren. Ausnahmen wären allenfalls bestimmte Grenzzustände primitiver Gegenwart (etwa im plötzlichen Erschrecken oder im Falle starker Schmerzen), wo das Leben der Phantasie seinen Spielraum verliert und sich die Wirklichkeit aufdringlich wird. Aber in der entlasteten Gegenwart, von der ja auch Gehlens Theorie der Phantasie ausgeht, ist der Weltkontakt immer von Phantasie erfüllt. Erst da wird es ja auch eigentlich menschlich: Denn der Mensch kann die Lücken nicht mit Instinkten oder natürlichen Programmen füllen, sondern muss es eigentätig schaffen. Nur die menschliche Welt hat Lücken oder Offenheiten die es durch Einbildungen zu schließen gilt.
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Jede aktuelle Wahrnehmung ist in vielen verschiedenen Hinsichten lückenhaft. Ich denke, ohne Fantasie (ich bleibe jetzt aus Bequemlichkeit bei Fantasie, weil es kürzer ist. Ebenso verzicht eich auf "Phantasie", weil mir der Rechner dann dauernd Fehler meldet) könnten wir diese Lücken nicht füllen und nichts, was uns begegnet, wäre verständlich. Wir wären Gefangene leerer Momente.
Wenn von Simulation die Rede ist, dann wird auch oft von Virtualität gesprochen. Kann man Imagination (Einbildung/Vorstellung) qua simulierte Perzeption (Wahrnehmung) gleichermaßen als virtuelle Perzeption (Wahrnehmung) bezeichnen?"How should the term ‘simulation’ be understood…? …[T]he general approach I recommend, fairly consonant with a good bit of the simulationist literature (though not all of it), is keyed to the notions of similarity, copying, or replication. Very roughly, one process successfully simulates another, in the intended sense, only if the first process copies, replicates, or resembles the target process, at least in relevant respects. A process needn’t successfully simulate its target process, however, to qualify as simulation. If a process is launched in an attempt to replicate another process (either actual or possible), it can be considered a simulation even if it fails quite miserably to copy or replicate its target. Furthermore, even to be successful, process P does not have to replicate all aspects or stages of process P' in order to simulate P′; it suffices to replicate relevant stages and aspects of P′ (relevant to the task at hand)."
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"Wie ist der Begriff ‚Simulation‘ zu verstehen…? …[D]er allgemeine Ansatz, den ich empfehle und der mit einem Großteil der simulationsorientierten Literatur (wenn auch nicht mit der gesamten) ziemlich übereinstimmt, basiert auf den Begriffen Ähnlichkeit, Kopieren oder Replikation. Ganz grob gesagt simuliert ein Prozess einen anderen im beabsichtigten Sinne nur dann erfolgreich, wenn der erste Prozess den Zielprozess kopiert, repliziert oder ihm zumindest in relevanten Aspekten ähnelt. Ein Prozess muss seinen Zielprozess jedoch nicht erfolgreich simulieren, um als Simulation zu gelten. Wenn ein Prozess gestartet wird, um einen anderen Prozess (egal ob tatsächlich oder möglich) zu replizieren, kann er als Simulation betrachtet werden, auch wenn er beim Kopieren oder Replizieren seines Ziels kläglich scheitert. Darüber hinaus muss Prozess P, selbst um erfolgreich zu sein, nicht alle Aspekte oder Phasen von Prozess P´ replizieren, um P‘ zu simulieren; es reicht aus, relevante Phasen und Aspekte von P´ (relevant für die vorliegende Aufgabe) zu replizieren." [Übersetzt von Google Translate]
(Goldman, Alvin. "Simulation Theory and Cognitive Neuroscience." In Stich and His Critics, edited by Dominic Murphy and Michael Bishop, 137-151. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 2009. p. 139)
Wenn wir zwischen virtueller Perzeption (= Imagination) und reeller Perzeption unterscheiden, dann haben beide nichtsdestoweniger einen reellen Inhalt: originale, nichtsimulierte Sinneseindrücke (Impressionen) im Fall reeller Wahrnehmung und simulierte Sinneseindrücke (Impressionen) im Fall virtueller Wahrnehmung (= Vorstellung/Einbildung). Denn simulierte Impressionen als Vorstellungsinhalte sind nicht nichts, sondern etwas, wenngleich sie sich qualitativ von nichtsimulierten Impressionen als Wahrnehmungsinhalten unterscheiden."Or on définit souvent l'imagination comme une perception virtuelle et al perception comme une imagination réelle…."
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"Nun definiert man Einbildung/Vorstellung oft als eine virtuelle Wahrnehmung und Wahrnehmung als eine reale Einbildung/Vorstellung…."
(Caillois, Roger. La Nécessité d´Esprit. Paris: Gallimard, 1981. S. 153)
Hume unterscheidet zwischen impressions und ideas, wobei er unter Letzteren images of impressions versteht. Einbildungsinhalte sind also geistige "Eindrucksbilder" (qua simulierte Sinneseindrücke). Das Wort "Bild" bezieht sich hier nicht nur auf Geistesbilder von Gesichtseindrücken (visuellen Eindrücken), sondern auf alle möglichen Arten von Geistesbildern von Sinneseindrücken, z.B. von Gehör-, Geruchs-, Geschmacks- oder Tasteindrücken.
Ein wichtiger Punkt: Wie verhalten sich Imaginationen und Halluzinationen zueinander?
Die Gelehrten streiten sich darüber, ob Träume zu Ersteren oder Letzteren gehören.
Halluzinationen sind jedenfalls genauso wenig reelle Perzeptionen wie Imaginationen, aber es besteht ein Unterschied hinsichtlich ihrer Inhalte; denn Halluzinationen beinhalten wie reelle Perzeptionen originale, nichtsimulierte Sinneseindrücke, wohingegen Imaginationen simulierte Sinneseindrücke (Geistesbilder von Sinneseindrücken) beinhalten.
Das Halluzinieren einer Schlange mag aus der subjektiven Perspektive dem reellen Perzipieren einer Schlange gleichen, aber es unterscheidet sich phänomenologisch vom Imaginieren einer Schlange. Denn, wie gesagt, Halluzinationen beinhalten originale, nichtsimulierte Sinneseindrücke, die sich qualitativ von den simulierten Sinneseindrücken unterscheiden, die Imaginationen beinhalten.
Was Halluzinationen von reellen externen Perzeptionen unterscheidet, ist, dass an der Verursachung Ersterer keine exogenen Stimuli beteiligt sind.
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
Spannend für mich ist die Frage, was der Unterschied zwischen real und irreal ausmacht. Ich denke, der für mich erkennbare Unterschied besteht nur darin, dass die sogenannten "realen" Eigenschaften intensiver sind als die sogenannten "irrealen" Eigenschaften. Ein Apfelsaft in der sogenannten "Wirklichkeit" schmeckt intensiver als ein Apfelsaft im sogenannten "Traum". Mehr lässt sich zum Unterschied nicht sagen, vermute ich. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob es nur zwei Abstufungen gibt -- real und irreal --, oder ob es nicht mehrere Wirklichkeitsstufen gibt. Ich sehe keinen Grund zur Annahme, dass es sich hier um eine binäre Angelegenheit handeln müsste, zumal da auch die Quantenphysik in vielerlei Weisen mitspielen könnte. Ich meine das jetzt nicht im Sinne der logischen Wahrheitstheorie, wo es tatsächlich nur wahr oder unwahr geben kann, sondern ich rede von der empirischen "Wirklichkeit"; das ist ja bekanntlich ein anderer Begriff als der Wahrheitsbegriff.
Dazu mal ein Gedanke:
Ich denke, dass es gerade die Phantasie ist, die den Gegensatz von real und irreal überbrückt. Die Rückseite eines Hauses sehe ich nicht, aber sie ist nicht irreal. Sie ist ebenso wirklich wie die gesehene Seite - aber sie wird, anders als die gesehene Seite, durch die Phantasie realisiert. Alles Abwesende ist in diesem Sinne nicht einfach irreal, sondern auf phantastische Weise realisiert. Die Phantasie ist m.E. der Ursprung der Differenz von real und irreal: Es handelt sich selbst um einen phantasieentsprungenen Gegensatz. (Es wäre daher aus meiner Sicht falsch zu sagen, dass es das Wirkliche unabhängig vom Unwirklichen gibt. Das Unwirkliche als solches gibt es ja gar nicht; aber alles Wirkliche ist geradezu durchtränkt von Irrealem.)
Subjektive Erscheinungen, Empfindungen, Eindrücke sind selbst Teil der Realität. Hier bedeutet "Realität" schlicht "Existenz" oder "Dasein"; und es gibt nichts zwischen Existenz/Dasein und Nichtexistenz/Nichtdasein. Es gibt aber einen engeren Realitätsbegriff, bei dem es auf eine bestimmte Art unabhängiger Existenz ankommt, wobei es nichtbinäre Grade von (ontologischer) Unabhängigkeit und somit nichtbinäre Grade von Realität in diesem Sinn geben kann—je nachdem, wie unabhängig etwas Daseiendes von etwas anderem ist. (Beim weiteren Realitätsbegriff spielt die Frage der Unabhängigkeit dagegen keine Rolle.)Quk hat geschrieben : ↑Di 12. Nov 2024, 03:37Spannend für mich ist die Frage, was der Unterschied zwischen real und irreal ausmacht. Ich denke, der für mich erkennbare Unterschied besteht nur darin, dass die sogenannten "realen" Eigenschaften intensiver sind als die sogenannten "irrealen" Eigenschaften. Ein Apfelsaft in der sogenannten "Wirklichkeit" schmeckt intensiver als ein Apfelsaft im sogenannten "Traum". Mehr lässt sich zum Unterschied nicht sagen, vermute ich. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob es nur zwei Abstufungen gibt -- real und irreal --, oder ob es nicht mehrere Wirklichkeitsstufen gibt. Ich sehe keinen Grund zur Annahme, dass es sich hier um eine binäre Angelegenheit handeln müsste, zumal da auch die Quantenphysik in vielerlei Weisen mitspielen könnte. Ich meine das jetzt nicht im Sinne der logischen Wahrheitstheorie, wo es tatsächlich nur wahr oder unwahr geben kann, sondern ich rede von der empirischen "Wirklichkeit"; das ist ja bekanntlich ein anderer Begriff als der Wahrheitsbegriff.
"Generic Realism: a, b, and c and so on exist, and the fact that they exist and have properties such as F-ness, G-ness, and H-ness is (apart from mundane empirical dependencies of the sort sometimes encountered in everyday life) independent of anyone’s beliefs, linguistic practices, conceptual schemes, and so on."
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"Generischer Realismus: a, b und c usw. existieren, und die Tatsache, dass sie existieren und Eigenschaften wie F-Sein, G-Sein und H-Sein haben, ist (abgesehen von banalen empirischen Abhängigkeiten, wie sie manchmal im Alltag auftreten) unabhängig von den Überzeugungen, sprachlichen Praktiken, konzeptuellen Schemata usw. einer Person." [Übersetzt von Google Translate]
Realism: https://plato.stanford.edu/entries/realism/
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RoloTomasi hat geschrieben : ↑Di 12. Nov 2024, 08:54Ich denke, dass es gerade die Phantasie ist, die den Gegensatz von real und irreal überbrückt. Die Rückseite eines Hauses sehe ich nicht, aber sie ist nicht irreal. Sie ist ebenso wirklich wie die gesehene Seite - aber sie wird, anders als die gesehene Seite, durch die Phantasie realisiert.
In einer Kurzgeschichte (aus dem sehr empfehlenswerten Buch 113 einseitige Geschichten) bemerkt eine junge Frau am Abend beim Blick in den Spiegel, dass sie sich den ganzen Tag über sich selbst im Irrtum befunden hat. Sie war überzeugt, eine ganz bestimmte Bluse (die mit dem besonderen Kragen) getragen zu haben, stellt nun aber fest, dass es eine andere war. Ihr gesamter Habitus über den Tag hinweg – der sich auch an der imaginierten Bluse orientierte – war also gewissermaßen verfehlt, weil er auf einer falschen Vorstellung ihrer Erscheinung basierte und nicht auf ihrer tatsächlichen Erscheinung. Auch all ihre Vorstellungen darüber, wie sie auf andere gewirkt haben könnte, gründeten auf dieser, zumindest teilweise, verfehlten Fantasie. Ob die anderen ihre Erscheinung überhaupt so aufmerksam wahrgenommen haben, wie sie es sich ausmalte, ist ohnehin fraglich.
Doch wie ließe sich bestimmen, welche Fantasien, durch die wir uns im Großen wie im Kleinen definieren, der Wirklichkeit entsprechen und welche nicht? Eine klare Trennung scheint kaum möglich; vielmehr dürfte es ein Ineinanderwirken von Fantasie und Wirklichkeit geben, wobei das eine das andere formt. Die Vorstellung von der Bluse hatte ja reale Auswirkungen auf ihr Selbstbild und ihr Verhalten.
Vielleicht zeigt sich hier ein interessantes Phänomen: Fantasie ist keine bloße Illusion, die wir einfach durchschauen und ablegen könnten. Sie ist vielmehr ein Teil unserer Selbstwahrnehmung, durch die sich unser Selbstbild immer wieder neu formt, irgendwo zwischen Realität und Vorstellung. Die imaginierte Bluse war zwar nicht „echt“, doch die Wirkung, die sie auf das Selbstgefühl und die Erwartungen der Frau an das Urteil anderer hatte, war durchaus real.
Nachtrag: In dieser kleinen Geschichte spielt eine verfehlte Fantasie die Hauptrolle. Doch ich glaube, dass Fantasien in der Regel unser Zugang zur Wirklichkeit sind. Vieles müssen wir imaginieren, weil die Sinneswahrnehmung allein nie ausreicht, um ein vollständigeres und angemesseneres Bild der Umstände zu haben. In diesen Fällen leistet die Fantasie ihren alltäglichen, unverzichtbaren Beitrag. Damit greife ich auch (aber nicht nur) Rolo auf: „Die Rückseite eines Hauses sehe ich nicht, aber sie ist nicht irreal. Sie ist ebenso wirklich wie die gesehene Seite – aber sie wird, anders als die gesehene Seite, durch die Phantasie realisiert.“ Wir leben gewissermaßen in einer Fantasiewelt – und dies ist zugleich die Bedingung der Möglichkeit dafür, die Dinge so zu sehen, wie sie (im Großen und Ganzen) wirklich sind.
Interessanterweise spricht Husserl in Bezug auf die Phantasie (Einbildung/Vorstellung) von "Quasi-Wahrnehmung", "Quasi-Empfindung" und "Quasi-Erscheinung". (Zur Bedeutung des Präfixes im Lateinischen: quasi)
Vorstellung als simulierte oder virtuelle Wahrnehmung ist Quasi-Wahrnehmung. Simulierte Sinneseindrücke sind Quasi-Sinneseindrücke.
Vorstellung als simulierte oder virtuelle Wahrnehmung ist Quasi-Wahrnehmung. Simulierte Sinneseindrücke sind Quasi-Sinneseindrücke.
"Ich vollziehe die Phantasie von A = die quasi-Wahrnehmung von A."
(S. 182)
"Zunächst sehen wir uns in der allgemeineren Sphäre der Phantasie um. Wenn ich mir das Haus gegenüber (das ich jetzt natürlich nicht sehe) in der Phantasie vergegenwärtige, so sehe ich es "gleichsam", mein Blick schweift auf und ab, ich gehe "in der Phantasie" um das Haus herum und sehe es allseitig. Aber das Sehen ist kein Sehen, es ist so, "als ob" ich sähe. Das Haus ist nicht wirklich gegenwärtig und erscheint nicht "wirklich" als das, und doch ist es "gleichsam gegenwärtig". Das gleichsam Gegenwärtig ist das modifizierte Gegenwärtig, das Vergegenwärtigt. So auch in einer ganz freien Phantasie.
Ich lebe in der quasi-Wahrnehmung und den quasi-Wahrnehmungs-Urteilen und d.i. im Vollziehen von Phantasievorstellungen des Hauses."
(S. 184-5)
"Die Empfindung ist modifiziert zum Phantasma (quasi-Empfindung)…"
(S. 221)
"Ist Wahrnehmungsvorstellung Erscheinung, so ist "Phantasievorstellung" quasi-Erscheinung, gleichsam Erscheinung etc."
(S. 275)
"Was ich habe, ist eine Phantasieerscheinung (also eine quasi-Erscheinung)"
(S. 287)
(Husserl, Edmund. Phantasie, Bildbewusstsein, Erinnerung: Zur Phänomenologie der anschaulichen Vergegenwärtigungen. Texte aus dem Nachlass (1898-1925). Hrsg. v. Eduard Marbach. The Hague: Martinus Nijhoff Publishers, 1980.)
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Ich will das noch mal ein klein wenig ausführen. Unser Erleben ist also nie vollständig. Das hat Ähnlichkeit mit einem Film: Was zwischen den Szenen passiert, müssen wir uns ausmalen. Das gilt in allen Alltagsmomenten: Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf das richten, was hier geschieht, entgeht uns, was dort passiert. Dennoch erleben wir in der Regel einen sinnvollen Erlebnisfluss.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 11. Nov 2024, 16:37Jede aktuelle Wahrnehmung ist in vielen verschiedenen Hinsichten lückenhaft. Ich denke, ohne Fantasie [...] könnten wir diese Lücken nicht füllen und nichts, was uns begegnet, wäre verständlich. Wir wären Gefangene leerer Momente.
Dies geschieht fast in jedem Augenblick, dauernd vollziehen sich Szenenwechsel, die unser Wahrnehmungsfeld verändern. Wir scannen ständig unsere Umgebung auf der Suche nach dem, was wichtig und bedeutsam ist. Dennoch nehmen wir die Szenen als stabil und sinnvoll wahr, auch wenn sie sich fortwährend verändern. Wie gelingt das? Die verschiedenen Szenen werden durch unsere Einbildungskraft zusammengehalten. Diese speist sich (auch) aus unseren Erfahrungen, die sie in Erwartungen ummünzt. Das gerade Erlebte klingt noch nach, und das, was wir erwarten können, kündigt sich dank unserer Fantasie schon an. Es fließt.
Markus Gabriel drückt es so aus: „Was die indefinit vielen Szenen zusammenhält, sind Fiktionen, d. h. partiell explizierbare Annahmen darüber, wie die jeweils nicht erlebte Umgebung unseres Wahrnehmungsfelds ausstaffiert ist.“
Siehe das Ausgangszitat von Stanley Cavell: „Es ist eine sehr dürftige Auffassung von Phantasie, die sie als eine von der Wirklichkeit gesonderte Welt begreift, eine Welt, die offensichtlich ihre Unwirklichkeit zeigt. Phantasie ist genau dasjenige, womit die Wirklichkeit verwechselt werden kann. Durch Phantasie wird unsere Überzeugung vom Wert der Wirklichkeit gebildet; auf unsere Phantasien zu verzichten bedeutete, auf unseren Kontakt mit der Welt zu verzichten.“
Dieser Gedanke geht jetzt auf Tagträume ein (ich phantasiere im "wachen" Zustand eine Hausrückseite). Damit geht dieser Gedanke einen Schritt weiter hinaus über dasjenige, was ich meinte; ich meinte die "Wirklichkeit" in Nachtträumen. Wenn ich im Nachttraum ein Haus sehe, wie "wirklich" ist das tatsächlich? Beträgt dessen Wirklichkeit tatsächlich null oder doch vielleicht 0,3 oder 0,8? Und ist die sogenannte Wachheit tatsächlich 1,0-fach wirklich?RoloTomasi hat geschrieben : ↑Di 12. Nov 2024, 08:54Dazu mal ein Gedanke:
Ich denke, dass es gerade die Phantasie ist, die den Gegensatz von real und irreal überbrückt. Die Rückseite eines Hauses sehe ich nicht, aber sie ist nicht irreal. Sie ist ebenso wirklich wie die gesehene Seite - aber sie wird, anders als die gesehene Seite, durch die Phantasie realisiert. Alles Abwesende ist in diesem Sinne nicht einfach irreal, sondern auf phantastische Weise realisiert. Die Phantasie ist m.E. der Ursprung der Differenz von real und irreal: Es handelt sich selbst um einen phantasieentsprungenen Gegensatz. (Es wäre daher aus meiner Sicht falsch zu sagen, dass es das Wirkliche unabhängig vom Unwirklichen gibt. Das Unwirkliche als solches gibt es ja gar nicht; aber alles Wirkliche ist geradezu durchtränkt von Irrealem.)
Noch spannender wird die Frage in der Tat, wenn sie die "wache" Einbildungskraft angeht. Für mich ist das nach wie vor eine faszinierende philosophische Frage, die noch lange nicht geklärt ist.
Im Traum sieht man ja eigentlich gar nichts, man hat jedenfalls keine abgeschwächte Wahrnehmung eines Hauses. Und dass der Apfelsaft im Traum vielleicht weniger intensiv schmeckt, liegt letztlich doch wohl daran, dass man ja auch im Traum gar keinen Apfelsaft trinkt. Aber unabhängig vom Thema Traum finde ich es tatsächlich interessanter, wie die Phantasie im wachen Leben wirkt. Das Kuriose ist aus meiner Sicht, dass es auch im normalen Wahrnehmen nicht einfach Häuser oder sonstige Sachen gibt, sondern immer nur Andeutungen, Schemen oder Abkürzungen von irgendwelchen Sachen. Und selbst wenn man sich ein Haus mal 'so richtig' anschaut: auch dann kriegt man nur Andeutungen in den Blick (niemals die Rückseite, aber z.B. auch nie das Innere, wenn man draußen davorsteht.) Die Phantasie ist also immer schon im Spiel, wenn wir 'ein Haus sehen' oder wenn wir sonstige Dinge oder Sachverhalte sehen. Aber es ist nicht so, dass die Phantasie uns die fehlenden Seiten 'träumen' lässt, sondern - viel verrückter: Es fehlt gar nichts. Denn durch die Phantasie sehen wir im bloßen Aspekt (oder in einer flüchtigen Andeutung) doch das Ganze.
Ich sehe es genau wie Du, Quk: "Für mich ist das [mit der Phantasie] nach wie vor eine faszinierende philosophische Frage, die noch lange nicht geklärt ist".
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Könnte es ohne Fantasie Utopien geben, Vorstellungen von einer besseren Welt z.B?
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Stellen wir uns vor, wir sitzen am Frühstückstisch bei Kaffee oder Tee und fantasieren, wie wir den Tag verbringen wollten. Die Fantasien wären jedoch genauso intensiv und in jeder Hinsicht identisch, wie unsere lebendigen Wahrnehmungen.
Rolo, ja, die Sehnerven liefern nur Andeutungen; das komplette Bild ensteht erst durch andere mentale "Vervollständigungen", oder wie auch immer man das nennen will. Ob ich das "Fantasie" nennen kann, da bin ich mir nicht sicher. Ich vermute, das sind teils Lebenserfahrungen (wie etwa Schatten- oder Glanzerkennungen) und teils angeborene Vervollständigungs-Automatismen (siehe optische Illusionen). Beim Anblick eines Hauses, dessen Westseite dunkel ist, wird mir automatisch klar, dass die Westseite nicht dunkel angemalt ist, sondern einfach nur nicht beleuchtet ist, weil mir meine Lebenserfahrung automatisch sagt, dass alle Hausseiten mit der gleichen Farbe bemalt wurden. Ist das Fantasie? Hmm.
Beim Begriff Fantasie denke ich an etwas, das eher kreativ ist als automatisch. Wenn ich mir vorstelle, hinterm Haus steht eine blaue Palme mit einem Zylinderhut oben drauf; da würde ich von Fantasie sprechen.
Und solche Fantasien kommen auch im Traum vor. Deswegen erwähne ich den Traum. Hier gibt es übrigens einen weiteren Punkt in Sachen "Intensität". Vorhin habe ich geschrieben, dass geträumte Eigenschaften weniger intensiv seien als solche im Wachzustand. Verrückterweise werden aber bestimmte Fantasien im Traum wiederum intensiver erlebt als Fantasien im Wachzustand. Das muss ich mal sortieren:
Ein Fantasie-Beispiel in drei Varianten.
1. Ein alter Freund sitzt hier am Tisch und wir trinken Bier. Tatsächlich. Keine Fantasie. Die Freude ist riesig und das Bier schmeckt intensiv.
2. Ich stelle mir jetzt im Wachzustand vor, ein alter verstorbener Freund sitzt hier am Tisch und wir trinken Bier. Die Freude und der Biergeschmack ist kaum zu merken.
3. Ich schlafe und träume, ein alter verstorbener Freund sitzt hier am Tisch und wir trinken Bier. Die Freude ist groß und das Bier schmeckt nach Bier.
Beim Begriff Fantasie denke ich an etwas, das eher kreativ ist als automatisch. Wenn ich mir vorstelle, hinterm Haus steht eine blaue Palme mit einem Zylinderhut oben drauf; da würde ich von Fantasie sprechen.
Und solche Fantasien kommen auch im Traum vor. Deswegen erwähne ich den Traum. Hier gibt es übrigens einen weiteren Punkt in Sachen "Intensität". Vorhin habe ich geschrieben, dass geträumte Eigenschaften weniger intensiv seien als solche im Wachzustand. Verrückterweise werden aber bestimmte Fantasien im Traum wiederum intensiver erlebt als Fantasien im Wachzustand. Das muss ich mal sortieren:
Ein Fantasie-Beispiel in drei Varianten.
1. Ein alter Freund sitzt hier am Tisch und wir trinken Bier. Tatsächlich. Keine Fantasie. Die Freude ist riesig und das Bier schmeckt intensiv.
2. Ich stelle mir jetzt im Wachzustand vor, ein alter verstorbener Freund sitzt hier am Tisch und wir trinken Bier. Die Freude und der Biergeschmack ist kaum zu merken.
3. Ich schlafe und träume, ein alter verstorbener Freund sitzt hier am Tisch und wir trinken Bier. Die Freude ist groß und das Bier schmeckt nach Bier.
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Noch eine Kleinigkeit, die mir gerade in den Sinn kommt: ohne Fantasie kein Möglichkeitssinn.
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Ein Lebewesen könnte große Lebenserfahrungen haben, aber dennoch könnte es ihm an Vorstellungsvermögen mangeln, das ist nicht das Gleiche. Das Vorstellungsvermögen dürfte zwar zu einem großen Teil auf unseren Lebenserfahrungen basieren, aber es muss noch etwas hinzukommen, nämlich eben die besagte Fähigkeit, sich Dinge, die nicht präsent sind oder im landläufigen Sinn gesagt, nicht mal existieren, gegenwärtig zu machen/vorzustellen. "Einbildungskraft ist das Vermögen, einen Gegenstand auch ohne dessen Gegenwart in der Anschauung vorzustellen." (Kant) Mir geht es aber bei diesen Fingerzeigen nicht um Präzision. Mich interessiert im wesentlichen die große Bedeutung der Fantasie in nahezu jedem Moment unseres Lebens.Quk hat geschrieben : ↑Di 12. Nov 2024, 21:49... die Sehnerven liefern nur Andeutungen; das komplette Bild ensteht erst durch andere mentale "Vervollständigungen", oder wie auch immer man das nennen will. Ob ich das "Fantasie" nennen kann, da bin ich mir nicht sicher. Ich vermute, das sind teils Lebenserfahrungen...
Ich gehe auch davon aus, dass das Vermögen der Imagination teilweise fest verdrahtet ist, Fantasie gehört gewissermaßen zu unserer Grundausstattung.
In der Regel unterscheidet man philosophisch zwischen reproduktiver und produktiver Einbildungskraft / Vorstellungsvermögen / Imagination / Fantasie. (Man findet auch: Rekreation, Kreation, Reproduktion und Simulation ...) Die reproduktive Einbildungskraft hilft uns, Bekanntes wieder aufzurufen – oft unbewusst. Dank unserer produktiven Einbildungskraft können wir auch Neues erfinden, etwa indem wir bekannte Elemente kreativ miteinander verbinden, wie in deinem Beispiel mit der blauen Palme und dem Zylinderhut.
Mein persönlicher Zwischenstand zusammengefasst: Unsere Vorstellungskraft hilft uns, die Wirklichkeit richtig zu erfassen, was nicht heißt, dass sie damit nicht auch scheitern kann. Und sie erlaubt uns ebenfalls, die Wirklichkeit unseren Wünschen und Bedürfnissen anzupassen, wenn wir uns vorstellen, wie es wäre, „wenn“. Unsere Fantasie bringt uns also auch ohne direkten Kontakt näher an die Wirklichkeit; sie speist sich vermutlich in aller Regel aus früheren Erfahrungen. Es gibt natürlich auch einen rein spielerischen Einsatz der Fantasie.
Wichtig: Unsere bewussten Imaginationen („was wäre, wenn“) lassen sich zuverlässig von „echten“ Wahrnehmungen unterscheiden, damit wir nicht darin verschwinden und sind ihnen zugleich ähnlich genug, um ähnliche geistige Zustände anzuregen/zu motivieren wie die direkte Wahrnehmung.
Zu der Wirklichkeit, mit der uns die Fantasie in Kontakt bringt, gehören wir und unseresgleichen natürlich selbst. Fantasie ist ein Motor unserer Selbstbestimmung und damit auch unserer Freiheit.
"…und ferner die Phantasie eine gewisse geschwächte Wahrnehmung ist…
(Aristoteles. Rhetorik. Übers. v. Franz G. Sieveke. 3. Aufl. München: Fink [UTB], 1989. S. 59 [1370a])
"…die bloße Vorstellung wiederum eine Art abgeschwächter Wahrnehmung ist…"
(Aristoteles. Rhetorik. Übers. v. Gernot Krapinger. Stuttgart: Reclam, 2007. S. 53 [1370a])
"IMAGINATION therefore is nothing but decaying sense; and is found in men, and many other living creatures, as well sleeping, as waking."
(Hobbes, Thomas. Leviathan. 1651. Edited by J. C. A. Gaskin. Oxford: Oxford University Press, 1998. Pt. 1, ch. 2/2 [p. 11])
"Vorstellung ist also nichts als schwächer werdende Empfindung; und man findet sie bei Menschen wie bei vielen anderen Lebewesen, sowohl im Schlaf wie im Wachen."
(Hobbes, Thomas. Leviathan. 1651. Übers. v. Jutta Schlösser. Hamburg: Meiner, 1996. Tl. 1, Kap. 2 [S. 12])
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
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Das finde ich eigentlich ganz gut. Aber es gibt vielleicht einen Einwand. "Wahrnehmung" ist ein "Erfolgsbegriff". Zu sagen, ich habe diese oder das, wahrgenommen, heißt, dass ich es wirklich wahrgenommen habe. Es ist ungereimt zu sagen, ich habe Müller wahrgenommen, aber er war es nicht. Das Gleiche gilt für Vorstellungen nicht, schätze ich. Na gut - daher eben auch nur "Quasi" :-)
Ich würde sagen: Alles drei sind Phantasien (das hast Du ja auch geschrieben). Und auch das mit der Palme und dem Zylinderhut hinterm Haus ist eine Phantasie. - Ich will im Grunde sagen: Phantasie soweit das Auge reicht.Quk hat geschrieben : ↑Di 12. Nov 2024, 21:49
Ein Fantasie-Beispiel in drei Varianten.
1. Ein alter Freund sitzt hier am Tisch und wir trinken Bier. Tatsächlich. Keine Fantasie. Die Freude ist riesig und das Bier schmeckt intensiv.
2. Ich stelle mir jetzt im Wachzustand vor, ein alter verstorbener Freund sitzt hier am Tisch und wir trinken Bier. Die Freude und der Biergeschmack ist kaum zu merken.
3. Ich schlafe und träume, ein alter verstorbener Freund sitzt hier am Tisch und wir trinken Bier. Die Freude ist groß und das Bier schmeckt nach Bier.

Man muss ja nicht krampfhaft versuchen auseinanderzunehmen, was real ist und was Traum. Und selbst wenn man es versucht, dann steckt darin, in der Analyse, auch schon wieder Phantasie. Die Phantasie überbrückt eben die 'Kluft' Reales und Irreales - und schon das Wort 'Kluft' ist ein Phantasiebegriff (eine Metapher).