zwischen gestern und morgen

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Jörn Budesheim
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Do 14. Feb 2019, 05:49

Hugo Ball hat geschrieben :
KARAWANE

jolifanto bambla ô falli bambla
grossiga m’pfa habla horem
égiga goramen
higo bloiko russula huju
hollaka hollala
anlogo bung
blago bung
blago bung
bosso fataka
ü üü ü
schampa wulla wussa ólobo
hej tatta gôrem
eschige zunbada
wulubu ssubudu uluw ssubudu
tumba ba- umf
kusagauma
ba - umf
Dieses Gedicht geht vielleicht nicht komplett als Un-Sinns-Gedicht durch - zum Beispiel wegen der lautmalerischen Elemente. Versuchen wir das zu übersehen. Wie soll man so einem Gedicht dann interpretieren? Soll man es wie eine Fremdsprache behandeln, die man in die eigene Muttersprache übersetzt, wie etwa bei der radikalen Übersetzung Quines und Davisons? Das hieße ja dem Gedicht den Un-Sinn auszutreiben. Und damit den Sinn auf der Meta-Ebene. Was die Deutung auf der Meta-Ebene ist - darüber mag es letztlich auch keine Einigung geben. In einem Satz vielleicht so: Die Vernunft hatte aus Sicht der Künstler (und auch mancher Philosophen) abgewirtschaftet, dem hieß es etwas ganz anderes entgegen zu setzen.

Auf der Objekt-Ebene muss man das Spiel von Sinn und Unsinn zunächst einmal einfach genießen und mitmachen meine ich. Vielleicht kann man auch tiefer schürfen ... Wie auch immer: "Wir heute" können das Gedicht vermutlich nicht mehr völlig authentisch "verstehen", weil wir die Provokation, die es gewesen sein muss, nicht mehr ohne weiteres nachvollziehen können. Zudem ist das Gedicht heute ein Klassiker - ob das ihm gegenüber letzlichen "fair" ist, weiß ich auch nicht :-)




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Jörn Budesheim
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Do 14. Feb 2019, 06:05

Valéry schreibt bei Gedichten von einem ausgehaltenen "Zögern zwischen Klang und Sinn". Es wäre unfair, so etwas festzustellen. Vor diesem Zögern prallen manche Frage einfach ab - so wie sich vielleicht nicht jeder Augenblick ins Allgemeine übertragen lässt.




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Friederike
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Do 14. Feb 2019, 11:28

... und H. Blumenberg arbeitet, wenn er über Poesie schreibt, bevorzugt mit dem Wort "Grenze". Die Kunst in der Lyrik bestünde u.a., aber hauptsächlich darin, an der Grenze zu schreiben, da, wo der "semantische Dienstwert" der Sprache zu versagen beginnt und in den nicht-sprachlichen, d.h. den Bild-Bereich "umkippt".




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Friederike
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Do 14. Feb 2019, 11:43

Das Hugo Ball-Gedicht bringt mich auf die Frage, ob es bestimmte bildnerische Werke gibt, die für den Wechsel von der gegenständlichen zur nicht gegenständlichen Malerei paradigmatisch stehen? Oder ist es eher ein Prozeß gewesen, in dem diverse Zwischenformen -zwischen gegenständlicher und abstrakter Malerei- entwickelt wurden?




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Stefanie
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Do 14. Feb 2019, 21:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 14. Feb 2019, 06:05
Valéry schreibt bei Gedichten von einem ausgehaltenen "Zögern zwischen Klang und Sinn". Es wäre unfair, so etwas festzustellen. Vor diesem Zögern prallen manche Frage einfach ab - so wie sich vielleicht nicht jeder Augenblick ins Allgemeine übertragen lässt.
Mehrmals gelesen, aber immer noch nicht verstanden. Unfair in Bezug auf das vorherige Gedicht?

...
Zumindest für die Google Spracherkennnung dürfte das Gedicht eine Provokation sein :- )



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Jörn Budesheim
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Fr 15. Feb 2019, 05:01

Nein, nicht nur vor einem bestimmten Gedicht, sondern überhaupt. Also, das Zögern, das Kippen fest zu stellen.




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Jörn Budesheim
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Fr 15. Feb 2019, 09:27

Friederike hat geschrieben :
Do 14. Feb 2019, 11:43
Das Hugo Ball-Gedicht bringt mich auf die Frage, ob es bestimmte bildnerische Werke gibt, die für den Wechsel von der gegenständlichen zur nicht gegenständlichen Malerei paradigmatisch stehen? Oder ist es eher ein Prozeß gewesen, in dem diverse Zwischenformen -zwischen gegenständlicher und abstrakter Malerei- entwickelt wurden?
Ich bin kein Kunsthistoriker. Aber bei dieser Frage taucht natürlich in der Regel zuerst der Name Kandinsky auf. Aber auch hier dürfte es so sein, wie in vielen Bereichen, in denen es "Erfindungen" oder dergleichen gibt. In der Regel werden sie nicht von einer einzelnen Person hervorgebracht sondern von einer ganzen "Bewegung".




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Friederike
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Fr 15. Feb 2019, 09:58

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 15. Feb 2019, 05:01
Nein, nicht nur vor einem bestimmten Gedicht, sondern überhaupt. Also, das Zögern, das Kippen fest zu stellen.
Weil ich jetzt eben wieder, wie gestern schon, auch zuerst nicht verstehe, deswegen schreibe ich es auf. Das Zögern nicht auszuhalten ist unfair. So formuliert finde ich die Aussage für mich eingänglicher.




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Stefanie
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Fr 15. Feb 2019, 22:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 15. Feb 2019, 05:01
Nein, nicht nur vor einem bestimmten Gedicht, sondern überhaupt. Also, das Zögern, das Kippen fest zu stellen.
Ich verstehe das Zitat von Valery nicht, und warum, dass was er sagt, unfair sein soll.
Brett vor dem Kopf.



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Jörn Budesheim
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Sa 16. Feb 2019, 06:55

Das, was Valery sagt, ist nicht unfair. Ich meine, es beschreibt Dinge sogar recht gut. Unfair ist es, wenn man auf diesen Umstand keine Rücksicht nimmt, wenn man also das, was an der Schwelle von Ding und Zeichen ist, allein auf die Seite des Zeichens zieht.




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TsukiHana
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Sa 16. Feb 2019, 10:32

Stefanie hat geschrieben :
Do 14. Feb 2019, 21:26
Zumindest für die Google Spracherkennnung dürfte das Gedicht eine Provokation sein :- )
Das will ich doch stark hoffen! :D

Dada nutzt(e) die Provokation als Mittel der Aufklärung. Seinem Wesen nach ohne Konzept, gerichtet gegen alle bestehenden Konzepte, auch die der Sprache.

Kurt Schwitters, „Die Zute Tute“ (holländisch und deutsch)
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Wozu die Tage zählen!?
(Ф.М. Достоевский)

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