Tommy hat geschrieben : ↑ Fr 25. Mai 2018, 12:26
Ich argumentiere nämlich so, dass der Grund dafür, dass wir was wissen in unserer "Architektur" liegt. Ich stelle die Überlegung in den Raum, dass "etwas zu wissen" eine (ausschliessliche) Fähigkeit biologischer Systeme sein könnte.
Computer wissen eben deshalb nichts, weil sie ganz anders funktionieren.
Wenn deine Prämisse stimmen sollte, dass Wissen eine ausschliessliche Fähigkeit biologischer Systeme ist, hätte deine Konklusion gezeigt, dass Computer nicht wissen können, weil sie keine lebendigen Wesen sind. Da aber gerade die Prämisse in Frage steht, hat die Konklusion keine Beweiskraft, sondern wendet lediglich die zu beweisende Prämisse an. Das ist nach meinem Dafürhalten eine
petitio principii wie sie im Lehrbuch steht.
Aber das ist nicht mein Hauptkritikpunkt.
Die biologische Architektur des menschlichen Hirns ist unvergleichlich. Zu sagen, er gleiche mit Blick auf die Art zu funktionieren einem Computer, ist verfehlt. Da gebe ich dir recht. Das haben aber weder Tosa Inu noch ich behauptet.
Was ich sage, ist, das Hirn speichert Informationen. Es verarbeitet auch Signale. Und das ist im Grunde, also vom Prinzip der Informationsverarbeitung her gesehen, dasselbe Tun wie dasjenige Tun des Computers.
Dass ein ganz anderes Funktionieren zugrundeliegt, dass es auch eine ganz andere Form von Wissen darstellt, was das Hirn produziert, das zeigt sich ja nicht nur an der Tatsache, dass das Hirn aus biophysischen Komponenten besteht im Kontrast zu den künstlichen Komponenten eines Computers, sondern in einer Vielzahl von Faktoren, wie soziale Eingebundeheit, Sprachpraxis, Emotionalität, Empfindsamkeit, Körperlichkeit etc. Das macht aus unserem Wissen eine unvergleichliche Fähigkeit, die sich in dieser Art nicht nachahmen lässt. Um Wissen zu können wie ein Mensch, muss man zwingend einer sein.
Aber das tangiert das Prinzip, was Wissen ist, nur in diesem spezifischen Fall, denn der menschliche Wissensbegriff ist ein spezifischer, auf diese Spezies angewendeter Begriff. Was Wissen überhaupt ist, und wie und ob es entstehen kann jenseits der Biophysis, das ist ja die zentrale Frage. Und meine Antwort lautet, dass nicht nur lebendige Organismen wissen können.
Eine weisse Blutzelle, ein Leukozyt, weiss nach deiner Definition von Wissen auch nichts. Es hat keine Ansichten und kann nichts begründen, es ist aber ein Lebendiges. Das Lebendigsein ist also kein hinreichendes Kriterium für Wissen, was nicht heisst, dass es kein zwingendes wäre. Aber was macht denn das Lebendige zum Wissenden? Eine Hirnzelle weiss genau so viel oder wenig wie ein Leukozyt. Es kann also auch nicht in der Art des Lebendigen sein, dass etwas wissen kann oder nicht. Und gleichsam ist es aber auch nicht die Menge des Lebendigen, das die Fähigkeit zu wissen hinzutut. Du selbst sagtest ja, dass nicht die Menge der Hirnzellen entscheidend sei. Also ist auch nicht Quantität ein hinreichendes Kriterium von Wissen.
Nun, wir sehen also, dass alle diese Eigenschaften: lebendig sein, Viele sein, aus diesem Stoffe sein, auch zusammengenommen nicht hinreichend sind für Wissen.
Das, was Wissen produziert, muss in einem bestimmten Zusammenspiel liegen, es muss ein in gewisser Weise kooperierendes Tun sein, das aus einer Vielzahl von etwas ein Wissen entstehen lässt. Du sagst nun, dass dieses Etwas Nervenzellen sein müssen. Du sagst es implizit und geradezu nachdrücklich.
Aber warum müssen es Nervenzellen sein? Was tun Nervenzellen denn anderes als Strom leiten und Chemie transportieren?
Nichts. Wissen entsteht also nicht, weil etwas lebendig ist, denn Chemie ist nichts Lebendiges und Strom auch nicht, aber Nervenzellen kooperieren in einem Verbund von überkomplexen Signalen: Deshalb entsteht kortikal repräsentiertes Wissen.
Ich sage ausdrücklich, dass dies kein Physikalismus ist, denn ich behaupte zugleich, dass nicht alles, was wir wissen, im Hirn entsteht, sondern der weitaus grösste Teil in einem das Hirn weit übersteigenden Bedeutungskontext unserer Lebenswelten, unserer sozialen Praktiken, unserer Empfindsamkeit und vielem mehr, fundiert ist. Aber gerade deshalb kann Wissen
überhaupt auch nicht konstituitiv in Hirnen entstehen, sondern durch Konnektivität, durch Komplexität und durch Interoperabilität. Das ist der Grundgedanke für meine Überzeugung, dass Wissen nichts partout Menschliches ist, ja nicht einmal etwas in jedem Fall Biologisches sein muss.