- Habermas versteht die Welt nicht mehr
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"Habermas klingt beinahe wie Horkheimer, der gegenüber Adorno bemerkte: „Die Welt ist verrückt und das bleibt so. Im Grunde kann ich mir vorstellen, daß die ganze Weltgeschichte nichts anderes ist als eine Fliege, die sich verbrennt.“ Der Westen, der sich bislang dagegenstemmte, war für Horkheimer dem Untergang geweiht. Überall sah er Diktatoren auf dem Vormarsch und die Demokratie unter Beschuss, während die Gesellschaft in Banden zerfiel, zwischen denen kein Austausch mehr möglich war – außer Gewalt. Wer das anders sah, fand in Horkheimers Augen wenig Gnade. Er verweigerte Habermas die Habilitation, weil er ihn zu linksradikal fand. Der musste nach Marburg ausweichen, wo es noch echte Marxisten gab. Heute wäre das nicht mehr nötig, denn er denkt inzwischen ähnlich düster wie Horkheimer.
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Die Diagnose gewinnt Brisanz vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Habermas der maßgebliche Philosoph der Bundesrepublik ist, wie Felsch schreibt: Ein feines Gespür für Relevanzen und Großwetterlagen erlaubte es ihm stets, mit dem richtigen Wort zur richtigen Zeit zur Stelle zu sein.
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Doch vielleicht sollten wir genau hinhören, was der Weise aus Starnberg zu sagen hat. Unter Historikern heißt es, Deutschland verändere sich alle 70 bis 80 Jahre. Turnusgemäß wäre es jetzt wieder soweit. Und tatsächlich gibt es Verschiebungen – in der Geopolitik, im Parteiensystem und im Umgang miteinander –, die wie Epochenwechsel aussehen. Was aus ihnen folgt, ist unklar. Aber das Alte geht offenbar in die Brüche. Habermas, der als Philosoph der Reeducation wesentlich dazu beigetragen hat, es aufzubauen, könnte als Zeuge seines Untergangs noch einmal eine Rolle spielen. Es ist vermutlich seine letzte." •
- "Mit Kant entdeckte Habermas in den 1990er-Jahren die Möglichkeit einer weltbürgerlichen Vernunft, die in Europa ihren Ausgang nimmt und irgendwann den gesamten Globus ergreift, der miteinander deliberiert und keine Kriege mehr führt.
Doch diese Erzählung bekommt nun Risse. In seinem neuen Buch Der Philosoph. Habermas und wir schildert Philipp Felsch einen Besuch bei Habermas in Starnberg im Herbst 2023. Felsch sei „geradezu bestürzt“ gewesen, wie resigniert dieser eigentlich „letzte Idealist“ auf ihn gewirkt habe: Europa, der Westen, die kommunikative Vernunft, die Überwindung des Krieges als Mittel der Politik – alles, wofür er gekämpft habe," gehe nun „Schritt für Schritt“ verloren, so Habermas. Deutet sich hier erneut eine Wende in seinem Denken an? Treten Vernunft und Wirklichkeit, die er als weitgehend versöhnt betrachtet hatte, wieder auseinander? "
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