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Kafka, die Verwandlung

Verfasst: Mi 10. Jun 2020, 05:28
von Jörn Budesheim
Kafka hat geschrieben : Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen.
Wikipedia hat geschrieben : Die Verwandlung ist eine im Jahr 1912 entstandene Erzählung von Franz Kafka. Die Geschichte handelt von Gregor Samsa, dessen plötzliche Verwandlung in ein Ungeziefer die Kommunikation seines sozialen Umfelds mit ihm immer mehr hemmt, bis er von seiner Familie für untragbar gehalten wird und schließlich zugrunde geht.

Wikipedia
Datum der Erstveröffentlichung: 1915
Originalsprache: Deutsch
Genres: Kurzgeschichte, Novelle, Fantasy, Absurdismus

https://books.google.com/books/about/Di ... cTAAAAQAAJ

Re: Kafka, die Verwandlung

Verfasst: Mi 10. Jun 2020, 05:35
von Jörn Budesheim
Man kann, aber man muss natürlich nicht, diese Geschichte auch als ein philosophisches Gedankenexperiment lesen, also als eine Argumentation in lyrisch/literarischer Form. Die Frage, die beantwortet werden soll lautet: sind wir unser Geist, unsere sozialen Beziehungen und/oder unser Körper? Und wie hängen diese Aspekte zusammen, wenn sie dann zusammen hängen.

(In modernen Versionen der Frage wird dann zwar das Gehirn an die Stelle des Geistes oder den Erinnerungen gesetzt, aber das ist eine Frage die Kafka, beinahe hätte ich gesagt "natürlich" nicht stellt.)

Re: Kafka, die Verwandlung

Verfasst: Mi 10. Jun 2020, 05:57
von Jörn Budesheim
Man könnte fast sagen, dass die Ungezieferform, die Gregor Samsa erhält, das ideale Bild für die Vorstellung ist, wir seien gegen unsere soziale Umwelt gleichsam abgepanzert und in unsere Innenwelt eingesperrt. Allerdings ist die Beziehung asymmetrisch konzipiert: während Gregor Samsa den Geist der anderen (beinahe hätte ich geschrieben: von seinesgleichen) weiterhin lesen kann, ist diesen das fast nicht mehr möglich, zumindest nur noch sehr eingeschränkt. Zu Beginn der Erzählung kann Gregor Samsa zwar noch sprechen - durch die geschlossene Tür! - aber diese Möglichkeit zur Kommunikation büßt er sehr schnell ein.

Was bleibt sind sehr rudimentäre Kommunikationen. In einer Szene bedroht Samsa in gewisser Hinsicht eine "Haushaltskraft", woraufhin sich diese ihrerseits mit einer Drohung revanchiert. In einer anderen Szene bewirft der Vater Gregor Samsa mit Äpfeln, diese dringen in den Panzer ein und verletzten ihn ...

Ansonsten bleibt alles, was Gregor sagen will, in ihm "eingesperrt".

Re: Kafka, die Verwandlung

Verfasst: Mi 10. Jun 2020, 06:03
von Jörn Budesheim
Eine der erstaunlichsten Dinge der Erzählung ist, dass an keiner Stelle gefragt wird, warum Samsa sich in ein Ungeziefer verwandelt hat. Wenn ich mich nicht täusche, stellt Gregor Samsa diese Frage selbst überhaupt nicht. Besonders absurd ist dies natürlich zu Beginn der Erzählung. Samsa wacht auf, stellt fest, dass er sich in ein Ungeziefer verwandelt hat, aber statt erschüttert darüber zu sein, dass er in dem Körper eines Ungeziefer ist feststeckt, sorgt er sich darum, dass er seinen beruflichen Verpflichtungen nicht nachkommen kann und fragt sich, ob er wohl das Klingeln des Weckers verpasst hat.

Re: Kafka, die Verwandlung

Verfasst: Mi 10. Jun 2020, 06:14
von Jörn Budesheim
(In einer gewissen Hinsicht, ist das freilich fast "normal": denn wir fragen uns im alltäglichen Leben ja auch selten bis nie, warum unser Körper gerade so beschaffen ist, wie er eben beschaffen ist. Wieso haben wir fünf Finger und nicht etwa sechs? Wieso trägt man den Kopf auf dem Hals und nicht unter den Achseln? In der Regel nimmt man diese körperlichen Gegebenheiten als selbstverständlich hin. Auffällig werden sie eigentlich erst, wenn sie aufhören "ordnungsgemäß" zu funktionieren, etwa nach gewissen Verwandlungen z.b. Unfällen oder wenn man langsam alt und gebrechlich wird...

Oder wenn Künstler und Philosophen dies zum Thema machen und das fraglose fragwürdig wird)

Re: Kafka, die Verwandlung

Verfasst: Mi 10. Jun 2020, 22:34
von Stefanie
Hach jee, bei diesem Buch kommen die Erinnerungen an die Schule hoch und an den Deutschlehrer, der dieses Buch so besprach, dass wir ein Kafka Trauma erlitten, das wir noch nicht überwunden haben.

Re: Kafka, die Verwandlung

Verfasst: Do 11. Jun 2020, 06:07
von Jörn Budesheim
:)

Re: Kafka, die Verwandlung

Verfasst: Do 11. Jun 2020, 13:26
von Jörn Budesheim
Bild

Gregor Samsa in Vincent van Goghs Bett

Re: Kafka, die Verwandlung

Verfasst: Do 11. Jun 2020, 18:52
von Jörn Budesheim
Ganz am Anfang fragt Gregor jedoch: »Was ist mit mir geschehen?«, dachte er. Es war kein Traum.

Aber das ist nach meiner Einschätzung mehr als unangemessen :)