Ich - Leiden an der aporetischen Existenz

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Alethos
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Di 31. Mär 2020, 10:26

Ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass das Ansichsein von Dingen nicht vermindert wird durch den Umstand, dass sie von Menschen gemacht wurden. Artefakte bestehen an sich. Auch ein Bundestag besteht an sich oder die Institution der Bundeskanzlerin, ganz unabhängig davon, ob Subjekte der Meinung sind, dass es den Bundestag oder die Bundeskanzlerin gibt. Es ist in der Verfassung (oder in anderen Rechtsordnungen) festgelegt, dass es diese Institutionen gibt und es ist qua diese Festsetzung, und nicht wegen subjektiver Einstellungen, dass es sie gibt.



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Jörn Budesheim
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Di 31. Mär 2020, 10:57

Alethos hat geschrieben :
Di 31. Mär 2020, 10:18
Ein Tisch wird nicht Tisch durch sich selbst, sondern weil wir ihm diese Funktion zuschreiben.
Nur zur Sicherheit: Zuschreiben allein genügt natürlich nicht. Der Tisch muss an sich selbst ja Eigenschaften (von einem Schreiner zum Beispiel bekommen) haben, die ihn dazu geeignet machen, ein Tisch zu sein. Ich gehe davon aus, dass das "mitgemeint" war :-) Ich wollte es nur noch mal explizit machen.




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Alethos
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Di 31. Mär 2020, 12:30

Ja, eine Tabakpfeife ist denkbar ungeeignet, die Funktion eines Tisches zu haben. Zuschreibungen haben keine uneingeschränkte Existenzbewirkungsmacht :)



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Schimmermatt
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Di 31. Mär 2020, 18:33

Alethos hat geschrieben :
Mo 30. Mär 2020, 09:39
Nun, einmal angenommen, es verhält sich so mit unserem Erkennen, dass es ein Erkennen ist unter Zuhilfenahme der Instrumente wie Theorien, Sinnesdaten, Messungen etc. und dass wir über Repräsentationen zu Ansichten über die Welt gelangen: Was ist falsch daran, diese Ansichten, für die wir gute Gründe haben, für objektives Wissen zu halten?
Falsch ist in vielerlei Hinsicht daran nichts, wenn man aus pragmatischen Gründen Präzision weglassen möchte. Es ist dann zu fragen, was Erkennen eigentlich ist, mit dem platonischen Wissensbegriff hat es zumindest nichts mehr zu tun und mit dem Objekt, dem Ding an sich, auch nicht, sondern halt rein mit Intersubjektivität. Wer das objektiv nennen möchte, macht halt n Teekesselchen auf. Philosophen geraten ja, Du sagtest es, gern in Missverständnisse :-)

Wer den Preis der Präzision zu zahlen bereit ist, landet bei sehr wenig. Präzise kann man nicht mal von dem Brett vor dem eigenen Kopf etwas wissen, nicht seine Bretthaftigkeit, nicht seine mutmaßliche Beschaffenheit, nicht die mannigfaltigen Gedanken eines möglichen Schöpfers, ich krieg nicht mal das "Ich" fixiert.



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Jörn Budesheim
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Di 31. Mär 2020, 20:01

Du sagst zwar, dass es jetzt an Präzision mangeln würde, du erklärst aber nicht warum.




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Alethos
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Di 31. Mär 2020, 21:03

Schimmermatt hat geschrieben :
Di 31. Mär 2020, 18:33
Alethos hat geschrieben :
Mo 30. Mär 2020, 09:39
Nun, einmal angenommen, es verhält sich so mit unserem Erkennen, dass es ein Erkennen ist unter Zuhilfenahme der Instrumente wie Theorien, Sinnesdaten, Messungen etc. und dass wir über Repräsentationen zu Ansichten über die Welt gelangen: Was ist falsch daran, diese Ansichten, für die wir gute Gründe haben, für objektives Wissen zu halten?
Falsch ist in vielerlei Hinsicht daran nichts, wenn man aus pragmatischen Gründen Präzision weglassen möchte. Es ist dann zu fragen, was Erkennen eigentlich ist, mit dem platonischen Wissensbegriff hat es zumindest nichts mehr zu tun und mit dem Objekt, dem Ding an sich, auch nicht, sondern halt rein mit Intersubjektivität.
So, wie du es darstellst, ist Intersubjektivität Ausdruck eines Mankos, ganz so, als ob, wenn es eine Wahrheit gäbe, eine Wahrheit, die dem platonischen Wahrheitsbegriff entspräche, diese nicht intersubjektiv sein könnte. Intersubjektivität kann man aber auch als Ausdruck davon verstehen, dass etwas, worüber wir sagen, es sei wahr, auch tatsächlich wahr ist :)

Das wiederum muss man nicht unter pragmatistische Vorzeichen setzen und so verstehen, dass das, was wir für wahr halten, es deshalb wäre, weil man es vereinbart hätte oder weil man es durch Performation wahr machen würde. Man kann es auch so deuten: Es gibt da die Einsicht, dass wir keine letztbegründenden Wahrheiten haben, weil wir da niemals auf einen Grund stossen, der allem anderen Grund böte. Wir können die elementarsten Bausteine der Wahrheit nicht dahingehend analysieren, dass wir reinste Wesenbegriffe vorfinden würden oder klarste Begriffe. Immer bleibt da ein Rest, ein Überschuss, ein Mangel. Aber diesen Mangel verstehen wir als Verbesserungspotential für unsere Theorien, auf die wir bauen müssen, um sie nach und nach durch bessere, niemals endgültige, zu ersetzen. Dieser Umstand der Fallibilität kann fröhlich stimmen, er muss jedenfalls nicht depressiv stimmen. Und, wenn man sich für die Fröhlichkeit entscheidet, dann gewiss nicht zum Preis der Aufgabe von Präzision oder weil man ein Pragmatiker wäre, sondern ein Realist, der Möglichkeiten sieht.

Man muss auch nicht zum Schluss kommen, der andere rede sich etwas herbei, wenn er behauptet, dass gewisse Dinge nur wahr seien, wenn man über sie redet. :) Es kann über dieses Gespräch, das wir hier führen, bspw. ja nun vieles erst deshalb wahr sein, weil wir es überhaupt führen, z.B. die Tatsache, dass es existiert oder dass es eine Kontroverse ist usw.
Zuletzt geändert von Alethos am Di 31. Mär 2020, 21:12, insgesamt 1-mal geändert.



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Alethos
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Di 31. Mär 2020, 21:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 31. Mär 2020, 20:01
Du sagst zwar, dass es jetzt an Präzision mangeln würde, du erklärst aber nicht warum.
Und woher der Präzisionsbegriff stammt, dem man das Urteil verdankt, dass Andere weniger präzise sind. Und wie es kommen kann, dass man diesen Begriff hat, wenn man doch die Aporie als Hinderungsgrund für Festlegungen überhaupt sieht, z.B. die Festlegung auf Kriterien eben dieses präziseren Verstehens.



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Jörn Budesheim
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Do 2. Apr 2020, 06:15

Hier sind in kurzer Zeit 167 Beiträge zusammen gekommen, wie ich gerade sehe. Vielleicht können wir ein Zwischenresümee oder ein Fazit ziehen?

Ich finde es sehr traurig, das Schimmermatt in der eigenen Existenz leidet. Umso mehr als es nach meinem Verständnis ganz und gar unbegründet ist! Denn das ganze basiert, so wie ich es bisher begriffen habe, auf einem Weltbild, was einfach nicht den Tatsachen entspricht. Das Problem ist, dass wir an dieser Stelle nicht weiterkommen... ich habe allerdings im Moment keine Idee, wie wir das ändern können.




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Friederike
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Do 2. Apr 2020, 11:28

@Jörn, ich reagiere auf Deine Nachdenklichkeit und spreche aber @Schimmermatt direkt an.
Schimmermatt hat geschrieben : Die nicht-metaphysische Lösung würde mich existenziell, nicht als theoretische Spielerei, mehr als interessieren!
Das hattest Du in einem Deiner ersten Beiträge geschrieben. Es ist eine Hoffnung darin, so wie ich Deine Äußerung verstehe.

Und dann hast Du alles, jedes Argument weggekickt ... Du willst "Boden" und "Ewigkeit" (wie Du es nanntest) - die Ewigkeit geht nicht, aber den Boden, den Alethos und Jörn aufgezeigt haben, auch in Hinsicht auf Deine eigenen Argumente, denn Du sprichst ja auch auf dem Fundament von einigen Grundannahmen, den hast Du ausgeschlagen.

("Erlösung", dieser Ausdruck ist mir öfter in den Sinn gekommen, während ich Deine Worte las).

Wo bist Du ansprechbar ??? Rational nicht, weil Du 'ne Menge gescheiter Finessen drauf hast, Deine eigenen und die Argumente der Anderen ad absurdum zu führen, ins "Aus" zu befördern.

Der derzeitigen Situation ist sicher "geschuldet", wenn ich hervorhebe, daß man das Gefühl der Hilflosigkeit aushalten können muß. Im Zusehen am Leiden, im Nicht-Wissen. An wen adressiere ich denn hier? :lol: Hm, ich glaube, an mich und Dich @Jörn.




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Schimmermatt
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Do 2. Apr 2020, 18:43

Alethos hat geschrieben :
Di 31. Mär 2020, 21:10
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 31. Mär 2020, 20:01
Du sagst zwar, dass es jetzt an Präzision mangeln würde, du erklärst aber nicht warum.
Und woher der Präzisionsbegriff stammt, dem man das Urteil verdankt, dass Andere weniger präzise sind. Und wie es kommen kann, dass man diesen Begriff hat, wenn man doch die Aporie als Hinderungsgrund für Festlegungen überhaupt sieht, z.B. die Festlegung auf Kriterien eben dieses präziseren Verstehens.
Das ist doch trivial: "Objektiv" ist hier als intersubjektive Übereinkunft definiert worden. Das ist ewig weit weg von einer objektiven Erkenntnis wie sie zB Locke vorschwebte, dass das Objekt sich sozusagen direkt auf eine "tabula rasa" kopiert. Da ist es doch nicht präzise, zu sagen, ja gut, objektiv geht halt nicht, dann ist das neue objektiv jetzt halt nur noch intersubjektiv, wir nennen es aber nicht so.

Wenn ich dem kartesischen "dieu trompeur" auch mit Trickserei entkommen kann, ja, dann kann ich auch der Konsequenz des Skeptizismus entkommen, aber das ist dann in meinen Augen keine Philosophie. Das ist dann "Fünfe gerade sein lassen" oder "Rosarote Brillen aufsetzen" oder, wie Friederike schrieb, "Erlösung". Könnt ihr denn gar nicht verstehen, dass es möglicherweise einfach nichts zu erlösen, keine Erkenntnis, keine Hoffnung gibt? Ich sage ja gar nicht, dass es unbedingt so sein muss, aber mir scheint, als seien Euch etliche Grundprämissen, die ihr mehr oder weniger voraussetzt, gar nicht bewusst. Und ja, ich habe selber auch welche, ich weiß.

Descartes scheiterte (er gab es nicht zu) am methodischen Zweifel, sein "Cogito" kann zB Russell nicht standhalten, abgesehen davon, dass die aus dem "Cogito" abgeleiteten "Wahrheiten" Fehlschlüsse sind. Leibniz bleibt unentschieden zwischen Freiheit und Prästabilierung, fast die traurigste Vagheit von allen Philosophen (gab er nicht zu, manche versuchen darin gar einen Ausweg aus der spinozistischen deus ex machina zu sehen). Kant graute vor dem Pessimismus, der im Nachgang seine geliebte Sittlichkeit nicht mehr stützte (er gab es nicht zu), so dass er wider besseren Wissens in die Dogmatik eines "Postulats der reinen Vernunft" (nämlich Gott) zurückfiel. Sogar Marx hält die Gottlosigkeit nicht aus und muss ein Himmelreich auf Erden als schwachen Ersatz (gab er nicht zu, Überraschung) postulieren.

Am ehesten verstehen dies noch Schopenhauer, Innozenz III., Buddha, Ludwig Marcuse. Mir scheint, als würde aber genau dieser "Realismus" aufgrund seines Pessimismus attackiert. Weil es sich so kalt anfühlt.

Ich bedanke mich für die freundlichen Versuche, mir zu helfen.



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Do 2. Apr 2020, 18:53

Schimmermatt hat geschrieben :
Do 2. Apr 2020, 18:43
Da ist es doch nicht präzise, zu sagen, ja gut, objektiv geht halt nicht, dann ist das neue objektiv jetzt halt nur noch intersubjektiv, wir nennen es aber nicht so.
Ich jedenfalls sage das nicht.

Objektiv heißt, dass wir etwas treffen oder verfehlen können. "Ein Urteil ist objektiv, wenn es wahr oder falsch oder möglicherweise keins von beidem ist, der Wahrheitswert (wahr, falsch oder keins von beidem) aber feststeht. Der Wahrheitswert des Urteils ist unabhängig von der Person des Urteilenden sowie von der Gesellschaft oder Zeit, in der er lebt. Der Wahrheitswert eines Urteils hängt nur von zweierlei ab: den Tatsachen und dem Inhalt des Urteils [...]" (Donald Davidson)




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Schimmermatt
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Do 2. Apr 2020, 18:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 2. Apr 2020, 18:53
Schimmermatt hat geschrieben :
Do 2. Apr 2020, 18:43
Da ist es doch nicht präzise, zu sagen, ja gut, objektiv geht halt nicht, dann ist das neue objektiv jetzt halt nur noch intersubjektiv, wir nennen es aber nicht so.
Ich jedenfalls sage das nicht.

Objektiv heißt, dass wir etwas treffen oder verfehlen können. "Ein Urteil ist objektiv, wenn es wahr oder falsch oder möglicherweise keins von beidem ist, der Wahrheitswert (wahr, falsch oder keins von beidem) aber feststeht. Der Wahrheitswert des Urteils ist unabhängig von der Person des Urteilenden sowie von der Gesellschaft oder Zeit, in der er lebt. Der Wahrheitswert eines Urteils hängt nur von zweierlei ab: den Tatsachen und dem Inhalt des Urteils [...]" (Donald Davidson)
Jahaaa, aber wie kommt man denn laut Davidson zu dem Objekt? Indem man es mithilfe eines anderen Subjekts trianguliert!



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Do 2. Apr 2020, 19:17

Was du monierst, kommt jedoch in dem Text gar nicht vor. (Und deine Interpretation von Davidson teile ich überhaupt nicht.)

Wie auch immer: Das ist das, was ich als Realist vertrete: Der Wahrheitswert des Urteils ist unabhängig von der Person des Urteilenden sowie von der Gesellschaft oder Zeit, in der er lebt. Der Wahrheitswert eines Urteils hängt nur von zweierlei ab: den Tatsachen und dem Inhalt des Urteils.

Was ich nicht verstehe, und was meines Erachtens auch schon Friederike angedeutet hat, ist, dass du an deinen Ansichten festhältst, als würdest du sie lieben! Es ist ja nicht so, dass dir Einwände willkommen sind und du ihnen erst einmal wohlwollend nachspürst, um zu sehen was da dran ist. Nein, ganz im Gegenteil, du bist immer sofort und ganz schnell dagegen!




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Do 2. Apr 2020, 19:41

Behalt Deinen Glauben, Jörn, ich werde ihn nicht bezweifeln. Ich hab schließlich erstens nichts Besseres zum Missionieren anzubieten und bin zweitens nicht der Meinung, dass wir an dieser meinetwegen zugestandenen Ontologie profitieren. Es ist meiner Meinung nach auch nicht nützlicher, als meinetwegen Bischof Berkeleys Idee, dass die Welt halt auch da sei, wenn niemand von uns hinsieht, weil Gott immer hinsieht. Dass da eine Realität ist: okay. Wir können sie erkennen? Mag prinzipiell möglich sein, erscheint mir aber eher zweifelhaft. Um Alethos' Popperanspielung mitzunehmen: ja, wir mögen uns dem Ding an sich nähern, aber wenn man nie weiß, wie weit genau wir damit gekommen sind, dann bleibt das ergebnisarme Prozessorientierung - oder hier schöner ausgedrückt: Performanz. Damit wären die Glaubensbekenntnisse ausgetauscht.



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Do 2. Apr 2020, 19:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 2. Apr 2020, 19:17
Was ich nicht verstehe, und was meines Erachtens auch schon Friederike angedeutet hat, ist, dass du an deinen Ansichten festhältst, als würdest du sie lieben! Es ist ja nicht so, dass dir Einwände willkommen sind und du ihnen erst einmal wohlwollend nachspürst, um zu sehen was da dran ist. Nein, ganz im Gegenteil, du bist immer sofort und ganz schnell dagegen!
Ihr habt Recht. Ich werde nun meine alte Konsequenz wieder aufnehmen, keine Bitterkeit dabei. Meine Rede ist ein pragmatischer Selbstwiderspruch, drum zurück in Wittgensteins Refugium: Schweigen.



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Alethos
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Do 2. Apr 2020, 23:09

Schimmermatt hat geschrieben :
Do 2. Apr 2020, 18:43
Alethos hat geschrieben :
Di 31. Mär 2020, 21:10
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 31. Mär 2020, 20:01
Du sagst zwar, dass es jetzt an Präzision mangeln würde, du erklärst aber nicht warum.
Und woher der Präzisionsbegriff stammt, dem man das Urteil verdankt, dass Andere weniger präzise sind. Und wie es kommen kann, dass man diesen Begriff hat, wenn man doch die Aporie als Hinderungsgrund für Festlegungen überhaupt sieht, z.B. die Festlegung auf Kriterien eben dieses präziseren Verstehens.
Das ist doch trivial: "Objektiv" ist hier als intersubjektive Übereinkunft definiert worden. Das ist ewig weit weg von einer objektiven Erkenntnis wie sie zB Locke vorschwebte, dass das Objekt sich sozusagen direkt auf eine "tabula rasa" kopiert. Da ist es doch nicht präzise, zu sagen, ja gut, objektiv geht halt nicht, dann ist das neue objektiv jetzt halt nur noch intersubjektiv, wir nennen es aber nicht so.
Bevor ich auf die anderen interessanten Aspekte eingehe, erlaube mir hier eine kleine Berichtigung.

<Objektiv> definiere ich nicht mit <intersubjektiver Übereinkunft>, ich denke, es ist Eigenschaft objektiver Tatsachen, dass sie intersubjektiv zu Konsens führen können. Intersubjektivität halte ich für eine notwendige Bedingung von Objektivität, nicht für eine hinreichende.

Mein "Plädoyer" für Intersubjektivität resp. Übereinkunft galt vielmehr der Begünstigung des Verständnisses dafür, dass wir Dinge niemals ganz ergründen können und dennoch nicht so tun können, als stünden unsere Überzeugungen im Ontologie leeren Raum. Wir wissen doch, auch wenn wir nicht ganz genau wissen, so doch immerhin etwas über die Konstituenten von Existenz: Wir wissen, dass es Materie gibt und sie so und so beschaffen ist. Wir wissen, dass wir als Iche diese und andere Kontexte haben, in denen wir vorkommen: Psychologische, rechtliche, biochemische, historische, soziale etc. Und wofür ich plädiere ist, das alles nicht für nichts zu halten. Auch wenn wir etwas nicht bis in die tiefsten Tiefen erklären können, so können wir doch plausiblere und weniger plausible Annahmen gelten lassen. Und ein Aspekt der Plausibilität, etwas gelten zu lassen, ist, dass andere vernunftbegabte Menschen zu gleichen oder ähnlichen Urteilen kommen: Psychologen, Rechtswissenschaftler, Mediziner, Soziologen, Philosophen. Wir müssen doch einsehen, dass es möglich ist, sich an etwas festzuhalten, weil es real ist, und nicht bloss, weil man es durch rosarote Brillen gerne so sehen möchte.



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Alethos: Es kann doch ein Einzelner gegen alle anderen im Recht sein!




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Alethos hat geschrieben :
Do 2. Apr 2020, 23:09
Mein "Plädoyer" für Intersubjektivität resp. Übereinkunft galt vielmehr der Begünstigung des Verständnisses dafür, dass wir Dinge niemals ganz ergründen können und dennoch nicht so tun können, als stünden unsere Überzeugungen im Ontologie leeren Raum.
Ich will mal testen, ob ich das richtig verstanden habe :) Ein Beispiel aus der Literatur: ich meine, dort hinten Silvia gesehen zu haben. Dann jedoch stellt sich heraus, dass ich mich geirrt habe, es war Daniela. Irrtümer sind also oftmals nicht "total". Einige der Aspekte dessen, was ich geglaubt habe, entsprachen der Wahrheit. Dort drüben stand zwar nicht Silvia, aber es stand dort immerhin ein Mensch, es stand dort überhaupt etwas, der Ort war schließlich nicht leer und wir finden sicherlich auch noch eine ganze Reihe von anderen Dingen, die in dem Glauben, dort hinten stünde Silvia, impliziert waren und getroffen wurden. (Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir im alten Forum mal darüber diskutiert, dass auch Kant meinte, Irrtum sei selten total.)

Was ich aber nicht verstehe, welchen Zusammenhang es hier zum "lntersubjektivität" geben soll? (Ich meide den Begriff übrigens wie der Teufel das Weihwasser. Selbst wenn er das nicht bedeutet, wird er jedoch oft so verstanden, als sei Wahrheit einer Art der Vereinbarung.)




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Schimmermatt hat geschrieben :
Do 2. Apr 2020, 19:44
Schweigen
Damit lag schon Wittgenstein falsch!

Schweigen bringt einen in der Regel auch nicht weiter. Wenn man gegenüber anderen seine Positionen verständlich machen will und sie gegen Einwände verteidigt, dann kann einem selbst vieles klarer werden! Viele Implikationen und Querverbindungen, dessen was wir so denken, werden uns oft erst im Schreiben, im Gespräch und im Streit klar.




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Friederike
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Fr 3. Apr 2020, 10:30

Schimmermatt hat geschrieben :
Do 2. Apr 2020, 19:44
Ihr habt Recht. Ich werde nun meine alte Konsequenz wieder aufnehmen, keine Bitterkeit dabei. Meine Rede ist ein pragmatischer Selbstwiderspruch, drum zurück in Wittgensteins Refugium: Schweigen.
Ich hab's doch gewußt, es ist sowieso sinnlos. Diese Worte lege ich Dir, fies wie ich bin, in den Mund. Und die Andern, ich zum Beispiel (obwohl die Argumente ich Euch habe austauschen lassen) stehen bedröppelt da. Was willst Du???

Wie schriebst Du? Man könne allenfalls anekdotisch über die Welt sprechen (sinngemäß). Diesen von Dir selber ins Spiel gebrachten Ausgang aus der Aporie verwirfst Du verächtlich. Das is doch nix, zumindest keine Philosophie. Du bist maßlos, unbescheiden, anspruchsvoll ... und dies sage ich natürlich mit einigem Respekt.




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