Was sind Begriffe - was ist Begriffs-Realismus?

Hier geht es einerseits um die Erörterung logischer Grundstrukturen in der Philosophie und andererseits um Sprachanalyse als philosophische Methode, Theorien der Referenz und Bedeutung, Sprechakttheorien u.ä.
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Jörn Budesheim
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So 24. Mär 2019, 15:23

Friederike hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 14:30
Spontan würde ich sagen, dasselbe wie Du habe ich auch geschrieben.
Ich würde sagen, du hast das Gegenteil von dem geschrieben, was ich geschrieben habe :-) Du sagst: Der Begriff "Gleis" -als Beispiel- zeigt, daß der Begriff die Sache, d.h. das konkrete Einzelding, nämlich das Gleis 1 oder das Gleis 9 nicht erfaßt. Ich sage das Gegenteil. Gegenteiliger kann es kaum noch sein ...




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Jörn Budesheim
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So 24. Mär 2019, 15:34

Friederike hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 15:20
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 15:09
Da wir es hier nicht mit einem Thread über Adorno zu tun haben, ist das auch nicht von großem Belang, meine ich.
Ist es ein Thread über Gabriel? 8-) Echt, jetzt bin ich beleidigt. Es ist ein Thread über "Begriffsrealismus", offenbar ein Ausdruck, der von Kemmerling stammt, jedenfalls nicht von Gabriel. So viel habe ich heute ja nun mitbekommen. Im weiteren Sinne ist es ein Thread über das Verständnis davon, was "Begriff" meinen kann. Wenn einer sich mit der Funktion von Begriffen befaßt hat, dann ist es Adorno. Du bringst Kemmerling, später Gabriel, und ich Adorno.
Begriffs-Realismus ist ein stehender Begriff, würde ich meinen.

Ich habe nichts dagegen, über Adornos Begriffsverständnis zu sprechen. (Oder auch noch andere Philosophen ins Spiel zu bringen) Aber haben wir das getan? Haben wir über Adornos Begriffsverständnis gesprochen?Eigentlich doch nicht, oder?




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Friederike
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So 24. Mär 2019, 15:39

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 10:50
Andreas Kemmerling!
Um diesem Autoren geht es hier. Gabriel habe ich nur gebracht, weil er sein Verständnis von Begriff erläutert. über BegriffsRealismus spricht Gabriel an der fraglichen Stelle überhaupt nicht, soweit ich sehe.
:lol: Sooo kann man sich beim Streiten oder Disputieren verirren ... aber, heute bin ich richtig rechthaberisch. Adorno habe ich nur gebracht, weil Gabriel Adorno erwähnt.




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Friederike
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Mo 25. Mär 2019, 13:23

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 13:33
Friederike hat geschrieben :
So 24. Mär 2019, 08:21
Der Begriff "Gleis" -als Beispiel- zeigt, daß der Begriff die Sache, d.h. das konkrete Einzelding, nämlich das Gleis 1 oder das Gleis 9 nicht erfaßt. Man erkennt es daran, daß Gleis 1 und Gleis 9 unterschiedliche Eigenschaften haben können, die sie nicht haben könnten, wenn der Begriff "Gleis" die einzelne Sache vollständig erfassen würde. Die Gleise sind nicht identisch, obwohl sie beide "Gleis" heißen. Das führt Gabriel ja aus.
Gabriel hat geschrieben : Obwohl Gleis 1 und Gleis 9 aufgrund ihrer verschiedenen Eigenschaften nicht identisch sind, sind sie vergleichbar. Ihre Vergleichbarkeit wird durch die Funktion hergestellt, die sie übernehmen. Sowohl an Gleis 1 als auch an Gleis 9 halten Züge. Der Fahrplan gibt Auskunft darüber, wann genau welcher Zug wohin abfährt ...
Zu sagen: "das hier ist ein Gleis, nämlich gleich Gleis 1" und zu sagen "das hier ist ebenfalls ein Gleis, nämlich Gleis 9" heißt nicht, zu behaupten, dass diese beiden Dinge identisch sind. Es bedeutet lediglich zu sagen, dass beides zurecht unter dem Begriff Gleis fällt.
Ja, ich stimme zu. Und das bedeutet in der Konsequenz doch aber, daß der Begriff "Gleis" das einzelne konkrete Gleis nicht vollständig, d.h. mit allen seinen speziellen Eigenschaften erfaßt.




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Jörn Budesheim
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Mo 25. Mär 2019, 14:01

Friederike hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2019, 13:23
nicht vollständig
Verstehe ich nicht. Wird der Begriff korrekt verwendet, dann erfasst er, ob etwas ein Gleis ist. Was soll daran unvollständig sein? Ist es etwa nur ein Halbgleis? Ich sage: "Gleis" und es ist ein Gleis. Also hab ich es korrekt und vollständig als Gleis erfasst.
Friederike hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2019, 13:23
... mit allen seinen speziellen Eigenschaften erfaßt.
Es geht jedoch nur um die "speziellen Eigenschaften", die etwas zu einem Gleis machen! Würde der Begriff alle weiteren Eigenschaften erfassen (zum Beispiel die Molekülstruktur der Anzeige der Gleisnummer), wäre er schlicht unbrauchbar und würde insbesondere nicht mehr ermöglichen, dieses Etwas als Etwas, nämlich ein Gleis zu erfassen.




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Friederike
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Di 26. Mär 2019, 14:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Mär 2019, 14:01
Es geht jedoch nur um die "speziellen Eigenschaften", die etwas zu einem Gleis machen! Würde der Begriff alle weiteren Eigenschaften erfassen (zum Beispiel die Molekülstruktur der Anzeige der Gleisnummer), wäre er schlicht unbrauchbar und würde insbesondere nicht mehr ermöglichen, dieses Etwas als Etwas, nämlich ein Gleis zu erfassen.
Das ist ein bestechende Begründung für die Nützlichkeit, ich würde fast sagen, für die Unverzichtbarkeit von Begriffen.




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novon
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Fr 2. Aug 2019, 01:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 30. Jul 2019, 06:09
Das Gleichsetzen von Ungleichem ist im Grunde das Wesen der Begriffe.
Mhhh... Von nicht identischem, oder? Gleichheit ist begrifflich imo vollkommen anders aufgestellt als Identität...?




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Jörn Budesheim
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Fr 2. Aug 2019, 05:39

novon hat geschrieben :
Fr 2. Aug 2019, 01:03

Mhhh... Von nicht identischem, oder? Gleichheit ist begrifflich imo vollkommen anders aufgestellt als Identität...?
Hast du vielleicht ein zwei Stichworte, worauf du hinaus möchtest? :)




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novon
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Sa 3. Aug 2019, 22:02

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 3. Aug 2019, 07:30
novon hat geschrieben :
Fr 2. Aug 2019, 23:22
Formulierung
Hier noch mal die Formulierung: "Das Gleichsetzen von Ungleichem" ist wesentlich für Begriffe. Der Gedanke dabei ist eigentlich ganz einfach: es geht darum, etwas als etwas zu sehen. Ein Beispiel: dort und dort stehen zwei Etwasse, sie sind ungleich, allein schon deshalb, weil sie verschiedene Raumzeit-Positionen einnehmen. Dennoch fallen beide unter dem Begriff "Stuhl". Hier habe ich das Ungleiche gleichgesetzt, also unter denselben Begriff gebracht.
Ich bleib mal in meiner Schiene, okay? Außerdem denke ich, das es an diesem Punkt schon ziemlich OT ist... Falls du ein passendes Subjekt parat haben solltest... ;)
"Raumzeit-Position" bezeichnet kein Kriterium für Gleichheit, sondern für Identität.
'Stuhl' bezeichnet einen Allgemeinbegriff und fasst somit nicht "Ungleiches", sondern in (veraqllgemeinerbaren) Aspekten Gleiches. Zwei Stühle können sich gleichen (vielleicht gleiche Serie) oder können sich unterscheiden und trotzdem noch unter denselben Begriff fallen; ist doch eigentlich so, dass Begriff gerade das Ungleiche ausblendet und auf das verallgemeinerte Gemeinsame verweist.




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Jörn Budesheim
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So 4. Aug 2019, 06:26

novon hat geschrieben :
Sa 3. Aug 2019, 22:02
... ist doch eigentlich so, dass Begriff gerade das Ungleiche ausblendet und auf das verallgemeinerte Gemeinsame verweist.
Ganz genau! Und das meint diese Formulierung vom Gleichsetzen des Ungleichen.




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Alethos
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So 4. Aug 2019, 13:06

novon hat geschrieben :
Sa 3. Aug 2019, 22:02
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 3. Aug 2019, 07:30
novon hat geschrieben :
Fr 2. Aug 2019, 23:22
Formulierung
Hier noch mal die Formulierung: "Das Gleichsetzen von Ungleichem" ist wesentlich für Begriffe. Der Gedanke dabei ist eigentlich ganz einfach: es geht darum, etwas als etwas zu sehen. Ein Beispiel: dort und dort stehen zwei Etwasse, sie sind ungleich, allein schon deshalb, weil sie verschiedene Raumzeit-Positionen einnehmen. Dennoch fallen beide unter dem Begriff "Stuhl". Hier habe ich das Ungleiche gleichgesetzt, also unter denselben Begriff gebracht.
Ich bleib mal in meiner Schiene, okay? Außerdem denke ich, das es an diesem Punkt schon ziemlich OT ist... Falls du ein passendes Subjekt parat haben solltest... ;)
"Raumzeit-Position" bezeichnet kein Kriterium für Gleichheit, sondern für Identität.
'Stuhl' bezeichnet einen Allgemeinbegriff und fasst somit nicht "Ungleiches", sondern in (veraqllgemeinerbaren) Aspekten Gleiches. Zwei Stühle können sich gleichen (vielleicht gleiche Serie) oder können sich unterscheiden und trotzdem noch unter denselben Begriff fallen; ist doch eigentlich so, dass Begriff gerade das Ungleiche ausblendet und auf das verallgemeinerte Gemeinsame verweist.
Da ihr dies wahrscheinlich schon geklärt habt, möchte ich nicht viel und Unnötiges darüber sagen.

Mit Gleichem, im alltäglichen Sprachgebrauch, meinen wir oft Ähnliches: 'Dieser Stuhl gleicht dem Anderen' heisst, dass sie sich in wesentlichen Aspekten ähnlich sind, sodass sie sich überhaupt zu einer Art zugehörig unter einen Begriff bringen lassen. Identität meint aber, wenn ich es richtig verstehe, das mit sich selbst Gleiche in der Form: a=a.

Das unter einen Begriff gebrachte Einzelding (a) wird, mit Hegel gesprochen, zu etwas Unwesentlichem (nicht-a), denn der Begriff bezeichnet sowohl dieses als auch jenes, das unter ihm ist, also mehrere, die eben weil sie mehrere sind, gar nicht gleich sein können. Denn wenn sie zwei oder mehrere Dinge sind, so können sie mit sich selbst nicht identisch (und im strengen Sinn) gleich sein, denn sie vereinigen sich ja nicht zu einem einzigen Ding durch den Begriff, sondern sie bleiben zwei voneinander raumzeitlich getrennte Entitäten. Darum ist Der Begriff 'Stuhl' sozusagen nur eine Form, diese Mehreren zu denken, und ist mit sich selbst der Funktion nach identisch. Ein 'Stuhl' kann so gesehen gar nie mit sich selbst identisch sein, ausser es sei eben dieser Stuhl und kein anderer. Begreifen führt so gesehen immer auch eine Negation mit sich, nämlich die Negation des Begriffenen, also desjenigen, was er zugleich eben nicht einschliesst, d.h. dass der Begriff zugleich die Nichtidentität des Begriffenen mit einschliesst: 'Jetzt ist Tag.', beinhaltet z.B. immer zugleich die Wahrheit, dass es nicht den gestrigen, morgigen oder jeden anderen Tag meint, von dem gilt, dass er auch ein Jetzt war und sein wird.



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novon
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So 4. Aug 2019, 22:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 06:26
novon hat geschrieben :
Sa 3. Aug 2019, 22:02
... ist doch eigentlich so, dass Begriff gerade das Ungleiche ausblendet und auf das verallgemeinerte Gemeinsame verweist.
Ganz genau! Und das meint diese Formulierung vom Gleichsetzen des Ungleichen.
Ich sehe nach wie vor keine "Gleichsetzung". Wenn ich Ellipse, Quader und Dreieck begrifflich unter Geometrische Form fasse, setze ich sie ja nicht gleich, sondern fasse lediglich das ihnen Allgemeine. Dass deren Flächeninhalt berechnet werden kann ist ihnen gemein, wie das jeweils geht aber nicht. Ich sag mal: "Gleichsetzung" widerspricht meinem Begriffsbegriff insofern, dass Begriffe ja eijentlich hierarchisierend Anwendung finden, und eben gerade nicht gleichsetzend. Mit: "Da steht ein Stuhl" ist lediglich ausgesagt, dass da etwas steht, das unter den Begriff 'Stuhl" fällt und nichts über etwaige individuelle Formmerkmale, die mit diesem kategorisierenden Begriff gar nichts zu tun haben.
Hängt imo auch mit der politischen Großwetterlage zusammen, die ja vielfach beobachten lässt, dass Begriffe fälschlicherweise derart hergenommen werden, dass es so scheinen könnte, als wenn mittels etwaiger Kategorisierung quasi schon alles ausgesagt wäre, was sich aussagen ließe...
Ne, Begriffe stellen kein Instrument der "Gleichsetzung" dar. Das wäre missbräuchlich.




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novon
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So 4. Aug 2019, 23:30

Alethos hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 13:06
Mit Gleichem, im alltäglichen Sprachgebrauch, meinen wir oft Ähnliches: 'Dieser Stuhl gleicht dem Anderen' heisst, dass sie sich in wesentlichen Aspekten ähnlich sind, sodass sie sich überhaupt zu einer Art zugehörig unter einen Begriff bringen lassen.
Ja, richtig. Stuhl, Hocker, Sessel und Couch unterscheiden sich in wesentlichen allgemeinen Formmerkmalen, etwaige individuelle Formen werden da aber quasi notwendig ausgeblendet. Von "Gleichsetzung" keine Spur. (Die Überlegung finde ich irgendwie interessant: Könnte man sich quasi einen Reinen Stuhl vorstellen, DEN Stuhl...? *g)
Alethos hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 13:06
Identität meint aber, wenn ich es richtig verstehe, das mit sich selbst Gleiche in der Form: a=a.
Würdest du sagen, dass "4-2" und "4/2" Identisch sind. "4-2=4/2" als Gleichsetzung funktioniert ja.
Alethos hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 13:06
Das unter einen Begriff gebrachte Einzelding (a) wird, mit Hegel gesprochen, zu etwas Unwesentlichem (nicht-a), denn der Begriff bezeichnet sowohl dieses als auch jenes, das unter ihm ist, also mehrere, die eben weil sie mehrere sind, gar nicht gleich sein können.
Da verstehe ich Hegel wohl etwas anders. Begriffe sind analytisch und trennen das unter sie fallende von all dem, was nicht unter sie fällte. D. h. Mit begrifflicher Trennung teilst du die Welt quasi instantan in zwei Sphären, nämlich diejenige der Dinge die unter den Begriff fallen und den ganzen Rest, der eben nicht darunter fällt. Begriff kann man also quasi als Negation all dessen annehmen, das gerade nicht unter ihn fällt. Bezeichnest du 'Meer' ist damit eben einerseits alles bezeichnet, was unter den Begriff 'Meer' fällt, gleichzeitig aber auch alles negiert, was nicht in darunter zu begreifendes fällt. In 'nicht Meer' fielen z. B. 'Wüste', 'Gebirge', 'Fuchsbau' etcpp..., was die jedem Begriff implizite Negation darstellt. (Hegel's "Negation der Negation" setzt afaik genau da an, bzw. strengt an, sich daran abmühen zu wollen...)
Insofern denke ich, dass Begriffe zwar immer sowohl das unter sie fallende, wie auch das nicht unter sie fallende - was notwendig jenseits des durch den Begriff bestimmten vollkommen unbestimmt ist - bezeichnen, letzteres eben implizit, denn der Begriff Rechteck schließt eben aus, dass es eine Ellipse oder ein Dreieck sein könnte. Nichtidentität ist vollkommen unbestimmt jenseits dessen, was bestimmt ist.




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Alethos
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Mo 5. Aug 2019, 00:55

novon hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 23:30
Alethos hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 13:06
Mit Gleichem, im alltäglichen Sprachgebrauch, meinen wir oft Ähnliches: 'Dieser Stuhl gleicht dem Anderen' heisst, dass sie sich in wesentlichen Aspekten ähnlich sind, sodass sie sich überhaupt zu einer Art zugehörig unter einen Begriff bringen lassen.
Ja, richtig. Stuhl, Hocker, Sessel und Couch unterscheiden sich in wesentlichen allgemeinen Formmerkmalen, etwaige individuelle Formen werden da aber quasi notwendig ausgeblendet. Von "Gleichsetzung" keine Spur. (Die Überlegung finde ich irgendwie interessant: Könnte man sich quasi einen Reinen Stuhl vorstellen, DEN Stuhl...? *g)
Platon sass auf so einem :mrgreen: Und er ass auch von einem idealen Tisch, DEMjenigen, welchen, von dem alle anderen Tische seine Form erhielten :)
novon hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 23:30
Alethos hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 13:06
Das unter einen Begriff gebrachte Einzelding (a) wird, mit Hegel gesprochen, zu etwas Unwesentlichem (nicht-a), denn der Begriff bezeichnet sowohl dieses als auch jenes, das unter ihm ist, also mehrere, die eben weil sie mehrere sind, gar nicht gleich sein können.
Da verstehe ich Hegel wohl etwas anders. Begriffe sind analytisch und trennen das unter sie fallende von all dem, was nicht unter sie fällte. D. h. Mit begrifflicher Trennung teilst du die Welt quasi instantan in zwei Sphären, nämlich diejenige der Dinge die unter den Begriff fallen und den ganzen Rest, der eben nicht darunter fällt.
Ich denke, dass wir diese Diskussion andernorts sehr gerne weiterführen können, denn es gäbe einiges zu sagen, was nicht ganz zum Thema passt, so z.B. über die Intension und Extension von Begriffen. Selbstverständlich grenzt sich ein Begriff von allen anderen Begriffen ab, die er nicht ist. Der Begriff ist immer alles andere nicht. Da ist seine Extension. Aber was er in sich fasst, das ist doch eine intensional identische Ansammlung von Einzeldingen. Intensionalität meint aber die Funktion des Begriffs, eine Reihe von ähnlichen Dingen mit ähnlichen Eigenschaften unter sich zu fassen. Deshalb sind Begriffe der Funktion nach identisch: Ein Haus ist kein Berg (Extension), aber ein Haus ist immer ein Haus (Intension). Darum, ja, hast du recht, ein Begriff führt immer die Differenz zu anderen Begriffen mit sich, weil er sich extensional von anderen Begriffen als dieser Begriff unterscheiden muss, sonst wäre er ja ein anderer Begriff.

Aber, wenn wir den Begriff Stuhl nach der Intension untersuchen, dann werden wir doch feststellen, dass der Begriff selbst vom eigentlichen Gegenstand abstrahiert, er meint gar nicht den Gegenstand, sondern bezeichnet ihn nur. Wenn du sagst: 'Das ist eine Banane' (um mal etwas anderes zu nehmen als Stühle und Tische oder Dreiecke), dann meinst du sicherlich nicht die Banane in meiner Fruchtschale auf meinem Tisch in meiner Küche. Aber auch das dort in meiner Küche ist eine gekrümmte gelbe Frucht, die du jedoch gar nicht meinst. Du meinst ein anderes Einzelding. Der Begriff entwirft also nur ein Konzept einer Banane überhaupt, aber bezeichnet ein Einzelding, das, wenn es auch identifiziert ist als zum Begriff gehörig, nicht identisch ist mit allen Einzeldingen, die Bananen sind.

So und jetzt esse ich eine Nektarine, bevor es mich vor lauter Zuckermangel vom Stuhl haut :)



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Mo 5. Aug 2019, 06:16

novon hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 22:44
Ne, Begriffe stellen kein Instrument der "Gleichsetzung" dar.
Deswegen ist die Formulierung ja auch differenzierter. Es heißt schließlich, dass man das Ungleiche gleichsetzt. Beides ist in dieser Formulierung berücksichtigt, das Gleiche sowie das Ungleiche. Stühle fallen sehr verschieden aus, dennoch sind sie gleich hinsichtlich ihrer Funktion.




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Mo 5. Aug 2019, 12:08

Alethos hat geschrieben :
Mo 5. Aug 2019, 00:55
Intension und Extension
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie du diese beiden Begriff gebrauchst. Ich verwende sie ungefähr so: Intension ist der Sinn eines Begriffs (all das, was "macht", das etwas ein Stuhl ist), Extension ist all das, was darunter fällt (alle Stühle).




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Mo 5. Aug 2019, 15:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 5. Aug 2019, 12:08
Alethos hat geschrieben :
Mo 5. Aug 2019, 00:55
Intension und Extension
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie du diese beiden Begriff gebrauchst. Ich verwende sie ungefähr so: Intension ist der Sinn eines Begriffs (all das, was "macht", das etwas ein Stuhl ist), Extension ist all das, was darunter fällt (alle Stühle).
So, wie du es erklärst, sehe ich keinen plastischen Unterschied zwischen Intension und Extension. Alles, was macht, dass ein Stuhl ein Stuhl ist ist implizit auch das, was macht, dass ein Begriff alle Einzeldinge unter sich vereinigen kann, die Stühle sind. Ich sage nicht, dass du falsch liegst, denn beides hängt zusammen und geht auseinander hervor, aber ich denke, wir müssen noch ein wenig drüber reden :)

Ein Versuch:

Die Intension eines Begriffs ist seine 'Tiefe', seine Vertikalität, wenn wir so wollen. Er ordnet qua seine Funktion alle ähnlichen Eigenschaften der Dinge zueinander. Er selektiert sozusagen jenen Teil der Wirklichkeit an Gegenständen, die sich im Gesamt ihrer Eigenschaften so zueinander verhalten, dass sie gemeinsam ein Wesen bilden. Dieses ihr Wesen ist die Begriffswirklichkeit. Das Wesen nun ist, was macht, dass alle Einzeldinge, die wesentlich ähnlich sind, eine Identität bilden im Begriff. Die Intension ist sozusagen das identifizierende Moment der Vielfalt der Dinge nach dem Muster ihrer wesentlichen Ähnlichkeit.

Die Extension hat nach meiner Ansicht hingegen die Funktion, Dinge als von ihrer wesentlichen Differenz zueinander her zu erfassen. 'Ein Buch ist kein See', 'ein Stuhl ist kein Sessel'. Die Extension würde ich deshalb als Horizontalität beschreiben, insofern es die Funktion der Abgrenzung im Nebeneinander der Dinge meint, statt eines Ineinanders derselben. Durch die Extension wird die indefinite Weite der Wirklichkeit aller Dinge ins Auge genommen, dies aus der Optik einer Definiton, deren Funktion es ist, den Fokus auf die wesentliche Differenz zu vergrössern zu verkleinern, dadurch dieser oder jener Umfang der Wirklichkeit als ihres Wesens in den Blick geraten kann. Das Wesen der Wirklichkeit ist allgemeiner und umfassender oder konkreter und kleinräumiger, je nachdem, welchen bestimmten Sinn, d.h. welche logische Form wir von ihr abziehen. Damit ist aber auch gesagt, dass Allgemeinheit eine Wirklichkeit hat jenseits des Materialen ihres Begriffs, nämlich in ihrer logischen Form.



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Alethos hat geschrieben :
Mo 5. Aug 2019, 15:11
So, wie du es erklärst, sehe ich keinen plastischen Unterschied zwischen Intension und Extension
Ich schon :-) Ich vereinfache noch mehr: das eine ist die Bedeutung, das andere sind die Dinge :-)




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Mo 5. Aug 2019, 15:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 5. Aug 2019, 15:24
Alethos hat geschrieben :
Mo 5. Aug 2019, 15:11
So, wie du es erklärst, sehe ich keinen plastischen Unterschied zwischen Intension und Extension
Ich schon :-) Ich vereinfache noch mehr: das eine ist die Bedeutung, das andere sind die Dinge :-)
So wie ein Dicker und ein Doofer nicht zusammen 'Dick und Doof' geben, sondern nur unter dem Aspekt der Draufsicht auf sie als komisches Duo 'Dick und Doof sind', können wir die Intension und Extension von Begriffen nur unter der Voraussetzung begreifen, dass wir auf Dinge sehen als Bedeutendes. :-) Es gibt nicht das Eine und das Andere mit Blick auf Dinge als Bedeutendes :)



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Mo 5. Aug 2019, 15:51

Mag sein, ich wollte nur andeuten, dass ich die Begriffe anders verwende und kenne als du sie gebrauchst :-)




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