Zuschreiben statt Beschreiben (Diskussion)
Verfasst: Mi 11. Okt 2017, 01:51
Der Übersichtlichkeit halber eröffne ich für die Diskussion einen eigenen Thread.
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Ja. Wobei allerdings dem Zuschreiben eine konstitutive Rolle für das menschliche Zusammenleben zukommt. Denn es gehört, wenn man es wittgensteinisch formulieren möchte, zum "Sprachspiel" des Sich-gegenseitig-verantwortlich-Machens, und das ist ebenso elementar wie das Sprachspiel des Gründegebens und -nehmens.Alethos hat geschrieben : ↑Mi 11. Okt 2017, 13:13Ich finde, dass die Diskussion damit beginnen sollte zu verorten, in welchem philosophischen Feld wir uns bei der Erörterung des Begriffs Zuschreibung bewegen. Ich denke, wir können festhalten, dass wir uns im Gebiet der Sprachphilosophie und ganz speziell im Gebiet der Sprachpragmatik befinden.
Nicht nur Dinge lassen sich beschreiben, auch Personen und ihre Handlungen. Der Aspekt des Zusammengesetztseins ist dabei nur eine von vielen möglichen Hinsichten, in denen sich etwas beschreiben lässt.Beschreiben heisst, ganz simplifizierend ausgedrückt, über das Wie eines Etwas Aussagen zu machen. Beschreiben heisst aufzuzeigen, welche Eigenschaften einem Ding zukommen, d.h. es in seiner Form und seiner Materie, in seinem Zusammengesetztsein auszudrücken.
Das finde ich nicht spezifisch genug. Denn in jeder Aussage wird "etwas als etwas" festgestellt, nämlich ein Gegenstand als "Fall" einer Reihe von vielen gleichen Fällen. Oder anders gesagt, durch Aussagen werden Gegenstände als Elemente von Klassen herausgegriffen. Oder noch einmal anders: Von einzelnen, konkreten Gegenständen wird etwas Allgemeines ausgesagt. Die Struktur des "etwas als etwas" oder des "etwas über etwas" scheint die Grundstruktur unseres begrifflichen Verstehens zu sein.Zuschreibungen sind hingegen Aussagen von etwas als etwas.
Nein, beim Zuschreiben geht es nicht um "Eigentümlichkeiten" von Dingen, sondern um das Zuweisen von Verantwortung an eine bestimmte Person. Zugeschrieben werden Handlungen und ihre Folgen, und zwar als Verdienst oder Verschulden bestimmter Personen.Zuschreibungen vermitteln sozusagen Bedeutung zwischen einem Prädikator und dem anderen durch eine Zuweisung von "Eigentümlichkeit". Das bedeutet nicht, dass Zuschreibungen hier einem Ding eine Eigenschaft vermitteln würden, das gerade ist mit Zuschreibung nicht gemeint, sondern vielmehr meint Eigentümlichkeit hier die Tatsache, ein Ding als dieses Besondere, von anderen Dingen Ausgesonderte zu unterscheiden. Eine Beschreibung ist sozusagen ein analytischer Vorgang, die Zuschreibung ein synthetischer?
Ja, unbedingt.Wenn wir sagen, "x schreibt y H zu", dann meinen wir mit x die zuschreibende Person. Sie schreibt y eine Handlung zu resp. einen Handlungsvollzug oder deren Ergebnisse. Das Zuschreiben durch x bedeutet implizit ein Widerfahrnis für y, wofür der Akteur x verantwortlich zeichnet. Diese Verantwortung entsteht hier aber bei Annahme einer Beziehungssymmetrie, insofern als x angehalten ist, begründet zuzuschreiben. Ich kann nicht Person y zuschreiben, für etwas verantwortlich zu sein, wenn ich hierfür keine Gründe habe. Wenn ich hierfür aber Gründe habe, dann ist Person A deshalb verantwortlich, weil sie aufgefordert ist, auf diese Zuschreibung eine Antwort zu geben. x und y sind als Personen durch diese Zuweisungsspiele einander gegenüber verantwortlich. Kann man das so sagen?
Einverstanden. Damit beseitigen wir auch ein Erklärungsproblem, das sich ergeben würde, wenn wir mit Zuschreibungen Zuschreibungen von Eigenschaften an Dinge meinten und gleichzeitig von Verantwortung sprechen würden. Denn offensichtlich können wir eine Sache oder ein Ding resp. einen Umstand oder eine Tatsache nicht verantwortlich für etwas machen, sondern jeweils nur Menschen.Hermeneuticus hat geschrieben : ↑Fr 13. Okt 2017, 02:18Nein, beim Zuschreiben geht es nicht um "Eigentümlichkeiten" von Dingen, sondern um das Zuweisen von Verantwortung an eine bestimmte Person. Zugeschrieben werden Handlungen und ihre Folgen, und zwar als Verdienst oder Verschulden bestimmter Personen.Alethos hat geschrieben : ↑Mi 11. Okt 2017, 13:13Zuschreibungen vermitteln sozusagen Bedeutung zwischen einem Prädikator und dem anderen durch eine Zuweisung von "Eigentümlichkeit". Das bedeutet nicht, dass Zuschreibungen hier einem Ding eine Eigenschaft vermitteln würden, das gerade ist mit Zuschreibung nicht gemeint, sondern vielmehr meint Eigentümlichkeit hier die Tatsache, ein Ding als dieses Besondere, von anderen Dingen Ausgesonderte zu unterscheiden. Eine Beschreibung ist sozusagen ein analytischer Vorgang, die Zuschreibung ein synthetischer?
Einem Gegenstand ein Prädikat zu geben, ist aus dieser Optik keine Zuschreibung (Askription), sondern eine Deskription. Zugeschrieben werden nach Janich Urheberschaft, besitzähnliche Verhältnisse und Verantwortung.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 10. Okt 2017, 06:41Was heißt es, ein Prädikat zuzuschreiben? Im Lexikon der Argumente findet man folgende kurze Erläuterung: "Zuschreibung: Aussagen, die einen Gegenstand mit Eigenschaften versehen sind Zuschreibungen."
Auch hier bin ich einverstanden. Aussagen der Form "etwas über etwas als etwas " stellen nicht apriori Zuschreibungen dar. Zuschreibungen sind vielmehr performative Äusserungen der Art: "x ist für H verantwortlich" oder "x ist Urheber von H". H beschreibt hier eine Handlung, einen Handlungsvollzug oder ein Resultat einer Handlung durch x, deren Urheber er ist. Urheberschaft ist ein Kriterium von Handlung. Denn, dass jemand eine Bewegung ausführt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass er für diese verantwortlich ist (z.B. eine Person, die an spastischen Krämpfen leidet). Damit jemand für eine Handlung verantwortlich gemacht werden kann, müssen wir eine Handlung von einer simplen Bewegung unterscheiden. Nur für Handlungen können wir Menschen mit Recht (d.h. fairerweise) verantwortlich machen. D.h. nur für Handlungsvollzüge können Menschen verantwortlich gemacht werden, die auch im vollen Besitz ihrer Kontroll- und Rationalisierungskräfte sind (Kinder können z.B. nicht in gleicherweise verantwortlich gemacht werden wie Erwachsene).Hermeneuticus hat geschrieben : ↑Fr 13. Okt 2017, 02:18Das finde ich nicht spezifisch genug. Denn in jeder Aussage wird "etwas als etwas" festgestellt, nämlich ein Gegenstand als "Fall" einer Reihe von vielen gleichen Fällen. Oder anders gesagt, durch Aussagen werden Gegenstände als Elemente von Klassen herausgegriffen. Oder noch einmal anders: Von einzelnen, konkreten Gegenständen wird etwas Allgemeines ausgesagt. Die Struktur des "etwas als etwas" oder des "etwas über etwas" scheint die Grundstruktur unseres begrifflichen Verstehens zu sein.
Die sprachliche Handlung des Prädizierens kann man so charakterisieren: Einem Gegenstand wir ein Prädikator zu-oder abgesprochen. Aber das tun wir ja in jedem vollständigen Satz, ganz gleich, ob es sich um eine behauptende Aussage, eine Frage oder eine Aufforderung handelt. Damit wird aber nicht immer über Eigenschaften von Gegenständen gesprochen. Auch "Peter lauf!" oder "Wo läuft er denn?" sind Prädikationen, in denen eine Bezeichnung (für einen Gegenstand) mit einem Prädikator zusammengestellt wird.Alethos hat geschrieben : ↑Fr 13. Okt 2017, 15:03Dann meint aber jenes Zuschreiben, auf welches das Zitat von Jörn im Thread "Zuschreiben" verweist, auch nicht jenes Zuschreiben, von welchem wir hier sprechen.Einem Gegenstand ein Prädikat zu geben, ist aus dieser Optik keine Zuschreibung (Askription), sondern eine Deskription. Zugeschrieben werden nach Janich Urheberschaft, besitzähnliche Verhältnisse und Verantwortung.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 10. Okt 2017, 06:41Was heißt es, ein Prädikat zuzuschreiben? Im Lexikon der Argumente findet man folgende kurze Erläuterung: "Zuschreibung: Aussagen, die einen Gegenstand mit Eigenschaften versehen sind Zuschreibungen."
Genau, mit Zuschreibungen (im Sinne des Askriptivismus) werden letztlich immer normative Status von Handlungen herausgestellt. - Aber wer ist A.Maier? Und woher hast Du das Zitat?Eine Handlung als solche zu erkennen, bedeutet also auch gleichzeitig, sich ein Urteil darüber zu geben, dass x für H verantwortlich zeichnet, weil y. Zuschreibungen sind also "Zuschreibungsurteile, mit welcher einer Person ein normativer Status zugeschrieben wird." (A. Maier, 2006)
Wir müssen also nach diesen Kriterien fragen, die ein Zuschreibungsurteil als gerechtfertigt qualifiziert, wenn wir die Frage beantworten wollen, ob die Aussage "x ist für y verantwortlich" fairerweise richtig ist.
Hätte gern mehr Zeit, um auf deinen Beitrag einzugehen, im Moment zunächst nur eine kurze Antwort auf diese Frage.Hermeneuticus hat geschrieben : ↑Mo 16. Okt 2017, 12:10Genau, mit Zuschreibungen (im Sinne des Askriptivismus) werden letztlich immer normative Status von Handlungen herausgestellt. - Aber wer ist A.Maier? Und woher hast Du das Zitat?Eine Handlung als solche zu erkennen, bedeutet also auch gleichzeitig, sich ein Urteil darüber zu geben, dass x für H verantwortlich zeichnet, weil y. Zuschreibungen sind also "Zuschreibungsurteile, mit welcher einer Person ein normativer Status zugeschrieben wird." (A. Maier, 2006)
Wir müssen also nach diesen Kriterien fragen, die ein Zuschreibungsurteil als gerechtfertigt qualifiziert, wenn wir die Frage beantworten wollen, ob die Aussage "x ist für y verantwortlich" fairerweise richtig ist.