Da stimme ich dir eigentlich zu, deshalb schrieb ich aber ganz bewusst auch "algorithmisch betrachtet". Denn AlphaZero grenzt sich von der Implementierung her und meinem Eindruck nach daraus ergebend auch spielerisch qualitativ von anderen Engines wie beispielsweise Stockfish ab. Das zeigt sich doch auch bei der Betrachtung der Partien. Obwohl von der Spielstärke her völlig jenseits, kann man - selbst als Amateur - (vermeintlich) Strategien erkennen, etwa wenn es dem gegnerischen Läufer die Bewegungsfreiheit nimmt und solche Dinge - man kann das Spiel meinem Eindruck nach eher sozusagen mit menschlichen Denkkategorien aufladen. Stockfish andererseits spielt im Vergleich dazu teilweise völlig absurde Züge und steht dann 30 Züge später irgendwie "plötzlich" auf Sieg. Und das ist glaube ich, der Implementierung geschuldet. Sieht man sich diese an, glaube ich, spule ich als Mensch bei der Zugwahl mehr oder weniger den gleichen Algorithmus ab.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 22. Nov 2022, 18:36Ich spiele auch Schach. Die Entwickler von Alpha Zero würden mich mit ihrer Maschine natürlich immer schlagen, so wie sie jeden anderen Menschen auch schlagen würden. Aber dennoch gibt es meines Erachtens einen entscheidenden Unterschied zwischen mir und Alpha Zero, und nicht zwischen mir und dem Programmieren: ich spiele - im vollen Wortsinn. Ich möchte gewinnen und freue mich, wenn mir etwas gelingt, ich bin frustriert, wenn ich über eine Niederlagenserie quittieren muss, habe dennoch Spaß am Schach, möchte gerne besser werden, oder wenigstens nicht schlechter und so weiter und so fort. Ich erlebe das, was ich tue. Ich bin es, der das tut. Deswegen glaube ich nicht, dass ein Mensch das praktisch Gleiche macht wie Alpha Zero. Diese Aspekte kann man nicht einfach weglassen.
Das kann sein, aber Überlegungen dieser Art sind ja tatsächlich strittig, da gibt es ja wie zwei Lager, zum Beispiel unter dem Stichwort "Embodiment".Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 22. Nov 2022, 18:36Der Hauptunterschied für mich ist dementsprechend, dass sie nicht biologisch sind und daher nicht leben, so dass es für sie niemals um etwas geht. Weder im Kleinen noch im Großen. Ein früherer Freund von mir, der als Informatikprofessor gearbeitet hat, hat es mal so ausgedrückt: die Dinger werden nicht intelligent sein, solange sie nicht ein Leben führen (und womöglich sterben müssen). Eine andere eine Einschätzung, die in dieselbe Richtung geht, aber pointierter formuliert ist: sie werden nicht intelligent sein, solange sie keinen Sex haben können.
Weil sie nicht leben, und weil es für sie niemals um etwas geht, haben sie auch nicht den geringsten Grund, überhaupt irgendetwas zu tun, insbesondere nicht solche Dinge wie lernen, spielen, nachdenken etc. sie haben keine intrinsische Motivation zu all diesen Dingen, denke ich. Ich sehe auch keinen Anlass bisher, das zu vermuten.
Ich persönlich bin mir da unsicher, das halte ich auch für einen schwierigen Punkt, unklar und nebulös. Ich glaube zum Beispiel, oder könnte mir vorstellen, dass sich das dann irgendwie ergibt. Alles, was über den zeitlichen Horizont der natürlich ablaufenden chemischen und physikalischen Prozesse hin stabil sein "will", muss ja in irgendeiner Form gegen die Entropie ankämpfen. Wenn sozusagen der Computer selbst seine Ersatzteile besorgen und einbauen müsste und selbst sehen müsste, wie er an elektrische Energie herankommt, dann wäre das ja ein Beispiel für die Möglichkeiten für eine intrinsische Motivation.
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 22. Nov 2022, 18:36Nach meinem Kenntnisstand, geht die Entwicklung in manchen Strängen auch in diese (biologische) Richtung. Wenn man das (was auch immer das im Detail bedeuten mag) erreicht, dann wird man wahrscheinlich auch unser mentalistisches Vokabular auf sie anwenden können. Zumindest ist es dann denkbar.
Aber es ist natürlich auch möglich, dass sich diese Dinger, wenn sie weiterhin im selben Tempo an Komplexität gewinnen, zu etwas entwickeln, was wir uns in unseren Träumen nicht ausmalen können, weil es vielleicht etwas ist, was es nie zuvor gab und zudem wir keinen Zugang haben werden. Uns unverständliche Aliens z.b. (Sei es nun positiv oder negativ für uns.) Auch das wäre dann ein Szenario, in dem es unangemessen wäre, unser mentalistischesVokalabular, was auf uns selbst und andere vergleichbar hochentwickelte Tiere zugeschnitten ist, anzuwenden. Denkbar wäre in diesem Fall sogar, dass wir es dann niemals zu einer angemessenen Sprache über sie bringen.
Oh, ich spreche aber immer mit solchen Situationen im Hinterkopf. Wenn ich von "KI" spreche, dann sehe ich ein hypothetisches Szenario, ein Objekt aus derzeitigen SciFi - Stories, sowas wie das Ding aus "I, Robot" oder Data aus Star Trek . Die heutigen Systeme würd ich auch als Lichtjahre davon entfernt ansehen und ihnen natürlich auch keine "Intelligenz" attestieren. Aber sie deuten meiner Meinung nach auch an, dass unsere mathematischen Modelle des Nervensystems, also letztlich Gehirn = informationstheoretische Maschine, funktionieren (oder zumindest in die richtige Richtung zeigen), dass Verhalten algorithmisch beschreibbar ist und vieles letztlich nichts weiter als (extrem hochdimensionale) Statistik ist.