Friederike hat geschrieben : ↑ Fr 3. Jul 2020, 13:29
"Wirklichkeit" gehört mE zu den absoluten Metaphern, ebenso wie Mensch, Gott, Sein, Wahrheit, Welt (unter Bezug auf den Beitrag von Dir, @Nauplios in "Allgemeiner Austausch zu Blumenberg"*). Ist es korrekt, von einem Wort, das absolute Metapher ist, als "Begriff" zu sprechen? Es kommt mir widersinnig vor.
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"Absolute Metaphern sind sie auch, weil sich nicht fragen läßt, ob sie 'richtig' oder 'angemessen' sind. Diese Metaphern konstituieren den weder in der Anschauung noch begrifflich zugänglichen Gegenstand, indem von ihm durch sie gesprochen wird." (S. 219)[Zitat aus dem Heidegger Handbuch, Anm. von F.] -
Ich greife mal zurück auf den Audio-Beitrag "Der Geist ist sich selbst voraus. Die Metaphernlehre des Philosophen Hans Blumenberg" von Michael Reitz. Der Text dieses Radiofeatures von 2012 kann hier nachgelesen werden:
https://www.deutschlandfunk.de/der-geis ... _id=216424
Darin heißt es:
"Diese in der Sprachwissenschaft so benannten notwendigen Metaphern sind es, die Hans Blumenberg besonders interessieren. Er nennt sie allerdings absolute Metaphern. Sie bilden die Grundbestände der philosophischen Sprache, kreieren eine Terminologie jenseits nachprüfbarer Definitionsgewalt, die aber gleichwohl das Denken wirkmächtig strukturiert."
Blumenberg schreibt in den
Paradigmen :
"Metaphorik kann auch dort im Spiele sein, wo ausschließlich terminologische Aussagen auftreten, die aber ohne Hinblick auf eine Leitvorstellung in ihrer umschließenden Sinneinheit gar nicht verstanden werden können. Nicht nur die Sprache denkt uns vor und steht uns bei unserer Weltsicht gleichsam im Rücken; noch zwingender sind wir durch Bildervorrat und Bilderwahl bestimmt."
Dies scheint mir eine entscheidende Passage für die von Dir aufgeworfene Frage nach der "Korrektheit" der Bezeichnung Wirklichkeits
begriff für die absolute
Metapher "Wirklichkeit" (sofern denn zutrifft, das Wirklichkeit eine absolute Metapher ist, was ich jetzt mal voraussetze) zu sein, Friederike. Es geht um das, was Blumenberg in den
Paradigmen "Hintergrundmetaphorik" nennt. - Diese Hintergrundmetaphorik ist auch da "am Werk", wo gar keine Metapher zu erkennen ist. Heidegger beispielsweise schreibt, "daß im Lichte des Seins das Seiende als das Seiende, das es ist erscheine. Ob es und wie es erscheint, ob und wie der Gott und die Götter die Geschichte und die Natur in die Lichtung des Seins hereinkommen, an- und abwesen, entscheidet nicht der Mensch." (GA 9; S. 330f) - Licht, erscheinen, Lichtung, hereinkommen, Ankunft ... Heidegger umschreibt mit einer uneigentlichen Redeweise, vornehmlich mit einer Metaphorik des Lichts das Sein. Diese Metaphorik tritt in den Hintergrund, wenn er an anderen Stellen zwar ohne "Licht" und "Lichtung" vom Sein spricht, gleichwohl aber diese Bilder, diese Metaphern den "Begriff" des Seins leiten und orientieren. Die "umschließende Sinneinheit", von der Blumenberg spricht ist die des Lichts, der Lichtung, des Erhellens, wo vorher Dunkelheit war ... diese Licht-Metaphorik ist "auch dort im Spiel, wo ausschließlich terminologische Aussagen auftreten".
Ähnliches gilt für den Wirklichkeitsbegriff, der eine "'epische' Struktur" hat. Wirklichkeit hat etwas episch Weitläufiges an sich, das sich zu einem Kon
Text verdichtet, zu einem in sich stimmigen Zusammenhang. Andere "Erfahrungskon
Texte von Anderen sind möglich. Wirklichkeit ist "ein sich konstituierender Kontext". Das ist, wenn man das so sagen darf, eine Hintergrundmetaphorik, die bei dem "dritten Wirklichkeitsbegriff", der sich bestimmen läßt als "Realisierung eines in sich einstimmigen Kontextes", am Werk ist.
So sind denn die
Begriffe Sein und Wirklichkeit von einer Hintergrundmetaphorik umgeben. Diese Hintergrundmetaphorik bildet mit dem Begriff jene "umschließende Sinneinheit", von der oben die Rede war. "Sein", "Wirklichkeit", "Welt", "Geschichte" ... sind dann absolute Metaphern, weil diese
Begriffe an metaphorische "Leitvorstellungen" gebunden sind. -