Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Mi 11. Apr 2018, 06:39
Auf der anderen Seite ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass ich es bin, der einen bestimmten Gedanken fasst.
Danke für deine erhellenden Ausführungen. An diesem Beispiel deiner Gedanken im Park lassen sich doch verschiedene 'Elemente' aufzeigen, die bei der Gedankenproduktion eine Rolle spielen.
Einerseits sind das die Menschen, die du aufgezählt hast, die Töne und Bewegungen: das sind ganz offensichtlich ausser dir liegende Inhalte eines etwaigen Gedankens. Sie werden als Gegenstände deiner Umwelt zu Fragmenten eines Gedankens, den du hast.
Andererseits bist es ja du, der diesen Gedanken hat. Dasjenige, mit welchem diese äusseren Elemente wechselwirken, ist nicht ein toter Rezeptor, irgendein Scanner, der Gegenstände abscannt, sondern es ist ein Wesen mit eigenen Gedanken, mit einer Stimmung und mit einem Lebenshintergrund. Die Elemente des Denkens bestehen nicht aus diesen Fragmenten des Äusseren allein, sondern auch aus diesen Anteilen, die du in sie hineinlegst durch dein Gerichtetsein auf sie. Es ist durch dieses Gerichtetsein, dass die äusseren Elemente in dieser Art zueinander in Bezug gesetzt werden, dass dieser Gedanke entsteht und nicht ein anderer.
Dann übermittelst du mir über dieses spezifische Medium des Forums resp. deines Beitrags deine Gedanken, indem du deine Gedanken wiederum in Zeichen und Sätze packst, die 'transportfähig' sind, also die in der Art verschlüsselt oder codiert sind, dass sie übermittelt werden können. Sie werden durch mich verstanden wegen dieser öffentlichen Codierung, die nun eben unsere Sprache ist.
Angesichts dieser komplexen Konfigurationen der Elemente des Denkens ist es sicherlich wenig hilfreich nach einem Wo zu fragen, weil die Gedanken nun eben nicht lokalisiert werden können an einem Ort: Das Denken findet sowohl in den Tatsachen der Szenerie des Parks statt als auch im Medium der Sprache, durch die du sie begreifst und durch die wir uns verständigen.
Das Denken ist also in vielfältiger Hinsicht öffentlich. Öffentlich ist es, weil er von etwas handelt, das öffentlich im Sinne von prinzipiell intersubjektiv zugänglich ist, es ist öffentlich, weil die Sprache, in der es verfasst und übermittelt wird, öffentlich ist.
Es findet in dieser Hinsicht also nicht im Kopf statt, weil alles, durch das es als Vermittelbares konstituiert ist, öffentlich ist.
Aber das heisst ja nicht, dass der Kopf leer ist und in ihn bloss öffentliches Denken hinein- und wieder herausfliesst.
Etwas geschieht ja im Kopf, es werden Gedanken geformt, modifiziert. Das Individuum synthetisiert die disparaten Elemente zu einem kohärenten Gedanken. Wir sind es, die den Begriffen einen Ort geben im Satz, so dass er eben Ausdruck eines Gedankens ist und nicht bloss eine Aneinanderreihung von Begriffen in einem Begriffsnetz. Wir halten uns dabei an Regeln, das ist klar, ohne diese Regeln könnten wir keine Bedeutung ermitteln und vermitteln, aber ohne unsere Denkleistungen wüssten unsere Begriffe nicht, in welcher Art und Weise sie nach dieser Regel angewendet gehören, damit ein Gedanke ist. Das, was wir sagen wollen, das gibt uns die Regel nicht vor, sie ermöglicht lediglich unserem Sagenwollen das Sagenkönnen.
Nun liegt aber in dieser individuellen Fähigkeit zum Denken etwas Privates, finde ich, weil es in mir verortet bleibt, was ich wie sagen will, aber auch, weil das, was die Begriffe je bedeuten, nicht im Begriff apriori vollumfänglich wiedergegeben wird, sondern die Bedeutung temperiert ist durch das Wechselspiel mit mir, der diesem Begriff eine Konnotation gibt, auch und nicht zuletzt dadurch, dass ich die Begriffe zueinander in dieser Art und Weise in Beziehung setze, wie ich das zur Übermittlung meines Gedankens möchte. Das ist doch dann nicht abwegig zu sagen, dass das Denken dann gleichsam auch in mir und durch mich stattfindet und nicht bloss öffentlich konstituiert wird?