Nehmen wir mal an, das sei eine notwendige Bedingung, damit man über Gefühle auch sprechen kann. Aber ist sie hinreichend?
Thomas Auinger: Gedanken im Kopf? Wittgenstein über die Art und den Ort des Denkens
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Nein.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 3. Apr 2018, 14:48Nehmen wir mal an, das sei eine notwendige Bedingung, damit man über Gefühle auch sprechen kann. Aber ist sie hinreichend?
Ich habe ja in gröbsten Züge hingeschrieben, wie ich mir das vorstelle. Man muss sich einigen.
Es bedarf irgendwann auch einer Befähigung zu differenzierter Lautbildung, über die Mutation der FOXP2 Gene, wobei ich glaube, dass diese Mutation keinen Zufall darstellt, ich vermute betimmtes Verhaten löst einen starken evolutionären Druck aus, seit der Epigenetik wissen wir ja spätestens, dass Sozialverhalten auch biologisch nicht folgenlos ist.
Alles spielt eine Rolle und die Affekte sind ja auch nicht vom Baum gefallen sondern ebenfalls Resultat einer vermutlich noch gänzlich unbewussten Strategie. Das ist der vermutlich spannendste Punkt, an dem ein erfolgreiches Programm das biologische Wesen einfach passiv ausführen, zu etwas wird, mit dem sie mehr oder minder bewusst spielen können.
„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)
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Um über einen innerer Vorgang zu sprechen, bedarf es äußerer Kriterien, also etwas öffentliches. Das kann nichts sein, was nur im Kopf (oder auf andere Weise privat) ist, oder?
Zur Metabene zu gelangen bedeutete dann vermutlich eine Art von reflexiver Distanz zu den emotionalen Phänomenen aufzubauen, durch welche es möglich wird, sie zu ordnen, zu überschauen, als diese und jene zu erkennen. Um über Gefühle reden zu können, braucht es das passende Vokabular, man muss sich darauf geeinigt haben, wie du es sagst, das heisst auch zu wissen, wie man sie auf sich selbst, auf die eigenen Gefühle überhaupt anwenden soll.
Dass aber Gefühle unmittelbar wirksam sind, sich anfühlen, auch wenn wir uns über sie gar nicht im Klaren sind (und auch keinen Begriff von ihnen haben), das ist durchaus plausibel. Zu reflektieren, dass wir das und jenes fühlen, wäre dann etwas vom tatsächlichen Fühlen Verschiedenes, da ein rationalisierendes Moment zur Überführung des Gefühls ins Abstrakte geführt hat, wo es sich gar nicht mehr fühlen lässt. Ein gefühltes Gefühl ist nie etwas Abstraktes, sondern ein durch und durch 'selbstemphatischer' konkreter Moment: ein bei sich Sein in vollster Empfindung dieser Selbstnähe. Sprache, und damit auch Verstehen resp. das Bedenken dieser Gefühle, bedeutet aber eine Abstrahierungsleistung, durch die ein 'Blick von oben' auf das Phänomen des empfundenen Gefühls möglich wird. Der Gedanke an das Gefühl fühlt sich nicht an (wenn es auch Gefühle auslösen kann). Das würde durchaus die These bestätigen, dass Gefühle der Sprache vorgeschaltet sind.
Aber, du hast in deinem letzten Beitrag auch folgendes erwähnt, und über diesen Gedanken bin ich deshalb erst jetzt gestolpert: Auch Gefühle könnte man als eine Sprache deuten, nämlich als emphatische Sprache, das durch Zusammenleben von empfindsamen Wesen ausgebildet worden ist. Dann wäre diese emotionale Sprache apriori gegeben, d.h. Gefühle wären nicht vorgelagert, sondern sie wären eine präreflexive Art des Kommunizierens in Verbänden.
Gefühle wären dann sozusagen das emphatische Grundvokabular, durch das es uns überhaupt möglich wird, des Anderen Schmerz und Freude, Überschwang oder Niedergeschlagenheit wiederzuerkennen, das heisst, den Anderen als Menschen zu erkennen als meinesgleichen. Wäre dem nicht so, dass wir diese 'Sprache des Gefühls und Mitgefühls' sprechen könnten, dann wären wir blind und stumm für die Gefühle der Anderen, wodurch sich keine Mitte hätte einstellen können.
In diese Richtung scheinen mir deine Hinweise zur "unbewussten Strategie" von Gefühlen zu gehen oder zur epigenetischen Dimension der Gefühlsentwicklung? Epigenetik wäre als ein Erinnern der Biophysis der Inbegriff von Verinnerlichung.
Nun aber möchte ich Jörn nicht umsonst recht geben, sondern nur mit guten Grund Und ich denke, falls wir das so richtig entwickelt haben, dass hier ein guter Grund zur Zustimmung an Jörns Punkt vorliegt: Sprache wäre in jedem Fall etwas Äusseres, und Gefühle wären demnach nicht etwas ausschliesslich Privates oder Inneres.
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Ich will mal zwei Punkte, die mir in den Text von Thomas Auinger fraglich vorkommen zumindestens kurz benennen.
Meines Erachtens kann es keine größeren Zweifel daran geben, dass einige der höher entwickelten Tiere in irgendeiner Form denken können. Falls das so ist, dann kommt Denken auch ohne propositionale Sprache vor und das stellt die Theorie, dass Denken und Sprechen eng sind miteinander verknüpft sind und ohne einander nicht zu denken sind, vor eine ziemliche Herausforderung. Ich finde, dass es so ein offensichtlicher Einwand, dass jede Theorie die diesen Zusammenhang behauptet auf dieses Problem eine gute Antwort haben muss ...
Der zweite Punkt ist ganz allgemein gesprochen das Problem der Regeln. Dass für Sprache Regeln bzw Regelmäßigkeiten nötig sind, das kann meines Erachtens schwer in Frage stehen. Aber daraus folgt noch nicht, dass wir den gleichen Regeln folgen müssen, um uns zu verstehen. Um die Anderen zu verstehen, genügt ist meines Erachtens, die Regelmäßigkeiten, nach denen die Anderen sich richtet, zu verstehen.
Meines Erachtens kann es keine größeren Zweifel daran geben, dass einige der höher entwickelten Tiere in irgendeiner Form denken können. Falls das so ist, dann kommt Denken auch ohne propositionale Sprache vor und das stellt die Theorie, dass Denken und Sprechen eng sind miteinander verknüpft sind und ohne einander nicht zu denken sind, vor eine ziemliche Herausforderung. Ich finde, dass es so ein offensichtlicher Einwand, dass jede Theorie die diesen Zusammenhang behauptet auf dieses Problem eine gute Antwort haben muss ...
Der zweite Punkt ist ganz allgemein gesprochen das Problem der Regeln. Dass für Sprache Regeln bzw Regelmäßigkeiten nötig sind, das kann meines Erachtens schwer in Frage stehen. Aber daraus folgt noch nicht, dass wir den gleichen Regeln folgen müssen, um uns zu verstehen. Um die Anderen zu verstehen, genügt ist meines Erachtens, die Regelmäßigkeiten, nach denen die Anderen sich richtet, zu verstehen.
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Die Metapher ist wie der Übergang zwischen der Bild- und Begriffssprache (d.h. verbaler Sprache) oder wie Du unterscheidest: Bild- und Zeichensprache. Insofern bildet sie die Brücke vom Unbegrifflichen zum Begrifflichen. Und ja, deswegen könnte die Metapher auch Hinweise darauf geben, wie das vorbegriffliche/präreflexive Gefühl in die Wortsprache hineingeholt wird. Ich wollte dies nur kurz hinzufügen, bin aber wie Du der Meinung, daß dies das Thema des Threads zerpliesert.Alethos hat geschrieben : ↑Di 3. Apr 2018, 13:03Wie es um das Verhältnis von Denken und Gefühlen nach Blumenberg bestellt ist, sollten wir vielleicht in einem anderen Thread diskutieren. Ich wäre sehr dafür. Interessant in diesem Zusammenhang wäre sicherlich auch eine Untersuchung über den Unterschied zwischen Bild- und Zeichensprache (zwischen Metapher und Aussagesatz?). Im Auinger-Text wird zwar explizit erwähnt, dass jede Form von Sprache ununterscheidbar Sprache sei, und das würde ich auch unterschreiben, aber es wäre vielleicht zu vorschnell geurteilt, wenn wir die verschiedenen kommunikativen Qualitäten dieser beiden 'Spracharten' ausser Acht liessen? Es lohnt sich jedenfalls, diese Fährte weiterzuverfolgen.
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Tosa Inu hat geschrieben : Es ist ein fundamentaler Unterschied. Angst und Freude haben Tiere auch, sie erleben sie auch, weil sie ja fühlen können, sie wissen nur nicht, dass es Angst oder Freude sind, die sie fühlen.
Das bisschen Wissen als Bonus zu haben klingt zunächst sehr marginal. Aber gleichzeitig bedeutet es eine Welt zu erobern, denn es heißt zum eigenen, emotionalen Sosein eine Metaebene aufbauen zu können und seine Befindlichkeit deuten zu können. Genau das ist es, was in jedem neuen Leben (meistens) die Mutter macht, ihrem Kind die Welt und die eigene Gefühle zu deuten. Durch die angeborene Fähigkeit Affekte auszudrücken und lesen zu können, kann die Mutter dem Kind sagen: „Du hast Angst.“
Die beiden Sätze in Deiner Antwort auf T.I., die mir besonders wichtig sind, habe ich unterstrichen. Übrigens eine neue Erkenntnis für mich, zumindest in der Klarheit der Formulierung (bisher war mir nur das "Unbewußte als Sprache", Lacan, bekannt). Lediglich den Einschub, Gefühle seien nicht vorgelagert, den verstehe ich noch nicht. Gefühle sind eine ganz eigenständige Sprache, unabhängig davon, ob auf sie noch eine andere Entwicklungsstufe, die der verbalen Sprache, folgt, soweit ist es mir klar. Aber wenn die emotionale Sprache a priori gegeben ist, dann sind Gefühle doch vorgelagert?Alethos hat geschrieben : ↑Di 3. Apr 2018, 21:06Zur Metabene zu gelangen bedeutete dann vermutlich eine Art von reflexiver Distanz zu den emotionalen Phänomenen aufzubauen, durch welche es möglich wird, sie zu ordnen, zu überschauen, als diese und jene zu erkennen. Um über Gefühle reden zu können, braucht es das passende Vokabular, man muss sich darauf geeinigt haben, wie du es sagst, das heisst auch zu wissen, wie man sie auf sich selbst, auf die eigenen Gefühle überhaupt anwenden soll.
Aber, du hast in deinem letzten Beitrag auch folgendes erwähnt, und über diesen Gedanken bin ich deshalb erst jetzt gestolpert: Auch Gefühle könnte man als eine Sprache deuten, nämlich als emphatische Sprache, das durch Zusammenleben von empfindsamen Wesen ausgebildet worden ist. Dann wäre diese emotionale Sprache apriori gegeben, d.h. Gefühle wären nicht vorgelagert, sondern sie wären eine präreflexive Art des Kommunizierens in Verbänden. Gefühle wären dann sozusagen das emphatische Grundvokabular, durch das es uns überhaupt möglich wird, des Anderen Schmerz und Freude, Überschwang oder Niedergeschlagenheit wiederzuerkennen, das heisst, den Anderen als Menschen zu erkennen als meinesgleichen. Wäre dem nicht so, dass wir diese 'Sprache des Gefühls und Mitgefühls' sprechen könnten, dann wären wir blind und stumm für die Gefühle der Anderen, wodurch sich keine Mitte hätte einstellen können.
Man müßte, denke ich, entweder "Gefühle" differenzieren oder besser noch in Begriffe sortieren, denn in so allgemeiner Form gefällt mir die Theorie noch nicht. "Angst", "Trauer"/"Traurigkeit" oder "Freude", bei Tieren und als Grundgefühle der Menschen - das leuchtet mir ein. "Überschwang" oder "Niedergeschlagenheit", oder die Unterscheidung in "Zorn"und "Wut", "Zuneigung" und "Liebe" scheinen mir schon mehr wie die Ergebnisse auf einer "Metaebene", d.h. Grundgefühle, die auf die Reflexionsebene gebracht worden sind.
Ich fürchte, schon wieder eine Themenverfehlung.
Hallo Friederike,
ich denke schon, dass die Themen 'Gefühle', 'Sprache', 'Unaussprechlichkeit' etc. in diesen Thread gehören oder, falls eher nicht, dann doch diskutiert gehören. Mir ist jedenfalls auch noch relativ unklar, wie sich das Verhältnis von Sprache und Gefühlen ausformulieren lässt.
Kurz vorweg (weil die Zeit momentan nicht mehr hergibt): Ich denke, dass das Apriori von Sprache vor Gefühlen nur denkbar wird, wenn man Gefühle als Sprache deutet. Ob es sich so denken lässt, ist aber wieder eine andere Frage (die wir nun diskutieren können). Dein Einwand, dass gewisse Gefühle zur Metaebene gehören ist sicherlich berechtigt, auch diese Differenz von präreflexiven Gefühlsregungen und meditierten Gefühlen sollten wir untersuchen.
ich denke schon, dass die Themen 'Gefühle', 'Sprache', 'Unaussprechlichkeit' etc. in diesen Thread gehören oder, falls eher nicht, dann doch diskutiert gehören. Mir ist jedenfalls auch noch relativ unklar, wie sich das Verhältnis von Sprache und Gefühlen ausformulieren lässt.
Kurz vorweg (weil die Zeit momentan nicht mehr hergibt): Ich denke, dass das Apriori von Sprache vor Gefühlen nur denkbar wird, wenn man Gefühle als Sprache deutet. Ob es sich so denken lässt, ist aber wieder eine andere Frage (die wir nun diskutieren können). Dein Einwand, dass gewisse Gefühle zur Metaebene gehören ist sicherlich berechtigt, auch diese Differenz von präreflexiven Gefühlsregungen und meditierten Gefühlen sollten wir untersuchen.
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Möglicherweise habe ich Dich zuvor mißverstanden, aber ich dachte, Du meintest Gefühle seien Sprache. Oben aber ist die Sprache noch vor den Gefühlen ... hoffentlich verhaspeln wir uns nicht, denn ich habe in meiner Antwort nicht kenntlich gemacht, daß Du die ganze Zeit im Konditional schreibst. Und außerdem ist beim Schreiben in Zeitknappheit der Pferdefuß, daß man gelegentlich nicht das schreibt, was man meint. Diese Äußerung scheint mir, bei Lichte betrachtet, auch seltsam kryptisch, um nicht zu sagen, verworren, aber ich lasse es jetzt so.Alethos hat geschrieben : ↑Mi 4. Apr 2018, 12:34Kurz vorweg (weil die Zeit momentan nicht mehr hergibt): Ich denke, dass das Apriori von Sprache vor Gefühlen nur denkbar wird, wenn man Gefühle als Sprache deutet. Ob es sich so denken lässt, ist aber wieder eine andere Frage (die wir nun diskutieren können). Dein Einwand, dass gewisse Gefühle zur Metaebene gehören ist sicherlich berechtigt, auch diese Differenz von präreflexiven Gefühlsregungen und meditierten Gefühlen sollten wir untersuchen.
Meine Aussagen sind manchmal verworren, das stimmt
Ich wollte lediglich kurz vorweg nehmen, dass das Apriori von Gefühlen vor Sprache nicht denkbar ist, falls Gefühle und Sprache dasselbe sind. Sie wären dann also gleichzeitig. So wie du richtig einwendest. Und was ich oben sagen wollte mit dem Apriori von Sprache vor Gefühlen war folgendes: Wenn es so ist, dass Gefühle eigentliche Sprache sind, weshalb sie gleichzeitig vorkommen und nicht in einem Vor- bzw. Nachlagerungsverhältnis, dass diese 'Gefühlsprache' das Apriori ist von reflexiver Sprache resp. von Sprache als einem bewussten Sprechakt. Ich unterscheide also Sprache wiederum in eine bewusste Sprache als Handlung und einer 'angeborenen' Gefühlssprache als präreflexives soziales Moment. Diese Sprache der Gefühle müsste dann das Apriori der 'bewussten' Sprache sein.
Ich fürchte, das ist jetzt alles noch verworrener
Ich wollte lediglich kurz vorweg nehmen, dass das Apriori von Gefühlen vor Sprache nicht denkbar ist, falls Gefühle und Sprache dasselbe sind. Sie wären dann also gleichzeitig. So wie du richtig einwendest. Und was ich oben sagen wollte mit dem Apriori von Sprache vor Gefühlen war folgendes: Wenn es so ist, dass Gefühle eigentliche Sprache sind, weshalb sie gleichzeitig vorkommen und nicht in einem Vor- bzw. Nachlagerungsverhältnis, dass diese 'Gefühlsprache' das Apriori ist von reflexiver Sprache resp. von Sprache als einem bewussten Sprechakt. Ich unterscheide also Sprache wiederum in eine bewusste Sprache als Handlung und einer 'angeborenen' Gefühlssprache als präreflexives soziales Moment. Diese Sprache der Gefühle müsste dann das Apriori der 'bewussten' Sprache sein.
Ich fürchte, das ist jetzt alles noch verworrener
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Ziffern von mir im Zitat eingefügt.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mi 4. Apr 2018, 05:43Der zweite Punkt ist ganz allgemein gesprochen das Problem der Regeln. Dass für Sprache Regeln bzw Regelmäßigkeiten nötig sind, das kann meines Erachtens schwer in Frage stehen. (1) Aber daraus folgt noch nicht, dass wir den gleichen Regeln folgen müssen, um uns zu verstehen. (2) Um die Anderen zu verstehen, genügt ist meines Erachtens, die Regelmäßigkeiten, nach denen die Anderen sich richtet, zu verstehen.
Ad 2: Andernfalls wäre jede Form von ethnologischer Feldforschung unmöglich. Mit diesem eher empirisch-praktischen Argument würde ich spontan Deine These unterstützen. Nur, wofür ist das wichtig oder welche Relevanz hätte dieser Einwand? Das ist mir nicht klar.
Ad 1: Wenn wir uns einander wechselseitig verstehen wollen, dann müssen wir den gleichen Regeln folgen, denn wenn ich von den Anderen verstanden werden möchte, dann muß ich ihren Regeln folgen. Wenn ich die Anderen verstehen will, dann muß ich ihre Regeln kennen.
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Nein @Alethos, überhaupt und ganz und gar nicht. Im Gegenteil, jetzt ist alles klar wie das Wasser eines Gebirgsbächleins. Übrigens, Du hast das "verworren" nicht etwa auf Dich bezogen?! Ich meinte meinen "Vortrag".
Dein 'Vortrag' war ganz und gar nicht verworren, und ich bin froh, wenn es meiner auch nicht war, haben wir doch jetzt eine gute Basis für eine weitere Vertiefung in die Sprachgefühlsmaterie.
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Vorsicht, Gefühle haben, wie auch Sprache, mehrere Ebenen. Empathie und damit auch Selbstempathie ist ein sehr rationaler Akt.
Ich verstehe ihn so, dass man sich z.B. ganz auf ein Gefühl einlässt, was dann evtl. sogar das Rationale transzendieren kann.
Ja, Affekte sind ein Kommunikationsmittel. Entstanden bei den Säugetieren.
Menschen und Tiere sind mit bestimmten Basisemotionen ausgestattet, in dem Sinne sind Affekte öffentlich.Alethos hat geschrieben : ↑Di 3. Apr 2018, 21:06Nun aber möchte ich Jörn nicht umsonst recht geben, sondern nur mit guten Grund Und ich denke, falls wir das so richtig entwickelt haben, dass hier ein guter Grund zur Zustimmung an Jörns Punkt vorliegt: Sprache wäre in jedem Fall etwas Äusseres, und Gefühle wären demnach nicht etwas ausschliesslich Privates oder Inneres.
Das Private ist ja ein Raum, den man sich durch Sprache überhaupt erst erschließt. Was wiederum nicht ausschließt, dass einer die Tür zu diesem Raum zuerst geöffnet haben muss.
„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)
„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)
Das ist ganz gewiss so und vielleicht hast du Lust (und Zeit), einen entsprechenden Thread zu starten. Ich fände diese Diskussion sehr spannend, bin ich doch ein Anfänger in Sachen Psychologie. Dass Gefühle viele Schichtungen und Schattierungen aufweisen, das würden wir wohl alle unterzeichnen, wie sich diese aber je zueinander Verhalten, ist wahrscheinlich für die meisten, sicherlich für mich, wenig deutlich und klar. Du hast vielleicht hier die besten Quellen, um auf deren Basis eine Diskussion voranzubringen. Ist lediglich ein Vorschlag.
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Meine diskrete Werbung geht immer in die Richtung, dass das Philosophie ist, nicht allein Psychologie.
Mit diesen Basisemotionen oder Affekten kann man schon viel machen, Kommunikation ist darum möglich, weil die Fähigkeit Affekte zu lesen und auszudrücken angeboren ist. Zudem werden die anderen durch den Ausdruck der Affekte in eine ähnliche Stimmung versetzt. Durch die brühmten und/aber überstrapazierte Spieglneuronen. Wie bewusst diese Stimmung erlebt wird, steht auf einem anderen Blatt.
Nach diesen Basisemotionen oder Affekten entstehen sekundäre Emotionen.
Die Basisaffekte bündeln sich zu Trieben. In der Regel hat man Freude, Überraschung, Neugier-Interesse und sexuelle Erregung gerne und versucht sie zu wiederholen. Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Scham versucht man zu vermeiden. Daraus ergibt sich eine Ballung von gesuchten und zu vermeiden versuchten Affekten und das sind die primären Triebe und die Dichotomie von gut und böse.
Aus dieser Neigung zu suchen und zu vermeiden, ergebe sich weitere und komplexere Affekte oder Emotionen.
Kommt dann Sprache, Kultur und das Spiel mit Emotionen dazu, bei dem man Emotionen vorspielt, die man nicht empfindet, wird es richtig kompliziert. Bestimmte Unterdrückungen eigentlicher Gefühle sind kulturell erwünscht, das ist der Grund für das Unbehagen in der Kultur.
Wittgensteins Beispiel dreht sich ja auch um Schmerz, ein Gefühl. Oder? Zumindest ist es was sehr basales. Diskutiert wird Schmerz heute auch als fünftes Vitalzeichen.
Bei beiden fehlt sexuelle Erregung, Ekman scheint mir besser zu liegen.Ekman hat sieben Basisemotionen empirisch nachgewiesen, die kulturunabhängig erkannt werden: Freude, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung.
...
Nach Martin Dornes sind Basisemotionen Freude, Interesse-Neugier, Überraschung, Ekel, Ärger, Traurigkeit, Furcht, Scham und Schuld.
Quelle
Mit diesen Basisemotionen oder Affekten kann man schon viel machen, Kommunikation ist darum möglich, weil die Fähigkeit Affekte zu lesen und auszudrücken angeboren ist. Zudem werden die anderen durch den Ausdruck der Affekte in eine ähnliche Stimmung versetzt. Durch die brühmten und/aber überstrapazierte Spieglneuronen. Wie bewusst diese Stimmung erlebt wird, steht auf einem anderen Blatt.
Nach diesen Basisemotionen oder Affekten entstehen sekundäre Emotionen.
Die Basisaffekte bündeln sich zu Trieben. In der Regel hat man Freude, Überraschung, Neugier-Interesse und sexuelle Erregung gerne und versucht sie zu wiederholen. Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Scham versucht man zu vermeiden. Daraus ergibt sich eine Ballung von gesuchten und zu vermeiden versuchten Affekten und das sind die primären Triebe und die Dichotomie von gut und böse.
Aus dieser Neigung zu suchen und zu vermeiden, ergebe sich weitere und komplexere Affekte oder Emotionen.
Kommt dann Sprache, Kultur und das Spiel mit Emotionen dazu, bei dem man Emotionen vorspielt, die man nicht empfindet, wird es richtig kompliziert. Bestimmte Unterdrückungen eigentlicher Gefühle sind kulturell erwünscht, das ist der Grund für das Unbehagen in der Kultur.
Wittgensteins Beispiel dreht sich ja auch um Schmerz, ein Gefühl. Oder? Zumindest ist es was sehr basales. Diskutiert wird Schmerz heute auch als fünftes Vitalzeichen.
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@Jörn, falls Du gelegentlich Zeit findest ... ich möchte nur nicht, daß es in Vergessenheit gerät ... mir ist deswegen an einer Antwort von Dir gelegen, weil ich nicht sicher war, ob ich Dich verstanden hatte.Friederike hat geschrieben : ↑Mi 4. Apr 2018, 17:10Ziffern von mir im Zitat eingefügt.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mi 4. Apr 2018, 05:43Der zweite Punkt ist ganz allgemein gesprochen das Problem der Regeln. Dass für Sprache Regeln bzw Regelmäßigkeiten nötig sind, das kann meines Erachtens schwer in Frage stehen. (1) Aber daraus folgt noch nicht, dass wir den gleichen Regeln folgen müssen, um uns zu verstehen. (2) Um die Anderen zu verstehen, genügt ist meines Erachtens, die Regelmäßigkeiten, nach denen die Anderen sich richtet, zu verstehen.
Ad 2: Andernfalls wäre jede Form von ethnologischer Feldforschung unmöglich. Mit diesem eher empirisch-praktischen Argument würde ich spontan Deine These unterstützen. Nur, wofür ist das wichtig oder welche Relevanz hätte dieser Einwand? Das ist mir nicht klar.
Ad 1: Wenn wir uns einander wechselseitig verstehen wollen, dann müssen wir den gleichen Regeln folgen, denn wenn ich von den Anderen verstanden werden möchte, dann muß ich ihren Regeln folgen. Wenn ich die Anderen verstehen will, dann muß ich ihre Regeln kennen.
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Und ich meine, daß man kaum indiskret genug dafür werben kann, Gefühle endlich zu einem Bestandteil des philosophischen Kanons zu machen. Auch ich habe mich hier, wie ich feststelle, viel zu schnell ins Bockshorn jagen lassen, weil, wie Du ganz am Ende Deines Beitrages schreibst, @T.I., was ist der Schmerz -mit dem Wittgensteins Texte ständig operieren- denn nun eigentlich? Das muß jetzt nicht beantwortet werden, aber es wirft natürlich einmal die Frage nach einer Systematisierung und Kategorisierung von Wahrnehmung, Bewertung (Denken) und Emotionen auf und zum anderen wirft es die Frage nach der wechselseitigen Struktur der Begründungen auf.Tosa Inu hat geschrieben : Meine diskrete Werbung geht immer in die Richtung, dass das Philosophie ist, nicht allein Psychologie.
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Die Ansicht, wir müssten denselben Regeln folgen, scheint in dem Text, um den es hier geht, einfach vorausgesetzt zu sein. Oder anders gesagt, das wird nicht thematisiert. Da der Autor jedoch auch auf Donald Davidson verweist, ist ihm sicherlich klar, dass dieser Punkt strittig ist, da Davidson rundrum abstreitet, dass wir gemeinsam Regeln folgen müssen, um uns verstehen zu können. Ich folge hierin Davidson, der dies meines Erachtens klar gezeigt hat. In einer sehr bekannten, aber auch berüchtigten Formulierung heißt das bei Davidson, dass es so etwas wie eine Sprache überhaupt nicht gibt. Das soll besagen, dass es hinter dem Sprechen keine Sprache gibt, kein gemeinschaftliches Regelwerk.Friederike hat geschrieben : ↑Mi 4. Apr 2018, 17:10Ad 1: Wenn wir uns einander wechselseitig verstehen wollen, dann müssen wir den gleichen Regeln folgen, denn wenn ich von den Anderen verstanden werden möchte, dann muß ich ihren Regeln folgen. Wenn ich die Anderen verstehen will, dann muß ich ihre Regeln kennen.
In größter Vereinfachung kann man sich so vorstellen, dass unser Weltverstehen und das Verstehen der anderen im Grunde ähnlich funktioniert: Wann immer ich die Hand öffne und den Stein loslasse, fällt er zu Boden. Wann immer ein Kaninchen vorbei hoppelt, spricht sie das Wort Gavagai aus. In beiden Fällen erkenne ich einfach eine bestimmte Regelmäßigkeit.
Zwischen dem Verstehen eines Steines und dem Verstehen von meinesgleichen gibt es aber natürlich auch gewisse Unterschiede :) um einen Stein zu verstehen, um also ein Naturgesetz zu begreifen, muss ich dem Stein natürlich nicht eine gewisse Form der Rationalität unterstellen, wie es bei Gesprächspartnern tun muss, um sie zu verstehen. Zudem unterstelle ich den Gesprächspartnern in der Regel, dass sie vieles für wahr halten und vieles als wahr erkennen und sich entsprechend äußern, auf diesem Punkt kann ich bei fallenden Steinen auch verzichten. Beim Erkennen der Naturgesetze entfällt also das berühmte principle of charity, das Prinzip der wohlwollenden Übersetzung.
Mit dem Wort Übersetzung ist das entscheidende Stichwort gefallen. Verstehen ist immer übersetzen. Jeder von uns spricht - nach Davidson - seinen eigenen Idiolekt. Die Anderen zu verstehen, heißt ihre Sprache in meine Sprache übersetzen. Dazu bedarf es keiner gemeinsamen Regeln, sondern ich muss stattdessen die Regeln, die die Anderen nutzten, erkennen. Das gelingt, wenn wir uns beim Sprechen auf eine gemeinsame Welt beziehen und wir uns gegenseitig als geistbegabte, vernünftige, zur Wahrheit fähige Wesen interpretieren.