Friederike hat geschrieben : ↑ Mo 19. Mär 2018, 12:23
Ja. Und mich interessieren insbesondere die aggressiven Verhaltensweisen, die prima facie nicht so wirken oder erscheinen als seien sie aggressiv. Du hast einige konkrete Beispiele genannt. Ich würde sie, so habe ich es gelernt, unter "passiver Aggression" zusammenfassen.
Ist auch ein sehr spannendes Thema, das den Vorteil hat, immer noch spannender zu werden, je mehr man, hat man diese Landschaft oder Welt erst einmal betreten, um sich schaut.
Es ist, wenn wir schon bei Fässern sind, die große andere Seite der Philosophie. Philosophie schaut auf die Güte des Arguments, den rationalen Gehalt und die logische Konsistenz von Aussagen, da sind Emotionen (bis auf junge, erste Gehversuche) Störfeuer, Irrationalitäten, haben den Geruch des irgendwie Minderwertigen. Das All, so dachte man - vor allem wirklich: Mann - ist eine große Vernunftmaschine. Faszinierend übrigens auch der Wechsel des Geschlechts der Gottheiten. Das hat sich in unserer Zeit zum Bild der gut geölten Maschine versachlicht, neueste Variante ist, dass der Mensch an sich ein Webfehler im System ist und Algorithmen alles viel besser können. Weil er diesen Defekt namens Emotion hat, der irgendwie was lästig Unberechenbares hat. Das muss man natürlich in den Griff bekommen und schreibt Affekten und Emotionen Nützlichkeiten zu, dann passt wieder alles. Emotionen lassen das in der Regel mit sich nicht machen.
Bis heute macht die Zusammenführung der ungleichen Vertreter erhebliche Schwierigkeiten. Variante 1: Der Homo Oeconomicus, ist theoretisch so tot, wie überhaupt nur etwas tot sein kann. Spannend daran und eine der Szenen, die mir aus Kahnemans Buch
Schnelles Denken, langsames Denken am meisten haften blieb, war, was danach passierte. Nachdem irgendwer nach Sichtung diverser Studien definitiv feststellte, dass der Mensch kein rein oder primär rationaler Agent ist, hat derselbe Mensch, der das rausfand, sofort angefangen, vollkommen konträr zu seinen eigenen glasklaren Erkenntnissen zu erklären, dass und warum der Mensch aber eigentlich doch ein rationaler Agent ist. Mit anderen Worten: Hier müssen eine Menge Emotionen im Spiel sein.
Variante 2: Nach Gehard Roth ist ganz im Gegenteil das Denken nur Beiwerk, die Garnitur beim Essen. Die Emotionen sagen, wohin die Reise geht, die Ratio darf die Koffer packen. Schönes Bild, aber leider selbstwidersprüchlich, weil die stakre These Roths, der Mensch sei durch Argumente eigentlich gar nicht zu erreichen, sofort die Frage aufwirft, wofür denn dann geforscht werden sollte? Dann lieber alles in die Werbung, aber selbst die setzt ja auf sehr rational agierende Macher.
Die Psychoanalyse und Tiefenpsychologie vereint beides und ist die einzige Disziplin, die den Stier bei den Hörnern packt, außer natürlich der Kunst und der Spiritualität, die beide jedoch auf unterschiedliche Weise nicht systematisch im Sinne der Wissenschaft sind.
Friederike hat geschrieben : ↑ Mo 19. Mär 2018, 12:23
Mit dem Begriff "Triebe" muß ich mich erst anfreunden. Nein, muß ich ja nicht. Anders.

Bisher habe ich den Begriff anstelle von "Instinkt" gebraucht. Das ist aber natürlich eine persönliche Gebrauchsweise, die keinen theoretischen Hintergrund hat. Womit ich mich vertraut machen muß, das ist die Bedeutung des Wortes "Trieb" innerhalb von Freuds- bzw. Kernbergs Theorie. Und das, was Kernberg "Trieb" (Aggressivität, Liebe) nennt, das hätte ich bisher als "Stimmung" bezeichnet. So eine Art von Grund"gestimmtheit", die im Unterschied zu den Affekten nicht intentional ist; frei flottierend.
Das ist für mich alles nachvollziehbar und passt im Fall der Stimmung semantisch sogar fast besser, allerdings mit geringen Abweichungen, die Du auch feststellst.
Friederike hat geschrieben : ↑ Mo 19. Mär 2018, 12:23
Wenn es lediglich eine Angelegenheit des Wörteraustauschens ist, dann habe ich keine Mühe, die Rolle der Triebe zu verstehen. Meine Vermutung ist allerdings, daß "Triebe" und "Stimmungen" zumindest bei F/K keine Synonyme sind. Ich finde es spannend, den gesamten Bereich, den wir Emotionalität nennen, zu systematisieren. Da ich versuche, dies hauptsächlich ohne Lit. zu tun, kenne ich mich im wiss. Forschungsfeld nicht gut aus. Wo finden die "Stimmungen" bei F/K ihren Platz, T.I.?
Ich glaube auch, dass Stimmungen und Triebe verschieden sind, denn Stimmungen verbindet man eher mit einer grundsätzlichen Gestimmtheit, d.h. bewertender Sicht auf die Welt, in dem wir ihr und ihren Einwohnern Motive unterstellen. Das kann konstant optimistisch sein, aber ebenso konstant depressiv und pessimistisch. Beim Trieb ist eher die Frage, aufgrund welcher Motive ich agiere: bin ich liebevoll oder aggressiv? Das kann sich mit der Stimmung überschneiden, weil die 'finsteren' Motive anderer ja auch meine Projektionen sind, aber das muss sich nicht völlständig decken und tut es wohl auch nicht.
Stimmung versteckt sich in der Psychologie zumeist wohl im Antrieb oder der Motivation.
Da ich mich kürtzlich noch damit beschäftigt habe, weiß ich, dass man da nicht viel drüber weiß. Man schaufelt im Moment die Erkenntnisse vom einen auf den anderen Berg, besonders befriedigend ist das nicht. Was man so als sicher verkauft bekommt, sind alles Krücken. Depression - im wesentlichen ja eine Antriebshemmung, um in dem obigen Bild zu bleiben - sei ja in Wahrheit eine Stoffwechselstörung, zu wenig Serotonin und so.
Vermutlich ist das nicht mal die halbe Wahrheit, im schlimmsten Falle sogar komplett falsch. Aber hier trifft man auf dieselbe geschlossene Tür, wie die Philosophen und Hirnforscher, die den Zusammenhang zwischen Psyche, Geist und Gehirn einfach nicht gefasst bekommen.
Irgendwas scheint da ganz grundsätzlich nicht zu passen, was dadurch etwas aus dem Blick gerät, dass es im Detail oft hier und da rund erscheint, ohne rund zu sein, es fehlt der roten Faden, der die Einzelteile sinnvoll verbindet.
Inzwischen kommt man drauf, dass "die Psyche" da ein Faktor ist, der man in der Medizin ungefähr dasselbe unterstellt hat, die die Philosophen den Emotionen. Es gibt sie, dummerweise. Ohne sie wäre alles viel einfacher.
Abgesehen davon, dass ich das Bild der Evolution als sich selbst optimierende Nützlichkeitsmaschine nicht sehr überzeugend finde: Dass sich Psyche gerade nicht wie eine Kette von Algorithmen verhält, ist vermulich der Grund, dass wir hier über den Zussammenhang von Emotionen und Rationalität diskutieren können.