Tatsachen/Wahrheit/ontische Wahrheit

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
Tosa Inu
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So 14. Jan 2018, 09:04

Alethos hat geschrieben :
Sa 13. Jan 2018, 20:43
An dieser Stelle wäre ich froh um eine genaue Beschreibung von Wumms :) Ich habe eine Vermutung, was du damit meinen könntest, aber es wäre dennoch hilfreich, wenn du das ausformulieren würdest.

Wenn du von Relevanz sprichst, dann kann ich dich sehr gut verstehen.
Ja, Relevanz, für das eigebe Leben.
Alethos hat geschrieben :
Sa 13. Jan 2018, 20:43
Aber wir sprechen hier von epistemologischer Relevanz, nicht von ontologischem Vorrang.
Das glaube ich nicht. Wenn ich darüber schreibe, das auch alles ganz anders sein könnte, wie im Täuschergottszenario oder beim rad. Konstruktivismus, mich das gleichzeitig aber in keinem Lebensbereich dazu bringt, etwas anders zu machen, als andere, die meie Einstellung nicht teilen, halte ich das für ontologisch irrelevant. Wenn ich glaube, dass es Gott gibt und dieser gute und böse Taten aufrechnet, dann sollte das Konsequenzen haben, oder ich glaube es halt doch nicht so ganz.
Alethos hat geschrieben :
Sa 13. Jan 2018, 20:43
Aber das ist natürlich ein rein epistemologisches Phänomen und kein ontologisches. Denn meinem Zehnagel ist es völlig egal, ob er in der Lebenswelt von einem Auto überfahren wird oder nur im Roman. Nur für mich als erkennendes Subjekt spielt das eine relevante Rolle, von welchem Existenzsinn hier die Rede ist.
Klar, das ist Ontologie. Erkenntnistheorie ist, sich vorzustellen, wie jemand die Welt sieht, der glaubt, dass ein schamanisches Schutztier ihn begleitet. Ontologie ist überzeugt genug zu sein, um eine Ritual zu manchen, dass mir hillft mein Krafttiert zu finden und hier und da zu spüren, wie es mich im Leben begleitet. Ontologie ist immer die Frage, was es tatsächlich gibt.

PS: Gabriel ist hier einer praktisch interessanten Sache theoretisch auf der Spur, dass nämlich ein 'so tun als ob' manchmal eine Eigendynamik ins Spiel bringt, die den Anschein erweckt, als sei das, was man imitiert oder imaginiert tatsächlich vorhanden. Manchmal im einem Ausmaß, dass man sich andersherum fragen muss, ob der gute Glaube an etwas, tatsächlich als Erklärung hinreicht, oder ob dies inn Anbetracht des Phänomens nicht darauf verweisen könnte, dass das tatsächlich mehr ist, als die Kombination aus Zufall und Selbstsuggestion.
Zuletzt geändert von Tosa Inu am So 14. Jan 2018, 09:13, insgesamt 1-mal geändert.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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So 14. Jan 2018, 09:09

Ich bin raus aus der Diskussion, Jungs. :)
Zuletzt geändert von Alethos am So 14. Jan 2018, 09:26, insgesamt 2-mal geändert.



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So 14. Jan 2018, 09:13

Alethos hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 09:09
Ich bin raus aus der Diskussion. :)
Sag mal bitte kurz, warum.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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So 14. Jan 2018, 09:20

Herr K. hat geschrieben :
Sa 13. Jan 2018, 20:43
Ich würde gerne noch einen anderen Punkt behandeln, den wir zwar im Neuer-Realismus-Thread schon mal angerissen hatten, aber bei dem wir zu keinem Ergebnis gekommen sind und zwar: was genau sind eigentlich die Argumente für Gabriels Annahme, dass existieren bedeute, in einem Sinnfeld zu erscheinen? Anders gefragt: wieso sollte es nicht möglich sein, zu existieren, auch ohne in einem übergeordneten Bereich vorzukommen? Ein Beispiel für eine solche Existenz wäre das Universum - dieses existiert, obwohl nicht in einem übergeordneten Bereich. Falls aber doch: welcher wäre das?
Ja, das war/ist auch mir unklar. Anfangs dachte ich, das müsse man am Beispiel der Erstentstehung klären (also Urknall), aber im Grunde ist die Frage davon losgelöst, die Frage ist tatsächlich warum oder wofür Materie überhaupt ein Sinnfeld braucht um zu existieren, d.h. die Prämisse, dass Existenz bedeute, in einem Sinnfeld zu erscheinen, wird getestet.



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Alethos
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So 14. Jan 2018, 09:35

Tosa Inu hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 09:13
Alethos hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 09:09
Ich bin raus aus der Diskussion. :)
Sag mal bitte kurz, warum.
Wir haben die Positionen zur SFO abgesteckt und die diversen Probleme beleuchet, gewälzt auseinandergenommen und zusammengesetzt.

Da ist nicht mehr viel zu holen, fürchte ich. Ich werde mir Sinn und Existenz reinziehen und vielleicht das eine oder andere hier noch aufklären können, denn es gibt eindeutigen Klärungsbedarf. Das werde ich vielleicht noch tun, nur nicht mehr aktiv diskutieren.

Ich habe gegen die verschiedenen Varianten des Reduktionismus, wie er hier betrieben wird, mit aller Kraft argumentiert, leider ohne durchschlagenden Erfolg :) Nach 80 Seiten werden wir uns nicht einmal über basale ontologische Evidenzen einig. Den meisten ist noch nicht mal annähernd klar, was Sinnfelder sein könnten oder was die SFO behauptet. Dass diese Einsicht ausgeblieben ist, erachte ich als mein persönliches Scheitern in diesem Thread. :)

Aber wenn der SFO nach 80 Seiten immer noch unterstellt wird, sie behaupte, alles sei gleichberechtigt wahr und möglich - plötzlich sollen laut SFO sogar grüne Aliens auf einer Tafel im Vorlesungsraum in Köln erscheinen können - dann werden wir uns auch in 1000 Seiten nicht in einer produktiven Mitte wiederfinden, die die Lösung ontologischer Probleme voranbringen kann.

Danke aber dennoch für die erhellende Diskussion. Hat Spass gemacht.

Heisst natürlich nicht, dass wir nicht andernorts weiter über Ontologie reden können. Nur nicht mehr über die SFO.



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So 14. Jan 2018, 09:50

Alethos hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 09:35

Aber wenn der SFO nach 80 Seiten immer noch unterstellt wird, sie behaupte, alles sei gleichberechtigt wahr und möglich - plötzlich sollen laut SFO sogar grüne Aliens auf einer Tafel im Vorlesungsraum in Köln erscheinen können - dann werden wir uns auch in 1000 Seiten nicht in einer produktiven Mitte wiederfinden, die die Lösung ontologischer Probleme weitertreiben kann. Dann widme ich meine Zeit dann doch lieber anderen Themen hier.

Danke aber dennoch für die erhellende Diskussion. Hat Spass gemacht.

Heisst natürlich nicht, dass wir nicht andernorts weiter über Obtologie reden können. Nur nicht mehr über die SFO.
Schade.. ich fand Deine Beiträge bisher immer recht durchdacht, auch wenn ich nicht deswegen schon allein allem zustimme, was Du schreibst. Hast Du denn denn mal die Kritik von Merelle gelesen, welche @Herr K. verlinkt hat. Dort wird unter anderem eben auch erklärt, warum Gabriels SFO für die Wissenschaft unbrauchbar ist, weil nämlich der Anspruch der Wahrheitsfindung damit in Luft aufgelöst wird. Dass es in Köln an der Tafel keine Aliens gibt, ist mir genauso klar wie Dir.. aber laut Gabriel ist das eben möglich.




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So 14. Jan 2018, 09:51

Alethos hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 09:35

Aber wenn der SFO nach 80 Seiten immer noch unterstellt wird, sie behaupte, alles sei gleichberechtigt wahr und möglich - plötzlich sollen laut SFO sogar grüne Aliens auf einer Tafel im Vorlesungsraum in Köln erscheinen können - dann werden wir uns auch in 1000 Seiten nicht in einer produktiven Mitte wiederfinden, die die Lösung ontologischer Probleme weitertreiben kann. Dann widme ich meine Zeit dann doch lieber anderen Themen hier.

Danke aber dennoch für die erhellende Diskussion. Hat Spass gemacht.

Heisst natürlich nicht, dass wir nicht andernorts weiter über Obtologie reden können. Nur nicht mehr über die SFO.
Schade.. ich fand Deine Beiträge bisher immer recht durchdacht, auch wenn ich nicht deswegen schon allein allem zustimme, was Du schreibst. Hast Du denn denn mal die Kritik von Morelle gelesen, welche @Herr K. verlinkt hat. Dort wird unter anderem eben auch erklärt, warum Gabriels SFO für die Wissenschaft unbrauchbar ist, weil nämlich der Anspruch der Wahrheitsfindung damit in Luft aufgelöst wird. Dass es in Köln an der Tafel keine Aliens gibt, ist mir genauso klar wie Dir.. aber laut Gabriel ist das eben möglich.




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So 14. Jan 2018, 10:34

@ 'Alethos'

Vielen Dank, für die Auskunft, die Gründe kann ich nachvollziehen, geht mir ähnlich, auf bald in einem anderen Thread.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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iselilja
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So 14. Jan 2018, 12:20

Tommy hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 11:45
iselilja hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 07:44
Und dann kommt Gabriel und erzählt deinem Kind, dass das alles irrelevant ist
Nur erzählt er das ja gar nicht.
Doch, und zwar in der Form, dass es kein privilegiertes Sinnfeld gibt. Was in dem Beispiel bedeutet, dass es egal ist, welchem Sinnfeld das Kind den Vorrang gewährt, da sie ja Gabriel zufolge gleichberechtigt sind.




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iselilja
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So 14. Jan 2018, 13:21

Tommy hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 12:34
iselilja hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 12:20
Tommy hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 11:45

Nur erzählt er das ja gar nicht.
Doch, und zwar in der Form, dass es kein privilegiertes Sinnfeld gibt. Was in dem Beispiel bedeutet, dass es egal ist, welchem Sinnfeld das Kind den Vorrang gewährt, da sie ja Gabriel zufolge gleichberechtigt sind.
Du meinst also Gabriel sei der Meinung, wenn man an der Ampel steht, sei es egal wie man "rot" deutet, ja?
Wirklich?
Ich gebe nur wieder, was Gabriel sagt. Worauf könnte man sich denn Deiner Meinung nach berufen, wenn man die SFO anwenden will und zugleich nicht will, dass das Kind bei rot über die Straße geht. Was wäre Dein Argument an dieser Stelle, wenn das Kind anfängt von roter Lakritze zu schwärmen?




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iselilja
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So 14. Jan 2018, 14:29

Tommy hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 13:42
iselilja hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 13:21
Tommy hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 12:34


Du meinst also Gabriel sei der Meinung, wenn man an der Ampel steht, sei es egal wie man "rot" deutet, ja?
Wirklich?
Ich gebe nur wieder, was Gabriel sagt. Worauf könnte man sich denn Deiner Meinung nach berufen, wenn man die SFO anwenden will und zugleich nicht will, dass das Kind bei rot über die Straße geht. Was wäre Dein Argument an dieser Stelle, wenn das Kind anfängt von roter Lakritze zu schwärmen?
Vielleicht darauf, dass es Sinn macht in bestimmten Situationen bestimmte Sinnfelder zu bevorzugen, bzw zur Anwendung zu bringen?
Und das ist, im Gegensatz zu dem was Du behauptest, kein Widerspruch zu der Annahme, dass es verschiedene Sinnfelder gibt.
Ich versuchs mal so zu erklären: Wenn Du eine Schraube reindrehen willst, dann nimmst Du einen Schraubendreher und keinen Hammer.
Das bedeutet aber nicht, dass Du Schraubendreher priorisierst. Warum auch? Der Hammer ist ja in anderen Situation von Nöten.
Es ergibt sich also von ganz allein.
Du kannst im Falle der Ampel gerne andere Sinnfelder bevorzugen. Aber dann bist Du halt tot.
Das machst Du nur einmal. Und alle nach Dir werden sicherlich daraus lernen.
So auch Dein Kind.
Und die Aufgabe ist eben heruszufinden, welche Sinnfelder sich wo bewähren.
Da muss man aber nicht jedes Mal von vorne anfangen.

Gut, dann stimmen wir soweit überein. Jetzt beleibt nur noch die Frage offen, ob es Situationen gibt, in denen keine bestimmten Sinnfelder zu bevorzugen wären? Wenn es solche Fälle gibt, dann stimme ich Dir zu, dass die SFO eine tatsächliche Relevanz hat.




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Herr K.
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So 14. Jan 2018, 15:27

Alethos hat geschrieben :
Sa 13. Jan 2018, 18:23
Herr K. hat geschrieben :
Sa 13. Jan 2018, 18:11
Tobias Rosefeldt hat geschrieben : Dass einzelnen fiktionalen Texten je eigene Gegenstandsbereiche zugeordnet sind, kann man nun nämlich auf zwei verschiedene Weisen verstehen. In einer (relativ) harmlosen Lesart bedeutet sie nicht mehr, als dass der fiktionale Realismus in seiner heute üblichen Standardform wahr ist. Zu jedem fiktionalen Text gibt es diejenigen fiktionalen Gegenstände, die durch ihn zur Existenz kommen, wobei diese fiktionalen Gegenstände als abstrakte Gegenstände verstanden werden, die nicht die ihnen in den Texten zugeschriebenen Eigenschaften haben, sondern durch diese allenfalls in einer genauer zu spezifizierenden Weise charakterisierbar sind. Viele Passagen bei Gabriel klingen allerdings nach einer viel weniger harmlosen Lesart. Dieser zweiten Lesart zufolge gibt es zu jedem fiktionalen Text einen Bereich von Gegenständen, in dem all diejenigen Dinge wirklich existieren, von denen in der Fiktion die Rede ist. Diese Dinge haben tatsächlich die Eigenschaften, die ihnen in der Geschichte zugeschrieben werden - sie sind z.B. Hexen, Einhörner oder Menschen -, und unterscheiden sich von den Gegenständen, die in wahren nicht-fiktionalen Texten beschrieben werden, nur dadurch, dass sie eben in einem anderen „Bereich“ vorkommen als diese.
Ich verstand Gabriel bislang in der zweiten Lesart.
Danke für das Zitat!

Ich verstehe Gabriel in der ersten Lesart, dass fiktionale Geschichten fiktionale Menschen, Figuren, Formen etc. hervorbringen. Weshalb es nun eben falsch sei zu sagen, diese fiktionalen Menschen gebe es nicht.
Wenn man Gabriel allerdings so versteht, dann hat sich seine SFO damit erledigt. Denn die SFO soll ja eine pluralistische Ontologie sein - d.h. die Sinnfelder sollen nicht lediglich kontextuelle/sprachliche Bereiche sein, sondern Seinsbereiche, die ontologisch gleichwertig zu anderen Seinsbereichen sind.

Sagen wir nun, dass fiktionale Geschichten fiktionale Gegenstände hervorbringen. Dann wäre es falsch, zu sagen, es gäbe keine fiktionalen Menschen, oder fiktionale Einhörner oder fiktionale Hexen. Aber mit Ontologie bzw. anderen ontologischen Bereichen hätte das nichts zu tun, all diese dann falschen Aussagen würden in der Lebenswelt - oder wie immer man den Bereich nennen will, in dem wir unsere Äußerungen treffen - getroffen werden und wären Äußerungen über Vorgänge in der Lebenswelt, (die Geschichte a, der Mythos b, das Märchen c, die Aussage d, etc.) und nicht Äußerungen über andere ontologische Bereiche.

D.h.: in dem Falle wäre die SFO keine neue (pluralistische) Ontologie, sondern die bisher verwendete Ontologie (sei das ein Monismus, ein Dualismus oder eine 3-Welten-Ontologie) wäre davon unberührt.
Alethos hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 09:35
Ich habe gegen die verschiedenen Varianten des Reduktionismus, wie er hier betrieben wird, mit aller Kraft argumentiert, leider ohne durchschlagenden Erfolg :)
Ich glaube, Ihr verwechselt Reduktionismus mit Eliminativismus. :-)




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Herr K.
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Mo 15. Jan 2018, 00:31

Noch eine Gabriel-Besprechung (Markus Gabriel ou le constructionnisme sans monde : l’analyse de Frédéric Nef).
(Link zur Seite mit Google-Übersetzer übersetzt - recht interessant, wiewohl wegen des Übersetzers schlecht zu lesen.)

Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass Gabriels Realismus tatsächlich ein Konstruktivismus sei:

Für Gabriel hat der neue Realismus (aus dem amerikanischen Begriff der 1910er Jahre), der den spekulativen Realismus ablöst und den wissenschaftlichen Realismus (ein bisschen zu schnell) ablehnt, den Vorteil, den Konstruktivismus, den Antirealismus in all seinen Formen zu ersetzen, aber tatsächlich ist der Realismus, den er auf einem Markt vorschlägt, der bereits mit konkurrierenden Realismen überfüllt ist, nicht einmal ein Realismus, nicht einmal spekulativ, es ist ein Konstruktivismus, in dem die Wirklichkeit mit Sinnfeldern konstruiert wird, die tatsächlich nur Bereiche von Objekten sind. In diesem Sinne scheitert der Versuch von Markus Gabriel, einen Konstruktionismus ohne Welt, d.h. ohne überlegene Konstruktion, zu entlarven.


Ähnlich auch der Autor des bereits von mir verlinkten Artikels, der Parallelen zwischen Gabriels Philosophie und Goodmans world making sieht (erste Seite, Fußnote 3):

Trotz auffallender begrifflicher Ähnlichkeiten zwischen ihnen (Verflechtung von Semantik und Ontologie, Unbestimmtheit der Kriterien für die Individualisierung von Welten/Sinnfeldern), leugnet Gabriel die Affinität zu Goodman (während er behauptet Putnam zu beerben), wegen Goodman's Irrealismus, von dem er sich distanzieren will.




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iselilja
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Mo 15. Jan 2018, 07:16

Herr K. hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 00:31
Noch eine Gabriel-Besprechung (Markus Gabriel ou le constructionnisme sans monde : l’analyse de Frédéric Nef).
(Link zur Seite mit Google-Übersetzer übersetzt - recht interessant, wiewohl wegen des Übersetzers schlecht zu lesen.)

Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass Gabriels Realismus tatsächlich ein Konstruktivismus sei:

Für Gabriel hat der neue Realismus (aus dem amerikanischen Begriff der 1910er Jahre), der den spekulativen Realismus ablöst und den wissenschaftlichen Realismus (ein bisschen zu schnell) ablehnt, den Vorteil, den Konstruktivismus, den Antirealismus in all seinen Formen zu ersetzen, aber tatsächlich ist der Realismus, den er auf einem Markt vorschlägt, der bereits mit konkurrierenden Realismen überfüllt ist, nicht einmal ein Realismus, nicht einmal spekulativ, es ist ein Konstruktivismus, in dem die Wirklichkeit mit Sinnfeldern konstruiert wird, die tatsächlich nur Bereiche von Objekten sind. In diesem Sinne scheitert der Versuch von Markus Gabriel, einen Konstruktionismus ohne Welt, d.h. ohne überlegene Konstruktion, zu entlarven.


Ähnlich auch der Autor des bereits von mir verlinkten Artikels, der Parallelen zwischen Gabriels Philosophie und Goodmans world making sieht (erste Seite, Fußnote 3):

Trotz auffallender begrifflicher Ähnlichkeiten zwischen ihnen (Verflechtung von Semantik und Ontologie, Unbestimmtheit der Kriterien für die Individualisierung von Welten/Sinnfeldern), leugnet Gabriel die Affinität zu Goodman (während er behauptet Putnam zu beerben), wegen Goodman's Irrealismus, von dem er sich distanzieren will.
Eine Konstruktion wäre an sich ja auch nicht schlimm oder gar widerlegend, solange man Kriterien hätte, um urteilen zu können, ob jene Entitäten, mit denen man etwas konstruiert auch tatsächlich Entitäten im Sinne eines klassischen Existenzverständnis wären. Der phänomenologische Aspekt, den Gabriel mit dem Erscheinen einfließen lässt, könnte jedenfalls einen realistischen Konstruktivismus rechtfertigen. Wonach man zumindest eine plausible und perzeptive Methodik der Phänomenalität gewinnt. Aber selbst das wäre nichts Neues, denn die Frage nach dem was uns erscheint ist ja nunmal auch Ausgangspunkt antiker Philosophie - neu ist hier lediglich die Begriffsverwendung von Existenz als Erscheinendes anstatt Seiendes.




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Mo 15. Jan 2018, 09:12

Herr K. hat geschrieben :
Sa 13. Jan 2018, 18:11
Ich kann dazu dieses Zitat beisteuern (Gibt es den neuen Realismus? (2015) - Tobias Rosefeldt):
Dass einzelnen fiktionalen Texten je eigene Gegenstandsbereiche zugeordnet sind, kann man nun nämlich auf zwei verschiedene Weisen verstehen. In einer (relativ) harmlosen Lesart bedeutet sie nicht mehr, als dass der fiktionale Realismus in seiner heute üblichen Standardform wahr ist. Zu jedem fiktionalen Text gibt es diejenigen fiktionalen Gegenstände, die durch ihn zur Existenz kommen, wobei diese fiktionalen Gegenstände als abstrakte Gegenstände verstanden werden, die nicht die ihnen in den Texten zugeschriebenen Eigenschaften haben, sondern durch diese allenfalls in einer genauer zu spezifizierenden Weise charakterisierbar sind. Viele Passagen bei Gabriel klingen allerdings nach einer viel weniger harmlosen Lesart. Dieser zweiten Lesart zufolge gibt es zu jedem fiktionalen Text einen Bereich von Gegenständen, in dem all diejenigen Dinge wirklich existieren, von denen in der Fiktion die Rede ist. Diese Dinge haben tatsächlich die Eigenschaften, die ihnen in der Geschichte zugeschrieben werden - sie sind z.B. Hexen, Einhörner oder Menschen -, und unterscheiden sich von den Gegenständen, die in wahren nicht-fiktionalen Texten beschrieben werden, nur dadurch, dass sie eben in einem anderen „Bereich“ vorkommen als diese.
Ich verstand Gabriel bislang in der zweiten Lesart.
Unanhängig von richtigen oder falschen Zitaten, die Gabriel in der Replik anspricht (und die in diesem Zitat keine Rolle spielen), deckt sich das ja mit unserer Kritik, die glaube ich so aussieht: Versteht man die eigenen Welten als Redeweise, durch die dann im Kopf Phantasiewelten entstehen in denen dann auch Superman 'existiert', erzählt die SFO nichts Neues, wäre m.E. in der Version keine Spur ontologisch und nach Aussagen Gabriels (SuE, S.29, mehrfach hier zitiert) ist das nicht das, was er meint.
Daher muss m.E. die SFO in der zweiten Variante werden, d.h. unabhängig davon, ob Menschen über etwas reden, gibt es diese 'Dinge' als eigene, aber nicht physikalische Formen der Existenz. Primzahlen; Hexen und Superman gibt es in der Weise wie Berge und Bücken, als sie auch dann 'da sind', wenn niemand über sie redet oder sie beobachtet. Aber nicht in der Weise, dass die physisch sein sollen. Der erste Punkt grenzt Gabriel vom Konstruktivismus ab, macht es aber umso notwendiger aufzuzeigen, wo genau sich diese nichtphysikalischen Sinnfelder befinden und wie er eine von Beobachtungen und Reden über unabhängige Exsitenz derselben erklärt. Wo würde Superman leben, wenn es nie einen Menschen gegeben hätte?

Kurz: Eine SFO der Variante 1wäre belanglos und nichtontologisch, eine der Variante 2 weiter erklärungsbedürftig.



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Mo 15. Jan 2018, 20:22

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 09:12
Wo würde Superman leben, wenn es nie einen Menschen gegeben hätte?
Das ist, glaube ich, keine der offenen Fragen hier. Um nochmal die dazu relevante Stelle zu zitieren (Neutraler Realismus: Jahrbuch-Kontroversen 2, S. 26):
Doch Fausts Existenz ist so restringiert oder unrestringiert wie jede andere Existenz, wenn es auch stimmen mag, dass Fausts Existenz in Faust niemals zustande gekommen wäre, wenn niemand Faust geschrieben hätte, was literarische Einbildungskraft voraussetzt.
----
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 09:12
Kurz: Eine SFO der Variante 1wäre belanglos und nichtontologisch, eine der Variante 2 weiter erklärungsbedürftig.
Ja.
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 09:12
Daher muss m.E. die SFO in der zweiten Variante werden, d.h. unabhängig davon, ob Menschen über etwas reden, gibt es diese 'Dinge' als eigene, aber nicht physikalische Formen der Existenz. Primzahlen; Hexen und Superman gibt es in der Weise wie Berge und Bücken, als sie auch dann 'da sind', wenn niemand über sie redet oder sie beobachtet. Aber nicht in der Weise, dass die physisch sein sollen.
Wenn ich Gabriel richtig verstehe, dann fällt die raumzeitliche Welt - das Universum - als fester Bezugs- und Referenzbereich weg. Für Gabriel gibt es keinen Unterschied zwischen physischer Existenz und nicht-physischer Existenz. Das heißt mit anderen Worten: Faust in Faust ist laut Gabriel genauso ein Mensch wie Du und ich, es ist lediglich so, dass Faust in anderen Sinnfeldern vorkommt als Du und ich. Was weiter heißt, dass Faust z.B. einen Körper hat, was weiter heißt, dass er physisch ist - ein nicht-physischer Körper wäre ein Widerspruch in sich. Oder auch so gesagt: es gibt zwar die Raumzeit, aber nur in einigen Sinnfeldern, (z.B. dem des wissenschaftlichen Realismus), es ist jedoch nicht so, dass es die Sinnfelder in der Raumzeit gibt.

Das kann nun auf zweierlei Weise gedeutet werden:

1. Realistisch - d.h. es gibt die Dramawelt Faust tatsächlich, (nicht nur in Gedanken), ebenso wie unser Universum
2. Idealistisch - d.h. es gibt Menschen nur gedanklich und "physisch" ist daher ebenfalls etwas Gedankliches (und das Universum auch)

Ich glaube, dass Gabriel auf die 2. hinauswill.




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iselilja
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Mo 15. Jan 2018, 21:19

Herr K. hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 20:22

Ich glaube, dass Gabriel auf die 2. hinauswill.
Ich denke eher, dass Gabriel darauf hinaus will 1 und 2 relational zu verbinden. Denn die Begriffe wie Physis, Objekt und Subjekt etc. spielen ja in der SFO auch tatsächlich keine entscheidenede Rolle mehr. Gabriel geht es darum, das Verständnis von Existenz auf anderen Prämissen zu entfalten. Und das gelingt ihm ja soweit auch, sofern man den Rahmen der SFO sehr begrenzt betrachtet.




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Mo 15. Jan 2018, 22:13

Herr K. hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 20:22
Das kann nun auf zweierlei Weise gedeutet werden:

1. Realistisch - d.h. es gibt die Dramawelt Faust tatsächlich, (nicht nur in Gedanken), ebenso wie unser Universum
2. Idealistisch - d.h. es gibt Menschen nur gedanklich und "physisch" ist daher ebenfalls etwas Gedankliches (und das Universum auch)

Ich glaube, dass Gabriel auf die 2. hinauswill.
Das wäre in dem Fall schön, da es mit 'meiner' Idee überlappt und da kann man einen kompetenten Denker wie Gabriel immer gebrauchen.
Nur, dass dann im Hintergrund eine Art Monismus lauert, den Gabriel vermeiden will, hier eben als idealistisches Ganzes verstanden, was zwar fragmentiert oder gesinnfeldert vorliegen mag, aber doch in einem sanften Idealismus alles umschließt.

Aber, ob ich's mag, oder nicht, die Fragen bleiben natürlich.



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Mo 15. Jan 2018, 23:16

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 22:13
Nur, dass dann im Hintergrund eine Art Monismus lauert, den Gabriel vermeiden will, hier eben als idealistisches Ganzes verstanden, was zwar fragmentiert oder gesinnfeldert vorliegen mag, aber doch in einem sanften Idealismus alles umschließt.
Ja, aber dem [genauer gesagt: nicht ein Monismus lauert hier, jedoch ein allumfassendes Ganzes aka "die Welt"] kann Gabriel mE nicht entgehen, sobald er eine Ontologie postuliert - was er ja tut. Denn eine Ontologie handelt entweder von allem, was es gibt (ist global) oder es ist keine Ontologie. Und Gabriels Ontologie handelt nun von allem, was es gibt: nämlich (laut SFO) ausschließlich Sinnfelder, die Sinnfelder und/oder andere Gegenstände enthalten und ihrerseits wiederum in Sinnfeldern enthalten sind. Man kann daher problemlos unrestringiert über alles laut SFO Existierende quantifizieren: alle Sinnfelder inkl. deren jeweiliger Inhalt.

Außerdem steht und fällt alles damit, was denn Sinnfelder nun eigentlich genau sein sollen, das ist mir bislang unklar, denn es fehlen Kriterien, nach denen bestimmt werden kann, ob etwas als Sinnfeld zählt oder nicht. Gibt es z.B. ein Sinnfeld, das alle Gegenstände enthält, die von Menschen potentiell erkannt werden können? Und wenn nicht: warum nicht, was ist das Kriterium, nach dem das kein Sinnfeld wäre? Oder: gibt es ein Sinnfeld, das alle Gegenstände enthält außer sich selber? Wenn nicht: warum nicht? ("Das ist einfach per Definition/par ordre du mufti ausgeschlossen" wäre als Antwort recht unbefriedigend.) Gibt es Sinnfelder, die sich selber als echten Teil enthalten? Gibt es "Sinnfeld-Kreise", d.h. ein Sinnfeld A, das in Sinnfeld B enthalten ist, wobei B ebenfalls in A enthalten ist? Sind Sinnfelder von ihren Gegenständen zu trennen oder nicht, d.h.: angenommen, Sinnfeld A käme in Sinnfeld B vor, bedeutete das dann auch, dass alle Gegenstände aus A in B vorkämen oder kämen sie dann (evtl. nur unter bestimmten Umständen - in dem Falle wäre die Frage: welche Umstände wären das?) in B nur indirekt vor, (z.B. nur als Begriff ["x"], aber nicht als das, was der Begriff bezeichnet [x])?

Ob seine Ontologie realistisch oder idealistisch sein soll, könnte evtl. mit dieser Frage geklärt werden: in welchem Sinnfeld kommt die Raumzeit (das Universum) direkt vor?

Und noch eine Frage stellt sich mir: angenommen, Faust sei genauso ein Mensch wie Du und ich. Wie kommt es aber dann, dass ich mit Dir z.B. kommunizieren kann und Dich vermutlich auch persönlich treffen könnte, aber das mit Faust gar nicht geht? Weil sich da einerseits was sinnfeldmäßig überlappt, anderseits aber nicht? Aber was ist das, was sich da einmal überlappt und das andere mal nicht überlappt und was bedeutet "überlappen" in Bezug auf Sinnfelder eigentlich genau?




Tosa Inu
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Di 16. Jan 2018, 10:32

Herr K. hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 23:16
Ja, aber dem [genauer gesagt: nicht ein Monismus lauert hier, jedoch ein allumfassendes Ganzes aka "die Welt"] kann Gabriel mE nicht entgehen, sobald er eine Ontologie postuliert - was er ja tut. Denn eine Ontologie handelt entweder von allem, was es gibt (ist global) oder es ist keine Ontologie.
Ja, ungefähr so etwas hatte ich auch im Sinn, wobei mir nicht ganz klar ist, ob man das Reden über nicht noch mal von dem Sein als solchem trennen kann.
Aber die ontologische Rede über alles, auch wenn sie behauptet, das alles sei fragmentiert, ist ja doch auch eine behauptete Rede über alles, was es gibt. In dem Fall kein Ganzes, sondern miteinander interagierende Teile.
Herr K. hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 23:16
Außerdem steht und fällt alles damit, was denn Sinnfelder nun eigentlich genau sein sollen, das ist mir bislang unklar, denn es fehlen Kriterien, nach denen bestimmt werden kann, ob etwas als Sinnfeld zählt oder nicht.
Ja, auch für mich der eindeutig schwächste Part der SFO, die völlige Unterbestimmtheit der Sinnfelder. Mich wundert nur, dass das von den Profis niemand moniert hat, das ist normalerweise eine der initialen Fragen.
Herr K. hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 23:16
Ob seine Ontologie realistisch oder idealistisch sein soll, könnte evtl. mit dieser Frage geklärt werden: in welchem Sinnfeld kommt die Raumzeit (das Universum) direkt vor?
Man könnte an ein dreiblättriges Kleebaltt denken, ein Blatt könnte die physische Welt sein, eine die logisch/numerische und eines die fiktionale, bleibt die Frage, wie man sich Überlappung, Kontakt, Durchdringung vorzustellen hat, weil sich zumindest in meiner Vorstellung ontologische Eigenständigkeit mit Durchdingung etwas beißt. Und wenn man da nicht aufpasst, ist man schnell bei der eher laffen Version 1, bei des es schon eine ontologische Vereinigung wäre, wenn ich Auto fahre und ausrechne, wie viele Kilometer es noch zum Ziel sind.
Herr K. hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 23:16
Und noch eine Frage stellt sich mir: angenommen, Faust sei genauso ein Mensch wie Du und ich. Wie kommt es aber dann, dass ich mit Dir z.B. kommunizieren kann und Dich vermutlich auch persönlich treffen könnte, aber das mit Faust gar nicht geht?
Das kommt ja wirklich drauf an. In der Magie gibt es die Bestrebungen mit Wesen aus anderen Welten zu kommunizieren und entweder man zitiert die betreffenden Wesenheiten her (Evokationsmagie) oder man bereitet sich vor (zieht sich eine Art mentalen oder astralen Raum- oder Taucheranzug an) und besucht diese Welten selbst (mentales oder astrales Wandern). Klingt ziemlich verrückt, ist aber transkulturell immer und immer wieder beschrieben worden und wäre mit Phantasie, Halluzination oder Selbstsuggestion vielleicht zu beschreiben, wären da nicht jene Fälle in denen die Wanderer auch unsere Welt besuchen und plözlich Angaben über bestimmte Aspekte unserer Welt machen, die sie nach menschlichem Ermessen einfach nicht wissen können. Ist natürlich eine Grauzone und ich bin da eher streng, als dass ich jeden Unsinn durchwinke, aber selbst die sehr wenigen Ereignisse, die bleiben, sind für mich interessant genug, um mich erheblich zu faszinieren.
Herr K. hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 23:16
Weil sich da einerseits was sinnfeldmäßig überlappt, anderseits aber nicht?
Rein philosophisch ist das auch für mich ein weiterer schwacher Punkt. Man müsste erklären, wie man zu den anderen Welten gelangt, bzw. diese kurzschließen kann, da ja getrennt.
Herr K. hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 23:16
Aber was ist das, was sich da einmal überlappt und das andere mal nicht überlappt und was bedeutet "überlappen" in Bezug auf Sinnfelder eigentlich genau?
Am ehesten kann ich mir das als Resonanzphänomen vorstellen und dann als das, was Sloterdijk schlicht Üben nennt. Die Welt der Mathematik ist ja wirklich ein eigener Kosmos und man muss diese Welten immer und immer wieder besuchen, dann offenbaren sie immer mehr, man lernt sie immer besser kennen. Das ist eine nur begrenzt intersubjektive Praxis, weil viele Pionieren ja im wörtlichen Sinne Einzelgänger sind. Das Muster scheint da immer ähnlich zu sein, eine erste Faszination weicht irgendwann einer gewisse Routine, der Zauber verliert sich, doch wenn man tiefer ins Land geht, gewinnt man den Zauber zurück. Aus allem kann man eine Wissenschaft oder mehr noch, eine Zen-Praxis machen.
Brandoms Ansatz, unser Sosein als soziale Praxis zu sehen, als ein Spiel von Begründungen, in das die Bezugnahme auf die Außenwelt und die Empirie eingeflochten ist, ist schon gut und hat größere Ähnlichkeiten mit Gabriels Ansatz, ich frage mich, ob man nicht durchziehen und uns als Ballungen von Bewusstsein, statt von Materie interpretieren sollte. Das kommt in vielem glaube ich unserer Alltagswahrheit näher, in der wir eben nicht den ganzen Tag in und mit der materiellen Welt interagieren, sondern ganz im Gegenteil oft im Modus der Halbautomatik, ob wir Kaffee kochen, Auto fahren oder arbeiten und uns nur gelegentlich sammeln, fokussieren, konzentrieren. Eine loses Bündel, in der Lage sich zu sammeln. Aber Sammlung allein erklärt längst nicht alles, denn gerade im entspannten Modus der Offenheit werden wir weiter, lassen anderes (Sinnfelder, Welten?) in uns hinein. Achtsamkeit mag man das nennen, auch die Hirnwellen verändern sich dabei, vielleicht kann man sich, ähnlich wie ein Radiorogramm wirklich diese Veränderung als eine Öffnung gegenüber anderen Welten deuten. Ich bin aus purer Unkenntnis nicht sicher, wie weit Platon uns da eine Brücke bauen kann, aber der Platonismus Platons ist ein graduelles Anteilhaben an diesen Welten und die Idee eines immer tieferen Eindringens in diese scheint mir ein interessanter Aspekt zu sein.
Mir ist klar, dass das mehr eigene Fragen aufwirft, als es löst, aber Dreh- und Angelpunkt ist für mich das Ich im Kontakt zu all den Welten, die es gibt und ihrer Eigengesetzlichkeit, ein Wechselspiel: Die Systeme formen das Ich, das Ich verändert die Systeme bis beide ineinander aufgehen, indem man das Ich letztlich als Illusion durchschaut, aber auch das muss mehr als eine Redensart und ein so tun, als ob sein.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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