Ontologie der Sachverhalte und Tatsachen

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Consul
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Mi 8. Okt 2025, 18:42

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Mi 8. Okt 2025, 18:10
Consul hat geschrieben :
Mi 8. Okt 2025, 17:36
In einer Welt, in der nichts existiert außer einer Kugel, ist auch nichts über diese Kugel wahr (oder falsch), weil es darin keine Träger von Wahrheitswerten gibt. Die Kugel selbst kann kein Träger von Wahrheitswerten sein.
Doch in einer Welt, in der eine Kugel existiert, ist es über die Kugel wahr, dass sie existiert, denn ansonsten würde sie ja nicht existieren. Dass sie existiert und dass es wahr ist, dass sie existiert, ist ein und derselbe Umstand. Da beißt die Maus einfach keinen Faden ab :)
Die Existenz der Kugel hängt nicht von der Existenz der Aussage/des Gedankens <Die Kugel existiert> ab. Wenn es so wäre—es ist nicht so—, dann könnte es keine repräsentationsunabhängigen Sachen oder (nichtpropositionalen) Sachverhalte geben.
Man beachte: Der Fall sein und wahr sein sind nicht dasselbe, wenn man Tatsachen nicht als wahre Aussagen/Gedanken definiert, sondern als bestehende, wirkliche Sachverhalte! Denn ein nichtpropositionaler, nichtrepräsentationaler Sachverhalt ist eines und ein ihn repräsentierender Zeichenverhalt etwas anderes. Daraus, dass in einer Welt etwas der Fall ist, folgt entsprechend nicht, dass darin etwas wahr ist.

Eine in der Mögliche-Welten-Semantik verwendete Unterscheidung:
"Eine Möglichkeit, dass etwas in Bezug auf eine Welt wahr ist, besteht darin, dass der Wahrheitsträger in der Welt existiert und dort wahr ist. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Wahrheitsträger die Welt „korrekt beschreibt“, wofür jedoch keine Existenz in der Welt erforderlich ist. Pollock nennt das Beispiel eines Bildes, das die Nichtexistenz aller Bilder darstellt. Das Bild könnte eine Situation korrekt darstellen, obwohl die dargestellte Situation eine ist, in der das Bild selbst nicht existiert. In ähnlicher Weise diskutiert der mittelalterliche Philosoph Jean Buridan das Beispiel einer Äußerung wie „Es gibt keine negativen Äußerungen“. Diese Äußerung beschreibt eine bestimmte mögliche Situation korrekt, obwohl diese Situation eine ist, in der die Äußerung nicht existieren würde. In Anlehnung an [Robert M.] Adams (1981) können wir die erste Art der Wahrhaftigkeit in Bezug auf eine Welt als Wahrheit in einer Welt [truth in a world] und die zweite als Wahrheit an einer Welt [truth at a world] bezeichnen. Der Konzeptualist könnte in Analogie zu den Beispielen von Pollock und Buridan behaupten, dass Propositionen an Welten wahr sein können, ohne in ihnen wahr zu sein. Eine Proposition wie <Es gibt keine Propositionen> ist an bestimmten möglichen Welten wahr, aber in keiner. Da wir nicht sagen wollen, dass solche Propositionen notwendig sind, müssen wir Notwendigkeit als Wahrheit an jeder möglichen Welt verstehen." [Google Translate]

SEP: Propositions
In einer möglichen Welt, worin nichts existiert außer einer Kugel, existieren folglich die Propositionen <Es existiert nichts außer einer Kugel> und z.B. <Die Kugel hat einen Durchmesser von 1km> nicht. Es ist also in jener Welt nicht wahr, sondern nur "an" ("bei") ihr, dass darin nichts existiert außer einer Kugel, und dass diese Kugel einen Durchmesser von 1km hat.



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Consul
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Mi 8. Okt 2025, 23:04

Consul hat geschrieben :
Di 7. Okt 2025, 13:22
Wittgenstein hat mit seiner Abbildtheorie einen Isomorphismus (Gestaltgleichheit, Form-/Strukturgleichheit) zwischen Sprache und Welt, zwischen (Aussage-)Sätzen und Sachverhalten behauptet:
"2.1 Wir machen uns Bilder der Tatsachen.

2.11 Das Bild stellt die Sachlage im logischen Raume, das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten vor.

2.12 Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit.

2.13 Den Gegenständen entsprechen im Bilde die Elemente des Bildes.

2.131 Die Elemente des Bildes vertreten im Bild die Gegenstände.

2.14 Das Bild besteht darin, dass sich seine Elemente in bestimmter Art und Weise zu einander verhalten.

2.141 Das Bild ist eine Tatsache.

2.15 Dass sich die Elemente des Bildes in bestimmter Art und Weise zu einander verhalten, stellt vor, dass sich die Sachen so zu einander verhalten. Dieser Zusammenhang der Elemente des Bildes heisse seine Struktur und ihre Möglichkeit seine Form der Abbildung.

2.151 Die Form der Abbildung ist die Möglichkeit, dass sich die Dinge so zu einander verhalten, wie die Elemente des Bildes."

L. Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus
"Eine Sachlage bildet einen Zusammenhang von Sachen ab. Denn eine Sachlage ist ein Zusammenhang oder eine bestimmte Lage, in der verschiedene Sachen stehen. Es sind also mehrere Sachen nötig, die sich zueinander verhalten, damit in diesem Sich-zueinander-Verhalten ein Sachverhalt oder eine Sachlage gebildet wird.

Wenn Sie dem Gedankengang bis hierhin gefolgt sind, werden Sie jetzt plötzlich die verblüffende Analogie zwischen der Sachlage und dem Satz bemerken. Denn auch der Satz ist eine Art von Sachlage oder eine Art von Sachverhalt, nur dass sich im Satz keine Sachen zueinander verhalten, sondern Wörter. Oder noch genauer: Die Sachen, die im Zusammenhang des Satzes einen Sachverhalt bilden, werden Wörter genannt. Ein bestimmter Satz ist eine bestimmte «Wortlage» oder ein bestimmter «Wortverhalt». Im Satz verhalten sich nämlich bestimmte Wörter zueinander und bilden auf diese Weise den Sinn eines Satzes.

Das führt zu der ersten großen Einsicht des Tractatus. Da der «Wortverhalt» eines Satzes zugleich ein Sachverhalt ist, ist ein Satz immer auch eine Tatsache in der Welt. Das hat aber zur Folge, dass der Satz andere Tatsachen der Welt abbilden kann, wenn sich die Wörter eines konkreten Satzes genauso zueinander verhalten, wie sich die Sachen eines konkreten Sachverhalts in der Welt zueinander verhalten. Das macht Sätze nicht nur sinnvoll, sondern das macht sinnvolle Sätze wahrheitsfähig. Denn ein sinnvoller Satz bildet durch seine konkrete Wortlage in der Sprache eine konkrete Sachlage in der Welt ab.

Damit ist das große und drängende Rätsel gelöst, das die Philosophie von jeher beschäftigt hat: Wie können wir mit etwas, das doch auf den ersten Blick ganz anders ist als die Welt – nämlich Sprache –, die Welt darstellen oder abbilden? Der Tractatus bietet eine verblüffend elegante Lösung. Die Sprache und die Welt weisen eine analoge Grundstruktur auf. Das, was die Welt ausmacht, sind Sachverhalte, und das, was die Sprache ausmacht, sind die Wortverhältnisse der Sätze; beiden, Sachverhalten und Sätzen, liegt dieselbe logische Form zugrunde: dass sich in ihnen Elemente zueinander verhalten und dieses Zueinander-Verhalten eine Einheit bildet. In der Welt nennen wir diese formale Einheit Sachverhalt, in der Sprache nennen wir diese formale Einheit Satz. Die Elemente, die in der Welt zum Sachverhalt zusammentreten, werden im Satzzusammenhang durch die Bedeutung der Wörter vertreten. Das macht verständlich, warum die Wörter nur im Satz Bedeutung haben.
Durch den sinnvollen Zusammenhang der einzelnen Wörter im Satz können wir einen Sachverhalt abbilden."

(Hutter, Axel. Sprachanalyse und Metaphysik: Eine Einführung in die moderne Philosophie. München: C.H.Beck, 2025. S. 73-4)



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Jörn P Budesheim
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Do 9. Okt 2025, 12:44

Consul hat geschrieben :
Mi 8. Okt 2025, 18:42
Man beachte: Der Fall sein und wahr sein sind nicht dasselbe ...
Meiner Ansicht nach schon. Dass etwas der Fall, heißt, dass etwas über etwas wahr ist.




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Jörn P Budesheim
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Do 9. Okt 2025, 15:13

Consul hat geschrieben :
Di 7. Okt 2025, 16:36
Zumindest werde ich in diesem Kapitel argumentieren, dass eine Korrespondenztheorie der Wahrheit abgelehnt werden muss, was Identität als plausibelsten Kandidaten für die Konstitution der Beziehung zwischen Tatsachen und wahren Propositionen übrig lässt. (Gaskin, Richard)
Das finde ich aufregend ... und plausibel.




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Consul
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Do 9. Okt 2025, 18:22

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Do 9. Okt 2025, 15:13
Consul hat geschrieben :
Di 7. Okt 2025, 16:36
Zumindest werde ich in diesem Kapitel argumentieren, dass eine Korrespondenztheorie der Wahrheit abgelehnt werden muss, was Identität als plausibelsten Kandidaten für die Konstitution der Beziehung zwischen Tatsachen und wahren Propositionen übrig lässt. (Gaskin, Richard)
Das finde ich aufregend ... und plausibel.
Gaskin ist der Autor des SEP-Artikels über die Identitätstheorie der Wahrheit: https://plato.stanford.edu/entries/truth-identity/
"Die Identitätstheorie der Wahrheit war in den prägenden Jahren der modernen analytischen Philosophie einflussreich und hat in jüngster Zeit wieder an Bedeutung gewonnen. Sie versteht sich im Großen und Ganzen als Reaktion auf Korrespondenztheorien der Wahrheit, die davon ausgehen, dass Wahrheitsträger durch Fakten wahr gemacht werden . Die Identitätstheorie behauptet dagegen, dass zumindest einige Wahrheitsträger nicht durch Fakten wahr gemacht werden, sondern mit ihnen identisch sind. Die Theorie wird normalerweise nicht auf der Ebene von Aussagesätzen angewendet, sondern auf das, was diese Sätze ausdrücken. Es sind diese Elemente – oder auch einige von ihnen –, die als identisch mit Fakten angesehen werden. Identitätstheoretiker gehen über die Details dieses allgemeinen Bildes auseinander, je nachdem, was genau ihrer Ansicht nach mit Aussagesätzen ausgedrückt – ob Fregesche Gedanken (auf der Sinnebene), Russellsche Propositionen (auf der Referenzebene) oder beides – und auch abhängig davon, wie genau Fakten interpretiert werden. Um ein präzises Beispiel zu geben: Ein Identitätstheoretiker, der glaubt, dass Aussagesätze Russellsche Propositionen ausdrücken, wird typischerweise annehmen, dass solche wahren Propositionen mit Fakten identisch sind. Die Bedeutung der Identitätstheorie liegt für ihre Anhänger darin, dass sie die Schließung einer Kluft ermöglicht, die sich sonst zwischen Sprache und Welt und/oder zwischen Geist und Welt auftun könnte. Sollten ihre Anhänger damit Recht haben, hat die Identitätstheorie der Wahrheit potenziell tiefgreifende Konsequenzen sowohl für die Metaphysik als auch für die Philosophie von Geist und Sprache."

SEP: Die Identitätstheorie der Wahrheit [Google Translate]
Anmerkungen:
1. Diejenigen Entitäten, die der Korrespondenztheorie zufolge wahre Träger von Wahrheitswerten wahr machen, müssen nicht zur Kategorie der Tatsachen (bestehenden Sachverhalte) gehören. So wie es mehrere Kandidaten für die Rolle der Wahrheitsträger gibt, gibt es auch mehrere Kandidaten für die Rolle der Wahrmacher, u.a. Tropen und Qua-Objekte. (IEP: Truthmaker Theory > Kinds of Truthmakers)
Der Sachverhaltsontologe Armstrong meint beispielsweise, dass wahre Sätze der Form "X existiert" von nichts weiter als X selbst wahr gemacht werden, wobei X kein Sachverhalt und damit auch keine Tatsache (als bestehender Sachverhalt) ist.
Wenn man Ereignisse wie den Untergang der Titanic nicht als eine Art von Sachverhalten betrachtet, dann kann man sagen, dass dieses Ereignis der nichtsachverhaltliche Wahrmacher des Satzes "Die Titanic geht/ging unter" ist.

2. "Ein Identitätstheoretiker, der glaubt, dass Aussagesätze Russellsche Propositionen ausdrücken, wird typischerweise annehmen, dass solche wahren Propositionen mit Fakten identisch sind." – Wie gesagt, wenn russellsche Propositionen eigentlich aus Dingen und Eigenschaften/Beziehungen bestehende Sachverhalte sind, dann begeht man einen Kategorienfehler, wenn man ihnen einen Wahrheitswert zuschreibt; denn solche Sachverhalte können wirklich oder unwirklich sein, aber nicht wahr oder unwahr. Man kann wirkliche russellsche Propositionen mit Fakten gleichsetzen; aber dann sind Fakten eben nicht mit wahren fregeschen Propositionen identisch.



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Do 9. Okt 2025, 18:44

Ich verstehe nicht, wie ein Philosophieprofessor wie Gaskin übersehen kann, dass es schlichtweg inkohärent ist, einerseits zu sagen, dass russellsche Propositionen "weltliche Entitäten [sind], die aus Objekten und Eigenschaften bestehen", und andererseits von "wahren Russellschen Propositionen" zu sprechen.
"Im Gegensatz zu Frege lehnte Russell die Ebene des Sinns ab und erkannte (zumindest um 1903/04) das, was er in Anlehnung an Moore „Propositionen“ nannte, als weltliche Entitäten an, die aus Objekten und Eigenschaften bestehen. Ein moderner Russellscher Ansatz könnte diese Propositionen – oder etwas Ähnliches: Die Details von Russells eigener Konzeption sind recht vage – als Referenten deklarativer Sätze übernehmen, und Identitätstheoretiker, die dieser Linie folgten, würden möglicherweise eine bestimmte Lesart von (5) als ihren Slogan wählen. Diese Russellianer würden also etwa Folgendes behaupten:

(9) Alle wahren Russellschen Propositionen sind identisch mit Tatsachen (auf der Referenzebene),

im Gegensatz zum Fregeschen

(10) Alle wahren Fregeschen Gedanken sind identisch mit Tatsachen (auf der Sinnebene).

Diese Art der Formulierung der relevanten Identitätsansprüche hat den Vorteil, dass es einem Theoretiker zumindest prinzipiell möglich wäre, (9) und (10) in einer hybriden Position zu kombinieren, die (i) von Russell abweicht und Frege folgt, indem sie sowohl eine Fregesche Sinnebene als auch eine Referenzebene zulässt, und die, nachdem sie beide Ebenen zur semantischen Hierarchie zugelassen hat, (ii) sowohl Fregesche Gedanken auf der Sinnebene als auch Russellsche Propositionen auf der Referenzebene verortet. Da Sinn die Gegebenheitsweise von Referenz ist, wäre die Idee, dass Aussagesätze über Fregesche Gedanken auf Russellsche Propositionen verweisen (siehe hierzu Gaskin 2006: 203–20; 2008: 56–127). Jemand, der diesen hybriden Ansatz verfolgt, würde also sowohl (9) als auch (10) bejahen. Natürlich würden sich die in (9) genannten Tatsachen kategorisch von den in (10) genannten Tatsachen unterscheiden, und man könnte sich dazu entschließen, Verwirrung zu vermeiden, indem man sie terminologisch unterscheidet und vielleicht auch, indem man einem Satz von Tatsachen ontologisch den Vorzug gegenüber dem anderen gibt." [Google Translate]

Richard Gaskin: https://plato.stanford.edu/entries/truth-identity/



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Do 9. Okt 2025, 19:22

"Wenn … die primären Wahrheitsträger als Propositionen betrachtet werden, ergibt sich eine Komplikation:

i. Nach einer im weiteren Sinn fregeschen Auffassung von Propositionen werden Propositionen durch Begriffe von Objekten und Eigenschaften (im logischen, nicht im psychologischen Sinne von „Begriff“) gebildet. …

ii. Nach der sogenannten russellschen Auffassung von Propositionen (die der frühe Russell größtenteils vom frühen Moore übernahm) werden Propositionen nicht aus Begriffen von Objekten und Eigenschaften, sondern aus den Objekten und Eigenschaften selbst gebildet (vgl. Russell 1903). Nach dieser Auffassung werden die obigen Punkte höchstwahrscheinlich scheitern, da die Korrespondenzrelation bei Anwendung auf echte Russellsche Propositionen in die Identitätsrelation zu kollabieren scheint. Es ist schwer vorstellbar, wie eine wahre Russellsche Proposition etwas anderes als eine Tatsache sein könnte: Was wäre eine Tatsache, wenn nicht so etwas? Daher wird das Prinzip der Nichtidentität verworfen, und mit ihm die Korrespondenztheorie der Wahrheit: „Sobald eindeutig anerkannt ist, dass die Proposition nicht einen Glauben oder eine Wortform, sondern einen Glaubensgegenstand bezeichnet, scheint es klar, dass sich eine Wahrheit in keiner Hinsicht von der Realität unterscheidet, mit der sie lediglich korrespondieren sollte“ (Moore 1901-02, S. 717). Eine einfache, faktenbasierte Korrespondenztheorie, angewendet auf Russellsche Propositionen, reduziert sich somit auf eine Identitätstheorie der Wahrheit, nach der eine Proposition genau dann wahr ist, wenn sie eine Tatsache ist, und falsch, wenn sie keine Tatsache ist. …

Doch Russellianer verzichten in der Regel nicht gänzlich auf die Korrespondenztheorie. Obwohl sie für (1) aus Abschnitt 3 keinen Platz haben, wird Korrespondenz, wenn sie auf Propositionen als Wahrheitsträger angewendet wird, in ihre Erklärung der Wahrheit für öffentliche oder mentale Sätze einfließen. Die Darstellung erfolgt in der Form von Abschnitt (2) von Abschnitt 3, angewendet auf andere Kategorien von Wahrheitsträgern als Propositionen, wobei Russellsche Propositionen auf der rechten Seite in Gestalt von Sachverhalten erscheinen, die bestehen oder nicht bestehen. Die Festlegung auf Sachverhalte zusätzlich zu Propositionen wird manchmal mit Verachtung betrachtet, da eine unnötige ontologische Verdoppelung vorliegt. Russellianer sind jedoch nicht auf Sachverhalte zusätzlich zu Propositionen festgelegt, da Propositionen ihrer Ansicht nach bereits Sachverhalte sein müssen. Diese Schlussfolgerung ist nahezu unvermeidlich, sobald wahre Propositionen mit Tatsachen identifiziert wurden. Wenn eine wahre Proposition eine Tatsache ist, dann wäre eine falsche Proposition, die wahr hätte sein können, eine Tatsache gewesen, wenn sie wahr gewesen wäre. Eine (kontingente) falsche Proposition muss also von derselben Art sein wie eine Tatsache, nur keine Tatsache – eine Untatsache; aber das ist einfach ein nicht bestehender Sachverhalt unter einem anderen Namen. Russellsche Propositionen sind Sachverhalte: Falsche sind Sachverhalte, die nicht bestehen, wahre sind Sachverhalte, die bestehen.

Die Russellsche Sichtweise von Propositionen ist heutzutage populär. Kurioserweise bezeichnen zeitgenössische Russellianer Propositionen kaum noch als Tatsachen oder Sachverhalte. Das liegt daran, dass sie sich stark mit dem Verständnis von Glauben [belief], Glaubenszuschreibungen und der Semantik von Sätzen beschäftigen. In solchen Kontexten ist es natürlicher, in der Sprache der Propositionen als in der Sprache der Sachverhalte zu sprechen. Es fühlt sich seltsam (falsch) an, zu sagen, dass jemand einen Sachverhalt glaubt oder dass Sachverhalte wahr oder falsch sind. Ebenso fühlt es sich seltsam (falsch) an, zu sagen, dass manche Propositionen Tatsachen sind, dass Tatsachen wahr sind und dass Propositionen bestehen oder nicht bestehen. Dennoch muss all dies nach Ansicht der Russellianer die buchstäbliche Wahrheit sein. Sie müssen behaupten, dass „Proposition“ und „Sachverhalt“, ähnlich wie „Abendstern“ und „Morgenstern“, unterschiedliche Namen für dieselben Dinge sind – sie sind mit unterschiedlichen Assoziationen verbunden und in etwas unterschiedlichen sprachlichen Umgebungen zu Hause, was die empfundene Seltsamkeit erklärt, wenn ein Name in die Umgebung des anderen übertragen wird." [Google Translate mit Änderungen meinerseits]

(David, Marian. "The Correspondence Theory of Truth." In Stanford Encyclopedia of Philosophy, 2015.)
Die für mich wichtigsten Punkte:

A. "Russellian propositions are states of affairs: the false ones are states of affairs that do not obtain, and the true ones are states of affairs that do obtain." ["Russellsche Propositionen sind Sachverhalte: Falsche sind Sachverhalte, die nicht bestehen, wahre sind Sachverhalte, die bestehen."]

B. "It feels odd (wrong) to say that…states of affairs are true or false." ["Es fühlt sich seltsam (falsch) an, zu sagen,…dass Sachverhalte wahr oder falsch sind."]

Ich wünschte, Russell hätte seine Sachverhalte niemals irreführenderweise als "Propositionen" bezeichnet!

Ich plädiere dafür, ausschließlich fregesche Sinnverhalte (als Begriffsverhalte) "Propositionen" zu nennen, welche sich wesentlich von russellschen Sachverhalten (als Gegenstandsverhalten) unterscheiden. Fregesche Sinnverhalte können als Wahrheitswertträger fungieren, russellsche Sachverhalte dagegen nicht. Der Sachverhalt Das Bundeskanzlersein von Friedrich Merz/Dass Friedrich Merz Bundeskanzler ist ist wirklich—er besteht; aber er ist nicht wahr, weil Sachverhalte keine Wahrheitswertträger sind.



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Consul
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Do 9. Okt 2025, 19:37

Quine war kein Freund von Propositionen, und er hat sie als "Schatten von Sätzen" ("shadows of sentences") bezeichnet – was mir gefällt.
"The doctrine of propositions seems in a way futile on the face of it, even if we imagine the individuation problem solved. For, that solution would consist in some suitable definition of equivalence of sentences; why not then just talk of sentences and equivalence and let the propositions go? The long and short of it is that propositions have been projected as shadows of sentences, if I may transplant a figure of Wittgenstein's. At best they will give us nothing the sentences will not give. Their promise of more is mainly due to our uncritically assuming for them an individuation which matches no equivalence between sentences that we see how to define. The shadows have favored wishful thinking."
———
"Die Lehre von den Propositionen erscheint auf den ersten Blick in gewisser Weise sinnlos, selbst wenn wir uns das Individuationsproblem als gelöst vorstellen. Denn diese Lösung bestünde in einer geeigneten Definition der Äquivalenz von Sätzen; warum also nicht einfach von Sätzen und Äquivalenz sprechen und die Propositionen außer Acht lassen? Kurz gesagt: Propositionen wurden als Schatten von Sätzen projiziert, wenn ich eine Figur Wittgensteins übertragen darf. Bestenfalls geben sie uns nichts, was die Sätze nicht auch geben würden. Ihr Versprechen von mehr beruht hauptsächlich darauf, dass wir ihnen unkritisch eine Individuation unterstellen, die keiner Äquivalenz zwischen Sätzen entspricht, die wir zu definieren wissen. Die Schatten haben Wunschdenken begünstigt." [Google Translate]

(Quine, W. V. Philosophy of Logic. 2nd ed. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1986. p. 10)



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

Timberlake
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Fr 10. Okt 2025, 01:32

Consul hat geschrieben :
Mi 8. Okt 2025, 17:26
Timberlake hat geschrieben :
Di 7. Okt 2025, 14:18
Oder wie 'die Rose ist rot', als ein gegenständliches Korrelat fungiert, bei dem dieses Korrelat etwas anderes sein muss, als die Rose selbst, ein Ding der Außenwelt. Deshalb wollen wir sowohl "Der Mond kreist um die Erde" als auch die Rose ist Rot als einen Sachverhalt und ich ergänze als eine Tatsache bezeichnen. Schließlich haben uns bisher beide Namen schon ganz ungezwungen eingestellt. Dinge der Außenwelt bzw. Dinge, die in einer vom Geist unabhängigen Welt existieren, wie sie für gegenständliche Gebilde der Form 'b-sein des A' verwendet werden.

Es mag ja sein, dass es (wie in dem o.g. Zitat von dir beschrieben) diese drei Arten sprachlicher Repräsentationen gibt, nur hat das bestenfalls mittelbar mit dem zu tun, was wir künftig als einen Sachverhalt bzw. eine Tatsache bezeichnen wollen. Sondern vielmehr mit dem, was Fregge wollte …
[Frege – mit einem g!]

"Der Mond kreist um die Erde" ist weder ein Sachverhalt noch eine Tatsache, sondern ein (wahrer) Aussagesatz. Dass der Mond um die Erde kreist, ist ein Sachverhalt/eine Tatsache, ebenso wie das Um-die-Erde-Kreisen des Mondes.

Ich denke mal, wo ich nunmehr das von dir zur Kenntnis genommen habe, zu wissen, wobei es bei unser beider Kommunikation zur Ontologie der Sachverhalte und Tatsachen klemmt. [Damit meine allerdings nicht das mit dem g bei Frege.]

Um ganz sicher zu gehen!

"Da Dinge niemals behauptet oder geglaubt werden können, und da andererseits im Urteil 'die Rose ist rot' das Rotsein der Rose als gegenständliches Korrelat fungiert, so muß dieses Korrelat etwas anderes sein als die rote Rose selbst, dieses Ding der Außenwelt. Wir wollen es künftig als einen Sachverhalt bezeichnen. Dieser Name hat sich uns bisher schon ganz ungezwungen eingestellt; er ist auch in der Tat am besten geeignet, für gegenständliche Gebilde der Form 'b-sein des A' verwendet zu werden."

(Reinach, Adolf. Zur Theorie des negativen Urteils. 1911. Nachdr. in Gesammelte Schriften, hrsg. v. seinen Schülern, 56-120. Halle: Niemeyer, 1921. S. 81)
Wenn dem so ist, dass "Der Mond kreist um die Erde" weder ein Sachverhalt noch eine Tatsache, sondern ein (wahrer) Aussagesatz ist, trifft das dann auch 'die Rose ist rot' zu? Demzufolge der gleichen, so wie hier beschrieben, eben nicht als ein gegenständliches Korrelat fungiert, sondern gleichfalls ein (wahrer) Aussagesatz ist. Das anstatt dessen Das die Rose rot ist , als ein gegenständliches Korrelat fungiert, ebenso wie Das rot -sein der Rose.
Consul hat geschrieben :
Fr 3. Okt 2025, 13:41
"Einige mentale Zustände haben einen Inhalt: Der Glaube, dass Seabiscuit ein Pferd ist, hat den Inhalt, dass Seabiscuit ein Pferd ist; die Hoffnung, dass Seabiscuit gewinnen wird, hat den Inhalt, dass Seabiscuit gewinnen wird. Inhalte sind Propositionen: abstrakte Objekte, die Wahrheitsbedingungen möglicher Welten bestimmen. Drei führende Kandidaten für solche abstrakten Objekte sind Fregesche Gedanken, Russellsche Propositionen (strukturierte Einheiten mit Objekten und Eigenschaften als Bestandteilen) und Lewissche/Stalnakersche Propositionen (Mengen möglicher Welten). Manchmal ist der Begriff „Proposition“ ausschließlich den Inhalten traditioneller propositionaler Einstellungen wie Glaube und Hoffnung vorbehalten; in dieser Verwendung sind Russellsche „Propositionen“ keine Propositionen, wenn diese Inhalte (zum Beispiel) Gedanken sind." [Google Translate mit Änderungen meinerseits]

(Byrne, Alex. "Perception and Perceptual Content." In Contemporary Debates in Epistemology, ed. by Matthias Steup & Ernest Sosa, 231-250. Malden, MA: Blackwell, 2005. p. 232)
Umgekehrt wäre dann allerdings "Das Seabiscuit ein Pferd ist" wie auch "Das Seabiscuit gewinnt" keine (wahren) Aussagesätze, sondern Sachverhalte /Tatsachen. Wenn es in dem Zitat weiter heißt , das beides Inhalte sind und Inhalte Propositionen sind, wären dann nicht Propositionen Sachverhalte und Tatsachen aber zugleich keine ( wahre) Aussagesätze?




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Jörn P Budesheim
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Consul hat geschrieben :
Do 9. Okt 2025, 19:22
B. "It feels odd (wrong) to say that…states of affairs are true or false." ["Es fühlt sich seltsam (falsch) an, zu sagen,…dass Sachverhalte wahr oder falsch sind." (David, Marian)
Sachverhalte bestehen oder bestehen nicht. Sachverhalte sind nicht wahr oder falsch. Wahr oder falsch ist das, was über den eingebetteten Gegenstand gesagt ist. Der Sachverhalt besteht, wenn das, was über den Gegenstand gesagt ist, wahr ist. Es fühlt sich für mich weder seltsam noch falsch an, zu sagen, dass man etwas Wahres über Picasso sagt, wenn man sagt, dass er ein Maler war. Es ist über Picasso wahr, dass er ein Maler war und daher ist dieser Sachverhalt eine Tatsache. Nicht die Tatsache ist wahr, sondern dass Picasso ein Maler war, ist wahr.




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Jörn P Budesheim
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Fr 10. Okt 2025, 08:26

"The doctrine of propositions seems in a way futile on the face of it, even if we imagine the individuation problem solved. For, that solution would consist in some suitable definition of equivalence of sentences; why not then just talk of sentences and equivalence and let the propositions go? The long and short of it is that propositions have been projected as shadows of sentences, if I may transplant a figure of Wittgenstein's. At best they will give us nothing the sentences will not give. Their promise of more is mainly due to our uncritically assuming for them an individuation which matches no equivalence between sentences that we see how to define. The shadows have favored wishful thinking."
———
"Die Lehre von den Propositionen erscheint auf den ersten Blick in gewisser Weise sinnlos, selbst wenn wir uns das Individuationsproblem als gelöst vorstellen. Denn diese Lösung bestünde in einer geeigneten Definition der Äquivalenz von Sätzen; warum also nicht einfach von Sätzen und Äquivalenz sprechen und die Propositionen außer Acht lassen? Kurz gesagt: Propositionen wurden als Schatten von Sätzen projiziert, wenn ich eine Figur Wittgensteins übertragen darf. Bestenfalls geben sie uns nichts, was die Sätze nicht auch geben würden. Ihr Versprechen von mehr beruht hauptsächlich darauf, dass wir ihnen unkritisch eine Individuation unterstellen, die keiner Äquivalenz zwischen Sätzen entspricht, die wir zu definieren wissen. Die Schatten haben Wunschdenken begünstigt." [Google Translate]

(Quine, W. V. Philosophy of Logic. 2nd ed. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1986. p. 10)
Vielleicht kannst du das noch etwas erläutern/ausführen? So wie es da geschrieben steht, verstehe ich es leider nicht.




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Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Mi 8. Okt 2025, 18:10
Wahrheitsträger werden auch nicht benötigt, ich wüsste auch nicht, durch welche Wunder, sie eine ansonsten nicht existierende Wahrheit in die Welt bringen sollten.
Es gibt keine Wahrheit ohne Wahres, d.i. etwas, das wahr ist. Dasjenige, das wahr ist, ist der Wahrheitsträger.



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Consul
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Fr 10. Okt 2025, 12:55

Consul hat geschrieben :
Di 7. Okt 2025, 13:22
Ja, es heißt, dass ein und derselbe Gedanke oder Sachverhalt von verschiedenden Aussagesätzen (als sprachlichen Zeichenverhalten, Wortverhalten) in verschiedenen Sprachen "ausgedrückt", repräsentiert werden kann.
Allerdings:
"It is, though, an obvious mistake to suppose that, because different sentences say the same thing, there must be a same thing they say."
———
"Es ist jedoch ein offensichtlicher Fehler anzunehmen, dass, weil verschiedene Sätze dasselbe (aus)sagen, es ein/etwas Selbiges geben muss, das sie (aus)sagen." [meine Übers.]

(Williamson, Colwyn. "Proposition." In The Oxford Companion to Philosophy, 2nd ed., ed. by Ted Honderich. Oxford: Oxford University Press, 2005. p. 763)
Das heißt, daraus, dass die Aussagesätze "Schnee ist weiß" und "Snow is white" dasselbe aussagen oder ausdrücken, folgt nicht notwendigerweise, dass es eine besondere identische Entität gibt—einen Gedanken oder Sachverhalt—, die von beiden Sätzen ausgesagt oder ausgedrückt wird.
Die beiden Sätze sagen oder drücken dasselbe aus, weil sie dasselbe bedeuten. Dies erfordert aber nicht notwendigerweise die Existenz von Satzbedeutungen als einer besonderen Art von Entitäten.



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Jörn P Budesheim
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Fr 10. Okt 2025, 12:58

Consul hat geschrieben :
Fr 10. Okt 2025, 12:55
Das heißt, daraus, dass die Aussagesätze "Schnee ist weiß" und "Snow is white" dasselbe aussagen oder ausdrücken, folgt nicht notwendigerweise, dass es eine besondere identische Entität gibt—einen Gedanken oder Sachverhalt—, die von beiden Sätzen ausgesagt oder ausgedrückt wird.
Das ist richtig, das folgt nicht etwa, das ist damit bereits ausgesagt, denn die Sätze drücken schließlich dasselbe aus.




Pommesbude
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Fr 10. Okt 2025, 17:11

Ein Versuch:

Denken ist ein leiblich eingebetteter Vorgang in der Welt.
Wahr ist es, wenn seine Bewegung mit der Bewegung der Welt übereinstimmt; Irrtum, wenn nicht.
Jeder Gedanke ist Welt: real als Vorgang, möglich als Abbild, verfehlt als Irrtum.




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Consul
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Sa 11. Okt 2025, 15:29

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 10. Okt 2025, 12:58
Consul hat geschrieben :
Fr 10. Okt 2025, 12:55
Das heißt, daraus, dass die Aussagesätze "Schnee ist weiß" und "Snow is white" dasselbe aussagen oder ausdrücken, folgt nicht notwendigerweise, dass es eine besondere identische Entität gibt—einen Gedanken oder Sachverhalt—, die von beiden Sätzen ausgesagt oder ausgedrückt wird.
Das ist richtig, das folgt nicht etwa, das ist damit bereits ausgesagt, denn die Sätze drücken schließlich dasselbe aus.
Die Aussagesätze "Schnee ist weiß" und "Snow is white" sagen/drücken insofern dasselbe aus, als sie beide aussagen/ausdrücken, dass Schnee weiß ist. Daraus folgt aber eben nicht notwendigerweise, dass "Dass Schnee weiß ist" (bzw. "that snow is white") ein Name ist, der eine bestimmte nichtsprachliche Entität bezeichnet: entweder den (aus den Begriffen <Schnee> und <weiß> zusammengesetzten) Sinnverhalt (Gedanken) <Schnee ist weiß> oder den (aus den Sachen Schnee und Weißheit zusammengesetzten) Sachverhalt des Weißseins von Schnee.



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Jörn P Budesheim
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Sa 11. Okt 2025, 19:02

Wie sollen sie dasselbe ausdrücken, ohne dass es dasselbe gibt? Das geht offensichtlich nicht.




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Jörn P Budesheim
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Sa 11. Okt 2025, 22:25

Der Begriff „Entitäten” ist in diesem Zusammenhang problematisch, wenn keine Einigkeit darüber herrscht, was es heißt, dass etwas existiert. In meiner Ontologie gibt es auch abstrakte Entitäten. Ich befürchte, dass dieser Dissens nicht auszuräumen ist.




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Jörn P Budesheim
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So 12. Okt 2025, 11:22

Pommesbude hat geschrieben :
Fr 10. Okt 2025, 17:11
Ein Versuch:

Denken ist ein leiblich eingebetteter Vorgang in der Welt.
Wahr ist es, wenn seine Bewegung mit der Bewegung der Welt übereinstimmt; Irrtum, wenn nicht.
Jeder Gedanke ist Welt: real als Vorgang, möglich als Abbild, verfehlt als Irrtum.
Denken ist ein leiblich eingebetteter Vorgang in der Welt. Das sehe ich genauso. Aber das Denken ist nicht identisch mit dem Gedanken, so wie das Erfassen eines Bleistifts nicht der Bleistift selbst ist – um eine Metapher von Frege zu verwenden. Das Denken ist das eine, der Gedanke das andere. Du und ich können denselben Gedanken, dass Friedrich Merz Bundeskanzler ist, erfassen; wir haben es dann mit zwei Denkakten (deinem und meinem) aber nur einem Gedanken zu tun.

Zudem: Nicht jeder Gedanke ist eine Bewegung. Der Gedanke, dass 7 + 5 = 12, vollzieht sich nicht in der Zeit, auch wenn das Lesen und das Denken dieser Gleichung Zeit beanspruchen. Solche Gedanken haben als abstrakte Entitäten keinen zeitlichen Verlauf; ihre Erfassung sehr wohl.




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Consul
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So 12. Okt 2025, 14:24

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Sa 11. Okt 2025, 19:02
Wie sollen sie dasselbe ausdrücken, ohne dass es dasselbe gibt? Das geht offensichtlich nicht.
Du setzt voraus, was infrage steht: Sind Dass-Teilsätze Namen, die etwas Außersprachliches bezeichnen?



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