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Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 07:47
von Jörn P Budesheim
Die folgenden Beiträge stammen aus dem Faden Materialismus/Physikalismus und beschäftigen sich mit der Frage, was Relationen sind.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 07:50
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
So 31. Aug 2025, 03:10
Der ontologisch reduktionistische, kompositorische Materialismus (mereologische Physikalismus), den ich vertrete, ...
Das sind für mich böhmische Dörfer. Kompositorischer Materialismus ist für mich so etwas wie ein Widerspruch in sich. Denn die Komposition, also die Zusammenstellung materieller Entitäten ist ja offenbar nicht selbst etwas Materielles, sondern (Überraschung!) eine Zusammenstellung, eine Struktur, eine Form, Information oder wie auch immer du es nennen möchtest, also etwas Immaterielles. Dass die "Komposition" jeweils irgendwie materiell realisiert wird, ändert ja nichts daran. Dass die Struktur nicht als "separates Ding" existiert, bedeutet keineswegs, dass sie gar nicht existiert. Der Materialismus wäre auch dann falsch, wenn man das zugesteht. (Meines Erachtens zeigt bereits die multiple Realisierbarkeit von Strukturen, dass die Struktur etwas Eigenes ist, und zwar auch dann, wenn sie immer materiell realisiert sein müsste - was ich nur um des Argumentes willen in Betracht ziehe, Zahlen sind ein Gegenbeispiel.)

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 07:51
von Consul
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Sep 2025, 10:13
Consul hat geschrieben :
So 31. Aug 2025, 03:10
Der ontologisch reduktionistische, kompositorische Materialismus (mereologische Physikalismus), den ich vertrete, ...
Das sind für mich böhmische Dörfer. Kompositorischer Materialismus ist für mich so etwas wie ein Widerspruch in sich. Denn die Komposition, also die Zusammenstellung materieller Entitäten ist ja offenbar nicht selbst etwas Materielles, sondern (Überraschung!) eine Zusammenstellung, eine Struktur, eine Form, Information oder wie auch immer du es nennen möchtest, also etwas Immaterielles. Dass die "Komposition" jeweils irgendwie materiell realisiert wird, ändert ja nichts daran. Dass die Struktur nicht als "separates Ding" existiert, bedeutet keineswegs, dass sie gar nicht existiert. Der Materialismus wäre auch dann falsch, wenn man das zugesteht. (Meines Erachtens zeigt bereits die multiple Realisierbarkeit von Strukturen, dass die Struktur etwas Eigenes ist, und zwar auch dann, wenn sie immer materiell realisiert sein müsste - was ich nur um des Argumentes willen in Betracht ziehe, Zahlen sind ein Gegenbeispiel.)
Eine Struktur ist ein Komplex von Relationen, und Relationen zwischen materiellen Objekten sind natürlich selbst keine ausgedehnten, körperlichen, stofflichen Entitäten. (Ob Relationen und Strukturen überhaupt Entitäten sind, d.h. ob Relationen und Strukturen überhaupt existieren, sei hier dahingestellt.) Aber, wie bereits gesagt:
"Physikalische Ereignisse (*, Eigenschaften oder Beziehungen haben zwar selbst keine materiellen Eigenschaften wie Härte und Undurchdringlichkeit, und sie bestehen auch nicht aus Molekülen oder Atomen; aber andererseits ist es insbesondere aus materialistischer/physikalistischer Sicht irreführend und unrichtig, sie allein deshalb als nichtmaterielle, immaterielle oder nichtphysische Entitäten zu bezeichnen."

Consul: viewtopic.php?p=94757#p94757
Reduktive Materialisten widerlegen sich nicht selbst, wenn sie Relationen (als immanente Universalien oder Partikularien) und Relationskomplexe (Strukturen) ontologisch anerkennen; denn sie müssen diese nicht als (emergente) hyperphysische Entitäten anerkennen.
"Man stelle sich eine materiell-energetische, räumlich-zeitliche Welt (MERZ-Welt) vor, die völlig frei ist von Leben, Geist, Bewusstsein, Sprache, Kultur und Abstraktem (im ontologischen Sinn von "abstrakt"). Ich nenne eine solche Welt eine urphysische Welt.
Alle Substanzen, Okkurrenzen oder Adhärenzen, die in einer solchen Welt vorkommen oder vorkommen könnten, sind urphysische Entitäten.
Ich nenne eine Substanz, Okkurrenz oder Adhärenz genau dann physisch, wenn sie entweder eine urphysische Entität ist oder eine Entität, die nichts weiter ist als ein Komplex/System urphysischer Entitäten."

Consul: viewtopic.php?p=94757#p94757
Relationen sind relationale "Adhärenzen"; und eine Relation ist gemäß meiner obigen Definition genau dann physisch, wenn sie entweder eine urphysische Relation ist oder eine Relation, die nichts weiter ist als ein Komplex/System urphysischer Relationen.
Eine physische Relation oder Struktur ist zwar nicht im engeren Sinn materiell wie ein Körper, aber sie ist auch nicht in einem antimaterialistischen Sinn immateriell.
Man beachte, dass mein Begriff des Physischen umfassender ist als der Begriff des Physikalischen. Eine biologische Eigenschaft oder Beziehung ist zwar keine physikalische Eigenschaft oder Beziehung, aber sie ist in meinem Sinn und aus meiner Sicht eine besondere physische Eigenschaft oder Beziehung, nämlich eine biophysische – wobei biophysische Eigenschaften/Beziehungen von mindestens zwei urphysischen Eigenschaften/Beziehungen gebildet werden.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 07:52
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Di 9. Sep 2025, 01:09
Relationen sind relationale "Adhärenzen"
Genau das meinte ich weiter oben mit meinen „Epizyklen“ – man muss ständig auf immer „seltsamere“ (sic!) Begrifflichkeiten zurückgreifen, weil man im falschen Paradigma gefangen ist, ähnlich wie im geozentrischen Weltbild. Relationen sollen seltsam sein, doch die Begriffe und Theorien, die man aufbringt, um das Offensichtliche zu leugnen, sind oft noch viel seltsamer.
Consul hat geschrieben :
Di 9. Sep 2025, 01:09
Eine physische Relation oder Struktur ist zwar nicht im engeren Sinn materiell wie ein Körper, aber sie ist auch nicht in einem antimaterialistischen Sinn immateriell.
Antimaterialistisch??

„Eine physische Relation oder Struktur ist zwar nicht im engeren Sinn materiell wie ein Körper, aber sie ist auch nicht in einem antimaterialistischen Sinn immateriell.“ Doch natürlich ist sie immateriell – sonst kämen Materialisten ja kaum auf die Idee, sie als „seltsam“ zu erachten.
Consul hat geschrieben :
Di 9. Sep 2025, 01:43
Aber warum, so könnte man nun fragen, sollten wir ein zwingendes Interesse daran haben, alle vermeintlich ‚realen‘ Beziehungen zu eliminieren? Was stimmt mit ihnen nicht? Meine grundlegende Antwort ist, dass sie ontologisch seltsam ("schräg") zu sein scheinen. (Jonathan E. Lowe)
„Schräg“ bzw. „seltsam“ erscheinen sie wohl nur, wenn man sich zuvor auf ein bestimmtes Bild der ‚Welt‘ festgelegt hat. Auch hier zeigt sich wieder dieselbe methodisch fragwürdige – um nicht zu sagen „unwissenschaftliche“ – Strategie: Statt offensichtliche Phänomene – wie etwa Relationen – ernst zu nehmen und zu erklären, werden sie einfach als „seltsam“ wegdefiniert. Es wäre daher sinnvoll, die eigenen Voraussetzungen, die Relationen als seltsam erscheinen lassen, kritisch zu hinterfragen.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 07:57
von Consul
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Sep 2025, 11:09
Consul hat geschrieben :
Di 9. Sep 2025, 01:09
Relationen sind relationale "Adhärenzen"
Genau das meinte ich weiter oben mit meinen „Epizyklen“ – man muss ständig auf immer „seltsamere“ (sic!) Begrifflichkeiten zurückgreifen, weil man im falschen Paradigma gefangen ist, ähnlich wie im geozentrischen Weltbild. Relationen sollen seltsam sein, doch die Begriffe und Theorien, die man aufbringt, um das Offensichtliche zu leugnen, sind oft noch viel seltsamer.
Hier sei nur betont, dass die Existenz von Relationen alles andere als eine offensichtliche, selbstverständliche, unmittelbare einleuchtende Tatsache ist, die nur von Leuten geleugnet wird, die "im falschen Paradigma gefangen" sind.

Wohlgemerkt: Man verwechsle die Frage nach der Existenz von Relationen (relationalen Entitäten) nicht mit der Frage nach der Existenz relationaler Wahrheiten! Dass es relationale Wahrheiten wie "Hamburg liegt nördlich von München" und "Markus Gabriel ist intelligenter als Sigmar Gabriel" gibt, bestreite ich nicht. Ich bezweifle nur, dass es das Nördlich-liegen-von und das Intelligenter-sein-als als relationale Entitäten (polyadische Attribute) gibt.

Wie gesagt, "Adhärenz" ist einfach Bernard Bolzanos (1781–1848) Fachwort für Attribute (Beschaffenheiten), das ich "spaßeshalber" übernommen habe.
"Alles, was ist, d.h. was in der Wirklichkeit besteht, in dieser Wirklichkeit entweder für immer oder auch nur für eine gewisse Zeit besteht, gehört zu einer von folgenden zwei Arten: es ist und besteht entweder an etwas anderem, als eine Beschaffenheit desselben; oder es ist nicht eine bloße Beschaffenheit an etwas anderem, sondern besteht, wie man zu sagen pflegt, für sich. …
Die Wirklichkeiten der ersteren Art pflegen die Weltweisen mit einem lateinischen Wort auch Adhärenzen, jene der letzteren aber Substanzen zu nennen."

(Bolzano, Bernard. Athanasia oder Gründe für die Unsterblichkeit der Seele. Sulzbach: Seidel, 1827. S. 9-10)
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Sep 2025, 11:09
„Eine physische Relation oder Struktur ist zwar nicht im engeren Sinn materiell wie ein Körper, aber sie ist auch nicht in einem antimaterialistischen Sinn immateriell.“ – Consul
Doch natürlich ist sie immateriell – sonst kämen Materialisten ja kaum auf die Idee, sie als „seltsam“ zu erachten.
Wenn "immateriell" "kein Körper seiend, nicht aus physischem Stoff bestehend" bedeutet, dann sind Relationen (Beziehungen/Verhältnisse) freilich immateriell. Das bedeutet aber mitnichten, dass ein Materialist Relationen nicht ontologisch anerkennen kann, ohne seine eigene Position zu untergraben; denn als moderner Physikalist behauptet er nicht (bzw. muss er nicht behaupten), dass alle Entitäten aus Materie bestehende, materielle Substanzen (Körper) sind. Somit kann er die Existenz "immaterieller" physischer/physikalischer Relationen im Rahmen seines materialistischen Weltbildes stimmigerweise anerkennen.

Es folgt ein wichtiger Punkt: Man muss kein Materialist sein, um Relationen ontologisch seltsam zu finden. Der bereits erwähnte Jonathan Lowe ist kein Materialist (er vertritt sogar einen nicht-cartesianischen Substanzdualismus), und er findet Relationen "ontologically weird". Die Seltsamkeit von Relationen (als polyadischen Attributen) gründet nicht in ihrer Immaterialität (im obigen Sinn), sondern in ihrer generellen ontologischen Natur.
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Sep 2025, 11:09
„Schräg“ bzw. „seltsam“ erscheinen [Relationen] wohl nur, wenn man sich zuvor auf ein bestimmtes Bild der ‚Welt‘ festgelegt hat. Auch hier zeigt sich wieder dieselbe methodisch fragwürdige – um nicht zu sagen „unwissenschaftliche“ – Strategie: Statt offensichtliche Phänomene – wie etwa Relationen – ernst zu nehmen und zu erklären, werden sie einfach als „seltsam“ wegdefiniert. Es wäre daher sinnvoll, die eigenen Voraussetzungen, die Relationen als seltsam erscheinen lassen, kritisch zu hinterfragen.
Das einzig Offensichtliche ist, dass wir alle ständig über irgendwelche Relationen (Beziehungen/Verhältnisse) reden/sprechen, und dass wir entweder Wahres oder Falsches darüber aussagen. Daraus folgt aber nicht, dass es Relationen als relationale Entitäten wirklich gibt, welche als Wahrmacher wahrer relationaler Aussagen fungieren. Es könnte nämlich sein, dass wahre relationale Aussagen von nichtrelationalen Entitäten wahr gemacht werden.
Wenn es wahr ist, dass Peter größer ist als Markus, dann folgt diese relationale Wahrheit allein aus den beiden Körpergrößen von Peter und Markus – 2m & 1,8m –, ohne dass als zusätzlicher Wahrmacher das Größer-sein-als als relationale Entität erforderlich ist.

Wenn in der analytischen Ontologie, die sich mit Kategorien wie Relationen und Kategoriensystemen befasst, alle Wahrheiten offen und für jedermann sofort ersichtlich zutage lägen, dann müssten alle Meinungsverschiedenheiten darin längst verschwunden sein – was jedoch nicht der Fall ist.

Es ist ja gerade die Aufgabe philosophischer Ontologen, sowohl naive alltagsontologische als auch nichtnaive wissenschaftsontologische Voraussetzungen kritisch zu hinterfragen und nicht blind zu übernehmen.

John Heil schließt seine Argumentation gegen die Existenz von Relationen folgendermaßen ab:
"Wenn Sie anderer Meinung sind, wenn sie auf Relationen erpicht sind, dann liegt der Ball bei Ihnen. Es reicht nicht aus, einfach nur die Existenz von Relationen neben Substanzen und Eigenschaften zu verkünden. Es liegt an Ihnen, eine greifbare ontologische Geschichte zu liefern. Von meinem Standpunkt aus sind die Aussichten nicht vielversprechend." [Google Translate mit einer Änderung meinerseits]

(Heil, John. The Universe As We Find It. Oxford: Oxford University Press, 2012. p. 150)

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 07:57
von Consul
Consul hat geschrieben :
Mi 10. Sep 2025, 04:57
Hier sei nur betont, dass die Existenz von Relationen alles andere als eine offensichtliche, selbstverständliche, unmittelbare einleuchtende Tatsache ist, die nur von Leuten geleugnet wird, die "im falschen Paradigma gefangen" sind.
Philosophiegeschichtliche Fußnote: Schon im Mittelalter diskutierten die Philosophen intensiv über die Natur und den ontologischen Status von Relationen: Mittelalterliche Relationstheorien

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 07:58
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Mi 10. Sep 2025, 04:57
Hier sei nur betont, dass die Existenz von Relationen alles andere als eine offensichtliche, selbstverständliche, unmittelbare einleuchtende Tatsache ist, die nur von Leuten geleugnet wird, die "im falschen Paradigma gefangen" sind.
Na doch ist es eine unmittelbar einleuchtende Tatsache. Manche solcher (platonisch/klingonischen) Relationen bestimmen zu guten Teilen unsere Leben: zum Beispiel die Relation des "Sprechens für" bei der es um Gründe geht, manchmal (aber nicht nur) anzutreffen in philosophischen Foren. Aber wesentlich im Alltag: Heute ist es regnerisch, das spricht dafür, dass ich einen Schirm mitnehme. Man kann nicht im Ernst leugnen, dass es solche Relationen gibt. Damit würde man die Tatsachen unseres Lebens leugnen.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 07:58
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Mi 10. Sep 2025, 04:57
Das einzig Offensichtliche ist, dass wir alle ständig über irgendwelche Relationen (Beziehungen/Verhältnisse) reden/sprechen, und dass wir entweder Wahres oder Falsches darüber aussagen. Daraus folgt aber nicht, dass es Relationen als relationale Entitäten wirklich gibt, welche als Wahrmacher wahrer relationaler Aussagen fungieren. Es könnte nämlich sein, dass wahre relationale Aussagen von nichtrelationalen Entitäten wahr gemacht werden.
Wenn es wahr ist, dass Peter größer ist als Markus, dann folgt diese relationale Wahrheit allein aus den beiden Körpergrößen von Peter und Markus – 2m & 1,8m –, ohne dass als zusätzlicher Wahrmacher das Größer-sein-als als relationale Entität erforderlich ist.
Es gibt gar keinen Sinn nach einem weiteren "Wahrmacher" zu suchen, denn wir kennen ihn ja schon: Er besteht in der Tatsache, dass Peter größer ist als Markus. Solche "Wahrmacher" sind bloß überflüssige Epizyklen. Die Tatsache selbst handelt von der Relation, ich sehe keinen Grund zu versuchen, sie loszuwerden. Und wenn es einen Grund gäbe, hätte ich es wieder mit einer abstrakten Relation zu tun.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 07:59
von Consul
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Mi 10. Sep 2025, 09:05
Es gibt gar keinen Sinn nach einem weiteren "Wahrmacher" zu suchen, denn wir kennen ihn ja schon: Er besteht in der Tatsache, dass Peter größer ist als Markus. Solche "Wahrmacher" sind bloß überflüssige Epizyklen. Die Tatsache selbst handelt von der Relation, ich sehe keinen Grund zu versuchen, sie loszuwerden. Und wenn es einen Grund gäbe, hätte ich es wieder mit einer abstrakten Relation zu tun.
Wenn eine Tatsache keine wahre Aussage, sondern ein bestehender, wirklicher Sachverhalt ist, dann ist die Frage, ob für das Wahrsein der Aussage "Peter ist größer als Markus" die relationale Tatsache, dass Peter größer ist als Markus, notwendig ist, oder ob die beiden nichtrelationalen Tatsachen, dass Peter 2m groß ist, und dass Markus 1,8m groß ist, ausreichen. Ich meine, dass Letzteres der Fall ist.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 07:59
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Mi 10. Sep 2025, 22:34
Wenn eine Tatsache keine wahre Aussage, sondern ein bestehender, wirklicher Sachverhalt ist, dann ist die Frage, ob für das Wahrsein der Aussage "Peter ist größer als Markus" die relationale Tatsache, dass Peter größer ist als Markus, notwendig ist, oder ob die beiden nichtrelationalen Tatsachen, dass Peter 2m groß ist, und dass Markus 1,8m groß ist, ausreichen. Ich meine, dass Letzteres der Fall ist.
Wenn "die beiden nichtrelationalen Tatsachen" bestehen, dann besteht zwangsläufig auch die entsprechende relationale Tatsache" - das ist unvermeidlich. Wir könnten Peter den Kopf entfernen, dann "verschwände" die relationale Tatsache", allerdings nur um durch eine andere relationale Tatsache" ersetzt zu werden.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 08:00
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Mi 10. Sep 2025, 22:43
Ich habe bereits expliziert, was ich unter "Natur" und "immateriell" (in Bezug auf Relationen) verstehe.
Relationen sind einfach Verhältnisse, so existieren unvermeidlich. Falls es nur einen einzigen Gegenstand (oder auch nichts) gäbe, stünde dieser (oder das Nichts) in Relation der Identität mit sich selbst.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 08:03
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Fr 12. Sep 2025, 01:02
Ja, aber aus der logischen Wahrheit, dass alles mit sich selbst identisch ist, folgt nicht, dass es dazu eine reale Beziehung der Selbstidentität und entsprechende beziehliche Sachverhalte wie Jörns Mit-sich-selbst-identisch-sein gibt.
Das braucht auch nicht zu erst folgen, denn die logische Tatsache, dass alles mit sich selbst identisch ist, ist bereits die "reale Beziehung der Selbstidentität".

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 08:05
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Fr 12. Sep 2025, 00:07
Es ist wieder unklar, ob du unter Tatsachen eine Klasse von Aussagen/Aussagesätzen (wahre A.) oder eine Klasse von Sachverhalten (bestehende, wirkliche S.) verstehst.
Eine Tatsache ist etwas wahres. Wenn ich denke "der Mond dreht sich um die Erde", dann habe ich eine Tatsache erfasst. Dieser wahre Gedanke ist also eine Tatsache – was natürlich nicht impliziert, dass alle Tatsachen wahre Gedanken sind – denn dass der Mond sich um die Erde dreht, war schon lange wahr, bevor jemand diese Tatsache erfassen konnte.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 08:05
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Fr 12. Sep 2025, 01:02
Nein, der Relationsrealismus ist weder logisch noch ontologisch unvermeidlich.
Na doch :) ganz egal, ob es etwas gibt oder nichts, Relationen sind unvermeidlich, weil alles, was es gibt mit sich selbst in der Relation der Identität steht und sofern es mehrere Dinge gibt, stehen sie wahrscheinlich in unendlich vielen Relationen zueinander. Das ist unvermeidlich, weil man es gar nicht verhindern kann, wie sollte man auch?

Wenn es beispielsweise nur zwei raumzeitliche Dinge gäbe, sagen wir zwei Kugeln, dann wäre die eine entweder größer als die andere oder beide wären gleich groß. Das ist schlicht und ergreifend gar nicht anders möglich. Zudem wäre es unvermeidlich wahr, dass es zwei Gegenstände gibt, also mehr als einen und weniger als drei und auch hier haben wir es natürlich mit Relationen zu tun.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 08:06
von Consul
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 12. Sep 2025, 11:33
Consul hat geschrieben :
Fr 12. Sep 2025, 01:02
Ja, aber aus der logischen Wahrheit, dass alles mit sich selbst identisch ist, folgt nicht, dass es dazu eine reale Beziehung der Selbstidentität und entsprechende beziehliche Sachverhalte wie Jörns Mit-sich-selbst-identisch-sein gibt.
Das braucht auch nicht zu erst folgen, denn die logische Tatsache, dass alles mit sich selbst identisch ist, ist bereits die "reale Beziehung der Selbstidentität".
Nein. Wenn es den Sachverhalt Jörns Mit-sich-selbst-identisch-sein (J = J) gäbe, dann bestünde dieser aus Jörn und der (reflexiven) Relation der Identität. Ein relationaler Sachverhalt enthält eine Relation (als einen Bestandteil), aber er ist nicht (als Ganzes) eine Relation.
Sachverhalte sind wohlgemerkt etwas anderes als Aussagen oder fregesche Gedanken (Propositionen).

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 08:06
von Consul
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 12. Sep 2025, 11:47
Consul hat geschrieben :
Fr 12. Sep 2025, 00:07
Du setzt einfach voraus, dass beziehliche/relationale Begriffe wie diejenigen des Grundseins von etwas oder des Sprechens für/gegen etwas reale Beziehungen/Relationen als eine besondere Kategorie von Entitäten "da draußen in der Welt" repräsentieren. Doch ebendiese ontologische Voraussetzung gilt es zu hinterfragen!
Ich spreche nicht von "da draußen in der Welt". Diese Unterscheidung akzeptiere ich gar nicht, wenn damit so eine Art Realitätsgefälle gemeint ist. Die Dinge, die es für uns, gibt es ebenso wie alles andere. Die Idee, dass die sogenannte bewusstseinsunabhängige Wirklichkeit "da draußen" – oder wie auch immer man es nennen möchte – die wirkliche Wirklichkeit ist, akzeptiere ich nicht.
Dann drücke ich es anders aus: Mario Bunge hat ein Buch über Ontologie mit dem Untertitel The Furniture of the World [Das Mobiliar der Welt] geschrieben. Die entscheidende ontologische Frage ist, ob Relationen (Beziehungen/Verhältnisse) als polyadische (mehrstellige) Attribute Teil des "Mobiliars der Welt" oder der Wirklichkeit sind oder nicht.
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 12. Sep 2025, 11:47
Zurück zu den Gründen: Die Gründe, die wir haben, gibt es nur insofern es uns gibt. Sie bezeichnen die Relation des "für-etwas-sprechens". Und es gibt sie, da es uns gibt. Also gibt es Relationen.
Damit will ich natürlich nicht behaupten, dass alle Relationen davon abhängen, dass es uns gibt. Der Mond ist kleiner als die Erde, dieser Relation existierte, lange bevor sie jemand erkannt hat.
Daraus, dass der Mond kleiner als die Erde ist, folgt aber nicht, dass die Relation des Kleinerseins-als existiert, welche wohlgemerkt etwas anderes ist als das relationale Prädikat "x is kleiner als y".

John Skorupski spricht in seinem Buch The Domain of Reasons (Oxford UP, 2010) von "Grund-Beziehungen" ("reason relations") und sagt, dass Gründe Tatsachen seien ("reasons are facts"). Es gibt, wie gesagt, mehrere Arten von Gründen; und Skorupski spricht von normativen Gründen.
"Ein Grund ist ein „normativer Grund“ für die Handlung einer Person, weil er diese Handlung begünstigt: Er unterstützt, begründet oder rechtfertigt diese Handlungsweise." [Google Translate mit einer Änderung meinerseits]

SEP: Handlungsgründe: Begründung, Motivation, Erklärung [Google Translate]
Die (angebliche) Relation des Sprechens von X für/gegen Y bezieht sich auf normative Gründe: Die Tatsache T ist ein normativer Grund für/gegen die Handlung H.
Eine objektiv-reale Grund-Beziehung zwischen T und H besteht hier jedoch nicht, weil das Urteil, dass T für/gegen H spricht, eine (inter-)subjektive Entscheidung darstellt: Wir wählen bestimmte Tatsachen als normative Gründe für oder gegen etwas aus, sodass normative Urteile der Form "X spricht für/gegen Y" eigentlich nichts weiter bedeuten als "Ich begründe/rechtfertige / Wir begründen/rechtfertigen Y mit X". Die angebliche Relation des Sprechens für/gegen etwas als einer zwischen Tatsachen und Handlungen bestehenden relationalen Entität löst sich damit in Luft auf.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 08:08
von Consul
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 12. Sep 2025, 12:25
Consul hat geschrieben :
Fr 12. Sep 2025, 00:07
Es ist wieder unklar, ob du unter Tatsachen eine Klasse von Aussagen/Aussagesätzen (wahre A.) oder eine Klasse von Sachverhalten (bestehende, wirkliche S.) verstehst.
Eine Tatsache ist etwas wahres. Wenn ich denke "der Mond dreht sich um die Erde", dann habe ich eine Tatsache erfasst. Dieser wahre Gedanke ist also eine Tatsache – was natürlich nicht impliziert, dass alle Tatsachen wahre Gedanken sind – denn dass der Mond sich um die Erde dreht, war schon lange wahr, bevor jemand diese Tatsache erfassen konnte.
"Eine Tatsache ist ein Gedanke, der wahr ist." – Gottlob Frege ("Der Gedanke", 1918)
Aus dieser Definition folgt, dass alle Tatsachen wahre Gedanken und alle wahren Gedanken Tatsachen sind.

Wenn relationale Tatsachen keine relationalen Sachverhalte sind, die Beziehungen als Bestandteile enthalten, sondern relationale Wahrheiten in Gestalt wahrer Aussagen/Aussagesätze, die Beziehungsbegriffe/Beziehungswörter enthalten, dann bestreite ich deren Existenz nicht – es sei denn, abstrakte Propositionen (fregesche Gedanken) oder abstrakte Aussagesatztypen gelten als Wahrheitswertträger.
Aus meiner Sicht gibt es in einer Welt ohne konkrete Wahrheitswertträger keine Wahrheiten (und auch keine Falschheiten), sondern nur wirkliche Sachverhalte. (Ein Sachverhalt ist wirklich oder unwirklich, aber er kann nicht wahr oder falsch sein.)
Bevor die natürlichen Sprachen entstanden, war es der Fall, aber nicht wahr, dass sich der Mond um die Erde dreht.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 08:09
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Sa 13. Sep 2025, 02:05
Bevor die natürlichen Sprachen entstanden, war es der Fall, aber nicht wahr, dass sich der Mond um die Erde dreht.
Dass es der Fall war, heißt, dass es wahr war.

Diese Argumentationen können mich nicht überzeugen. Sie starten mit der unbegründeten Behauptung, dass alles materiell ist und alles andere ergibt sich einfach aus dieser metaphysischen Setzung. Dadurch entstehen Epizyklen wie Wahrmacher, Wahrheitsträger und all die Dinge, die du hier vorlegst. Das macht die Theorie nicht nur unelegant und überladen, sondern vor allem: unplausibel.

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 08:09
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Sa 13. Sep 2025, 02:05
"Eine Tatsache ist ein Gedanke, der wahr ist." – Gottlob Frege ("Der Gedanke", 1918)
Aus dieser Definition folgt, dass alle Tatsachen wahre Gedanken und alle wahren Gedanken Tatsachen sind.
Das mag sein. Aber ich bin gottlob nicht Gottlob Frege und habe den zitierten Satz hier auch nicht behauptet :)

Re: Was sind Relationen?

Verfasst: Mo 15. Sep 2025, 08:09
von Jörn P Budesheim
Consul hat geschrieben :
Sa 13. Sep 2025, 01:11
Daraus, dass der Mond kleiner als die Erde ist, folgt aber nicht, dass die Relation des Kleinerseins-als existiert, welche wohlgemerkt etwas anderes ist als das relationale Prädikat "x is kleiner als y".
Daraus, dass der Mond kleiner als die Erde ist, folgt zwingend, dass die Relation des Kleinerseins-als existiert. Sonst wäre es nicht wahr, dass der Mond kleiner als die Erde ist. Das ist überhaupt nur dann ein Problem, wenn man unbegründet behauptet, dass alles, was existiert, materiell sein muss.