Realität und mögliche Verstehensweisen eines Neuen Realismus

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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iselilja
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Sa 3. Apr 2021, 14:33

Man könnte hier jetzt auch noch einen kleinen Ausflug in die Welt der Verschwörungstheorien machen und zeigen, wann, wo und warum ein ansonsten sinniges Verständnis einer Sache zur Verschwörungstheorie werden kann. Es hebt nämlich genau mit diesem Modellverständnis an.




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infinitum
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iselilja hat geschrieben :
Fr 2. Apr 2021, 21:46
Gabriel glaubt, dass Subjektivität eine objektive Gegebenheit ist, die genau so stattfindet, wie das Subjekt es erlebt. Wenn das so wäre, gäbe es keine Fallibilität.
so habe ich es nicht ganz verstanden, aus welchen Aussagen kann man dies folgern?



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infinitum
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iselilja hat geschrieben :
Sa 3. Apr 2021, 14:09
An dem Punkt wird es nun leider auch nötig, ein paar Anleihen aus dem Gebiet militärischer Strategien zu nehmen. Der sogenannte "Kriegsnebel" bezeichnet eine Sphäre der Umgebung, die in einem hohen Maße sowohl von realer Kenntnisnahme als auch spekulativen Implikationen zu gleichen Teilen etwa durchdrungen ist. In Anlehnung an dieses Verständnis und dem anthropologischen Ansatz Plessners in Die Stufen des Organischen zeichnet sich auch unter nicht konflikthaften Bedingungen eine Sondierung der Umwelt im Allgemeinen in selber Weise ab.

Umweltenmodell realer Bezugsmöglichkeiten.png


Unsere Bezugnahme zur Realität ist also in der Nähe am stärksten und sichersten. Je weiter (distanzierter) sich der Bezug auf eine Sache richtet, desto weniger können wir über das reale Stattfinden aussagen, und sind insofern auf weit mehr spekulative Setzungen - die ich oben bereits als Komplettierungen erwähnt hatte - angewiesen. Das Modell in meiner Zeichnung sieht etwas liederlich aus, aber das ist so beabsichtigt, weil die Reichweite unserer Beurteilungsmöglichkeiten, sofern sie wie im Inneren Bereich hauptsächlich durch unsere Sensorik gewährleistet sind, eben nicht kreisrund ist - unsere Sinne sind sowohl in ihrer Qualität als auch in ihrer Reichweite sehr unterschiedlich. Somit ergibt sich eben jenes latente Gefühl, in der Welt zu sein, ohne sie jemals exakt definieren zu können. Der weiß verbleibende Außenbereich symbolisiert etwa das, was wir unter Metaphysik (was übrigens auch weite Teile der Abstracta berührt) verstehen dürfen.


ps: Worauf ich damit hinaus will, ist, dass Lügen oder Falschinformationen in der inneren Sphäre fast nie an Geltung gewinnen können. Sie fungieren zumeist in den äußeren und schwerer zu prüfenden Bereichen.
das ist eine spannende Grafik, die ich vermutlich so ähnlich entwerfen würde. Aber mir ist nicht ganz der Zusammenhang zu Gabriel klar. Gibt es hier einen oder ist dies nun der Entwurf einer neuen Realitätstheorie?



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Jörn Budesheim
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So 4. Apr 2021, 07:07

transfinitum hat geschrieben :
Sa 3. Apr 2021, 23:29
iselilja hat geschrieben :
Fr 2. Apr 2021, 21:46
Gabriel glaubt, dass Subjektivität eine objektive Gegebenheit ist, die genau so stattfindet, wie das Subjekt es erlebt. Wenn das so wäre, gäbe es keine Fallibilität.
so habe ich es nicht ganz verstanden, aus welchen Aussagen kann man dies folgern?
Für realistische Theorien ist Fallibilität natürlich zentral und der Prüfstein ist stets die Wirklichkeit selbst. By the way: Für den neuen Realismus kann es dementsprechend keine allgemeine Erkenntnistheorie geben. Denn jede Erkenntnis und muss sich an ihrem Gegenstand orientieren und gemäß der SFO haben wir es eben mit einer Vielzahl von Gegenständen zu tun, die verschieden sind. Wenn man wissen will, wie die Geschichte mit dem Spunk ausgeht, schlägt man am ehesten das Buch auf, genauso wie du es getan hast und es jede:r andere auch tun würde. Der Mathematiker Peter Scholze wird sicherlich anders verfahren als Stephen Hawking zu Lebzeiten um mehr über den eigenen Gegenstandsbereich zu lernen. Kunsthistoriker nutzen selbstredend andere Methoden als Ernährungswissenschaftler.

Es gibt in der SFO kein Aspekt, der nahelegt, dass Menschen, die etwas über einen Gegenstandsbereich glauben, dies mit dem Gegenstandsbereich selbst verwechseln müssen. Falls jemand glaubt, Pippi Langstrumpf würde den Spunk letztlich im Teilchenbeschleuniger in cern finden, dann handelt es sich bei diesem Glauben natürlich um einen wirklichen Bereich und in ihm tauchen wirklich Teilchenbeschleuniger und Spunks auf. Aber das bedeutet nicht, dass beide auch in dem Buch auftauchen. (Dementsprechend braucht man, um herauszufinden, was man glaubt auch ganz andere Methoden, als um herauszufinden was in einem Buch steht.)




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Jörn Budesheim
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So 4. Apr 2021, 08:00

transfinitum hat geschrieben :
Sa 3. Apr 2021, 23:31
das ist eine spannende Grafik, die ich vermutlich so ähnlich entwerfen würde.
Ich würde das eher für eine Form von Empirismus halten und dementsprechend für fragwürdig. Aber das nur am Rande.




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iselilja
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So 4. Apr 2021, 08:16

transfinitum hat geschrieben :
Sa 3. Apr 2021, 23:29
iselilja hat geschrieben :
Fr 2. Apr 2021, 21:46
Gabriel glaubt, dass Subjektivität eine objektive Gegebenheit ist, die genau so stattfindet, wie das Subjekt es erlebt. Wenn das so wäre, gäbe es keine Fallibilität.
so habe ich es nicht ganz verstanden, aus welchen Aussagen kann man dies folgern?
Das ist eine Einschätzung meinerseits, die sich aus dem Gesamtkontext (also aus sehr vielen Aussagen) ergibt.




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iselilja
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So 4. Apr 2021, 08:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 08:00
transfinitum hat geschrieben :
Sa 3. Apr 2021, 23:31
das ist eine spannende Grafik, die ich vermutlich so ähnlich entwerfen würde.
Ich würde das eher für eine Form von Empirismus halten und dementsprechend für fragwürdig. Aber das nur am Rande.
Empirie ist ein wichtiges Element dabei, das ist richtig. Aber worauf beruht Empirie?




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iselilja
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So 4. Apr 2021, 08:28

transfinitum hat geschrieben :
Sa 3. Apr 2021, 23:31
Aber mir ist nicht ganz der Zusammenhang zu Gabriel klar. Gibt es hier einen oder ist dies nun der Entwurf einer neuen Realitätstheorie?
Schön, dass Du nachfragst. Bisher hatte nur @Nauplios den Gedanken aufgeriffen, warum im Titel des Threads nicht "mögliche Verstehensweisen des Neuen Realismus" steht. :-)

Der Sinn dieses Threads ist von mir so gedacht - also damit bin ich jedenfalls gestartet - dass an "DEM Neuen Realismus" mir zuuu vieles fragwürdig erscheint. M.E. hat vieles darin überhaupt nichts mit Realismus zu tun, sondern gleicht eher einer Schmeichelei am Idealismus, nur mit anderen Begrifflichkeiten. Aus dieser Unzufriedenheit heraus habe ich mich gefragt, worum geht's eigentlich dabei. Und die Antwort ist mir dahingehend aufgegangen, dass das Eigentliche - nämlich die Realität selbst - völlig ignoriert wird.

Also ist dieser Thread tatsächlich so etwas, wie der Versuch, diese Realität an der kein Zweifel bestehen kann, wieder ins Zentrum der Betrachtung zu stellen - dort wo sie meiner Meinung nach hingehört in einer realistischen Philosophie.


ps: Die Wortwahl Realitätstheorie stört mich etwas, das wäre mir bereits zu theoretisch. Es geht mir eher um das Gegenteil davon, nämlich so etwas wie die Anerkennung - also das eigentliche Wiederbegreifen - dass die Realität keine Frage einer "richtigen" Theorie ist. Das ist enorm wichtig dabei, sonst versteht man nichts, was ich hier versuche zu schreiben. Ich hatte das an einer Stelle schon etwa so markiert, dass man keine richtige Theorie des Beinbrechens haben muss, um sich in der Realität das Bein zu brechen. Verstehst Du @transfintum etwa, was ich damit sagen will?




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So 4. Apr 2021, 08:51

Hannah Arendt hatte schon sehr früh darauf hingewiesen, dass in den modernen Gesellschaften der Bezug zu Tatsachen immer mehr an Gewicht verliert. Und zu der Zeit waren die Probleme, die das Internet mit sich brachte, noch nicht mal in Sichtweite. Diese Sichtweite spiegelt sich auch in der Graphik ein wenig wieder, nämlich in dem blauen Bereich, der nahezu vollständig vom Hören-Sagen lebt und dies logisch zu verarbeiten sucht. In diesem Bereich also liegt mit die höchste Fallibilität. Gleichzeitig supponieren wir aber dem Hören-Sagen einen realen Gehalt, den wir aber nicht überprüfen können, jedenfalls nicht im Moment der Informationsgewinnung.

In diesem Sinne war es also auch nötig auf das Verhalten in Konfliktsituationen hinzuweisen. Denn im Krieg, wo falsche Einschätzungen zum Tod führen können, wären wir niemals so "leichtgläubig". In friedlichen Zeiten hingegen genießen wir eine Art Luxus, dieser Ungewißheit der äußeren Umstände Glauben zu schenken. Das ist ein wichtiger Unterschied, denn nur so erkennt man, wie man sich eigentlich die Welt als solche erschließt. Denn auch in friedlichen Zeiten gehen wir nicht einfach davon aus, dass die Welt völlig gefahrlos für uns sei, auch wenn uns die Kultur vor vielen natürlichen Gefahren schützt.




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So 4. Apr 2021, 09:17

Ich will das Thema auch garnicht weiter mit Krieg und Verschwörung belasten, aber es ist nötig, dies anzusprechen, weil es ein nicht unwichtiger Eckpfeiler des Themas ist. Vielleicht noch als letzten Verweis dazu.. Protagoras sagte, der Krieg sei der Vater aller Dinge. Und gerade in der Frage: was ist real und was nicht bewahrheitet sich Protagoras in vielerlei Hinsicht.




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Jörn Budesheim
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So 4. Apr 2021, 09:49

iselilja hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 08:20
Empirie
Ich habe nicht von Empirie gesprochen. Was ich tatsächlich gesagt habe, hast du ja selbst zitiert, um es direkt nach dem Zitat zu ignorieren. Krass!




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iselilja
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So 4. Apr 2021, 10:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 09:49
iselilja hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 08:20
Empirie
Ich habe nicht von Empirie gesprochen. Was ich tatsächlich gesagt habe, hast du ja selbst zitiert, um es direkt nach dem Zitat zu ignorieren. Krass!
@Jörn.. was willst Du denn damit wieder beweisen? Dass Du eine Graphik richtig interpretieren kannst, ich aber zwischen Empirismus und Empirie nicht unterscheiden kann? DAS nenne ich krass.

Zumal ich denke ich genug zur Graphik geschrieben habe, um sich ein entsprechendes Bild davon machen zu können, was damit gemeint ist. Dass Du dann etwas anderes herausliest.. spricht ja wohl kaum gegen die Graphik.




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iselilja
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So 4. Apr 2021, 11:37

iselilja hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 08:20
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 08:00
transfinitum hat geschrieben :
Sa 3. Apr 2021, 23:31
das ist eine spannende Grafik, die ich vermutlich so ähnlich entwerfen würde.
Ich würde das eher für eine Form von Empirismus halten und dementsprechend für fragwürdig. Aber das nur am Rande.
Empirie ist ein wichtiges Element dabei, das ist richtig. Aber worauf beruht Empirie?

Um das nochmal etwas näher zu erläutern.

Wenn ich frage worauf Empirie beruht, dann stellt sich die Frage in einem bestimmten Kontext. Wenn wir bspw. sagen "der Erfahrung nach ist dies so und so", dann meinen wir damit sicherlich nicht, dass Person X oder Person Y eine Meinung zu diesem hat, sondern, dass man selbst diese Erfahrung gemacht hat. Und worin macht man Erfahrungen? Natürlich in dem was man erlebt - was also relae Erlebnisse/Ereignisse widerspiegelt. Ansonsten plaudert man nämlich nicht über seine Erfahrung sondern über seine Meinung zu einer Erfahrung. Oder eben auch bloß über die Meinung eines anderen, indem man sie übernimmt. Das kann nun aber unmöglich Erfahrung sein.

ps: Interessant ist in dieser Hinsicht vielleicht auch das Begriffspaar Erfahrung / Widerfahrung.

pps: Erfahrung spiegelt also nicht phantasievolle Gebilde ab - sondern genau das Gegenteil davon: die Realität. Und man gewinnt dadurch nichts, wenn man der Realität einen kunstvollen (theoretisierten) Aspekt andichten will.




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iselilja
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So 4. Apr 2021, 11:58

Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Theorie und Deskription. Deskription beschreibt das, was aus einer real möglichen Perspektive betrachtbar ist. Theorie beschreibt das, was aus einer unmöglich real einnehmbaren Perspektive "betrachtbar" ist. Letzteres ist deshalb in Anführungszeichen gesetzt, weil es eigentlich keine tatsächliche Betrachtung mehr ist - sondern bloße Theorie.

Um es auf den Punkt zu bringen: Realität ist das Gegenteil von Theorie. Und das ist auch nicht im Sinne von Antithese gemeint. Realität ist das, woran sich Theorie falsifizieren lässt (umgekehrt geht das übrigens nicht). Ergo kann es keine Theorie der Realität geben - man muss sie durchleben.




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iselilja
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So 4. Apr 2021, 12:51

Ich glaube, dass man sich bei dieser ganzen Thematik auch einen Umstand bewußt machen sollte. Die modernen Gesellschaften - ich hatte es mit Bezug auf H. Arendt bereits angesprochen - sind von einer zunehmenden Realitätsferne betroffen, in der Meinungen wichtiger werden als Tatsachen. Und dies sogar auf mehreren Ebenen. Einmal sicherlich begünstigt durch die für jedes Anliegen verfügbarmachende Technolgie des gelebten technologischen Fortschritts. Egal um was es sich auch handelt, jedes Anliegen wird bedient - selbst in den pervertiertesten Bereichen. Zum anderen ist da auch der Wunsch des Individuums "mal abzuschalten". Wir begeben uns also immer häufiger in ausgeklügelte Scheinwelten. Ob das das tägliche Einschalten des Fernsehers ist, ob das das zeitfressende Forieren ist :-) oder ob das einfach der zunehmende Konsum von Literatur und Presse ist, die oftmals sich nur deshalb schreibend manifestiert, damit das Schreiben nicht endet oder ob das die Flucht in Subkulturalität ist.

Diese so beschreibbare Welt sieht zugegebener Maßen recht düster aus. Aber es sind Tatsachen. Nun muss man sich klar machen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Menschen in eben selben Gesellschaften nicht nur irgendwie ein bisschen zu häufig sich in diesen Welten aufhält, sondern immer mehr Menschen halten sich fast nur noch ausschließlich in solchen Welten auf. Bei vielen geht das sogar soweit, dass sie den berühmten Blick vom Handy nicht mehr lassen können. Wir reden hier also nicht über irgendwelche vernachlässigbare Randerscheinungen.

Und all diese Menschen haben selbstverständlich auch ein Wahlrecht. Wofür werden sich also diese Menschen entscheiden.. dass man ihnen ihr Lieblingsspielzeug wieder wegnimmt? Kaum, sondern sie werden sich dafür entscheiden, dass auch weiterhin ihre gelebte Realitätsferne - die sie selbst womöglich garnicht irgendwie als relevant einschätzen - zunehmen kann.


Die Frage, um die es hier als Hintergrundgedanke auch ein wenig geht, ist, was ist der Grund für diese zunehmende Realitätsflucht, die in sehr unterschiedlicher Weise praktiziert wird? Ist die Realität zu langweilig, ist sie unerträglich, findet das alles nur deshalb statt, weil es technisch möglich ist oder woran könnte das liegen? Oder war das vielleicht schon immer so, und es wird erst jetzt so wirklich deutlich?




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So 4. Apr 2021, 13:25

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 07:07
transfinitum hat geschrieben :
Sa 3. Apr 2021, 23:29
iselilja hat geschrieben :
Fr 2. Apr 2021, 21:46
Gabriel glaubt, dass Subjektivität eine objektive Gegebenheit ist, die genau so stattfindet, wie das Subjekt es erlebt. Wenn das so wäre, gäbe es keine Fallibilität.
so habe ich es nicht ganz verstanden, aus welchen Aussagen kann man dies folgern?
Für realistische Theorien ist Fallibilität natürlich zentral und der Prüfstein ist stets die Wirklichkeit selbst. By the way: Für den neuen Realismus kann es dementsprechend keine allgemeine Erkenntnistheorie geben. Denn jede Erkenntnis und muss sich an ihrem Gegenstand orientieren und gemäß der SFO haben wir es eben mit einer Vielzahl von Gegenständen zu tun, die verschieden sind. Wenn man wissen will, wie die Geschichte mit dem Spunk ausgeht, schlägt man am ehesten das Buch auf, genauso wie du es getan hast und es jede:r andere auch tun würde. Der Mathematiker Peter Scholze wird sicherlich anders verfahren als Stephen Hawking zu Lebzeiten um mehr über den eigenen Gegenstandsbereich zu lernen. Kunsthistoriker nutzen selbstredend andere Methoden als Ernährungswissenschaftler.

Es gibt in der SFO kein Aspekt, der nahelegt, dass Menschen, die etwas über einen Gegenstandsbereich glauben, dies mit dem Gegenstandsbereich selbst verwechseln müssen. Falls jemand glaubt, Pippi Langstrumpf würde den Spunk letztlich im Teilchenbeschleuniger in cern finden, dann handelt es sich bei diesem Glauben natürlich um einen wirklichen Bereich und in ihm tauchen wirklich Teilchenbeschleuniger und Spunks auf. Aber das bedeutet nicht, dass beide auch in dem Buch auftauchen. (Dementsprechend braucht man, um herauszufinden, was man glaubt auch ganz andere Methoden, als um herauszufinden was in einem Buch steht.)
1. Frage: Welche Eigenschaften hat ein Spunk und warum?
2. Frage: Welche Eigenschaften hat der bösartige Tumor der in Irgendjemandes Körper wächst und warum?

Es ist dieser Teil der SFO der einfach keinen Sinn ergeben will, nämlich der Teil in dem behauptet wird, dass die Dinge der Phantasie auf die selbe Weise existieren wie reale Dinge.
Auch das, was sich daraus ergeben soll, nämlich dass es "die Welt nicht gibt" wird mir nicht plausibel.
Es gibt die eine Welt in der wir leben und sterben können. Und die hat für mich Priorität, weil sie die Voraussetzung für alles andere ist.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

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Jörn Budesheim
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Gemäß der SFO ist ein Tumor in unserem Körper etwas völlig anderes als eine Figur in einer Kindergeschichte. (Um solche Unterschiede geht es in der Theorie nämlich.) Figuren in Geschichten existieren notwendig als interpretierte, während Tumore in unserem Körper nicht von unserer Interpretation abhängig sind. Beide existieren in ganz verschiedenen Bereichen, die für uns auch ganz verschiedene Bedeutungen und Wichtigkeit haben.




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So 4. Apr 2021, 14:31

Die Pointe der Theorie ist ja gerade, solche Unterschiede zu machen, weil sie geltend macht, dass nicht alles, was existiert, schon dadurch, dass es existiert, gleich ist. Es geht um die Unterschiede. Zahlen sind etwas anderes als Quarks. Gesetze in einem Rechtsstaat sind etwas anderes als die Schwerkraft. Figuren in einem Comic sind etwas anderes als Nahrungsmittel. Krankheiten sind etwas anderes als Autos. Neuronen sind etwas anderes als Kurvenlineale. Zwar gibt es all das, aber es ist ziemlich verschieden.




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So 4. Apr 2021, 14:49

Gut, aber das weiß man auch alles ohne diese Theorie. Das wird also kaum der Wesenskern der SFO sein. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass schon kleine Kinder von ganz alleine verstehen, dass es Unterschiede in der Welt gibt, und Elefanten keine Temperaturangaben sind. Genauso wie Zahnschmerzen keine Spaghetti Bolognese sind.

Die SFO hat ein paar ganz klare Aussagen, und die hat Gabriel bisher auch nicht revidiert. Und genau so klar lassen sich diese Aussagen auch widerlegen. Was hier auf vielen Seiten bereits geschehen ist.




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NaWennDuMeinst
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So 4. Apr 2021, 15:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 14:20
Gemäß der SFO ist ein Tumor in unserem Körper etwas völlig anderes als eine Figur in einer Kindergeschichte. (Um solche Unterschiede geht es in der Theorie nämlich.) Figuren in Geschichten existieren notwendig als interpretierte, während Tumore in unserem Körper nicht von unserer Interpretation abhängig sind. Beide existieren in ganz verschiedenen Bereichen, die für uns auch ganz verschiedene Bedeutungen und Wichtigkeit haben.
Aber Jörn. Diese Unterschiede zu machen ist doch überhaupt nichts Neues.
Die haben wir doch vorher auch schon gemacht.
Das Neue ist doch "dass es die Welt nicht gibt".
Es gibt sie aber. In mehrfacher Hinsicht.
Die Welt ist z.B. das wo die Sinnfelder vorkommen.
iselilja hat geschrieben :
So 4. Apr 2021, 14:49
Das wird also kaum der Wesenskern der SFO sein.
Natürlich nicht.
Ob ich jetzt sage "Es gibt den Spunk nur in der Phantasie", oder "Spunks gehören zum Sinnfeld der Phantasie"... wo ist da der Unterschied?
Es gib keinen. Und deshalb ist das auch gar nicht das Problem. Das allein lockt doch Niemanden hinter dem Ofen vor.

Das Problem (und das "Neue" ) ist das hier, nämlich "dass es die Welt nicht gibt".



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(William Butler Yeats)

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