Was ist Natur?

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4336
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Sa 2. Sep 2023, 14:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 13:46
Fürs erste: Für "alles" brauche ich kein Wort, weil es schon eins gibt, das passt, nämlich "alles" :)
Stimmt. Da bist Du mit Deiner Teilmenge besser dran :-)

Trotzdem bist Du es, der sich diese Teilmenge ausdenkt. Oder hast Du sie entdeckt? Jedenfalls müssen die Elemente Deiner Teilmenge mindestens eine gemeinsame Eigenschaft haben, durch die Du sie zu dieser ausgedachten oder entdeckten Teilmenge verallgemeinern kannst, wenn ich das richtig sehe. Wozu dient diese Verallgemeinerung, wenn man statt "Natur" auch "Wiese" sagen kann? Abgesehen von Vereinsnamen wie "Naturschutzbund" und dergleichen, die zwingend kürzer sein müssen als walisische Städtenamen.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4336
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Sa 2. Sep 2023, 14:10

Die Natur ist dasjenige, was ohne menschliche Kreativität existieren kann.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4336
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Sa 2. Sep 2023, 14:15

Edit: Den hellen Text unten bitte ignorieren. Der ergibt keinen Sinn, weil niemand das Gegenteil behauptete. Mein Fehler. Pardon.

Übrigens: Empfindungen, Gefühle, Gedanken, Träume etc. sind in meinen Augen wirklich -- und das nicht nur im Menschsein, sondern auch im Tiersein.

Ich kann wirklich diese Wirklichkeit nicht ausschließen von jener Wirklichkeit, die Du meinst. Wirklich nicht.
Zuletzt geändert von Quk am Sa 2. Sep 2023, 15:13, insgesamt 1-mal geändert.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 28184
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 2. Sep 2023, 14:54

1+1=3 hat geschrieben :
Fr 1. Sep 2023, 17:26
Natur ist, was sich selbst erschafft.
Stefanie hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 13:58
Wenn die Natur das ist, was sich selbst erschafft, gehören alle Lebewesen zur Natur. Dazu gehört auch der Mensch.
Beziehst du dich damit auf die Äußerung von 1 + 1? Er hat diese aber später noch etwas erweitert/ erläutert:
1+1=3 hat geschrieben :
Fr 1. Sep 2023, 20:36
"Selbsterschaffen" gerade auch im Sinne von (permanentem!) "self design" (statt "intelligent design"!). Und zwar vom Anfang ("Urknall") bis zum Ende (?). Kosmogonie, Kosmologie, Evolution, die menschliche Kultur (als eine Art "Extension" der Natur) etc.
Gemäß dieser Sicht ist dann alles Natur.

Man könnte den einleitenden Satz von 1 + 1 aber womöglich auch anders verstehen, nämlich so:

Natur: (lat. natura von nasci, geboren werden, griech. physis), die Gesamtheit der Dinge, die frei von menschlichem Einfluss von selbst gewachsen bzw. entstanden sind, den Grund ihres Daseins in sich selbst tragen und in ihrer Entwicklung durch innere, ihnen eigentümliche Faktoren bestimmt sind ... (spektrum.de)

Worauf bezieht sich Dein "Wenn die Natur das ist, was sich selbst erschafft...?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 28184
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 2. Sep 2023, 15:00

Stefanie hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 13:58
Wieso nehmen wir dann alles, was der Mensch tut und erschafft, aus dem, was unter Natur meistens verstanden wird, raus?
Wer ist hier mit "wir" gemeint? Ich zum Beispiel nehme den Menschen nicht einfach aus der Natur heraus. 1+1 sicherlich auch nicht (denn bei ihm ist schließlich alles Natur) und bei Quk kann ich das eigentlich auch nicht sehen, dass er den Mensch aus der Natur herausnimmt. Hier zwei Zitate von mir, wo ich mich knapp dazu geäußert habe.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Sep 2023, 21:13
Ich denke nicht, dass Kultur das Gegenteil von Natur ist. Kultur kann es nur dort geben, wo auch Natur ist. Die beiden sind ineinander verklammert.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 08:31
Natur (so wie ihr den Begriff in diesen Beiträgen verwendet) und Kultur/Geist sind in meiner Sicht miteinander verbunden, aber kategorial verschieden. Dass sie kategorial verschieden sind, bedeutet, dass wir sie begrifflich trennen können/sollten. Es bedeutet nicht, dass sie unabhängig voneinander existieren können.
Zumindest der Mensch ist nach meiner Sicht nicht allein Naturwesen, er ist auch Geist und Kulturwesen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 28184
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 2. Sep 2023, 15:15

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 14:01
Teilmenge
Eine kleine Anmerkung: Der Begriff trifft vielleicht nicht ganz das, was ich meine. Ich selbst verwende ihn auch nicht. Der Begriff impliziert ja, dass es so etwas wie eine Gesamtmenge geben könnte. Und da müsste man erst mal klären, was damit gemeint sein könnte. Dann wären wir bei der Diskussion, ob es die Welt gibt, und ich glaube, die müssen wir hier nicht führen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 28184
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 2. Sep 2023, 15:16

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 14:10
Die Natur ist dasjenige, was ohne menschliche Kreativität existieren kann.
Das scheint mir ungefähr diesen Verständnis hier zu entsprechen: Natur: (lat. natura von nasci, geboren werden, griech. physis), die Gesamtheit der Dinge, die frei von menschlichem Einfluss von selbst gewachsen bzw. entstanden sind, den Grund ihres Daseins in sich selbst tragen und in ihrer Entwicklung durch innere, ihnen eigentümliche Faktoren bestimmt sind ... (spektrum.de)




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4336
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Sa 2. Sep 2023, 15:19

Ja.

Nur:
"... menschlichem Einfluss ..." wäre mir zu weit gefasst, weil das auch menschliche Sekrete, Gase und Leichen meinen kann.
Daher sage ich "menschliche Kreativität".




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4336
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Sa 2. Sep 2023, 15:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 15:00
Zumindest der Mensch ist nach meiner Sicht nicht allein Naturwesen, er ist auch Geist und Kulturwesen.
"Zumindest" heißt, auch Tiere sind Geist- und Kulturwesen?

Dazu sage ich: Ja.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 28184
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 2. Sep 2023, 15:30

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 13:41
eine scharfe Grenze
Auch hierzu noch eine kleine Anmerkung: Ich verlange eigentlich keine scharfen Grenzen, sonst hätte ich den Thread auch nicht mit einer metaphorischen poetischen Metapher begonnen :) ich wäre auch zufrieden, wenn wir hier bloß etwas vages/unscharfes herausarbeiten könnten.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 28184
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 2. Sep 2023, 16:15

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 14:01
Wozu dient diese Verallgemeinerung, wenn man statt "Natur" auch "Wiese" sagen kann?
Kann man das denn? Ich finde nicht. Wenn man nur von einem Teil spricht, zum Beispiel der Wiese oder Bäumen, Felsen in der Brandung, einem bewölkten Himmel etc pp dann spricht man eben noch nicht von der Natur. Zur Natur gehört doch wesentlich das Zusammenspiel dieser Elemente.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4336
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Sa 2. Sep 2023, 16:22

Wenn ich das Bild einer Wiese vor mir habe, sehe ich milliardenfaches, lebendiges Zusammenspiel. "Wiese" ist für mich der Inbegriff solcher Lebendigkeit. Gleiches gilt für den Waldbegriff.

Ein Satz wie, "der Bagger zerstört hier die ganze Natur", heißt ja nicht, der Bagger zerstöre alle natürlichen Zusammenspiele des Universums; er zerstört nur diese Wiese hier. Und ja, die Abwesenheit der Wiese wird weitere Folgen haben. Aber er zerstört nicht die ganze Natur.

Ich sehe das sprachlich ähnlich wie im Verhältnis Apfel zu Obst. Der Bagger zerstört den Apfel. Der Bagger zerstört das Obst. Beide Sätze sind gewissermaßen synonym. Der erstere ist genauer. Der zweitere ist umfassender. Beide sind richtig, oder? Wozu muss ich Obst sagen, wenn ich auch Apfel sagen kann?
Zuletzt geändert von Quk am Sa 2. Sep 2023, 16:32, insgesamt 5-mal geändert.




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 8760
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Sa 2. Sep 2023, 16:25

Ich bezog auf mich auf den Satz von 1+1=3, auch auf die erwähnte Evolution.
Mir ist nicht klar, wozu die Tiere und der Mensch hin gehören. Der Mensch ist ja auch im Zuge der Evolution entstanden.



Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 28184
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 2. Sep 2023, 16:32

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 16:22
Wenn ich das Bild einer Wiese vor mir habe, sehe ich milliardenfaches, lebendiges Zusammenspiel. "Wiese" ist für mich der Inbegriff solcher Lebendigkeit.
Das ist sicher richtig, ändert aber nichts daran, dass die Wiese selbst nur ein Teil des Gesamtsystems ist, oder?




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4336
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Sa 2. Sep 2023, 16:36

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 16:32
... die Wiese selbst nur ein Teil des Gesamtsystems ist, oder?
Ja.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 28184
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 2. Sep 2023, 16:38

Stefanie hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 16:25
Ich bezog auf mich auf den Satz von 1+1=3, auch auf die erwähnte Evolution.
Mir ist nicht klar, wozu die Tiere und der Mensch hin gehören. Der Mensch ist ja auch im Zuge der Evolution entstanden.
Wenn ich 1 + 1 richtig verstanden habe, dann gehört für ihn alles zur Natur, natürlich auch der Mensch und die Tiere. Hat er an dieser Stelle nicht auch betont, dass für ihn der Begriff des Self-Design im Gegensatz zum Intelligent Design steht?

Ich verstehe Deinen Hinweis nicht, dass der Mensch im Laufe der Evolution entstanden ist. Mir ist nicht klar, worauf du damit abzielst.




1+1=3
Beiträge: 582
Registriert: Di 22. Jun 2021, 00:50

Sa 2. Sep 2023, 16:42

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 16:22
Wenn ich das Bild einer Wiese vor mir habe, sehe ich milliardenfaches, lebendiges Zusammenspiel. "Wiese" ist für mich der Inbegriff solcher Lebendigkeit. Gleiches gilt für den Waldbegriff.

Ein Satz wie, "der Bagger zerstört hier die ganze Natur", heißt ja nicht, der Bagger zerstöre alle natürlichen Zusammenspiele des Universums; er zerstört nur diese Wiese hier. Und ja, die Abwesenheit der Wiese wird weitere Folgen haben. Aber er zerstört nicht die ganze Natur.

Ich sehe das sprachlich ähnlich wie im Verhältnis Apfel zu Obst. Der Bagger zerstört den Apfel. Der Bagger zerstört das Obst. Beide Sätze sind gewissermaßen synonym. Der erstere ist genauer. Der zweitere ist umfassender. Beide sind richtig, oder? Wozu muss ich Obst sagen, wenn ich auch Apfel sagen kann?
Man kann es sich aber auch selbst unnötig schwierig machen. Es ist doch sch.egal, welchen, meinetwegen auch Sammelbegriff man nimmt, solange er nur adäquat "wiedergibt", was man aussagen oder beschreiben möchte.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 4336
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Sa 2. Sep 2023, 16:50

Ein Prosit auf das Adäquate.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 28184
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 2. Sep 2023, 17:05

Ich stehe gerade auf dem Schlauch. 1+1 ist anscheinend wegen irgendetwas verärgert und mir ist nicht klar worum es geht?! Habe ich irgendetwas nicht mitbekommen?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 28184
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 2. Sep 2023, 17:12

Ich habe gerade ein wenig in meinen Büchern gestöbert auf der Suche nach geeignetem Material, ich überlege auch, ob ich mir noch weitere Bücher zulege, und da bin ich auf das hier gestoßen. Ich kann nicht sagen, dass ich das schon durchdrungen habe und ich weiß auch nicht, ob ich damit einverstanden bin, ich gebe es einfach mal zur Kenntnis:
8.4 Vom Eigenwert und der Schönheit der Natur (Regine Kather Die Wiederentdeckung der Natur Naturphilosophie im Zeichen der ökologischen Krise)

... Werden, wie beim Naturalismus, körperliche Funktionen vollständig physikalisch erklärt, dann werden auch ethische und ästhetische Werte letztlich von molekularen Prozessen, von den Genen und neuronalen Mechanismen, erzeugt. Sie haben kein ontologisches Fundament, sondern werden auf ihren Nutzen für das Überleben, an dem allerdings nicht die Individuen, sondern nur die Gene selbst ein ‚Interesse‘ haben, beschränkt. „This is the grand doctrine of Nature as a self-sufficient, meaningless complex of facts. It is the doctrine of the autonomy of physical science. It is the doctrine which in these lectures I am denying.“

Die Trennung von Sein und Sollen kann nur überwunden werden, wenn auch die subjektive Dimension des Lebens und, im Unbelebten, das Moment der Selbstverursachung, berücksichtigt werden, sodass das Sein der Organismen ein intrinsisches Ziel beinhaltet. Da es aufgrund der relationalen Ontologie, die Whitehead entwirft, nur durch die Bezogenheit zu anderen Entitäten erreicht werden kann, beinhalten Werte drei verschiedene Aspekte:

Erstens strebt jede Entität nach Selbsterhaltung und Selbsterfüllung. „It is the essence of life that it exists for its own sake, as the intrinsic reaping of value.“

Zweitens ist jeder Organismus die Grundlage für die Selbsterschaffung anderer Organismen. Trotz seines intrinsischen Wertes hat er auch eine Funktion für diese, sodass das eigene Wohlbefinden letztlich nur angestrebt werden kann, wenn das einer Vielzahl anderer Organismen einbezogen wird. Nur in einer intakten Umwelt kann ein Organismus überleben und seine Möglichkeiten entfalten. Je komplexer die Umwelt ist, desto größer ist das Angebot an Möglichkeiten und umso höher ist der Grad der Intensität, den ein Organismus erreichen kann. „We are, each of us, one among others.“

Drittens hat jeder Organismus einen Wert für die gesamte Natur, die durch Akte des Erfassens auch eine Voraussetzung der eigenen Identität ist. „All of us are embraced in the unity of the whole.“ Die Natur wird daher aus Organismen gebildet, die einen intrinsischen und einen funktionalen Wert haben, die also immer zugleich Zweck in sich und Mittel für andere sind. Dadurch hat auch die Natur insgesamt einen intrinsischen und einen funktionalen Wert. Jeder Organismus ist auf die Biosphäre angewiesen, und diese hängt ihrerseits von der Interaktion jedes Organismus mit dem größeren Ganzen ab.

...

Jeder Organismus schuldet das, was er ist, der Aktivität zahlloser anderer Lebewesen.

... [Hervorhebungen von mir]




Antworten