Ist alles mit allem verbunden?

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Sa 30. Jan 2021, 12:02

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 11:55
Alethos hat wenigstens versucht das zu beantworten. Von Dir bekomme ich statdessen nur ständig Sprüche ...
Ich habe auch darauf geantwortet: "Aber so liegen die Dinge nicht in der SFO. Wenn jemand in diesem Thread - sagen wir mal - irgendeine Form von Pantheismus vertreten würde und er damit Recht hätte, dann gäbe es einen großen Bereich. Wenn ich hingegen Recht hätte, dann gäbe es unendlich viele verschiedene Bereiche. Und nach der SFO hat mindestens einer von uns beiden Unrecht. Es ist also nicht richtig, dass es zwei Sinn-Felder gibt, weil zwei Ansichten vertreten werden. Falls einer von uns beiden Recht hätte, dann gäbe es entweder ein Sinnfeld (falls man im Pantheismus davon sprechen könnte) oder unendlich viele, aber niemals zwei.

Es könnte z.b. dann zwei Sinn-Felder geben, wenn wir (der Pantheist und ich) beide Unrecht hätten und irgendeine Form von Dualismus richtig wäre."




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NaWennDuMeinst
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Sa 30. Jan 2021, 12:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 12:02
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 11:55
Alethos hat wenigstens versucht das zu beantworten. Von Dir bekomme ich statdessen nur ständig Sprüche ...
Ich habe auch darauf geantwortet: "Aber so liegen die Dinge nicht in der SFO. Wenn jemand in diesem Thread - sagen wir mal - irgendeine Form von Pantheismus vertreten würde und er damit Recht hätte, dann gäbe es einen großen Bereich. Wenn ich hingegen Recht hätte, dann gäbe es unendlich viele verschiedene Bereiche. Und nach der SFO hat mindestens einer von uns beiden Unrecht. Es ist also nicht richtig, dass es zwei Sinn-Felder gibt, weil zwei Ansichten vertreten werden. Falls einer von uns beiden Recht hätte, dann gäbe es entweder ein Sinnfeld (falls man im Pantheismus davon sprechen könnte) oder unendlich viele, aber niemals zwei.

Es könnte z.b. dann zwei Sinn-Felder geben, wenn wir (der Pantheist und ich) beide Unrecht hätten und irgendeine Form von Dualismus richtig wäre."
Ok. Wenn ich das richtig verstehe, dann verlässt Jemand mit dieser Frage, ob Alles mit Allem verbunden ist, den Geltungsbereich der SO.
Kann man das so sagen?



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Jörn Budesheim
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Sa 30. Jan 2021, 12:05

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 11:58
Die Frage zielt doch auf sämtliche Gegenstandbereiche ab.
Ist die Frage dann einfach unzulässig, oder was machen wir jetzt damit?
Darauf habe ich auch schon geantwortet. Meines Erachtens ist das die Frage nach dem Bereich aller Bereiche und diese Frage wird von der SFO so beantwortet: die Welt gibt es nicht.




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NaWennDuMeinst
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Sa 30. Jan 2021, 12:13

Was sagt die SO denn zum Beispiel zu der Urknallthese, nach der zumindest an einem Zeitpunkt x einmal alles mit allem verbunden war (weil ja nach dieser These alles den selben, einzelnen Ursprung hat).
Oder ist das einfach irrelevant, weil es nur darum geht was jetzt der Fall ist?

Das Interessante ist doch an der Urknallthese, dass, je weiter wir in der Vergangenheit zurückgehen, alles immer mehr miteinander verschmilzt, bis zu dem Punkt dieses einen singulären Ereignisses, aus dem dann "die Welt" (die es "nicht gibt") entstand.



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Sa 30. Jan 2021, 12:44

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 12:13
Urknallthese
Die SFO geht nicht durch alle wissenschaftlichen Bereiche hindurch und beglaubigt jeden einzelnen Befund oder lehnt ihn ab, das wäre eine unendliche Aufgabe.

Die Urknallthese ist eine physikalische Theorie und bezieht sich auf diesen Bereich. Sie besagt nicht, dass alle Bereiche zu einem Zeitpunkt x miteinander verbunden waren, denn sie macht z.b. keine Aussage über den Bereich der Mathematik. Der Astrophysiker David Deutscher spricht z.b. von der Realität der Abstraktionen. Wenn man sich die Videos zur Mathematik anschaut, die vor kurzem hochgeladen wurden, dann sieht man, wie verflixt das Verhältnis dieser diversen Bereiche ist. Die SFO behauptet dementsprechend auch nicht, allwissend zu sein und auf jede Frage eine Antwort zu haben, für vieles stellen sich natürlich auch Forschungsaufgaben.

Und auf alle übergeneralisierenden Fragen "kann" die Theorie jedoch keine Antwort geben, weil das sofort zu einem Selbstwiderspruch führen würde. Solche übergeneralisierenden Fragen sind Fragen aus der traditionellen Metaphysik oder auch Fragen des metaphysischen Realismus. Denn diese Fragen beziehen sich auf einen Gegenstand, den es laut Theorie nicht gibt.




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Sa 30. Jan 2021, 13:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 12:44
Die Urknallthese ist eine physikalische Theorie und bezieht sich auf diesen Bereich.
Na, ich glaube es ist noch mehr, denn hier wird ja versucht die Frage zu beantworten wie die Welt (die es "nicht gibt") entstanden ist. Dabei geht es sozusagen um den Start von "Allem".
Wenn man jetzt - wie Du - sagt, dass die Mathematik damit nicht erfasst wäre, dann entsteht ja automatisch die Frage wo denn die Mathematik herkommt (wie diese entstanden ist).
Die Physiker neigen für gewöhnlich dazu zu erklären, dass "die Welt" einfach alles ist was existiert. Somit ist im Urknall alles entstanden was existiert. Eine Frage nach dem davor ergibt keinen Sinn, weil es kein "davor" gibt (keine Welt, kein "existieren").

Natürlich kann das Niemand abschliessend beantworten, das ist mir auch klar. Und nochmal: Niemand verlangt von irgendeiner Theorie "Allwissenheit". Deshalb ist es auch unnötig das dauernd zu betonen.
Mir geht es nur darum zu fragen, welche Erklärungen die unterschiedlichen "Weltbilder" oder "Existenzbegriffe" anbieten.
Wenn die SO mit dem physikalischen Modell der Weltentstehung in Konflikt gerät (es gibt keine "eine Welt"), dann würde ich zumindest erwarten, dass sie alternative Erklärungen anbietet.
Wenigstens einen Versuch dessen (mehr kann die Physik ja auch nicht anbieten).

(ich übernehme nicht einfach irgendwelche Theorien, nur weil sie gerade "hipp" sind. Sie müssen schon auch eine bessere, oder zumindest ebenbürtige "Erklärungskraft" haben. Denn darum geht es doch letztendlich, also um eine Vermehrung des Wissens über, oder einen besseren Einblick in die Welt, die es von mir aus auch "nicht gibt".)



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 13:09
Wenn man jetzt - wie Du - sagt, dass die Mathematik damit nicht erfasst wäre, dann entsteht ja automatisch die Frage wo denn die Mathematik herkommt (wie diese entstanden ist).
Die Frage entsteht keineswegs automatisch, weil Strukturen, die nicht innerhalb der Raumzeit existieren, auch nicht entstehen oder vergehen.




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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 13:09
Wenn die SO mit dem physikalischen Modell der Weltentstehung in Konflikt gerät (es gibt keine "eine Welt"), dann würde ich zumindest erwarten, dass sie alternative Erklärungen anbietet.
Wenigstens einen Versuch dessen (mehr kann die Physik ja auch nicht anbieten).
Die SFO Gerät steht nicht mit dem physikalischen Modell der Erforschung des Universums in Konflikt. Im Gegenteil: ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass gerade Naturwissenschaftler der Theorie oftmals wohlwollend gegenüberstehen, insbesondere bei dem Aspekt, dass es die Welt nicht gibt.

Gabriel zeichnet als Philosoph ja gerade der enge Austausch mit anderen Wissenschaften aus! Man könnte eigentlich sagen, das ergibt sich zwingend aus dieser Bereichs-Ontologie. Ohne die Beschäftigung mit Gabriel hätte ich selbst vermutlich niemals von der Arbeit von Giulio Tononi und Koch erfahren!




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Sa 30. Jan 2021, 13:42

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 13:34
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 13:09
Wenn man jetzt - wie Du - sagt, dass die Mathematik damit nicht erfasst wäre, dann entsteht ja automatisch die Frage wo denn die Mathematik herkommt (wie diese entstanden ist).
Die Frage entsteht keineswegs automatisch, weil Strukturen, die nicht innerhalb der Raumzeit existieren, auch nicht entstehen oder vergehen.
Und was, wenn die Basis in der Raumzeit existiert, also da(ss) der Mensch die (An-)Zahl und Menge definiert hat? Wenn man den Menschen bzw. jegliche Intelligenz wegnimmt, macht es quasi "Plopp" mit den ganzen schönen Strukturen ;)



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Wie lautet dein Argument jetzt genau?




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Sa 30. Jan 2021, 14:25

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 13:34
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 13:09
Wenn man jetzt - wie Du - sagt, dass die Mathematik damit nicht erfasst wäre, dann entsteht ja automatisch die Frage wo denn die Mathematik herkommt (wie diese entstanden ist).
Die Frage entsteht keineswegs automatisch, weil Strukturen, die nicht innerhalb der Raumzeit existieren, auch nicht entstehen oder vergehen.
Wenn sie nicht innerhalb der Raumzeit existieren, wie greifen wir raumzeitlichen Wesen darauf zu?
Und wie kann die nichtraumzeitliche Mathematik dann auf die Raumzeit wirken, oder in ihr Geltung haben, wenn sie nicht innerhalb der Raumzeit "existiert"?

Die Welt in viele Welten aufzuteilen ist eigentlich gar keine neue Idee. Genauso wie die Probleme, die damit verbunden sind , nicht neu sind.



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Sa 30. Jan 2021, 14:31

Wir greifen gar nicht drauf zu, wie fassen die Zahlen ja nicht an, was schließlich gar nicht ginge. Wie erkennen die Strukturen und Verhältnisse. Ich wüsste nicht, warum geistig körperliche Lebewesen wie wir abstrakte Strukturen nicht erkennen können sollten. Die Frage, die du gerade gestellt hast, ist ja auch nicht einfach ein Raumzeit-Ding, sie hat keine Ausdehnung, kein Gewicht, sondern einen Sinn.




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Sa 30. Jan 2021, 14:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 14:31
Wir greifen gar nicht drauf zu, wie fassen die Zahlen ja nicht an, was schließlich gar nicht ginge. Wie erkennen die Strukturen und Verhältnisse. Ich wüsste nicht, warum geistig körperliche Lebewesen wie wir abstrakte Strukturen nicht erkennen können sollten. Die Frage, die du gerade gestellt hast, ist ja auch nicht einfach ein Raumzeit-Ding, sie hat keine Ausdehnung, kein Gewicht, sondern einen Sinn.
Die Mathematik hat doch wohl Geltung in der Raumzeit, oder nicht?
Wie geht das aber, wenn sie in der Raumzeit gar nicht existiert?



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 14:25
Die Welt in viele Welten aufzuteilen ist eigentlich gar keine neue Idee.
Für Markus Gabriel als Philosoph mag das ein wichtiger Punkt sein, ob seine Theorie originell ist. Mir persönlich ist das vollständig egal! Ob die Theorie alt oder neu ist, hip oder nicht, ist mir völlig egal.




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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 14:32
Die Mathematik hat doch wohl Geltung in der Raumzeit, oder nicht?
Wie geht das aber, wenn sie in der Raumzeit gar nicht existiert?
Warum sollte das ein Problem sein, das müsstest du erst mal verdeutlichen. In der Raumzeit gibt es offensichtlich Verhältnisse und Relationen, die sich mit abstrakten Strukturen darstellen lassen. Ich kann nicht erkennen, warum raumzeitliche Dinge keine Strukturen bilden können sollten.




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Sa 30. Jan 2021, 14:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 14:37
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 14:32
Die Mathematik hat doch wohl Geltung in der Raumzeit, oder nicht?
Wie geht das aber, wenn sie in der Raumzeit gar nicht existiert?
Warum sollte das ein Problem sein, das müsstest du erst mal verdeutlichen. In der Raumzeit gibt es offensichtlich Verhältnisse und Relationen, die sich mit abstrakten Strukturen darstellen lassen. Ich kann nicht erkennen, warum raumzeitliche Dinge keine Strukturen bilden können sollten.
Was in der Raumzeit nicht existiert (und das behauptest Du ja von der Mathematik) kann wohl schwerlich in der selben Raumzeit Strukturen bilden.
Ich wüsste jedenfalls nicht wie.



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Sa 30. Jan 2021, 14:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 13:52
Wie lautet dein Argument jetzt genau?
Dass die "Struktur" (laut wikipedia: "Struktur (von lateinisch strūctūra „Zusammenfügung, Bauart, Sinngefüge“)") erst mit dem in der Raum-Zeit existierenden Menschen Sinn macht und existiert.
Ohne ihn wäre nicht zusammengefügt oder gebaut worden, um auf die lateinischen Übersetzungen zurückzugreifen.



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Markus Gabriel über David deutsch hat geschrieben : In seinem Buch Der Anfang der Unendlichkeit erklärt [der Oxforder Physiker David Deutsch] den Empirismus für einen grundlegenden Fehler, für eine schlechte Philosophie, die nicht nur falsch ist, sondern außerdem den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaften hemmt. Er meint, dass die moderne Physik – für ihn vor allem die Quantentheorie – die unendlichen Weiten des Kosmos erforscht, ohne dafür immer nur Beobachtungsdaten aufzusammeln und diese dann zu einer Theorie umzuformen. Die Grundlage des physikalischen Wissens ist Deutsch zufolge die Wirklichkeit von Abstraktionen (reality of abstractions). Dafür gibt er in Anlehnung an den Physiker und Informatiker Douglas Richard Hofstadter (*1945) ein wegweisendes Argument. Stellen wir uns vor, wir würden eine Dominokette aufbauen. Jeder Spielstein ist mit dem Boden verdrahtet, sodass wir ihn jederzeit wieder aufstellen können oder auch so feststellen, dass er nicht umgestoßen wird. Nehmen wir jetzt an, die Drähte würden durch eine Software gesteuert, die einfache mathematische Probleme löst, zum Beispiel die Addition ganzer Zahlen. Das liefe dann so, dass erst zwei und dann noch einmal zwei Steine umfallen, wenn man beispielsweise 2 + 2 berechnen möchte. Der fünfte Stein bliebe dann stehen. Sobald ein Stein stehen bleibt, zeigt dies das Ende der Berechnung an, sodass man jetzt abzählen kann, wie viele Steine umgefallen sind, was das Ergebnis der Funktion x + y = z für beliebige Werte ist, die man mit seinem Dominosystem berechnen kann. Natürlich geht es mit einem Taschenrechner leichter, aber das ist ja nur ein Beispiel. Der Punkt ist nun, dass sich jemand, der einfach nur die Dominosteine sieht, fragen könnte, warum der fünfte Stein stehen geblieben ist. Er könnte sich die Drähte ansehen und konstatieren, dass der fünfte aufrecht gehalten wird. Doch keine Erklärung der physikalischen Vorgänge allein wäre besser als die Erklärung, dass der fünfte Stein stehen geblieben ist, weil 2 + 2 = 4 ist und die Software unseres Versuchsaufbaus korrekt gerechnet hat. Deswegen unterscheidet sich der fünfte Stein auch vom sechsten oder siebten. Beide stehen physikalisch gesehen deshalb, weil der Draht sie festhält. Aber es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen dem fünften und allen anderen Steinen, denn er ist der erste Stein in der Reihe, der stehen geblieben ist, weshalb wir dieses Dominosystem zwar als ziemlich schlechten, aber funktionierenden Taschenrechner verwenden können. Mittels dieses Beispiels möchte Deutsch zeigen, dass die Physik keine reduktionistische Theorie ist, also keine Theorie, die alles, was sich ereignet, auf materiell-energetische Strukturen reduziert. Unter Reduktionismus kann man in diesem Zusammenhang die Annahme verstehen, dass die Physik in ihrer Theoriebildung danach strebt, alle Ereignisse und Strukturen des Universums auf ein grundlegendes Muster zurückzuführen, etwa die Verteilung von Elementarteilchen auf der fundamentalen Ebene des Universums. In der gröbsten Variante läuft der Reduktionismus auf die materialistische Behauptung hinaus, dass alle Ereignisse und Strukturen im Universum nichts anderes als materiell-energetische Konfigurationen sind. Die Gesetze der basalen Arithmetik sind selber keine materiell-energetischen Strukturen, sondern, wie man sagt, abstrakt. Die Zahl 2 etwa befindet sich an keinem Ort, und sie ist auch nicht irgendwann entstanden. Sie ist ort- und zeitlos und damit abstrakt. Wenn wir die Fähigkeit haben, mathematische Gegenstände wie Zahlen, geometrische Figuren, mehrdimensionale Räume und unendliche Mengen zu erkennen, kann unsere Erkenntnis nicht wie beim Empirismus insgesamt damit begründet werden, dass wir Reize vom Universum empfangen, die wir interpretieren. Denn die abstrakten Strukturen entstehen nicht durch unsere Interpretation, sondern zeigen vielmehr häufig auf, was wirklich der Fall ist. Deutsch schließt aus alledem, dass wir aufgrund unserer Fähigkeit, Mathematik zu betreiben, Kontakt mit Unendlichkeiten haben. Dieser Kontakt ist ihm zufolge selber nicht sensorisch. Er besteht nicht darin, dass wir in einem Reiz-Reaktions-Schema sind, wie dies angenommen wird, wenn man Umweltreize als Farben oder Töne wahrnimmt. Wir müssen keine Daten interpretieren, die an unsere Sinnesorgane herangetragen werden, um auf dieser Grundlage dann mathematische Einsichten zu haben. Kurzum, Deutsch bestreitet, dass der Empirismus wahr ist, und argumentiert dafür, dass man nur dann die Quantentheorie richtig versteht, wenn man anerkennt, dass »etwas Abstraktes – Nicht-Physikalisches, wie etwa das Wissen in einem Gen oder eine Theorie – etwas Physikalisches verändert« Genauso wie wir es bei dem fünften Stein des Dominobeispiels gesehen haben.




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Jörn Budesheim
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Sa 30. Jan 2021, 14:52

Burkart hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 14:44
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 13:52
Wie lautet dein Argument jetzt genau?
Dass die "Struktur" (laut wikipedia: "Struktur (von lateinisch strūctūra „Zusammenfügung, Bauart, Sinngefüge“)") erst mit dem in der Raum-Zeit existierenden Menschen Sinn macht und existiert.
Ohne ihn wäre nicht zusammengefügt oder gebaut worden, um auf die lateinischen Übersetzungen zurückzugreifen.
Jetzt hast du allerdings nur das, was du behauptet hast, in andere Worte gefasst. Dass du das glaubst, habe ich schon verstanden. Wo aber ist das Argument dafür?




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Alethos
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Sa 30. Jan 2021, 15:04

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 11:45
Alethos hat geschrieben :
Sa 30. Jan 2021, 10:45
Für Gott gilt: "g ist eine Figur in religiösen Texten".
Ok. So verstehe ich das auch.
Könnte man statdessen auch sagen Gott existiert im relifgiösen Sinnfeld?
Falls ja, wieso sagt mir dann Jörn andauernd, dass er nciht die geringste Ahnung hat, was ich damit meine?
Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob wir dem religiöses Sinnfeld sagen können, weil dieses mehrere Überlagerungen zu haben scheint.

Ich würde es eher anders herum zu denken versuchen: Ein religiöser Gegenstand ist einer, der vor dem Hintergrund eines Glaubens oder Glaubensbekenntnisses an ein metaphysisches Wesen vorkommt. Ein Holzkreuz ist kein religiöser Gegenstand, wenn es entsteht bspw. beim Basteln mit zwei länglichen Holzklötzen, die, aufeinander gelegt, ein Kreuz bilden. Religiös heisst dieses Objekt erst, wenn es im Zusammenhang eines Glaubens zum Bezeugen dieses Glaubens als Symbol verwendet wird. Das religiöse Sinnfeld zeichnet sich durch die Anwesenheit religiöser Gegenstände aus, die deshalb solche und keine profanen sind, weil sie im Zusammenhang mit einem Glauben an Gott als Symbole für ihn angesehen werden.

Gott ist aber deshalb nicht Gegenstand eines religiösen Sinnfelds, sondern Gegenstand eines Glaubens, der durch das religiöse Sinnfeld lediglich angesprochen, thematisiert, symbolisiert, repräsentiert wird. Gott existiert so gesehen nicht im religiösen Sinnfeld, sondern das religiöse Sinnfeld ensteht erst vor dem Hintergrund des Glaubens von Individuen an Gott durch Bekenntnis dieses Glaubens in einer Gemeinschaft durch religiöse Gegenstände: Messen, Zeremonien, Bildnisse etc.

Man kann z.B. als Atheist in eine Kirche gehen, was ja eindeutig ein religiöses Sinnfeld ist, und dort zwar die Religiosität erkennen, aber Gott nicht finden, also nur Symbole sehen, die ihn und seine Präsenz darstellen sollen.
Die Bibel bspw. ist ein religiöser Gegenstand nur, weil er vor dem Hintergrund einer Kirchengeschichte Dokument gibt über Gott, aber sie ist in einem gewissen Sinne nur eine Niederschrift wie jede andere. Dass sie Gott zum Thema hat, heisst ja nicht, dass dort Gott vorkommt so, wie man an ihn glaubt, Gott kommt in der Bibel nicht vor, wie im Glauben an ihn, denn im Dokument kommt er einfach als Wort vor. Am Kreuz in der Kirche kommt auch nicht Jesus vor, wie man an ihn als Erlöser, als wiedergeborenen Sohne Gottes und als Retter in der Alltagswelt glaubt, sondern als hölzerne Schnitzfigur, die diesen Glauben darstellen soll.
Religion bindet sozusagen durch religiöse Gegenstände den Glauben auf Gott zurück (religare), aber Gott ist nicht Gegenstand des religiösen Sinnfelds, so dass wir sagen könnten, er käme dort so vor, wie wir ihn/sie uns vorstellen, wenn wir an ihn/sie glauben.

Gott ist, anders gesagt, nicht Anwesender der religiösen Praxis, sondern nur Referenzpunkt eines Glaubens, der in religiösen Bekenntnissen Ausdruck findet.
Aber darüber streiten sich ja die Geister.

Der Einfachheit halber: Gott ist ein geglaubter Gegenstand. Er existiert unter anderem in religiösen Sinnfeldern, aber auch in einfachen Sätzen, die nicht-religiös sind.
Ob es ihn/sie gibt als metaphyisches Wesen, das alle Sinnfelder zusammenfasst: Das gerade gälte es zu beweisen.



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Alle lächeln in derselben Sprache.

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