Tatsachen/Wahrheit/ontische Wahrheit

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Fr 12. Jan 2018, 19:14

Herr K. hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 17:56
Allerdings scheint Gabriel etwas anderes sagen zu wollen, nämlich dass es im Sinnfeld Faust wirklich einen Menschen namens "Faust" gibt, der Gretchen liebt.
Richtig, dass scheint dir nicht nur so, das ist auch so. Allerdings - wie du ja weißt - gibt es für Gabriel keinen Schiedrichterbereich, der entscheidet, was es wirklich wirklich gibt. So dass, die Ansicht in Faust gibt es Faust wirklich, bedeutet IN DEM BEREICH gibt es ihn wirklich - etwa im Unterschied zu halluzinierten Figuren, die womöglich auch vorkommen.

In dem Zusammenhang haben wir zwei bis drei verschiedene Bedeutungen von "wirklich", die du nicht sorgfältig auseinander hältst. Du tauschst leider regelmäßig (absichtlich/unabsichtlich oder was auch immer) das, was Gabriel an dieser Stelle unter "wirklich" versteht, gegen das aus, was du darunter verstehst. Und zwar meistens unter der Hand. Das kann nur zu Konfusion führen. Zumal du nicht bereit bist zu erläutern, was du unter "wirklich" verstehst. Für Gabriel gibt es jedoch immer die Beschränkung auf den Bereich und das unterschlägst du regelmäßig.

Zudem gibt es noch eine Alltagsbedeutung von "wirklich". Obwohl das deutlich komplexer ist. Im Alltag, wo zumeist wohlwollend interpretiert wird, was beinhaltet, dass man den Gesprächspartner so auslegt, dass etwas sinnvolles, wahres, rationales herauskommt, ist es problemlos möglich zwischen den Ebenen zu wechseln. Zum Beispiel kann man ohne Missverständnisse darüber reden, dass Faust im Faust wirklich ist gegenüber einigen der Hexen, die womöglich nur halluziniert sind - im nächsten Satz kann man die Bedeutung (den Bezug) von "wirklich" dann abrupt ändern und darauf hinweisen, dass es auch einen wirklichen Faust gab, nämlich eine historische Person -wie man dann vielleicht hinzufügen könnte, um den Bereich anzugeben, an den die fiktionale (und nicht etwa fiktive, wie du fälschlicherweise immer wieder schreibst) Figur des Stückes angelehnt sein könnte. Aber so etwas geht natürlich nur im Alltag und nie und nimmer in Philosophie-Foren :-)

Also nach meinem Verständnis existiert Faust nach Gabriels Ansicht wirklich und zwar in dem Stück. Meines Erachtens ist das eine einfache Ortsangabe, die leicht zu verstehen ist und keineswegs zu Verwirrung führen muss, weil jeder weiß, dass Geschichten nicht das selbe sind, wie Ereignisse in der Naturgeschichte. In diesem gänzlich anderen Rahmen (=Feld) können gänzlich andere Dinge geschehen; Geschichten haben ihre eigene Logik - da können Figuren gegen die Gesetze der Schwerkraft verstoßen, weil sie eben nicht grundsätzlich den Anordnungsregeln der Naturgesetze "gehorchen" müssen, sondern die Freiräume nutzen können, die die Phantasie eröffnet. Diese Phantasiewelten eröffnen auch dem Leser einen gewissen Spielraum, was sogar einen großen Reiz der Kunst ausmacht. Das macht Interpretationen aber nicht beliebig, da das Stück eben Tatsachen in die Welt gesetzt hat, die die Interpretation begrenzen ... man kann sich hier auch irren. Ansonsten wären wissenschaftliche Erforschungen solcher Stücke auch Zeitverschwendung. Mithilfe solcher Forschungen kann man dann klären, welche Hexen in dem Stück wirklich sind und welche nicht ...




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Alethos
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Fr 12. Jan 2018, 19:19

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 13:53
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 13:27
Wieso sind Existenz und Erfundensein ein Kontrast? Etwas, was erfunden wurde, wird damit zur Existenz gebracht ... Was denn sonst?
Es ist erfunden und existiert nicht, z.B. Superman.

...

Es geht darum die Eigenständigkeit von nichtmaterieller Exsitenz darzustellen.
Es ist mit leider überhaupt nicht klar, was hier Eigenständigkeit bedeuten soll. Wenn man beweisen will, dass Superman ohne erdacht worden zu sein, existiere, dann wird man scheitern. Das Gedachtsein von Superman stellt ja gerade die Nichteigenständigkeit (in deinem Sinne dar). Aber das kann ja nicht bedeuten, dass Superman nicht existiert. Gegen diese Verbannung aus dem Reich des Existenten wehrt sich die SFO, denn es liegt doch allein im Begriff von Superman (in welcher Form er auch immer konkret erscheinen möge) der überzeugendste Hinweis auf seine Existenz vor.

Man kann gegen den Reduktionismus durchaus einwenden, dass er selbst nicht existiere, denn er ist ja auch nur eine erdachte Theorie? Das wäre offenbar absurd.



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Alethos
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Fr 12. Jan 2018, 19:58

Wir hatten im Rahmen der Diskussion über die Existenz von Herrn K.s Schwester darüber verhandelt, ob sie wirklich existiere oder nicht. Zu sagen, dass etwas wirklich existiert, ist natürlich eine getarnte Sinnfeldangabe.

Wirklich hat hier die Bedeutung, dass Hexen, Superman oder Betty Bossy in einer bestimmten Wirklichkeit nicht existieren, denn in dieser Wirklichkeit existieren Küchen, Kittchen und Pantoffeln usw. Was nicht in der so bestimmten Wirklichkeit existiert, existiert dann nicht. Das ist aber pure SFO in höchster Performanz. :) Man muss es nur merken.

Denn dann kann man auch erkennen, dass diese Wirklichkeitsbestimmung nur eine einzige von vielen ist. Man kann nämlich nicht mit guten Gründen argumentieren, etwas gebe es nicht, wenn man doch allein davon sprechen kann? Man kann doch nicht mit Recht sagen, Superman existiere nicht, wenn es die Figur gibt und den Comic, darin die Figur erscheint? Das heisst, man muss ein Wirklichkeitskonzept entwerfen, welches dem Umstand Rechnung trägt, dass es Superman gibt, und in welchem wir gleichzeitig diese seine Existenz restringieren. Denn offenbar kann es Superman geben und nicht geben, je nach dem, welche Wirklichkeit man anzeigt. Und ein solcher Entwurf der pluralen Wirklichkeitsbeschreibung ist nun die SFO.
Sie gibt die Anweisung zu präzisieren, in welchem Sinne etwas existiert. Man kann sich auch aufgefordert sehen anzugeben, als was es existiert. Diese Angabe müssen wir gelegentlich auch leisten, aber in der Regel können wir uns auf den implizitierten Sinn verlassen. Wenn wir sagen: 'Hexen existieren in Faust' Dann weiss man in der Regel, dass Faust eine Geschichte ist, in der Hexen vorkommen. Sie existieren dort als Geschichten in der Geschichte. Aber deshalb stellen sie sich ja nicht als fiktive Hexen dar (sofern sie in der Geschichte selbst nicht halluziniert werden), sondern als fiktionale. Die Hexen in Faust existieren in Faust als was sie in Faust eben existieren können, weil die restringierte Wirklichkeit der Geschichte den restringierten Sinn von Existenz angibt.



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Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:19
Es ist mit leider überhaupt nicht klar, was hier Eigenständigkeit bedeuten soll. Wenn man beweisen will, dass Superman ohne erdacht worden zu sein, existiere, dann wird man scheitern.
Genau das war gemeint.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:19
Das Gedachtsein von Superman stellt ja gerade die Nichteigenständigkeit (in deinem Sinne dar).
Das hängt davon ab, was man unter einem Gedanken versteht.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:19
Aber das kann ja nicht bedeuten, dass Superman nicht existiert. Gegen diese Verbannung aus dem Reich des Existenten wehrt sich die SFO, denn es liegt doch allein im Begriff von Superman (in welcher Form er auch immer konkret erscheinen möge) der überzeugendste Hinweis auf seine Existenz vor.
Wenn der Begriff die Existenz sicher, dann schießt Gabriel das von Herr K. beschriebene Eigentor, die Welt gibt es allein deshalb, weil sie in Gabriels Texten vorkommt.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:19
Man kann gegen den Reduktionismus durchaus einwenden, dass er selbst nicht existiere, denn er ist ja auch nur eine erdachte Theorie? Das wäre offenbar absurd.
Das kann man eher schlecht behaupten, denn er existiert ja, er funktioniert nur nicht immer, im Sinne der Erklärung.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:58
Wir hatten im Rahmen der Diskussion über die Existenz von Herrn K.s Schwester darüber verhandelt, ob sie wirklich existiere oder nicht. Zu sagen, dass etwas wirklich existiert, ist natürlich eine getarnte Sinnfeldangabe.
...
Man kann nämlich nicht mit guten Gründen argumentieren, etwas gebe es nicht, wenn man doch allein davon sprechen kann? Man kann doch nicht mit Recht sagen, Superman existiere nicht, wenn es die Figur gibt und den Comic, darin die Figur erscheint?
Kann man sich alles schenken, denn auf der Basis fliegt Gabriel der Laden wirklich um die Ohren, wie oben erläutert.



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Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:28
die Welt gibt es allein deshalb, weil sie in Gabriels Texten vorkommt.
Aber eine Welt im Text, also innerhalb eines Bereiches ist nicht der Bereich aller Bereiche. Kein kleiner Unterschied.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:38
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:28
die Welt gibt es allein deshalb, weil sie in Gabriels Texten vorkommt.
Aber eine Welt im Text, also innerhalb eines Bereiches ist nicht der Bereich aller Bereiche. Kein kleiner Unterschied.
Da hab ich was fiktiert:

A: „Welt“ Jetzt habe ich das geschrieben, also gibt es die Welt.
B: Quatsch, das hat ja nichts mit der SFO zu tun und um die geht es.
A: Ach so. Na dann so: „Es gibt die Welt in der SFO.“
B: Nein, gibt es nicht.
A: Doch, habe ich doch eben gechrieben.
B: Es geht aber hier um die SFO nach Markus Gabriel.
A: Ah, okay: „In der Sinnfeldontologie nach Markus Gabriel gibt es die Welt.“
B: Nein, das stimmt einfach nicht, Gabriel behauptet das genaue Gegenteil.
A: Ja, aber ich habe es hingeschrieben und in meiner Vorstellung ist das so und alle Sinnfelder sind ontologisch gleichberechtigt. Und es gibt kein Referenzsinnfeld. Die Frage nach dem „echten“ Markus Gabriel ist also falsch, nach der SFO von Markus Gabriel.



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Alethos
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Fr 12. Jan 2018, 21:59

Man fühlt sich bei dieser Diskussion, nicht zuletzt wegen des Vorwurfs des Platonismus, unweigerlich an den Universalienstreit erinnert.

Gibt es Universalien und, falls ja, existieren sie unabhängig von der menschlichen Konstruktion? Ein Realist würde das bejahen und zugleich den Platonismus scharf zurückweisen. Denn der Realist denkt nicht in dualen Strukturen, sondern in ontischen.

Gibt es die Zahl 10 (und alle anderen Zahlen), oder gibt es nur den Vorgang des Zählens von Einzeldingen, daraus eine Zahl abstrahiert wird? Gibt es die 10 da draussen in einem Sinnfeld, das nicht die Abstraktion des Zählvorganges ist? Gibt es Moral, die nicht nur die Summe aller ethischen Regeln ist, sondern ein selbständig Seiendes im Sinne einer Existenz, die sich nicht vom Einzelnen ableitet?

Man kann, denke ich, mit gutem Grund annehmen, dass es Universalien gibt, und zwar nicht im Sinne einer Konstruktion, sondern im Sinne einer Erscheinung im Sinnfeld der Zahlen, des Lebendigen, des Logischen etc. Und diese Sinnfelder sind nicht der Gedanke oder die Theorie, sondern das Sinnfeld der Zahlen, des Lebendigen, des Logischen selbst.

Zahlen existieren an und für sich, auch wenn niemand sie bedenkt, schafft und kreiert, denn die Zahl steckt im Zusammengesetztsein der Gegenstände selbst, und zwar nicht nur der materiellen, sondern der Gegenstände überhaupt. Dass das Doppelte das Zweifache der Hälfte ist, ergibt sich nicht durch Denken, sondern durch das Doppelte selbst. Und auch der Gedanke, dass es das Vielfache gibt, entspringt nicht der Tatsache des Denkens, sondern der Tatsache der Teilbarkeit der Gegenstände in seine vielen Teile. Dass es Pi gibt, hängt direkt zusammen mit der Existenz von Kreisen. Kreise sind aber nicht einfach nur ideale Konstrukte, sondern an sich vorkommende Formen, wenn auch seltene. Zahlen sind deshalb nicht einfach Gedachtes, sondern Entdecktes.

Und so verhält es sich mit der Logik: Sie ist nicht ein menschengemachtes Konstrukt, sondern ein durch die (materiellen und nicht materiellen) Gegenstände selbst bestehendes Konstrukt. Denn dass etwas Nachheriges nach dem Vorherigen kommt, ergibt sich ja nicht durch den Umstand einer Regel, sondern die Regel ergibt sich durch den Umstand der Zeitlichkeit. Nun kann man fragen, was sich denn aus dem Umstand der Unzeitigkeit ergebe, dann ist es nicht aufgrund einer menschengemachten Regel wahr, dass es weder Vor-, Gleich- noch Nachzeitigkeit gibt, sondern aufgrund der Tatsache, dass es überhaupt keine Zeit gibt.
Man kann sich weiter fragen, ob x=x sei, oder ob x ungleich x sei. Das ergibt sich doch nie anders als durch die Sache selbst, und nicht durch Setzung, denn die Sache selbst ist der Umstand der Existenz des Logischen durch die stringente Folge eines Seienden aus dem anderen Seienden, sofern das Resultierende das Resultat von etwas ist. Logik ist kein Erdachtes, sondern ein Entdecktes.

Und so ist doch Moral kein Konstrukt der Menschen, denn was moralisch ist, ist nicht dasjenige, was Menschen setzen, sondern die Folge und die Ursache des sozialen Seins überhaupt. Es gibt kein soziales Sein ohne eine Moral, es gibt kein Leben ohne Moral, denn Leben ist Moral. Und aus dem Umstand, dass Leben existiert, existiert auch eine Moral. Aber sie existiert nicht als Konstrukt oder als Setzung, sondern durch sich selbst als ein lebendiger Vorgang des Zusammenseins. Es gibt moralische Regeln des Miteinanders, die kein Mensch geschrieben hat, sondern die so existent sind wie Atome - und so diskutabel und uneindeutig.

Und, sofern sich das Entdeckte entwickelt, z.B. als Theorie des Moralischen, des Logischen und des Mathematischen, entwickeltes es sich entlang der ontischen Wirklichkeit, der sie entstammen.

Und so heisst es doch also, dass eine Zahl nicht das gezählte materielle Ding ist, sondern etwas von diesem Verschiedenes sein muss. Denn die Tatsache kann nie untergehen, dass das Doppelte das zweifache der Hälfte ist. Es ist ohne Zeit wahr und ohne Raum. Es ist nichts Raumzeitliches, wenn auch wir, die es entdecken und denken, raumzeitliche Wesen sind.

Zahlen, Moral und Logik sind aber deshalb keine platonischen Ideen, die in einer Welt jenseits dieser Welt existieren, sondern sie sind Bereiche der vielfältigen Wirklichkeit.

Und was ist mit Geschichten? Sind sie nicht menschengemachte Konstrukte? Doch, sie sind es zu einem bestimmten Grad. Denn es gäbe Faust nicht ohne Goethe. Aber die Wirklichkeit der Bedeutungen, die hermeneutische Sphäre ist keine menschengemachte, sondern Bestand der vielfältigen Wirklichkeiten, die gedacht werden können, aber nicht gedacht werden müssen, um zu sein. Denn, was eine Geschichte alles bedeuten kann, das ist ja in die Geschichte hineingelegt, so wie die Bedeutung einer Brücke in die Tatsache gelegt ist, dass sie überquert werden kann. Und es sind noch andere Brücken-Bedeutungen möglich, die in den Gegenstand des Brückeseins hineingelegt sind, ohne, dass man sie zu bedenken bräuchte. Bedeutungen sind Entdeckungen, nicht so sehr Erdachtes.
Zuletzt geändert von Alethos am Fr 12. Jan 2018, 22:06, insgesamt 2-mal geändert.



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Fr 12. Jan 2018, 22:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:38
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:28
die Welt gibt es allein deshalb, weil sie in Gabriels Texten vorkommt.
Aber eine Welt im Text, also innerhalb eines Bereiches ist nicht der Bereich aller Bereiche. Kein kleiner Unterschied.
Kann man auch hinkriegen.
Es gibt Welt. Welt als Bereich aller Bereiche und metaphysisches Ganzes.
Jetzt gibt es diese Welt (man kann ja schlecht über was schreiben, was es nicht gibt) und die SFO verbietet es diese Version als nachgeordnet anzusehen.
Und sagen, dies sei nur eine Facette des Ganzen kann man auch nicht, weil es kein Ganzes gibt. (Wobei, irgendwie auch doch, weil Gabriel und jetzt ich ja drüber schreiben.)



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Alethos
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Fr 12. Jan 2018, 22:27

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 22:01
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:38
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:28
die Welt gibt es allein deshalb, weil sie in Gabriels Texten vorkommt.
Aber eine Welt im Text, also innerhalb eines Bereiches ist nicht der Bereich aller Bereiche. Kein kleiner Unterschied.
Kann man auch hinkriegen.
Es gibt Welt. Welt als Bereich aller Bereiche und metaphysisches Ganzes.
Jetzt gibt es diese Welt (man kann ja schlecht über was schreiben, was es nicht gibt) und die SFO verbietet es diese Version als nachgeordnet anzusehen.
Und sagen, dies sei nur eine Facette des Ganzen kann man auch nicht, weil es kein Ganzes gibt. (Wobei, irgendwie auch doch, weil Gabriel und jetzt ich ja drüber schreiben.)
Das ist ein amüsantes Gedankenspiel. Du versuchst, die SFO mit der SFO zu entkräften und bezeugst dadurch ihre Potenz :)

Dass es die Welt gibt, ist natürlich absolut korrekt in der SFO. Denn in der SFO existiert die Welt und zwar als Begriff. Laut der SFO existiert die Welt, und zwar gar nicht, insofern Welt hier Sinnfeld aller Sinnfelder bedeutet. Es gibt also die Welt als Begriff in einem Satz oder als widerlegte Annahme in einer Theorie.

Das ist, als würde ich sagen: 'Im Satz gibt es Hexen.'Das ist genauso korrekt wie zu sagen, es gebe die Welt in der SFO als Bereich aller Bereiche. Deshalb wäre es aber gleichzeitig falsch zu sagen, man hätte behauptet: "Laut dem Satz gibt es Hexen." so wie es falsch wäre zu sagen: 'Laut der SFO gibt es die Welt als Bereich aller Bereiche'. Denn laut der SFO gibt es nun eben den Bereich aller Bereiche nur als Existenz in einem Bereich, nämlich als Behauptung der Nichtexistenz von Welt :)

Aber tatsächlich ein amüsantes Spiel :)
Zuletzt geändert von Alethos am Fr 12. Jan 2018, 22:32, insgesamt 1-mal geändert.



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Herr K.
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Fr 12. Jan 2018, 22:32

Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:58
Wir hatten im Rahmen der Diskussion über die Existenz von Herrn K.s Schwester darüber verhandelt, ob sie wirklich existiere oder nicht. Zu sagen, dass etwas wirklich existiert, ist natürlich eine getarnte Sinnfeldangabe.
Wir hatten aber gar nicht darüber geredet, ob ich wirklich eine Schwester habe. Das mit wirklich existieren ist durch ein Zitat von Gabriel ins Spiel gekommen. Es bedeutet aber mE nichts besonderes, es ist lediglich eine Bekräftigung, so wie man auch fragen mag: "ist das wirklich wahr?" Was dann aber kein Bedeutungsunterschied ist zu der Frage: "ist das wahr?" Ebenso bedeutet "wirklich existieren" nichts anderes als "existieren". (Nach meiner Ansicht, aber ich glaube, nach der SFO ebenso.)
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:58
Man kann nämlich nicht mit guten Gründen argumentieren, etwas gebe es nicht, wenn man doch allein davon sprechen kann?
Daraus, dass es einen Begriff gibt, folgt nicht, dass es auch das mit dem Begriff Gemeinte geben muss.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:58
Man kann doch nicht mit Recht sagen, Superman existiere nicht, wenn es die Figur gibt und den Comic, darin die Figur erscheint?
Zu sagen "es gibt Superman nicht" ist keine eindeutige Aussage, denn "Superman" kann Unterschiedliches bezeichnen: einen Comic, einen Film, eine Comicfigur oder einen Superhelden. Die Aussage müsste daher näher spezifiziert werden, (oder sich durch einen Kontext ergeben).
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:58
Wenn wir sagen: 'Hexen existieren in Faust' Dann weiss man in der Regel, dass Faust eine Geschichte ist, in der Hexen vorkommen. Sie existieren dort als Geschichten in der Geschichte. Aber deshalb stellen sie sich ja nicht als fiktive Hexen dar (sofern sie in der Geschichte selbst nicht halluziniert werden), sondern als fiktionale. Die Hexen in Faust existieren in Faust als was sie in Faust eben existieren können, weil die restringierte Wirklichkeit der Geschichte den restringierten Sinn von Existenz angibt.
Du verwendest "fiktiv" und "fiktional" ungebräuchlich. Ich kenne das so: Das, was fiktional ist, bringt die fiktive Welt hervor, während alles, was sich in der fiktiven Welt befindet, als fiktiv bezeichnet wird. D.h.: Faust ist eine fiktionale Geschichte und Faust eine fiktive Figur.

Ansonsten sehe ich das auch so. Jedoch Gabriel mE nicht, sondern, wenn ich das richtig verstanden habe, meint Gabriel, dass die Hexen in Faust als Hexen existieren.




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Fr 12. Jan 2018, 22:35

Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Man fühlt sich bei dieser Diskussion, nicht zuletzt wegen des Vorwurfs des Platonismus, unweigerlich an den Universalienstreit erinnert.
Platonismus ist kein Vorwurf, sondern ein technischer Ausdruck, und weder von Herr K. noch von mir wertend gemeint.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Gibt es Universalien und, falls ja, existieren sie unabhängig von der menschlichen Konstruktion? Ein Realist würde das bejahen und zugleich den Platonismus scharf zurückweisen.
Klar, darum geht es ja zum Teil auch hier.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Gibt es die Zahl 10 (und alle anderen Zahlen), oder gibt es nur den Vorgang des Zählens von Einzeldingen, daraus eine Zahl abstrahiert wird? Gibt es die 10 da draussen in einem Sinnfeld, das nicht die Abstraktion des Zählvorganges ist? Gibt es Moral, die nicht nur die Summe aller ethischen Regeln ist, sondern ein selbständig Seiendes im Sinne einer Existenz, die sich nicht vom Einzelnen ableitet?

Man kann, denke ich, mit gutem Grund annehmen, dass es Universalien gibt, und zwar nicht im Sinne einer Konstruktion, sondern im Sinne einer Erscheinung im Sinnfeld der Zahlen, des Lebendigen, des Logischen etc. Und diese Sinnfelder sind nicht der Gedanke oder die Theorie, sondern das Sinnfeld der Zahlen, des Lebendigen, des Logischen selbst.

Zahlen existieren an und für sich, auch wenn niemand sie bedenkt, schafft und kreiert, denn die Zahl steckt im Zusammengesetztsein der Gegenstände selbst, und zwar nicht nur der materiellen, sondern der Gegenstände überhaupt. Dass das Doppelte das Zweifache der Hälfte ist, ergibt sich nicht durch Denken, sondern durch das Doppelte selbst. Und auch der Gedanke, dass es das Vielfache gibt, entspringt nicht der Tatsache des Denkens, sondern der Tatsache der Teilbarkeit der Gegenstände in seine vielen Teile. Dass es Pi gibt, hängt direkt zusammen mit der Existenz von Kreisen. Kreise sind aber nicht einfach nur ideale Konstrukte, sondern an sich vorkommende Formen, wenn auch seltene. Zahlen sind deshalb nicht einfach Gedachtes, sondern Entdecktes.
Das sind endlich mal Argumente, sehr gut.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Und so verhält es sich mit der Logik: Sie ist nicht ein menschengemachtes Konstrukt, sondern ein durch die (materiellen und nicht materiellen) Gegenständen selbst bestehendes Konstrukt. Denn dass etwas Nachheriges nach dem Vorherigen kommt, ergibt sich ja nicht durch den Umstand einer Regel, sondern die Regel ergibt sich durch den Umstand der Zeitlichkeit. Nun kann man fragen, was sich denn aus dem Umstand der Unzeitigkeit ergebe, dann ist es nicht aufgrund einer menschengemachten Regel wahr, dass es weder Vor-, Gleich- noch Nachzeitigkeit gibt, sondern aufgrund der Tatsache, dass es überhaupt keine Zeit gibt.
Man kann sich weiter fragen, ob x=x sei, oder ob x ungleich x sei. Das ergibt sich doch nie anders als durch die Sache selbst, und nicht durch Setzung, denn die Sache selbst ist der Umstand der Existenz des Logischen durch die stringente Folge eines Seienden aus dem anderen Seienden, sofern das Resultierende das Resultat von etwas ist. Logik ist kein Erdachtes, sondern ein Entdecktes.
Meinte auch Frege. Auch hier Argumente, schön.
Ich weiß aber nicht, ob sie mich überzeugen. Die Dinge könnten auch so passieren, ohne Logik. Zumal es Elemente der Natur gibt, die sich herzerfrischend unlogisch verhalten, darunter der ganze Quantenkram.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Und so ist doch Moral kein Konstrukt der Menschen, denn was moralisch ist, ist nicht dasjenige, was Menschen setzen, sondern die Folge und die Ursache des sozialen Seins überhaupt.
Jetzt gehst Du in die Vollen.
Das soziale Sein kann sich aber auch stufenweisen aus dem "in mir läuft ein Programm ab" Agieren der Biologie erhoben haben und der großartige Michael Tomasello hat eine wunderbare Schrift vorgelegt, die genau das minutiös, empirisch nachvollziehbar und brillant argumentiert unterstellt.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Es gibt kein soziales Sein ohne eine Moral, es gibt kein Leben ohne Moral, denn Leben ist Moral.
Käme auf die Definition an. Dawkins würde widersprechen. Vor allem hat Moral Stufen und man kann die Putzerfische nicht mit dem KI von Kant vergleichen.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Und aus dem Umstand, dass Leben existiert, existiert auch eine Moral.
Nee, antisoziale Persönlichkeiten leben auch, sind aber moralfrei oder gewissenlos. Bakterien auch.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Aber sie existiert nicht als Konstrukt oder als Setzung, sondern durch sich selbst als einem lebendigen Vorgang des Zusammenseins. Es gibt moralische Regeln des Miteinanders, die kein Mensch geschrieben hat, sondern die so existent sind wie Atome - und so diskutabel und uneindeutig.
Kant hat das vielleicht am besten ausformuliert, mich aber nicht restlos überzeugt. Und so eindeutig ist Moral nun nicht, sonst würde man nicht drüber streiten.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Und, sofern sich das Entdeckte entwickelt, z.B. als Theorie des Moralischen, des Logischen und des Mathematischen, entwickeltes es sich entlang der ontischen Wirklichkeit, der sie entstammen.

Und so heisst es doch also, dass eine Zahl nicht das gezählte materielle Ding ist, sondern etwas von diesem Verschiedenes sein muss. Denn die Tatsache kann nie untergehen, dass das Doppelte das zweifache der Hälfte ist. Es ist ohne Zeit wahr und ohne Raum. Es ist nichts Raumzeitliches, wenn auch wir, die es entdecken und denken, raumzeitliche Wesen sind.

Zahlen, Moral und Logik sind aber deshalb keine platonischen Ideen, die in einer Welt jenseits dieser Welt existieren, sondern sie sind Bereiche der vielfältigen Wirklichkeit.
Wenn stimmt, was Du schreibst, wären sie definitionsgemäß platonische Welten.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Und was ist mit Geschichten? Sind sie nicht menschengemachte Konstrukte? Doch, sie sind es zu einem bestimmten Grad. Denn es gäbe Faust nicht ohne Goethe.
Das Faustmotiv gab es tatsächlich eher, was aber egal ist, ich weiß, was Du meinst.
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 21:59
Aber die Wirklichkeit der Bedeutungen, die hermeneutische Sphäre ist keine menschengemachte, sondern Bestand der vielfältigen Wirklichkeiten, die gedacht werden können, aber nicht gedacht werden müssen, um zu sein. Denn, was eine Geschichte alles bedeuten kann, das ist ja in die Geschichte hineingelegt, so wie die Bedeutung einer Brücke in die Tatsache gelegt ist, dass sie überquert werden kann. Und es sind noch andere Brücken-Bedeutungen möglich, die in den Gegenstand des Brückeseins hineingelegt sind, ohne, dass man sie zu bedenken bräuchte. Bedeutungen sind Entdeckungen, nicht so sehr Erdachtes.
Und jetzt denk mal an Motive, die, vielleicht in etwas veränderter Form immer wieder in den Erzählungen der Menschen erscheinen. Oder vielleicht quer durch die Reiche des Toten (Materiellen), Lebendigen und Erdachten, dasselbe Prinzip.
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Fr 12. Jan 2018, 22:43, insgesamt 6-mal geändert.



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Fr 12. Jan 2018, 22:36

Herr K. hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 22:32
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:58
Man kann doch nicht mit Recht sagen, Superman existiere nicht, wenn es die Figur gibt und den Comic, darin die Figur erscheint?
Zu sagen "es gibt Superman nicht" ist keine eindeutige Aussage, denn "Superman" kann Unterschiedliches bezeichnen: einen Comic, einen Film, eine Comicfigur oder einen Superhelden. Die Aussage müsste daher näher spezifiziert werden, (oder sich durch einen Kontext ergeben).
Wow! Jetzt bin ich aber wirklich überrascht...(und das meine ich nicht ironisch)

Kontext ist nun eben ein Synonym für Sinnfeld, sehr grob gesagt.



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Constantin
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Fr 12. Jan 2018, 22:49

Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 22:36
Herr K. hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 22:32
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 19:58
Man kann doch nicht mit Recht sagen, Superman existiere nicht, wenn es die Figur gibt und den Comic, darin die Figur erscheint?
Zu sagen "es gibt Superman nicht" ist keine eindeutige Aussage, denn "Superman" kann Unterschiedliches bezeichnen: einen Comic, einen Film, eine Comicfigur oder einen Superhelden. Die Aussage müsste daher näher spezifiziert werden, (oder sich durch einen Kontext ergeben).
Wow! Jetzt bin ich aber wirklich überrascht...(und das meine ich nicht ironisch)

Kontext ist nun eben ein Synonym für Sinnfeld, sehr grob gesagt.
Markus Gabriel sagt von Existenz, sie bestehe darin, in einem Sinnfeld zu erscheinen.
Herr K. sagt hingegen von einer Aussage, soweit ich erkennen kann, sie stehe in einem Kontext oder Sinnfeld.

Den Unterschied finde ich beachtlich.




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Alethos
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Fr 12. Jan 2018, 22:59

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 22:35
Wenn stimmt, was Du schreibst wären sie definitionsgemäß platonische Welten
Wenn das stimmt, was ich sage, dann stimmt doch auch, was ich sagte, nämlich es seien nicht platonische Welten.

Die Vorstellung platonischer Welten beinhaltet doch die Vorstellung von einer zweigeteilten Welt: einer Welt der sinnlichen Erscheinungen (wenn du so willst, der Materie) und einer Welt des höchsten, idealen Seins dieser Erscheinung (eines nichtmateriellen, sondern idealen Seins).

Aber die SFO sagt ja, dass die Idee ein Bereich des Gedachten ist, so dass das ideale Sein eine Idee von etwas meint, mithin ein Gedachtes ist. Der Realist eines bestimmten Typs meint nun aber nicht, dass die Zahl eine Idee von Zahlen sei, sondern dass Zahlen existieren in einem nichtideellen Sinn, sondern in einem Sinnfeld der Zahlen. Dieses Sinnfeld ist aber nicht ein erdachter, sondern ein (du würdest sagen) eigenständiger Bereich. Die SFO würde sagen: ein Bereich eigenen Rechts.

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 22:35
Jetzt gehst Du in die Vollen.
Kann sein, dass ich mich dadurch selbst überfordere :shock: Denn Beweise habe ich natürlich nicht: Bin ja kein Philosoph...



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Alethos
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Fr 12. Jan 2018, 23:26

Herr K. hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 22:32
Du verwendest "fiktiv" und "fiktional" ungebräuchlich. Ich kenne das so: Das, was fiktional ist, bringt die fiktive Welt hervor, während alles, was sich in der fiktiven Welt befindet, als fiktiv bezeichnet wird. D.h.: Faust ist eine fiktionale Geschichte und Faust eine fiktive Figur.
Ich glaube, das ist der Kern unseres Missverstehens: der Unterschied zwischen Fiktion und Fiktionalität.

Die 'Hexen' als Teil eines Textes, als Buchstaben und als Wörter, als Bedeutungsträger, sind fiktional. Es gibt ja diese Wörter. Und alle Beschreibungen, die ihnen Eigenschaften zuschreiben, gibt es ja auch. Und zwar im Sinne einer materiellen, sinnlich wahrnehmbaren Existenz. Denn auch diese Beschreibungen bestehen aus Texten, dashalb sind sie fiktional, weil sie die Fiktion von Hexen hervorbringen.

Insofern aber die Hexen Teil einer fiktiven Wirklichkeit sind, sind sie fiktive Entitäten. Dieser Sinn von ihnen ist es, in einer Fiktion zu erscheinen als fiktive Hexen.

Es gibt nun aber beides: Hexen als fiktionale und fiktive Entitäten. Denn es gibt ja die Fiktion von Hexen, hervorgebracht durch die Fiktionalität des Hexenbegriffs.



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Herr K.
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Fr 12. Jan 2018, 23:37

Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 22:59
Der Realist eines bestimmten Typs meint nun aber nicht, dass die Zahl eine Idee von Zahlen sei, sondern dass Zahlen existieren in einem nichtideellen Sinn, sondern in einem Sinnfeld der Zahlen. Dieses Sinnfeld ist aber nicht ein erdachter, sondern ein (du würdest sagen) eigenständiger Bereich.
Hm, das ist aber in Kombination mit dem, was Du oben sagtest - dass Zahlen nichts Raumzeitliches seien - nun auch meiner Ansicht nach lupenreiner Platonismus. Dazu ein Zitat aus der SEP (Linnebo, Øystein, "Platonism in the Philosophy of Mathematics", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2017 Edition), Edward N. Zalta (ed.)):

Platonismus bezüglich Mathematik (oder mathematischer Platonismus) ist die metaphysische Ansicht, dass es abstrakte mathematische Objekte gibt, deren Existenz unabhängig von uns und unserer Sprache, unserem Denken und unserer Praxis ist. So wie Elektronen und Planeten unabhängig von uns existieren, so existieren auch Zahlen und Mengen. Und so wie Aussagen über Elektronen und Planeten durch die Objekte, um die es geht, und die vollkommen objektiven Eigenschaften dieser Objekte wahr oder falsch gemacht werden, so sind es auch Aussagen über Zahlen und Mengen. Mathematische Wahrheiten werden also entdeckt, nicht erfunden.

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Herr K.
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Fr 12. Jan 2018, 23:49

Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 23:26
Die 'Hexen' als Teil eines Textes, als Buchstaben und als Wörter, als Bedeutungsträger, sind fiktional. Es gibt ja diese Wörter. Und alle Beschreibungen, die ihnen Eigenschaften zuschreiben, gibt es ja auch. Und zwar im Sinne einer materiellen, sinnlich wahrnehmbaren Existenz. Denn auch diese Beschreibungen bestehen aus Texten, dashalb sind sie fiktional, weil sie die Fiktion von Hexen hervorbringen.

Insofern aber die Hexen Teil einer fiktiven Wirklichkeit sind, sind sie fiktive Entitäten. Dieser Sinn von ihnen ist es, in einer Fiktion zu erscheinen als fiktive Hexen.

Es gibt nun aber beides: Hexen als fiktionale und fiktive Entitäten. Denn es gibt ja die Fiktion von Hexen, hervorgebracht durch die Fiktionalität des Hexenbegriffs.
Ah, okay, dagegen habe ich nichts Grundsätzliches einzuwenden. Wiewohl ich lieber zwischen (dem Begriff) "Hexe" und Hexe (das, was mit "Hexe" gemeint ist) unterscheiden wollen würde, um use-mention-Fehler zu vermeiden. Daher gefällt es mir z.B. auch nicht so gut, sowas zu sagen wie: "es gibt Hexen als Begriff". Aber solange ich weiß, dass Du damit nichts anderes meinst als "es gibt den Begriff 'Hexe' ", soll es mir auch recht sein.

Zusammenfassend können wir nun sagen: es gibt den Begriff "Hexe", aber Hexen gibt es nicht. Analog dazu sagt Gabriel, dass es die Welt (das Sinnfeld aller Sinnfelder) nicht gäbe. Oder?




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Alethos
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Sa 13. Jan 2018, 00:24

Herr K. hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 23:37
Alethos hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 22:59
Der Realist eines bestimmten Typs meint nun aber nicht, dass die Zahl eine Idee von Zahlen sei, sondern dass Zahlen existieren in einem nichtideellen Sinn, sondern in einem Sinnfeld der Zahlen. Dieses Sinnfeld ist aber nicht ein erdachter, sondern ein (du würdest sagen) eigenständiger Bereich.
Hm, das ist aber in Kombination mit dem, was Du oben sagtest - dass Zahlen nichts Raumzeitliches seien - nun auch meiner Ansicht nach lupenreiner Platonismus. Dazu ein Zitat aus der SEP (Linnebo, Øystein, "Platonism in the Philosophy of Mathematics", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2017 Edition), Edward N. Zalta (ed.)):

Platonismus bezüglich Mathematik (oder mathematischer Platonismus) ist die metaphysische Ansicht, dass es abstrakte mathematische Objekte gibt, deren Existenz unabhängig von uns und unserer Sprache, unserem Denken und unserer Praxis ist. So wie Elektronen und Planeten unabhängig von uns existieren, so existieren auch Zahlen und Mengen. Und so wie Aussagen über Elektronen und Planeten durch die Objekte, um die es geht, und die vollkommen objektiven Eigenschaften dieser Objekte wahr oder falsch gemacht werden, so sind es auch Aussagen über Zahlen und Mengen. Mathematische Wahrheiten werden also entdeckt, nicht erfunden.
Ok, das könnte ja den Eindruck erweckt haben, ich hätte meine Argumente dort abgekupfert, sogar der Stil ist ähnlich :) Aber ich kann dir versichern, ich meine nicht das, was die Definition oben meint.

Stellen wir uns doch ein Atom vor, besser einen Atomkern. Nichts weniger Platonisches als das, oder?

Gut, nehmen wir an, der Atomkern zerfalle in zwei gleich grosse Teile. Nehmen wir einmal an, es habe den Bruchteil einer Milliardstelsekunde zwei absolut gleich grosse Teile gegeben, also zwei Hälften. Es gab doch diese zwei Hälften in einem ganz materiellen, völlig unplatonischen Sinn?

Nun gab es also die Zahl 2 durch die Teilung des Atoms in zwei Hälften. Die 2 wird hier repräsentiert durch die Materie. Es ist kein Denken notwendig, damit es die 2 gibt, sie kommt an der materiellen Sache selbst vor. Die 2 erscheint an der Materie. Das ist ja alles kein Platonismus, sondern materielle Wirklichkeit.

Nun sehen wir ja, dass die 2 erscheint in vielem, in Materiellem wie in Nichtmateriellem. Die 2 kommt überall vor, wo es zwei von etwas gibt. Nun wäre es doch nicht richtig zu sagen, dass die 2 diese Etwasse sei, sondern es wäre doch richtiger zu sagen, dass die Zahl überlagert erscheint mit der Materie? Denn die Materie war vorher ein Atom, dann zwei Hälften, dann unzählige Partikel (aber niemals keine Zahl). Nehmen wir an, das Atom gehe unter: Es ist doch falsch zu behaupten, dass die Zahl untergeht, wenn das Atom untergeht. Denn die Zahl kann jederzeit als genau die gleiche 2 wieder erscheinen, das Atom aber nie wieder als genau das gleiche Atom, sofern es untergegangen war.

Die 2 hat also weiter existiert, nicht in Raum und nicht in Zeit, aber deshalb auch nicht in einem platonischen Sinne, sondern in dem Bereich, in welchem die 2 nun eben vorkommen kann: z.B. in der Reihe der ganzen Zahlen zwischen 1 und 3.
Auch das ist keine platonische Welt, sondern ein Existenzbereich von Zahlen.



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Alethos
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Sa 13. Jan 2018, 00:52

Herr K. hat geschrieben :
Fr 12. Jan 2018, 23:49
Zusammenfassend können wir nun sagen: es gibt den Begriff "Hexe", aber Hexen gibt es nicht. Analog dazu sagt Gabriel, dass es die Welt (das Sinnfeld aller Sinnfelder) nicht gäbe. Oder?
Nun ja, es gibt den Begriff Hexe, es gibt Hexen in Zeichnungen, es gibt Hexen in Umzügen und es gibt Hexen in Gedanken (und wahrscheinlich in vielen anderen Sinnfeldern). Aber ich denke, wir können uns auf sehr viele Sinne von Es gibt einigen, auf welche es zutrifft, dass sie auf Hexen keine Anwendungen finden :mrgreen:
Spass beiseite: Hexen gibt es nicht in diesem üblicherweise gemeinten Sinn.

Und in gewissen Sinnfeldern gibt es die Welt, z.B. in einer Theorie, in einem Satz oder in einer Vorstellung: aber in einem bestimmten Sinn gibt es die Welt nach Gabriel nicht: im Sinne eines Sinnfelds aller Sinnfelder, d.h. etwas wittgensteinerischer formuliert: Die Welt gibt es nicht als Tatsache aller Tatsachen.



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