Who do we think we are?

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Tosa Inu
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Do 26. Jul 2018, 11:06

Ottington hat geschrieben :
Do 26. Jul 2018, 07:25
Und vor allem: Was hat das mit der Fussball WM zu tun?
Und überhaupt: Sind wir der neue philosophie-raum?

Nun. Fragen über Fragen.
Wer Fragen stellt, will Antworten.
Ich will meine gerne geben.

Mit der Fußball WM hatte das Rassismus Thema erkennbar über den Umweg der Özil Diskussion zu tun und das wirst Du wissen, Ottington.
Was Dir aber vermutlich nicht gefällt, ist die danach laufende Nichtdiskussion, die vor allem nichts mit Philosophie zu tun. So ist es leider mit den meisten Diskussionen hier geworden, vor allem auch mit den explizit philosophischen. Sie werden zerteilt, verschoben … verstehe ich alles, ein junges Forum will oder muss auch irgendwie wachsen, Fülle zeigen, die Sichtbarkeit bei Google ist ein Thema, kann man zu stehen, wie man will, dass es dazu gehört, kann ich einsehen.

Ich fand, lieber aus der vermeintlichen Not eine Tugend machen, klein und fein und intensiv. Das Potential wäre da gewesen, die Quatschköpfe hält man primär mit Qualität ab, leider haben wir nur in kurzen Momenten welche geboten. Das liegt in meinen Augen auch daran, dass man den verständlichen Versuch machte, der Entwicklung im philosophie-raum etwas entgegen zu setzen. Der Ton sollte freundlich sein, vor allem sollte auf Häme und brutale Diskussionsverzerrungen verzichtet werden. Alles war dort auf einmal politisiert, was ich generell schon anstrengend finde und was mit meiner Vorstellung von Philosophie bestenfalls am Rande etwas zu tun hat. Wir alle kennen das noch.
Du hast mal irgendwo geschrieben, Ottington, es habe Dich entsetzt, dass da Fragen diskutiert wurden, wie die, ob man Gerechtigkeit überhaupt braucht.
Mich auch. Vor allem. Wie das „diskutiert“ wurde.

Hatten wir hier dann schnell spiegelbildlich und es ist ebenfalls gescheitert. Namentlich in der MeToo Diskussion. Gescheitert m.E. auch an dem Versuch zwei Dinge zu vereinen. Alltagsempfinden und Philososphie. Das geht, das muss sogar gehen, aber nicht so. Die nette Plauderrunde von Menschen, die sich ein Stück weit darin gefallen, irgendwann mal Hegel und Goethe gelesen zu haben, sich ansonsten gerne zurück lehnen und verkünden und ihre Vorurteile schon und nur deshalb richtig finden, weil es eben ihre sind, mit Philosophie zu kreuzen ist ambitioniert. Kann man versuchen, hat aber nicht geklappt.

Ich habe vor Wochen schon innerlich gekündigt, war immer drauf und dran mein Unbehagen öffentlich zu machen oder diskret per pN zu adressieren, andererseits fragte ich mich, ob das für ein junges Forum gut ist. Ich war und bin noch immer hin und her gerissen. Aber hier sind inzwischen zu viele potente Schreiber ausgeschieden, weil sie systematisch frustriert wurden. Dem guten iselilja ist wirklich übel mitgespielt worden, wie der stets freundliche und philosophisch äußerst kompetente Herr K. hier behandelt und abgewürgt wird, ist ein Jammer. Ich habe im Stillen gehofft, dass einer der Mitmoderatoren hinter den Kulissen interveniert. Ob es passiert ist, wisst nur Ihr. Alethos, den ich klasse finde, ist ebenfalls frustriert und schreibt mit angezogener Handbremse. Zu Unrecht, Alethos, Du bist ein aufmerksamer Leser und prima Schreiber, mit sehr viel philosophischem Potential.

Für mich ist die Schreiberei hier seit geraumer Zeit eine Übung in Frustrationstoleranz, weil ich denke, wieso soll ich die Segel streichen, wenn sich hier und da gute Themen ergeben, speziell die „Ich“ und „Weltbild“ Diskussion haben mich dann zu einer weiteren Runde bewogen, auch weil ich den Austausch mit Friederike sehr schätze. Jörn signalisiert mit seiner Erkrankung oder Erkränkung, dass er im Moment nicht mehr aufnehmen kann, darum halte ich meine Kritik kurz: Ich kann jedes Wort von DPZ in dem Kontext unterschreiben und möchte nur ergänzen, dass das ewig gleiche Schema bei philosophischen Kontroversen, des urplötzlichen Nichtverstehenkönnen des anderen, mit einem nachfolgen Überfluten der anderen Position mit Stimmen, die vermeintlich auf Jörns Linie liegen extrem frustrierend und diskursmordend ist.

Wer wollen wir sein? Eine virtuelle Wellnessoase mit einem Conférencier, der Zückerchen verteilt, wenn er regelmäßig Applaus bekommt aber ansonsten eingeschnappt ist? Eventuell können wir das noch entscheiden. Bei höchstens 5 aktiven Schreibern, brauchen wir keine 10 neuen Themen pro Woche, aber das ist nur ein Seitenaspekt. Macht Euch klar, worum es Euch geht. Ich will nicht lesen müssen, dass einer nackt vorm Rechner sitzt, hat wirklich niemand die Ironie meiner Reaktion verstanden? Wenn nicht, umso schlimmer, die nachfolgend aufgesetzte Pikiertheit finde ich eher verstörend.

Ich will mehr Philosophie. Ich habe gerade auch in Foren wunderschöne Momente, erhellende Diskussionen und Aha-Effekte erlebt. Die ausufernden Diskussionen über die Willensfreiheit fand ich großartig, ich konnte meine eigene Position verändern, habe mich überzeugen lassen können, was kann man mehr verlangen? Ich fand, ‚neulich‘ noch, die Großdiskussion über den radikalen Konstruktivismus ausgezeichnet. Die Qualia-Diskussionen haben gezeigt, dass selbst wir Amateure ziemlich weit vorstoßen können. Da ist im Rückblick sehr viel Gutes, eine Menge Freude und Erkenntnis, ich habe tatsächlich in virtuellen Foren sehr viel lernen dürfen, fachlich und menschlich. Aber die Sterne verlöschen, vielleicht ist die Zeit der Foren vorbei. Vielleicht finden wir neue Formen, einen neuen Stil.

Wer von Euch will das? Ich will nicht da sitzen, anderen zuprosten und mich irgendwie besser fühlen und mich mit Philosophie bespaßen lassen. Mir kann auch das Thema Politik gestohlen bleiben, aber ich sehe nicht, wie man derzeit daran vorbei kommt, so mache ich mit eben auch dazu Gedanken. Wenn der Schwerpunkt des Forums darauf liegen soll, dass hier alles sehr gesittet abläuft und man in stereotyper Manier über die Verrohung der Sitten echauffiert und ansonsten über den Köpfen des Pöbels über Badezimmer, Urlaubsfotos, Kunst und Kultur debattiert, dann ist mir das nicht genug.

Lest mal, was Daniel-Pascal Zorn über Philosophie geschrieben hat: Zur phil.cologne – und warum sie nichts mit Philosophie zu tun hat
Findet das irgendeiner hier gut? Ich glaube, dass das in einigen hier was zum Mitschwingen bringt.

Ich will keine Palastrevolte, ich schiele auf kein „Amt“ hier im Forum, ich stehe für ein solches auch nicht zu Verfügung. Ich habe ehrlichen Respekt vor der Arbeit, die Jörn hier investiert, ich bedanke mich auch für den technischen Support und die vielen Stunden des Engagements von Jörn. Friederike, Ottington und Stefanie. Es geht mir auch nicht um den x-ten Aufguss dieses unsäglichen Niveaugesülzes, à la Nauplios‘, das Foren nur schadet und stets nur eine weitere Form der Selbstdarstellung ist.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Friederike
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Do 26. Jul 2018, 12:35

@T.I., ich habe die Abschnitte Deines Beitrages nur ein bißchen umsortiert:
Tosa Inu hat geschrieben :
Do 26. Jul 2018, 11:06
Ich fand, lieber aus der vermeintlichen Not eine Tugend machen, klein und fein und intensiv.
Jaaa! Was ein wenig Werbung, d.h. was die Berücksichtigung des Wunsches, einige PhilosophInnen dazuzugewinnen, nicht ausschließt. Aber ich verstehe, was Du meinst. Natürlich schließt eines das Andere nicht aus; es ist mehr eine Frage, wo man die Grenze zieht und ob man Qualität oder besser noch, ob man Intensität dem Zuwachswunsch "opfert".
Tosa Inu hat geschrieben : Wer wollen wir sein? Eine virtuelle Wellnessoase mit einem Conférencier, der Zückerchen verteilt, wenn er regelmäßig Applaus bekommt aber ansonsten eingeschnappt ist? Eventuell können wir das noch entscheiden. Bei höchstens 5 aktiven Schreibern, brauchen wir keine 10 neuen Themen pro Woche, aber das ist nur ein Seitenaspekt. Macht Euch klar, worum es Euch geht.
Mir geht es ganz und gar darum, was Du im folgenden Abschnitt schreibst (daß es aus meiner Sicht ein Mißverhältnis zwischen der Anzahl der GesprächsteilnehmerInnen und der in Aussicht genommenen Forums-Struktur-Veränderungen gibt, habe ich, glaube ich, deutlich gemacht. Aber dies nur nebenbei).
Tosa Inu hat geschrieben : Ich will mehr Philosophie. Ich habe gerade auch in Foren wunderschöne Momente, erhellende Diskussionen und Aha-Effekte erlebt. Die ausufernden Diskussionen über die Willensfreiheit fand ich großartig, ich konnte meine eigene Position verändern, habe mich überzeugen lassen können, was kann man mehr verlangen? Ich fand, ‚neulich‘ noch, die Großdiskussion über den radikalen Konstruktivismus ausgezeichnet. Die Qualia-Diskussionen haben gezeigt, dass selbst wir Amateure ziemlich weit vorstoßen können. Da ist im Rückblick sehr viel Gutes, eine Menge Freude und Erkenntnis, ich habe tatsächlich in virtuellen Foren sehr viel lernen dürfen, fachlich und menschlich. [...]
Tosa Inu hat geschrieben : Ich habe vor Wochen schon innerlich gekündigt, war immer drauf und dran mein Unbehagen öffentlich zu machen oder diskret per pN zu adressieren, andererseits fragte ich mich, ob das für ein junges Forum gut ist. Ich war und bin noch immer hin und her gerissen.
Nein @T.I., ich finde es großartig von Dir, Deinen Mißmut öffentlich auszudrücken und damit uns allen Gelegenheit zu geben, über das, was uns gefällt und das, was uns mißfällt, zu reden. Mit diesem "uns" meine ich jedes einzelne Mitglied des Forums. Von meiner Natur her bin ich so gestrickt, daß ich meine Entscheidungen zuvor lange überdenke, und wenn ich mich dann aber einmal entschieden habe, dann bin ich superbeharrlich im Aushalten von Problematischem und darin, Lösungen zu suchen. Was ich persönlich schrecklich finde, das ist ein Weggehen, ohne daß mir vorher die Gelegenheit gegeben wird, auf Frust, Verärgerung, d.h. Kritik zu antworten.




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Friederike
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Do 26. Jul 2018, 12:44

Echt, ich könnte Dich umärmeln für Deine offene Art, die Selbstreflexion anzuregen.




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Friederike
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Fr 27. Jul 2018, 11:11

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 26. Jul 2018, 11:06
Lest mal, was Daniel-Pascal Zorn über Philosophie geschrieben hat:Zur phil.cologne – und warum sie nichts mit Philosophie zu tun hat
Findet das irgendeiner hier gut? Ich glaube, dass das in einigen hier was zum Mitschwingen bringt.
Während des ersten Lesens gestern ist meine Reaktion eher ablehnend gewesen. Elitärer Anspruch, an sich selbst, an diejenigen, die Philosophie betreiben; kenne ich das nicht von früher: Disziplin, Strenge, Arbeit, Unlustigkeit als Indiz für Ernsthaftigeit usw usf. Ich zitiere dazu 2 Abschnitte, die mich an Platons "Ideenschau" erinnern.
DP Zorn hat geschrieben : Den Gipfel, daran führt kein Weg vorbei, erreicht man nur, indem man ihn selbst besteigt. Indem man die dünne Luft dort oben auszuhalten lernt, indem man lernt, der eigenen Kraft zu vertrauen, die Steigeisen richtig zu setzen, die Kletterhaken fest zu verankern und die Seile richtig zu knoten. Indem man Schritt für Schritt nach oben geht und nicht versucht, den Gipfelsturm auch wörtlich so zu verstehen. Es gibt keinen Gipfelsturm, aber man kommt umso besser voran, je höher man geht. Dennoch reicht ein Schritt und man landet im Nichts.

Ein schwaches Licht, das ewig brennt

Habe ich nun nicht selbst eine Geschichte vom Gipfel erzählt? Was beweist, dass ich dort oben war, um davon zu berichten? Nun, nichts. Aber ich bin bereit, den Weg mit denen gemeinsam anzutreten, die wissen wollen, ob es stimmt. Ich erzähle nicht nur vom Gipfel, ich steige immer wieder zu ihm hinauf. Und immer wieder wird der, der mit mir geht, erst ganz oben wissen, ob meine Geschichte stimmt. Nur wer den Weg geht, wird ihn erfahren – und selbst wenn ich den Weg schon hundertmal gegangen bin, werde ich das nur beweisen können, indem ich ihn immer noch ein weiteres Mal gehe.
Aber ich wußte gestern schon, daß es bei d e r Reaktion nicht bleiben würde. Der Aspekt, daß in philosophische Gedankenwelten einzutauchen bedeutet, sich (mich) herausfordern zu lassen, die Grenzen, von denen ich meine, es seien meine Grenzen, ein bißchen weiter zu machen, den hat der Artikel in mir aktualisiert und lebendig gemacht. Was Zorn zwar nicht explizit schreibt, was aber aus nahezu jedem Satz durchscheint, das ist das Ziel der "Selbst-Entfaltung", d.h. der Gewinn, den man für sich selber aus dem philosophischen Denken zieht - falls man sich wirklich intensiv auf das -anscheinend zuuu- Schwierige einläßt. Aber mir stehen nur dürre Worte zur Verfügung für das, was Zorn viel eloquenter über die Philosophie als Lebens-Inhalt schreibt.




Tosa Inu
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Fr 27. Jul 2018, 11:51

Ich fand den ersten Teil des Artikels zu hart (auch jetzt noch), im Kontrast zum Anspruch im zweiten Teil aber nachvollziehbar und diesen Teil brillant.
Ich gestehe aber, auf diesem Gebiet verführbar zu sein, vertrete ja selbst einen gewissen Elitarismus und hole mir in ein paar Minuten Zorns Buch "Einführung in die Philosophie" um zu schauen, was er schreibt und gestehe, erst mal, nach der Lektüre einiger Texte auf seiner Webite, ziemlich positiv geflasht zu sein.

Bis vor ein paar Tagen kannte ich den Mann ja gar nicht. Ich werde von meinen Eindrücken berichten.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Friederike
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Fr 27. Jul 2018, 12:12

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 11:51
Ich fand den ersten Teil des Artikels zu hart (auch jetzt noch), im Kontrast zum Anspruch im zweiten Teil aber nachvollziehbar und diesen Teil brillant.
:lol: Meine Negativkritik gestern charakterisiert das Wort "brilliant" ausgezeichnet. "Zorn inszeniert den einsamen schweißtreibenden Gang. Ein bißchen mehr Schlichtheit würde seinen Ausführungen über das Wesen des philosophischen Weges gut anstehen". Ich setze die Anführungsstriche, weil ich diese meine Gedanken inzwischen korrigiert habe.
Tosa Inu hat geschrieben : Ich gestehe aber, auf diesem Gebiet verführbar zu sein, vertrete ja selbst einen gewissen Elitarismus und hole mir in ein paar Minuten Zorns Buch "Einführung in die Philosophie" um zu schauen, was er schreibt und gestehe, erst mal, nach der Lektüre einiger Texte auf seiner Webite, ziemlich positiv geflasht zu sein.
Apropos "geflasht" - ich hatte gerade eben, noch bevor ich es las, schreiben wollen, daß ich über "Gipfelerlebnisse" zu hören, von Dir im Kontext der Meditation gewohnt bin. Über "Gipfelerlebnisse" oder "Gipfelerfahrungen" im Denken oder durch das Denken zu lesen, fand und finde ich äußerst attraktiv.




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Fr 27. Jul 2018, 13:08

Friederike hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 12:12
Über "Gipfelerlebnisse" oder "Gipfelerfahrungen" im Denken oder durch das Denken zu lesen, fand und finde ich äußerst attraktiv.
Wenn Du es schon kennst, dann sorry, ansonsten könnte Dir Das Genie Spaß machen, mir hat's Spaß gemacht, kühle Gipfel inklusive.



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Friederike
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Fr 27. Jul 2018, 17:24

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 13:08
Wenn Du es schon kennst, dann sorry, ansonsten könnte Dir Das Genie Spaß machen, mir hat's Spaß gemacht, kühle Gipfel inklusive.
Bild irgendwie cool - das Programm weigert sich, mir "das Genie" zum Lesen zu geben (es läßt mir nur den Zugriff bis Psychomagazin). Das macht nichts, morgen früh, wenn es kühler ist, werde ich den Laptop schon austri-x-en.




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Fr 27. Jul 2018, 20:04

Friederike hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 17:24
Bild irgendwie cool - das Programm weigert sich, mir "das Genie" zum Lesen zu geben (es läßt mir nur den Zugriff bis Psychomagazin). Das macht nichts, morgen früh, wenn es kühler ist, werde ich den Laptop schon austri-x-en.
Tut mir leid, habe ich korrekt eingestellt und der link führt bei mir auch direkt zum Artikel.
Aber ich denke, das wird schon klappen.

Erstes Feedback von Zorns 'Einführung'.
Angenehm dünn, 130 Seiten, ich hätte für eine anständige Schriftgröße aber gerne auch 30 Seiten mehr in Kauf genommen.
Der Schreibstil liegt mir, direkt und kein Firlefanz, die Haltung hinterm Text, die ich zu erkennen meine, ist mir sympathisch, weil einfühlsam, habe viel abnicken können, das findet der Leser natürlich immer gut.
Inhaltlich geht es, bin auf Seite 30, um den Zugang des studierenden oder außerakademischen Lesers zum philosophischen Text und was diesem Zugang im Weg steht. Zunächst die Textgebirge, vor denen der Neuling steht, dann institutionelle Schwierigkeiten und der allgemeine Umgang, bzw. das Bild von Philosophie und das Problem einer Anpassung an wissenschschaftliche und Lernstandards, die Abnickphase. Eine zu selbstsichere oder bescheidene Haltung verstellt oft den unbefangenen Umgang mit dem philosophsichen Text, eine Unvoreingenommenheit, die man sich wieder neu erschließen muss.
Macht Lust auf mehr, aber jetzt ist erst mal das philosophische Radio dran.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Friederike
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Sa 28. Jul 2018, 09:39

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 20:04
Der Schreibstil liegt mir, direkt und kein Firlefanz, die Haltung hinterm Text, die ich zu erkennen meine, ist mir sympathisch, weil einfühlsam, habe viel abnicken können, das findet der Leser natürlich immer gut.
Hmhmhm, Dich meinst Du nicht, oder etwa doch? Ich kann mir schwer vorstellen, daß Dich ein flott abzunickender Text nicht ziemlich anöden würde. Einige Haken und Ösen müssen es aus meiner Sicht schon sein, andernfalls kommt man, komme ich mit dem Autor nicht gut ins Gespräch.
Tosa Inu hat geschrieben : Inhaltlich geht es, bin auf Seite 30, um den Zugang des studierenden oder außerakademischen Lesers zum philosophischen Text und was diesem Zugang im Weg steht. Zunächst die Textgebirge, vor denen der Neuling steht, dann institutionelle Schwierigkeiten und der allgemeine Umgang, bzw. das Bild von Philosophie und das Problem einer Anpassung an wissenschaftliche und Lernstandards, die Abnickphase. Eine zu selbstsichere oder bescheidene Haltung verstellt oft den unbefangenen Umgang mit dem philosophischen Text, eine Unvoreingenommenheit, die man sich wieder neu erschließen muss.
Sage mal, Zorn unterscheidet da recht strikt, die Profis und die Laien? Ich frage das, weil es mir hier bei dem, was er schrieb, aufgefallen ist, und weil ich es gerne von Dir bestätigt sehen würde. :lol: Was sich natürlich nicht alleine aus der Unterscheidung an sich schon ergibt ... sondern mehr aus der Art und Weise, wie er es tut (mein Bild sind die "Stände", die "Ordines", merkwürdig, ich bin schon wieder bei der Elite und dem Fußvolk).




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Sa 28. Jul 2018, 10:14

Friederike hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 09:39
Hmhmhm, Dich meinst Du nicht, oder etwa doch? Ich kann mir schwer vorstellen, daß Dich ein flott abzunickender Text nicht ziemlich anöden würde. Einige Haken und Ösen müssen es aus meiner Sicht schon sein, andernfalls kommt man, komme ich mit dem Autor nicht gut ins Gespräch.
Aktuell habe ich das Problem, dass ich tatsächlich auch noch nichts auszusetzen habe, aber von einer Einführung würde ich das nun auch nicht zwingend erwarten, aber ich denke, Irritationen werden schoon noch kommen.
Friederike hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 09:39
]
Sage mal, Zorn unterscheidet da recht strikt, die Profis und die Laien?
Nee, zumindest verstehe ich ihn anders. Er möchte dem Laien eigentlich eher Mut machen, sich nicht frustrieren zu lassen und durch die Texte der anderen quasi auch zu sich zu finden. Und natürlich damit auch zu dem Philosophen. Meine alte Vorstellung ist, dass Philosophie im Grunde eine Übung in Empathie ist, weil es darum geht, sich ganz auf die Gedankenwelt eines anderen einzulassen und so verstehe ich Zorn bis zu dieser Stelle, wie gesagt, der Seite 30.
Friederike hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 09:39
]
Ich frage das, weil es mir hier bei dem, was er schrieb, aufgefallen ist, und weil ich es gerne von Dir bestätigt sehen würde. :lol:
Lies mal den Text.
Friederike hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 09:39
]
Was sich natürlich nicht alleine aus der Unterscheidung an sich schon ergibt ... sondern mehr aus der Art und Weise, wie er es tut (mein Bild sind die "Stände", die "Ordines", merkwürdig, ich bin schon wieder bei der Elite und dem Fußvolk).
Wenn man Elitarismus, der sich nicht aus einer Versteinerung ableitet, richtig versteht, ist das eigentlich eine sehr schöne Geschichte.
Elitarismus hat dann immer auch was von Selbstermächtigung und Aufklärung. Gute Philosophie ist m.E. tatsächlich radikal, der Bergbild passt schon.
Aber radikal heißt eben nicht eisern und unbelehrbar an genau einer Position festzuhalten und absurde Thesen zu vertreten, sondern - das dann auch im Sinne des schon bei Zorn Gelesenen - breit aufgestellt zu sein und sich auf eine gewisse Fülle einzulassen und natürlich Enwänden gegenüber offen zu sein und die eigene Position zu begründen. Sonst ist es auch keine Philosophie und diskursthechnisch ebenso nichts wert.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Sa 4. Aug 2018, 10:37

Friederike hat geschrieben :
Sa 28. Jul 2018, 09:39
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 27. Jul 2018, 20:04
Der Schreibstil liegt mir, direkt und kein Firlefanz, die Haltung hinterm Text, die ich zu erkennen meine, ist mir sympathisch, weil einfühlsam, habe viel abnicken können, das findet der Leser natürlich immer gut.
Hmhmhm, Dich meinst Du nicht, oder etwa doch? Ich kann mir schwer vorstellen, daß Dich ein flott abzunickender Text nicht ziemlich anöden würde. Einige Haken und Ösen müssen es aus meiner Sicht schon sein, andernfalls kommt man, komme ich mit dem Autor nicht gut ins Gespräch.
Hier kann ich gut für die nächsten 30 Seiten anknüpfen. Die Markierungen am Rand, zu denen auch Zorn rät, sind zahlreicher geworden, vor allem warnt er an mehreren Stellen davor nur Gefälliges zu konsumieren und Philosophie insofern verkommen zu lassen, dass man als einzigen Maßstab die Übereinstimmung mit der eigenen Sichtweise gelten lässt.
Inhaltlich wendet er sich der Frage zu, ob man sich gleich dem Hauptwerk annähern kann und darf, ja, und weist auf die Gefahren hin, dass man sich mit Annäherungen und Einführungen in Interpretationen zu Interpreten ... verheddern kann und zum Hauptwerk gar nicht mehr durchdringt.
Verschiedene Schulen haben da verschiedene Vorstellungen und Wege der Annäherung an den Autor, vor allem, an seinen Text.
Der steht bei Zorn Ansatz und Philosophieverständnis, wie ich ihn bisher verstehe, im Vordergrund oder Mittelpunkt. Er will eine gesunde Mitte in der Annäherung erreichen, keine falsche Ehrfurcht, aber auch keine überhebliche Zurückweisung dessen, was sich auf den ersten und zweiten Blick als dunkel und sperrig erweist.
Vielfalt, statt Eindimennsionalität. Auch, wie die Philosophen selbst in ihrer Zeit eingebunden und situiert waren kommt zur Sprache. Teils Bettelarm, teils wohlhabend, mal jemand der allein vorangeht, manche waren nebenher berufstätig, oft sogar vielfach eingebunden.

Durch den Text erfahren wir sehr viel, was über den Text hinaus geht. Die typischen Fragestellungen der Zeit, in der er geschrieben wurde und die impliziten Hintergründe des damaligen Denkens und irgendwie, das bringt Zorns Text in mir zum klingen, ist Textanalyse ja immer auch Psychoanalyse. Einerseits ist der Abstand zwischen Psychologie und Philosophie maximal, weil der Fokus philosophisch immer auf dem Allgemeinsten liegt, psychologsich das Allgemeine auf die Frage runterbricht, was das alles mit mir zu tun hat. Reflexion ist, andererseits, das Handwerkszeug beider. Dazwischen liegt der Text.

Nun ist die Frage, wieviel Autor eigentlich im Text liegt. Ich habe noch die Stimme des Kafka-Biographen Stach im Ohr:
Diese eigentümliche Dialektik von An- und Abwesenheit reicht bis in Innerste des literarischen Werks. Die zahllosen Tagesreste aus Alltag und privatesten Sorgen, die Kafka dort abgelagert hat, sind unübersehbar. Die beispielhafte Allgemeingültigkeit seines Werks aber ebenfalls. Dieser Widerspruch, dieses Rätsel ist vielleicht der entscheidende Prüfstein jedes biographischen Unterfangens. Wenn der sozial unscheinbarste Mensch dazu fähig ist, in der Geschichte der Weltkultur eine Schockwelle auszulösen, deren Echos bis heute nachhallen, dann scheint es unvermeidlich Leben und Werk als inkompatible Welten zu betrachten, die ihren je eigenen Gesetzen folgen. „Das Leben des Autors ist nicht das Leben des Menschen, der er ist“, heißt es apodiktisch in Valérys Randnotizen zu den ‚Leonardo‘-Essays. Und Kafka selbst grub noch eine Schicht tiefer: „Der Standpunkt der Kunst und des Lebens ist auch im Künstler selbst ein verschiedener.“ Das haben wir zu respektieren. Doch der Biograph kann hier nicht stehen bleiben. Er hat zu erklären, wie aus einem Bewusstsein, dem alles zu denken gibt, ein Bewusstsein werden konnte, das allen zu denken gab. Das ist die Aufgabe.
(Reiner Stach, Kafka – Die Jahre der Entscheidung, S. Fischer Verlag, 2002, S. XXII)


Wie weit kann man sich im Text von sich selbst entfernen? Oder wie weit ist noch im Versuch der Abstraktion aufs Allgemeinste, etwa in der Philosophie (oder der Literatur) der Autor immer anwesend. Selbst im im demonstrativen Nichtstun, ist 'the artist present'. Kafka hat ja den Versuch unternommen, sich von sich selbst zu entfernen, durch eine konstante Veredlung des Schreibens. Wobei das glaube ich alles keine Eskapisten sind, sondern Menschen, die versuchen in recht radikaler Weise zu sich zu finden und es mitunter wohl auch geschafft haben. Von Marina Abramović habe ich in einem Interview Sätze gelesen, die denen eines Zen-Meisters in nichts nachstanden.

Was ich mit Zorn ebenfalls teile ist eine gewissen Skepsis gegenüber dem Diskurs, die er in dem WDR 5 Interview äußert. Grundsätzlich bin ich in weiten Teilen ein Anhänger von Habermas, auch was die Diskurstheorie angeht, aber längst nicht jeder Dialog ist ein Diskurs, wenn man ehrlich ist, kaum einer.
So kann man das 'Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen' zwar als typisch menschlich ansehen, aber die Qualität dessen, was als hinreichender Grund akzeptiert wird ist beträchlich, so dass sich oft ein 'Spiel des Gebens und Nehmens von Klischees' einstellt.

Die Frage nach der Stufe der kommunikativen Kompetenz stellt sich auch hier wieder recht organisch. Warum lässt sich einer von den besseren Argumenten bezwingen und kann sich eigentlcih gar nicht mehr dagegen wehren, während ich so viele Menschen kenne, die sich in ihren Selbstwidersprüchen bestens eingerichtet haben, dass ich zu bezweifeln wage, ob es die sogenannte kognitive Dissonanz überhaupt in einem breiteren Rahmen gibt.

Diese vermeintlichen Selbstwidersprüche bei sich und anderen sehen und vor allem aushalten zu können ist ja das, was ein reifes Ich charakterisiert. Wenn sie fundamental sind und im Minutentakt daher kommen, sind sie sicher problematisch, aber gehören gewisse Selbstwidersprüche nicht zum Menschsein dazu und trennen nicht gerade diese die interessante von der stinklangweiligen Biographie?

Das ist auch das, was die Langeweile des Forenbetriebs ausmacht. Die Erstarrung und Selbstinzenierung. Man kennt sich und die anderen und kann die typischen Antworten und Reaktionen im Grunde selbst verfassen. Selten wird man noch überrascht, die notorische Unbelehrbarkeit wird dann oft sogar Qualitätsmerkmal genommen.
Eine Forenqualität ist es insofern, als man sich über die Jahre innerlich verharrt und mit ein und derselben Nummer, im immer gleichen Stil - mal Holzhammer, mal der dezente Hinweis, der Philosphen, die keiner kennt in Form eines konstanten Namedroppings als jemanden hinstellen, den man ganz selbstverständlich zu kennen hat, wenn man auch nur irgendwie mitreden will. Diese Form der Blenderei zur eigenen Kunstform zu erheben ist fast schon wieder anerkennenswert, aber dennoch ist man da falsch abgebogen und immer wieder nur bei sich gelandet. Der Tiger und der Bettvorleger.
Im Durchschnitt ist es aber eher so, dass man thematisch erstarrt und mit ein und demselben Ansatz seit Jahren auf der immer gleichen Tour ist, aber rhetorisch durchaus aufgerüstet hat. Man hat sich hier und da eine blutige Nase geholt, sich aber berappelt und sich einige Kniffe und Tricks abgeschaut. So wird notorische Unbeeindruckbarkeit, vielleicht systembedingt, ironischerweise zur Basisqalität in Foren, aber der Philosoph kann niemals unbeeindruckbar sein.

Zorn, das ist vielleicht ein erster milder Widerspruch, der sich andeutet, will die rhetorische Kompetenz stärken, aber das könnte auch dazu führen, dass man sich rhetorisch wappnet und dieses Arsenal als weiteren Ring um die eigene Trutzburg zieht. Im Gegenzug die Latte hochzuhängen, über die man muss, ist auch das, was mir einfällt. Den Gutwilligen die Tür offen zu halten und die Erstarrten abzuweisen oder herauszufordern, irgendwo daher führt der Weg.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Sa 4. Aug 2018, 14:53

Tosa Inu hat geschrieben : Durch den Text erfahren wir sehr viel, was über den Text hinaus geht. Die typischen Fragestellungen der Zeit, in der er geschrieben wurde und die impliziten Hintergründe des damaligen Denkens und irgendwie, das bringt Zorns Text in mir zum klingen, ist Textanalyse ja immer auch Psychoanalyse. Einerseits ist der Abstand zwischen Psychologie und Philosophie maximal, weil der Fokus philosophisch immer auf dem Allgemeinsten liegt, psychologisch das Allgemeine auf die Frage runterbricht, was das alles mit mir zu tun hat. Reflexion ist, andererseits, das Handwerkszeug beider. Dazwischen liegt der Text.
Du bringst immer so viel auf einmal und das in so wenigen Sätzen. Textanalyse sei Psychoanalyse, was mir allerdings was ganz Anderes zu meinen scheint als der Umstand, daß die Rezeption eines Textes vom jeweiligen Leser oder der jeweiligen Leserin auf die eigene Lebenssituation hin befragt oder in Beziehung zu eigenen Fragestellungen gesetzt wird. Am Ende geht es dann um die Psychologie als Disziplin. Nein, es handelt sich, so wie Dich verstehe, um 2 Stränge. Einmal der Fächervergleich (Psychologie + Philosophie) und zum Anderen um die Beziehung zwischen philosophischem Text und RezepientIn. Letzteres würde ich nur zu einem Teil unter psychische Befindlichkeit fassen, denn die Anwendung auf die eigene Person schließt doch auch, denke ich, den geistigen Anteil ein.

Zum Eingangs von Dir erwähnten Punkt trage ich bei, daß die philosophischen Seminare, die ich absolviert habe (Mitte bis Ende der 90er Jahre) sehr auf die Texte und ihre Autoren fixiert waren. Daß auch philosophische Texte -ebenso wie alle anderen Texte- in soziale, wissenschaftliche und ökonomische Strukturen eingebunden sind, daß sie Antworten und Reaktionen auf andere Texte und Autoren sind, das ist mir erst später deutlich geworden.

Weiteres folgt.




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Friederike
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Sa 4. Aug 2018, 15:11

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 4. Aug 2018, 10:37
Das ist auch das, was die Langeweile des Forenbetriebs ausmacht. Die Erstarrung und Selbstinzenierung. Man kennt sich und die anderen und kann die typischen Antworten und Reaktionen im Grunde selbst verfassen. Selten wird man noch überrascht, die notorische Unbelehrbarkeit wird dann oft sogar Qualitätsmerkmal genommen. Im Durchschnitt ist es aber eher so, dass man thematisch erstarrt und mit ein und demselben Ansatz seit Jahren auf der immer gleichen Tour ist, aber rhetorisch durchaus aufgerüstet hat. Man hat sich hier und da eine blutige Nase geholt, sich aber berappelt und sich einige Kniffe und Tricks abgeschaut. So wird notorische Unbeeindruckbarkeit, vielleicht systembedingt, ironischerweise zur Basisqalität in Foren, aber der Philosoph kann niemals unbeeindruckbar sein.
Hm, das empfinde ich anders. Sowohl, was mein eigenes Verhalten angeht als auch das der GesprächspartnerInnen. Vielleicht ... sehr wahrscheinlich liegt es daran, daß ich nicht nur an den Worten interessiert bin, sondern auch an den Menschen, die sie schreiben. Deswegen wird mir in der Regel nicht langweilig. Ich nehme Entwicklungen an den Anderen wahr und auch an mir.

Tosa Inu hat geschrieben : Zorn, das ist vielleicht ein erster milder Widerspruch, der sich andeutet, will die rhetorische Kompetenz stärken, aber das könnte auch dazu führen, dass man sich rhetorisch wappnet und dieses Arsenal als weiteren Ring um die eigene Trutzburg zieht. Im Gegenzug die Latte hochzuhängen, über die man muss, ist auch das, was mir einfällt. Den Gutwilligen die Tür offen zu halten und die Erstarrten abzuweisen oder herauszufordern, irgendwo daher führt der Weg.
Tosa Inu hat geschrieben : Die Frage nach der Stufe der kommunikativen Kompetenz stellt sich auch hier wieder recht organisch. Warum lässt sich einer von den besseren Argumenten bezwingen und kann sich eigentlich gar nicht mehr dagegen wehren, während ich so viele Menschen kenne, die sich in ihren Selbstwidersprüchen bestens eingerichtet haben, dass ich zu bezweifeln wage, ob es die sogenannte kognitive Dissonanz überhaupt in einem breiteren Rahmen gibt.
In der Tat, was Zorn hier im Forum geantwortet hat (war das die angewandte "deskriptive Logik"?), das habe ich nur zum Teil verstanden. Mich könnte Z. mit 2 Sätzen in die Pfanne hauen. Das heißt, ich käme nicht einmal bis zu dem Erkenntnispunkt, ob es sich um einen Selbstwiderspruch handelt oder um eine gedankliche Ungeschicklichkeit bzw. Inkonsistenz oder um einen logischen Fehler.




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Friederike
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Sa 4. Aug 2018, 15:40

offtopic:
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 4. Aug 2018, 10:37
Das ist auch das, was die Langeweile des Forenbetriebs ausmacht.
Bei solcher Art Äußerung merke ich, wie ich ein bißchen gekränkt bin. Ähnlich der Äußerung, "ich hab' noch was anderes zu tun als im Forum xy zu schreiben" (was ja auch meistens im Zusammenhang mit Verärgerung geschrieben wird. Was heißt, die Äußerung hat eine aggressive Komponente). Meine Entwicklung in dieser Hinsicht ist, daß das Gekränktsein mich nicht mehr rundum erschüttert. Was geblieben ist, und was ich auch nicht verändern will, daß ich meine Reaktion klar äußere. Das genügt, um mit mir im Reinen zu sein.




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So 5. Aug 2018, 09:37

Friederike hat geschrieben :
Sa 4. Aug 2018, 14:53
... die Beziehung zwischen philosophischem Text und RezepientIn. Letzteres würde ich nur zu einem Teil unter psychische Befindlichkeit fassen, denn die Anwendung auf die eigene Person schließt doch auch, denke ich, den geistigen Anteil ein.
Ich hatte dabei eher den Autor eines Textes im Sinn, aber für die Rezipientin kann man das natürlich auch ähnlich sehen, etwa in der Frage, warum einen eine bestimmte Richtung oder ein bestimmter Autor anzieht.
Und der geistige Anteil gehört zur Psyche dazu. Die Psyche ist ja nichts was fühlt, während der Geist denkt, sondern es ist die Psyche, die denkt, fühlt, empfindet und sich als jemanden erlebt, der einen Körper hat oder auch Körper ist.
Friederike hat geschrieben :
Sa 4. Aug 2018, 15:11
Hm, das empfinde ich anders. Sowohl, was mein eigenes Verhalten angeht als auch das der GesprächspartnerInnen. Vielleicht ... sehr wahrscheinlich liegt es daran, daß ich nicht nur an den Worten interessiert bin, sondern auch an den Menschen, die sie schreiben. Deswegen wird mir in der Regel nicht langweilig. Ich nehme Entwicklungen an den Anderen wahr und auch an mir.

Siehst Du das als etwas, was sich ausschließt? Die Worte schreiben sich ja nicht selbst und ich tausche mich auch nicht mit Texten aus, sondern mit Menschen. Ich freue mich stets, wenn ich Veränderungen wahrnehme oder jemannd das Potential dazu hat und bin resigniert und gelangweilt, wenn ich schon vorher zu wissen glaube, wer was als Reaktion bringt. Noch schlimmer ist, wenn das dann auch noch stimmt.
Friederike hat geschrieben :
Sa 4. Aug 2018, 15:11
In der Tat, was Zorn hier im Forum geantwortet hat (war das die angewandte "deskriptive Logik"?), das habe ich nur zum Teil verstanden.
Würde ich schon so sehen. Dabei geht es ja darum, was jemand schreibend tut, z.B. welche stillen Annahmen er voraussetzt, wo er auf Autoritäten zurückgreift und welche Funktion das hat. Aber nicht aus einer immer gleichen Schule heraus, z.B. tiefenpsychologisch oder marxistisch, sondern logisch im Sinne der verwendeten Bausteine. Wo setzt jemand welche Phrasen, Stilmittel etc. zu welchem Zweck ein.
„Wie niemand bestreiten wird … .“ Damit ziehe ich ja schon eine Linie, hinter der das liegt, was ich nicht zu diskutieren bereit bin.
„Wer sich ein wenig mehr in der Philosophie auskennt, wird früher oder später auf den Philosophen … treffen.“ Damit signalisiert jemand, das er zu jenen gehört, die sich auskennen und diesen Philosophen, den man damit einfach kennen muss schon längst bearbeitet hat.
Aber es geht eben auch um Widersprüche, die sich aus dem was man sagt und tut ergeben. Wie Zorn in dem Interview sagt, sind Argumente dafür, dass Argumente nichts bringen ein ganz offensichtlicher Widerspruch.
Den findest Du auch, wenn Hirnforscher rational argumentieren, dass unser Denken nichts ist und die Gefühle alles, wir Roth es immer wieder gerne tut. Performativer Selbstwiderspruch, der ist häufig.
Wenn jemand vorgibt philosophieren zu wollen, aber jeden Hinweis auf einen philosophischen Fehlschluss ignoriert. Und so weiter.
Dann ist vieles eine Frage der Deutungshoheit, die jemand einziehen will, der sagt, diese Sicht ist die beste, höchste, einzig wahre, grundlegendste usw. Das sieht man oft bei Streits von Naturwissenschaftlern mit Philosophen. Indem der Naturwissenschaftler argumentiert, nimmt er ja selbst gar nicht mehr Schwerkraft und Atome als Ausgang, sondern Gründe, selbst dann, wenn er das ganze Gelaber über Gründe abstoßend dämlich findet und nur auf Empirie setzt.

Übrigens, und nicht um Salz in eventuelle Wunden zu streuen: Mausfeld ist ein glänzendes und lohnendes Objekt um die deskriptive Logik mal praktisch anzuwenden. Glänzend deshalb, weil das eine reiche Fundgrube ist.
Friederike hat geschrieben :
Sa 4. Aug 2018, 15:11
Mich könnte Z. mit 2 Sätzen in die Pfanne hauen. Das heißt, ich käme nicht einmal bis zu dem Erkenntnispunkt, ob es sich um einen Selbstwiderspruch handelt oder um eine gedankliche Ungeschicklichkeit bzw. Inkonsistenz oder um einen logischen Fehler.
Das ist doch gar nicht sein Anspruch, jemanden in die Pfanne zu hauen. Hast Du da einen Gorilla gesehen, der kurz alles klein getrampelt hat und dann brüllend und drohend weggezogen ist? Ich nicht.
Es geht doch ums Aufwecken, aber dazu gehört immer auch jemand, der sich aufwecken lässt. Der andere Punkt ist, dass man in Foren ja nicht allein ist, die anderen sehen, was passiert ist und ja, ob jemand lernfähig ist. Das ist immer ein öffentliches Spiel und das weiß man auch dann, wenn es nicht kommentiert wird.
Friederike hat geschrieben :
Sa 4. Aug 2018, 15:40
offtopic:
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 4. Aug 2018, 10:37
Das ist auch das, was die Langeweile des Forenbetriebs ausmacht.
Bei solcher Art Äußerung merke ich, wie ich ein bißchen gekränkt bin. Ähnlich der Äußerung, "ich hab' noch was anderes zu tun als im Forum xy zu schreiben" (was ja auch meistens im Zusammenhang mit Verärgerung geschrieben wird. Was heißt, die Äußerung hat eine aggressive Komponente). Meine Entwicklung in dieser Hinsicht ist, daß das Gekränktsein mich nicht mehr rundum erschüttert. Was geblieben ist, und was ich auch nicht verändern will, daß ich meine Reaktion klar äußere. Das genügt, um mit mir im Reinen zu sein.
Nimm es als Ich-Botschaft: Ich bin gelangweilt. Es geht mir nicht um einen Auftrag, dass ich gerne gut unterhalten werden möchte.
Was mich ärgert, ist, dass ich sehr schöne Forenmomente erlebt habe und da geht es mir um philosophische Erkenntnisse. Wenn man sich mal darauf einlässt, dass jemand in einem Forum tatsächlich auch einen gestandenen Philosophen widerlegen kann und das dafür nur gute Argumente reichen, ist man in der Zone, die Zorn in Buch auch anspricht. In einem Bereich, in dem man sich und dem anderen und der Kraft der Argumente was zutraut und nicht vor Autoritäten einknickt. Also nicht: „Ja, das wirkt zwar falsch, aber wenn Kant das geschrieben hat … .“ Aber die andere falsche Position ist so eine Killerhaltung: „Kant hat sich hier widersprochen, da auch, also ist alles was Kant geschrieben hat ein einziger Mist.“

Aber dafür muss man aus Diskurssimulationen raus und sich dahin trauen, wo es weh tut. Wenn ich Diskurssimulationen sehe, wird mir langweilig. Diskurssimulationen sind alle starren Posen, gleich welcher Art. Der ewige Rebell, Bescheidwisser, Bewunderer. Es gibt da viele unglückliche Rollen.

Was das Forum hier angeht, sollten diejenigen, die in der Lage sind die Rollen zu variieren m.E. darüber nachdenken wohin die Reise gehen soll.
Die Möglichkeiten sind: Mehr Philosophie wagen, die andere Richtung ist der gesittete Plausch.
Das schließt sich nicht kategorisch aus, auch Hobbyphilosophen wollen mal aus ihrem Leben plaudern und sich Tipps geben.
Das ist ja dann auch ein Signal, was man nach außen sendet.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Tosa Inu
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Di 7. Aug 2018, 17:06

Jetzt ist mir auch klar geworden, an was mich Zorns Buch am meisten erinnert.

Man hätte es auch „Philosophie und alles was ihr im Weg steht“ nennen können, wobei er auf institutionelle Schwierigkeiten ebenso eingeht, wie auf persönliche.
Er listet viele Fehler auf, die man machen kann, die einen in der letzten Konsequenz alle dazu bringen Philosophie zu imitieren und wahre Philosophie zu vermeiden.
Was wahre Philosophie nach Zorns Vorstellung ist, wird gerade auch anhand der Fehler deutlich, Fehler, die man wiederum auch konstruktiv nutzen kann.
Erinnert hat mich das an Chögyam Trungpas Buch „Spirituellen Materialismus durchschneiden“ in dem Trungpa, der ja auch einer sprechenden und schreibenden Tradition angehört darstellt, welche Fehler man machen kann und gewöhnlich auch macht, wenn man beginnt den spirituellen Weg zu betreten. Insbesondere dem direkten und sprechenden Aspekt der Philosophie, den Zorn auf die Dialoge des Sokrates zurück führt und von denen er, anders als manche Kollegen viel hält, widmet sich der Anfang von Teil II des Buches.

Die falschen Vorstellungen sind im Grunde Bestandteil des Weges und ähnlich wie in der Philosophie werden sie auf dem Weg erkannt und können wohl auch erst dort erkannt werden.
Ich denke, fast jeder wird sich in einem der typischen Fehler die man machen kann, wiederfinden, die knapp, präzise und klar erläutert werden.
Diese Fehler sind aber nichts, was man von Anfang an vermeiden und ausmerzen sollte, sondern, da sie mehr oder weniger unvermeidbar sind, ist Zorns Ansatz, die produktiv zu nutzen, zum Zwecke der Selbsterkenntnis, in dem Fall der Selbsterkenntnis, was man ungewollt macht, um Philosophie zu verhindern.

Und was ist wahre Philosophie? Genau das gilt es eben selbst herauszufinden, so wie es für die wahre Spiritualität auch gilt. Aber es ist auch nicht so schwer, es zu schaffen. (Stand der Lektüre: Seite 76)



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Friederike
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Do 9. Aug 2018, 10:46

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 7. Aug 2018, 17:06
Was wahre Philosophie nach Zorns Vorstellung ist, wird gerade auch anhand der Fehler deutlich, Fehler, die man wiederum auch konstruktiv nutzen kann. [...]Die falschen Vorstellungen sind im Grunde Bestandteil des Weges und ähnlich wie in der Philosophie werden sie auf dem Weg erkannt und können wohl auch erst dort erkannt werden. Ich denke, fast jeder wird sich in einem der typischen Fehler die man machen kann, wiederfinden, die knapp, präzise und klar erläutert werden. Diese Fehler sind aber nichts, was man von Anfang an vermeiden und ausmerzen sollte, sondern, da sie mehr oder weniger unvermeidbar sind, ist Zorns Ansatz, die produktiv zu nutzen, zum Zwecke der Selbsterkenntnis, in dem Fall der Selbsterkenntnis, was man ungewollt macht, um Philosophie zu verhindern.
Diese Gedanken taugen für alle Lebensbereiche. Kreativeres fällt mir gerade nicht ein. 8-)
Man kriegt die Fehlervermeidungsnotwendigkeit ziemlich früh antrainiert, glaube ich.




Tosa Inu
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Mi 15. Aug 2018, 09:07

Zorns „Einführung in die Philosophie“ ist ungeheuer dicht geschrieben und gerade im zweiten Teil mit sehr grundsätzlichen diskurspraktischen Überlegungen gespickt. Es wäre ein hervorragendes Buch als Gebrauchsanweisung für Foren, nur wird kaum ein Forenuser glauben, dass er eine Einführung nötig hätte. Gerade die Platzhirsche könnten davon profitieren, allein, die Forendynamik bringt es mit sich, dass die es am wenigsten interessieren wird, denn die haben ihre jeweiligen Nischen gesucht und gefunden.

All diese Muster sind auch Zorn bekannt und er entlarvt sie recht schonungslos, indem er die mit den Mustern einhergehenden Erkenntnisbeschränkungen aufführt.
Immerhin auf zwei „?“ am Rand habe ich es bislang gebracht, beim nochmaligen Anhören des Radiointerviews ist der Groschen aber glaube ich gefallen.
Zorn kritisiert Habermas‘ Diskursrtheorie, wobei ich den Eindruck hatte, dass sein eigener Ansatz im Grunde genau diese voraussetzt, nämlich in der späten Einsicht, dass man sich doch auf dem Boden gleicher Standards bewegt. Aber Zorn ist nicht naiv und weiß, dass man sich an manchen Diskurspartnern die Zähne ausbeißt, nicht deshalb, weil diese so gute Argumente haben, sondern weil sie notorisch unbeirrbar sind und ihren Streifen einfach weiter durchziehen, komme, was da wolle. Warum sollte die Masche, oder die allmähliche Erstarrung, die seit 10 oder 15 Jahren klappt auch auf einmal geändert werden.
Es geht ja längst nicht in allen Fällen und längst nicht jedem um Erkenntnis, sondern immer auch um Selbstdarstellung, Bestätigung und Small Talk, was auch generell in Ordnung ist, da das zum Leben alles dazu gehört.

Die Frage ist, ob man dann auch „ins Amt gehen“ kann und die anderen Motive, wenigstens für die Dauer einer Diskussion zurückstellen kann. Und ob man sein Muster überhaupt kennt. In den letzten Jahren hat sich eher das Muster eingeschlichen, sich nicht zu verändern, rhetorisch aufzurüsten und sich ansonsten komplett unbeeindruckbar zu zeigen, jedenfalls ist das meine Wahrnehmung. Zorns offenbar auch, denn er spricht davon, dass wir zu oft in den Gladiatorenmodus schalten, in dem es nicht mehr darum geht, den anderen zu verstehen, sondern nur noch, ihn mit unseren Mittel zu besiegen.
Da aber, ein Hinweis von Zorn im Interview, wirklich jeder darüber klagt, dass das Diskursklima vergiftet ist, ist seien nicht ganz blöde Aufforderung, die Klagenden möchten doch ihren Beitrag dazu leisten, dass das Klima besser wird.

Diskussionen finden im öffentlichen Raum statt, in Foren ja ganz offensichtlich und wenn man den Unbeirrbaren auch nicht selbst überzeugen kann, so kann man doch den Mitlesern zeigen, wo dessen Limitierungen sind, einfach indem man seine Diskurspraxis untersucht. Wer will er sein, welche Mittel benutzt er dazu, welche stillschweigenden Annahmen führt er ein. Die rhetorischen Stilmittel sind ja nun nicht unüberschaubar, sondern eigentlich immer wieder gleich.
Doch es ist nicht immer knallharter Dogmatismus, Böswilligkeit oder eine Persönlichkeitsstörung, die einen selbst stagnieren lässt, oft genug ein Dosis Faulheit und Frust und in dem Fall hilft es dem an sich Gutwilligen sehr, das eigene Muster zu erkennen, denn die Reflexion ist ja nun mal die ureigene Stärke der Philosophie. (Lektürestand: Seite 94)



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Friederike
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Mi 15. Aug 2018, 11:18

Das heißt, es gibt überhaupt keine -öffentlichen- Räume, keine -öffentlichen- Gruppen, in denen ein Gespräch, das durch Neugier und Lernbereitschaft angetrieben ist, stattfindet???

Nein. :lol: Siehe hier. Es ist ja nicht so, daß ich die kritischen Aspekte nicht sähe ... sooo blind bin ich nicht. Aber insgesamt.




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