Was ist denn Kitsch?

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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Stefanie
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Mo 16. Okt 2023, 08:55

Ich vermute mal.

Was sind die Kriterien, also warum ist etwas Gut und warum ist es etwas Schlecht (Geschmack).

Beim Wein gibt es sowas wie objektive Kriterien, Öksel Werte und sowas. Die Traube, das Wetter usw. Das ist ein Bezugswert. Die Verpackung. Es ist glaube ich schlechter Geschmack, Wein im Tetra Pack zu kaufen.
Es gibt wohl auch für Whiskey und Co. objektive Kriterien.
Beim Bier in Deutschland wohl auch. Es geht dann nicht darum, dass der eine Kölsch lieber mag als Pils, und innerhalb der Sorten Kölsch eine bestimmte und ein anderer eine andere Sorte. Hauptsache Reinheitsgebot. Alles andere ist schlecht.

Dann wird es aber schwierig.
Warum zeugt das Tagen der Hose X von guten Geschmack und das Tragen der Hose Y von schlechten Geschmack.
Man erkennt es - zumindest die Meisten- nur woran erkennt man es.

Was ist der Inhalt des Guten.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Stefanie
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Mo 16. Okt 2023, 09:11

Ich vermute auch, ihr seid oder wir sind an einem anderem Punkt der Denkkette.

In dem Beispiel mit dem Wein Barry Smith ZItat, wird schon vorausgesetzt, dass der Wein gut ist Zitat "edlen Cabernet Sauvignon",
Aber warum ist gerade dieser Cabernet Sauvigon gut bzw. edel?



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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 09:11

Aber was tut die Frage nach Kriterien zur Sache?

Nicht für alles haben wir Kriterien. Ein Beispiel: In der Regel erkennen wir alle leicht, ob etwas süß ist. Wir sind (fast) alle gute Süße-Erkenner, ganz ohne Kriterien. Es gibt kein Kriterium für Süße, außer der Süße selbst. In der Kunst gehört es wahrscheinlich sogar zum Begriff des "guten Geschmacks", gute von schlechter Kunst auch ohne Kriterium unterscheiden zu können, sonst müsste ein Mensch mit gutem Geschmack bei innovativer Kunst immer passen.




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 09:14

Stefanie hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 09:11
In dem Beispiel mit dem Wein Barry Smith ZItat, wird schon vorausgesetzt, dass der Wein gut ist Zitat "edlen Cabernet Sauvignon",
In dem Beispiel geht es doch darum, dass wir die Güte des Weins nicht immer schmecken können, nicht nachdem wir in die Zitrone gebissen haben. Aber ist der Wein in diesem Moment schlecht? Nein, natürlich nicht, wir können es nur gerade nicht schmecken. Daraus folgt, dass der Geschmack nicht das sein kann, was mir hier und jetzt nur so erscheint.




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 09:27

Der amerikanische Philosoph John McDowell schlägt vor, Farben und Schönheit als Teil der objektiv erkennbaren Wirklichkeit zu betrachten. Ein Gegenstand der Erfahrung ist nach seinem Vorschlag dann “objektiv”, wenn er dieser Erfahrung offensteht, im Unterschied etwa zu einer subjektiven Einbildung.

McDowell schlägt vor, dass "sich eine Erfahrung auf eine objektive Realität bezieht, wenn der Gegenstand unabhängig ist von dieser speziellen Erfahrung selbst" vorliegt. Wenn wir diesen Begriff der Objektivität akzeptieren, können wir auch Farben und Schönheit als objektive Beschaffenheiten der Gegenstände, an denen sie sich zeigen, verstehen.

Hier drei Zitate, verschiedener Philosophen, die auf das Gleiche aus sind:

“Dass die Welt manche ihrer Eigenschaften nur Lebewesen mit einer bestimmten sinnlichen und begrifflichen Ausstattung enthüllt, nicht jedoch anderen, steht nicht im Widerspruch zu der These, dass diese Eigenschaften den Dingen objektiv zukommen.” (David Lauer, über John McDowell)

Dass wir an gewissen Dingen ästhetisch Gefallen haben, liegt sicher auch an der Organisation unserer Wahrnehmung und unseres Gefühls. Das gilt aber ebenso für die Farbwahrnehmung. In beiden Fällen rechtfertigt das jedoch nicht die Behauptung, die fraglichen Eigenschaften kämen nicht den Dingen selbst zu. (Franz von Kutschera)

Der neue Realismus unterstellt, [dass es Wahrheiten gibt] die nur zugänglich sind, wenn gewisse Registraturen im Spiel sind. [...] Daraus folgt aber weder, dass diese Formen eine Art willkürlicher Halluzination [dass sie bloß im Kopf sind] sind oder dass sie irgendwie alle falsch sind. (Markus Gabriel, Warum es die Welt nicht gibt.)




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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 11:21

Gegen die drei Zitate habe ich nichts einzuwenden.

Sie berühren außerdem nicht meine vorigen Beiträge, in denen es um andere Details ging.




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 11:39

Quk hat geschrieben :
Sa 14. Okt 2023, 19:37
Geschmack ist ja was individuell sinnliches. Geschmack zu haben, heißt, Geschmacksknospen zu haben, also bestimmte Sinne zu haben.
Dann verstehe ich nicht, was du damit meinst, auch wenn du es später als metaphorisch ausgezeichnet hast. Meines Erachtens steht das in direktem Widerspruch zu den Zitaten.




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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 12:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 08:26
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 15. Okt 2023, 13:00
... dass sie oder er in dem Bereich, in dem ihr oder ihm ein guter Geschmack attestiert wird, zuverlässig zwischen gut und schlecht unterscheiden kann.
Quk hat geschrieben :
So 15. Okt 2023, 13:43
Mich würde interessieren, nicht ob (oder dass) jemand zwischen gut und schlecht unterscheiden kann, sondern woraus das Gute besteht. Und ich meine, die Beschreibung des Guten muss auf einen Bezug aufbauen. Wasser ist gut zum Durstlöschen; Wasser ist schlecht zur Flutabwehr.
Woraus das Gute besteht? Dazu kann ich nichts sagen, weil ich die Frage nicht verstehe.
Ein Bezug? Ich schreibe in dem Zitat, dass es je um den Bereich geht, in dem jemandem ein guter Geschmack attestiert wird. Das ist doch ein Bezug, oder?
Es ist ein Bezug auf eine Ob-Frage. Ich stellte aber eine Woraus-Frage.

Der Grund, warum Du meine Frage nicht verstehst, ist vielleicht der, dass Du wahrscheinlich gewisse moralische Werte als a-priori, universal, weltintegral, begründunsgbefreit, real und unrelativierbar verstanden wissen möchtest.

Für mich allerdings hat da die Philosophie noch nicht den Schlusspunkt erreicht.

Woraus besteht das Gute? Es ist schwer, beschreibende Wörter dafür zu finden, ohne in einen Zirkel zu geraten. Aber es gibt Beispiele; vielleicht helfen die ein bisschen als Beschreibung:

Wir sind in einem Lebens-System. Meiner Ansicht nach gibt es darin zwei parallele, spezielle Prozesse:
Prozess A: Das Gesamtsystem verhält sich selbsterhaltend, andernfalls würde es zerfallen.
Prozess B: Die Einzel-Akteure im System handeln nach Anreizen im Feld der Qualia und der Logik.

Es ist eine offene Kausal-Frage, ob A bestimmte Anreize zu B schickt, damit B selbsterhaltend handelt. Oder ob Anreize nur ein Nebeneffekt sind, die zum Systemerhalt irrelevant sind. (Schon Nietzsche hatte sich gefragt, warum Zahnweh dermaßen weh tun muss; eine Nummer kleiner wäre auch spürbar.)

Wie auch immer. Egal, ob die Anreize notwendig oder ein überflüssiges Relikt aus Urzeiten sind; einer dieser Anreize will ich als Beispiel nennen:

Selten ist ein einziger Mensch Spezialist in allen Lebensaufgaben. Deshalb wird das Leben einfacher, wenn verschiedene Menschen, also verschiedene Spezialisten, sich gruppieren und gemeinsam durchs Leben gehen. In dieser Hinsicht befinden wir uns in Prozess A. Das ist das sich selbstoptimierende Gesamtsystem. Nun, ob kausal oder nicht, jedenfalls geschehen Anreize in den Menschen; diese Anreize wecken in den Menschen das Bedürfnis, sich zu gruppieren. Das gehört zu Prozess B. Gelangt eine einzelne Person in eine zu ihr passende Gruppe, so werden die Gruppierungs-Bedürfnisse befriedigt. Die Befriedigung an sich ist eine Empfindungsqualität, die nicht näher beschreibbar ist; ich zähle sie zu den Qualia, wie rot, salzig, hungrig, etc. Die Empfindungsqualität der Befriedigung nenne ich einfach "befriedigend" (neben "hungrig", "durstig", "kitzelig" etc.). Das Quale "befriedigend" ist dasjenige, was auch erlebbar ist nach dem Orgasmus, nach dem Pinkeln, nach dem Durststillen, nach dem Essen -- in variabler Intensität. Dabei passieren auch biochemische Effekte, und man kann sich fragen, ob Hormone den Geist beeinflussen oder ob sie nur korrelierende Nebeneffekte sind, oder ob die Hormone sogar vom Geist gesteuert sind. Aber das ist jetzt nicht mein Thema. Diese Kausalfragen sind in meinem Beispiel hier nicht relevant. Sondern es geht um die Qualia des Verlangens und der Befriedigung. -- Und das Gute besteht darin, Qualia der selbsterhaltenden Anreize (hungrig, durstig) und der Befriedigung geschehen zu lassen. Das ist doppelt gut, nämlich in Prozess A als auch in Prozess B.

Das mit dem Gruppierungsanreiz war eine Beispielantwort von vielen auf die Frage, woraus das Gute besteht. Das Gute ist ein System. Ein System hat Bestandteile. In manchen philosophischen Denkrichtungen mag diese Antwort enttäuschend unromatisch daherkommen. Ich bin offensichtlich kein Romantiker.

Zusammenfassung dieses Beispiels: Sich zu gruppieren, tut gut (im Sinn des wohltuenden Befriedigungs-Quales). Diesbezüglich zeugt es von "gutem Geschmack", derartiges Gruppieren zu thematisieren durch Symbole in der Mode, Musik, Kunst, Moral etc. Das ist das Gute. Bezogen auf das jeweilige Anliegen. Ein Kind aus der Gruppe zu reißen wäre "geschmacklos", gelinde gesagt; soll heißen: Ungut.




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Stefanie
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Mo 16. Okt 2023, 15:03

Gruppiert man sich entsprechend dem jeweiligen Anliegen, d.h. ein Mensch kann in verschiedenen Gruppierungen sein, oder ist es nur eine einzige Gruppierung die dann für ihre jeweilige Anliegen ihren guten Geschmack mittels der genannten Symbole erschafft?
Wie will man in so einen Gruppierungssystem, insbesondere bei nur einer Gruppierung, verhindern, dass das ganze totalitär und einseitig wird, und die einzelnen Gruppenmitglieder keine Chance haben, was anderes kennen zu lernen. Es gibt bzgl. des jeweiligen Anliegens nur einen Geschmack, der als gut empfunden wird und damit zugelassen wird.

Wenn es jetzt nicht schon etwas kühl draußen wäre, würde ich auf einer Bank an einen Bahnhof sitzen und warten bis das Verstehen einfährt. Wahrscheinlich mit gewaltiger Verspätung.



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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 15:55

In diesem Beispiel meinte ich nicht die Gruppierung von Anliegen; das wäre ein anderes Thema. Sondern das wohltuende Gruppengefühl per se. Ich hätte besser ein anderes Beispiel nehmen sollen, das nicht so schnell zur Sozialkritik inspiriert.

Ganz anderes Beispiel:

Es gibt da eine These (der stimme ich zu) über die ästhetischen Wirkungen von vertikalen und horizontalen Linien. Wir leben auf einem Boden, der uns anzieht. Wenn wir zu schief stehen, fallen wir um. Wenn ich eine vertikale Linie sehe, weiß ich, die hat das Potenzial zum Umkippen. Wenn ich eine horizontale Linie sehe, weiß ich, die kann nicht mehr umkippen. Die ruht. Die ist stabil. Die Vertikale hingegen, die 90° aufrecht steht, riskiert ein Umkippen. Driftet sie zu 89° oder 91°, wird sie instabil. Kippt sie weiter, nähert sie sich schließlich der Horizontalen bei 0°, wo sie die perfekte Ruhe findet. Wenn mein Kopf zu wenig Blut bekommt und ich kreidebleich werde, erlebe ich den Anreiz, mich flach hinzulegen. Das ist lebenswichtig, damit das Blut im Körper sich gleichmäßiger verteilen kann. In so einer Gemütslage, wo ich die Ruhe suche, finde ich den Anblick von Bildern mit horizontalen Strukturen ein bisschen angenehmer als solche mit vertikalen. Ein Meereshorizont etwa. Oder eine flache Wiese. Das Bild ist dann in Harmonie mit dem lebenswichtigen Anreiz des Flachliegens, jetzt in diesem Moment. Da finde ich das Bild schön. Da könnte ich alltagsmetaphorisch sagen: Die Malerin dieses Bildes hatte einen "guten Geschmack". Oder ich sage: "Das Bild gefällt mir". "Es ist gut." Die Begründung liegt darin, dass es einen lebenswichtigen Bezug nimmt; in diesem Fall bezogen auf die Dringlichkeit, den gefährlich niedrigen Blutdruck zu erhöhen.

Wenn ich dann wieder fit bin und joggen möchte, habe ich mich an dem horizontal strukturierten Ruhebild sattgesehen. Dann gefallen mir Vertikale besser, und wenn ich rennen möchte (kann auch lebenswichtig sein) gefallen mir vielleicht Diagonale noch besser, weil die sich bereits in Unruhe befinden (sie sind am Kippen) -- und Joggen ist die reine Unruhe. Da ist die Harmonie wieder. Sie bezieht sich auf mindestens zwei Elemente. Ich hoffe, ich habe jetzt nicht den Faden verloren.

Ich möchte jetzt nicht den Grad der Unruhe beim Joggen erörtern oder den Grad der Lebenswichtigkeit von diesem und jenem, sondern nur das Prinzip meiner Überlegung skizzieren.




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 16:33

Das sind Versuche (hier und in dem anderen Faden), das Gute und das Schöne loszuwerden, indem man beide naturalisiert. Richtig? In Wahrheit ist das Bild selbst gar nicht schön, sondern es spiegelt einfach nur unsere Evolution wider.




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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 16:48

Wie gesagt, ich bin offensichtlich kein Romantiker :-)

Allerdings sehe ich in meiner Ansicht keinesfalls ein "Loswerden des Schönen".

Das Gute und Schöne erlebe ich, ohne es vorher mystifizieren zu müssen.




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Jörn Budesheim
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Mo 16. Okt 2023, 17:23

Und was an deiner Position bzw. was an der Evolutionsgeschichte des Menschen verpflichtet dich darauf, die Gegenseite zu "Mystikern" oder "Romantikern" zu machen? Das soll ja wahrscheinlich sagen: wer was anderes glaubt, ist irrational, oder?




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Stefanie
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Mo 16. Okt 2023, 17:41

Den Beitrag mit den Linien vertikal und horizontal etc. habe ich gar nicht verstanden. Sorry.



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Mo 16. Okt 2023, 18:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 17:23
Und was an deiner Position bzw. was an der Evolutionsgeschichte des Menschen verpflichtet dich darauf, die Gegenseite zu "Mystikern" oder "Romantikern" zu machen? Das soll ja wahrscheinlich sagen: wer was anderes glaubt, ist irrational, oder?
Nein.

Ich versuchte, nach meiner Ideologie etwas zu erklären, das in manch anderen Ideologien eher heilighaft, verschlossen und begründungsfrei bleiben soll. (Ein bisschen wie in einer strengen Variante des Islams, in der man von Menschen keine Bilder machen darf; da bleiben alle Bilder abstrakt ornamental.)

Solche Ideologien würde ich nicht notwendig als "irrational" bezeichnen, denn die Insassen solcher Ideologien haben eine Vorstellung, die sie bis zu einer bestimmten Tiefe rational erörtern, denke ich. Nun, ab einer allzu detailierten Erörterungstiefe beenden sie ihre Vorstellung. Übrigens, auch diese Denkschranke halte ich für rational, denn sie scheint erwünscht zu sein. Auf den Wunsch bezogen, ist das rational, würde ich sagen.

An so einer Denkschranke muss sich meine Ideologie nicht aufhalten. Meine Ideologie legt Wert auf Adjektive, die das Gegenteil sind von heilighaft, verschlossen, begründungsfrei. Eine Sache zu mystifizieren heißt für mich, eine Sache heilighaft zu machen, und zwar deswegen, weil das Wunderbare in der Sache -- die an sich, in meinen Augen, bereits superwunderbar ist -- in jenen Ideologien noch nicht megawunderbar genug ist. Zum Zweck dieser Megawunderbarisierung muss das Guckloch auf die Sache verschlossen werden, denn sonst sieht man, dass die Sache "nur" superwunderbar ist und nicht megawunderbar. Oben drauf setzen solche Ideologien noch die kategorische Ablehnung von Begründungsanfragen. Diese Ablehnung hält jeden Erklärbar schon aus hundert Meter Entfernung vor dem Guckloch ab. Das nenne ich Mystifizierung. Hier meine ich aber nur die philosophische, nicht die politische.

Aber, wie so oft, wird sich auch diese Angelegenheit vielleicht wieder als Missverständnis entpuppen? :-)




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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 18:39

Stefanie hat geschrieben :
Mo 16. Okt 2023, 17:41
Den Beitrag mit den Linien vertikal und horizontal etc. habe ich gar nicht verstanden. Sorry.
An welcher Stelle im Text bist Du ausgestiegen?




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Stefanie
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Mo 16. Okt 2023, 20:29

Ich bin überhaupt nicht reingekommen.
Vorher waren es Konventionen von und in Gruppen. Dann das Beispiel mit den Krawatten, dann der Beitrag mit dem Gruppengefühl per se und dann das komplette Gegenteil.
Die, ich nenne es mal so, Versuchsanordnung, habe ich schon nicht verstanden. Wie die ästhetische Wirkung von vertikalen und horizontalen Linien??? Was ist das? Mal davon abgesehen, dass ich mir das immer mit senkrecht und waagerecht übersetzen muss. Ergo der Einstieg war schon gescheitert.
Ich habe keinen Bezug zu den Argumentationen in den anderen Beiträgen erkennen können. Eure nachfolgende Diskussion verursachte natürlich noch mehr Fragezeichen.
Ich möchte es nur verstehen.



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Quk
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Mo 16. Okt 2023, 21:32

Du kannst dazu auch "senkrecht" und "waagerecht" sagen.

Eine Senkrechte auf einem Bild ist beispielsweise ein schmaler Turm, ein Tannenbaumstamm, ein Zaunpfosten.
Eine Waagerechte auf einem Bild ist beispielsweise der ferne Meereshorizont, eine Tischplatte, ein Fußboden.

Eine Waagerechte wirkt eher stabiler und ruhiger als eine Senkrechte. Das sind Thesen, die zum Beispiel auch in der visuellen Werbung wichtig sind.




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Stefanie
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Di 17. Okt 2023, 08:28

Gestern Abend habe ich noch versucht, zu dieser These waagerecht/senkrecht etwas zu finden. Einen sehr kurzen Text habe ich gefunden, der das sagt, was hier auch geschrieben wird. Ich nehme das jetzt mal an, wobei ich beim Betrachten der Regalböden meines großen Regals ernsthafte Zweifel habe, wer da den stabileren Eindruck macht; auf jeden Fall nicht die waagerechten Regalböden.

Quk, ich verstehe Dein Konzept bzgl. Gut und Guten Geschmack einfach nicht.
Am meisten habe ich noch beim Beispiel mit der Krawatte verstanden, was ich daran merkte, dass der Inhalt etwas Widerspruch bei mir erzeugte.
Die anderen Thesen habe ich gestern Abend indirekt minimal etwas verstanden, weil ich Jörn´s Entgegnungen nachvollziehen konnte, ohne dies mit meinen eigenen Worten wiedergeben zu können.
Terminator 2 anschauen ist immer für was gut ;- )

Ich bin mir nicht sicher, ob es sich diesmal auch um ein Missverständnis handelt, aber kein Grund sich zu "streiten", nicht wahr?

(Eigentlich war das Thema "Guter Geschmack" hier auch immer gut, leichtes schmunzeln bis mehr zu erzeugen.)



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Quk
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Di 17. Okt 2023, 10:46

Darf ich vorschlagen, langsam Schritt für Schritt zunächst einmal zu klären, wie jede Person in dieser Diskussion die Begriffe definiert?

Meine Definitionen:

"Gut"
Wenn jemand ehrlich sagt, X sei gut, bedeutet das, X regt beim Sagenden ein tendenziell wohltuendes Erlebnis an. Die Person erlebt dabei positive Empfindungsqualitäten; die sind variabel skalierbar von beruhigend über freudig bis begeisternd (Adjektive frei wählbar, Hauptsache positiv oberhalb von "apathisch"). Meine Definition hat also mit Empfindungsqualitäten zu tun, nicht mit beispielsweise göttlichen oder Kategorisch Imperativen Systemen, die ein abstraktes höchstes Gut implizieren, welches das Erleben von Empfindungsqualitäten überhaupt erst ermöglichen soll. In meiner Definition können Sozialsysteme eine Rolle spielen, müssen aber nicht. Auch ein Eremit kann etwas gutheißen. Ein Sozialsystem an sich, etwa eine Familie, kann selbst X sein. Und jemand kann ehrlich sagen, X sei gut, also die Familie sei gut. Der Sagende erlebt dabei positive Empfindungsqualitäten. Der Sagende wird durch seine Äußerung und vielleicht durch seine Mimik selbst wiederum zu einem weiteren X, wo andere dann sagen mögen, X sei gut. Sie regen sich wechselseitig an, die positiven Empfindungsqualitäten mitzuerleben. Man kann diese Kommunikation auch abstrakt "Sozialer Raum" nennen (abstrakt, weil nichtphysikalisch). Wären aber diese Empfindungsqualitäten nicht erlebbar, wäre der Soziale Raum buchstäblich erlebnislos. Menschen sind Lebewesen, keine Abstraktionen. Das Leben hat eine Qualität. Und die ist konkret eine Empfindungsqualität. Im Leben gibts auch eine Wasserqualität, aber schlussendlich wird diese danach bewertet, ob sie krank macht oder nicht; und krankmachendes Wasser führt zum Erleben negativer Empfindungsqualitäten.

"Guten Geschmack haben"
Dies ist eine Metapher in der Alltagssprache. Es gibt die Fähigkeit, etwas "Gutes" (siehe oben) symbolisch in einem Gegenstand Y wiederzuerkennen. Wenn mir eine Person diese Fähigkeit zeigt und ich ähnlich "Gutes" in Y wiedererkenne, kann ich der Person sagen: "Du hast einen guten Geschmack." Kurzform: "Du hast Geschmack." Dieses Urteil ist nicht universal, sondern betrifft im Moment des Sagens nur diese Person und mich. Im ironischen oder oberflächlichen Sinn mag dieses Urteil jedoch universal klingen.




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