Krähen
- Jörn Budesheim
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Freuen sich die Krähen auf den Frühling?
Ich vermute, die Krähen freuen sich auf den Frühling. Dass es einen regelmäßigen Jahreszeitenverlauf gibt, lernen sie nach spätestes drei Jahren; manche Vogelarten -- Zugvögel etwa -- haben dieses Wissen wahrscheinlich sogar in ihren Genen. Und der Grund dafür, dass der Frühling besser ist als der Winter, liegt möglicherweise in seinem größeren Nahrungsangebot. Gutes Essen macht Freude. Sicherlich gibt es noch viele weitere Gründe.
- Jörn Budesheim
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Ich habe vor längerer Zeit einen Artikel gelesen, in dem es hieß, Krähen seien etwa so intelligent wie siebenjährige Kinder. Ich habe das gerade überprüft, und meine Erinnerung hat mich nicht getrogen.
Die Experimente untersuchten allerdings eher "praktische" Fähigkeiten. So wurde Krähen ein Plexiglas-Zylinder präsentiert, der zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. Darin schwamm ein Korkstück mit Futter. Die Krähen erkannten, dass sie den Wasserstand erhöhen konnten, indem sie Steine hineinwarfen ...
Andere Experimente zeigten, dass sie vermutlich Entscheidungen für den nächsten Tag treffen konnten. "Der nächste Tag" ist allerdings etwas ganz anderes als "die nächste Jahreszeit". Doch Krähen leben natürlich in jahreszeitlichen Zyklen – Paarungszeit, Nestbau, Brutsaison –, es ist also denkbar, dass sie ein bewusstes Verständnis für die zyklische Wiederkehr der Jahreszeiten haben könnten. Das ist natürlich Spekulation.
Um sich tatsächlich auf den Frühling zu freuen, müssten sich Krähen eine relativ weit entfernte Zukunft vorstellen. Sie müssten unglaublich viel Fantasie haben, etwa die Fähigkeit zur sogenannten "mentalen Zeitreise". Außerdem müssten sie komplexe Emotionen wie eben Freude bzw. Vorfreude haben.
Dennoch würde es mich nicht überraschen, wenn Krähen dazu in der Lage wären. :-)
Die Experimente untersuchten allerdings eher "praktische" Fähigkeiten. So wurde Krähen ein Plexiglas-Zylinder präsentiert, der zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. Darin schwamm ein Korkstück mit Futter. Die Krähen erkannten, dass sie den Wasserstand erhöhen konnten, indem sie Steine hineinwarfen ...
Andere Experimente zeigten, dass sie vermutlich Entscheidungen für den nächsten Tag treffen konnten. "Der nächste Tag" ist allerdings etwas ganz anderes als "die nächste Jahreszeit". Doch Krähen leben natürlich in jahreszeitlichen Zyklen – Paarungszeit, Nestbau, Brutsaison –, es ist also denkbar, dass sie ein bewusstes Verständnis für die zyklische Wiederkehr der Jahreszeiten haben könnten. Das ist natürlich Spekulation.
Um sich tatsächlich auf den Frühling zu freuen, müssten sich Krähen eine relativ weit entfernte Zukunft vorstellen. Sie müssten unglaublich viel Fantasie haben, etwa die Fähigkeit zur sogenannten "mentalen Zeitreise". Außerdem müssten sie komplexe Emotionen wie eben Freude bzw. Vorfreude haben.
Dennoch würde es mich nicht überraschen, wenn Krähen dazu in der Lage wären. :-)
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Vor gut zwei Jahren hab ich bei einem "Kurs" mitgemacht, der Schule für Dichtung Wien: "Kritik der Tiere". Im Rahmen dieses Kurses hab ich natürlich ein paar Gedichte und andere Text geschrieben, das war ja der Sinn der Sache :-)

Kritik der Krähe
Schöne Krähe
Schwarzes Geheimnis
Ich bewundere dich!
Doch das Schwarz der Nacht
kümmert es dich?
Das tiefe Schwarz der Abgründe
ängstigt es dich?
Schöne Krähe
Dein schwarzes Geheimnis
Wundert es dich?

Kritik der Krähe
Schöne Krähe
Schwarzes Geheimnis
Ich bewundere dich!
Doch das Schwarz der Nacht
kümmert es dich?
Das tiefe Schwarz der Abgründe
ängstigt es dich?
Schöne Krähe
Dein schwarzes Geheimnis
Wundert es dich?
- Jörn Budesheim
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Drei goldene Nüsse*
Immer wenn es hell wird und ich mich aus dem Schlafbaum löse und den großen Gesang hinter mir lasse, fliege ich zu der Birke vor deinem Steinbaum ohne Äste. Du lebst in dem Baumloch ohne Rundung. Ganz oben, obwohl du keine Flügel hast. Ich kenne dein schnabelloses Gesicht. Ich warte. Ich warte bis du aus der Höhlung kommst und auf dem flachen Ast erscheinst. Du krallst dich nicht fest und fällst doch nicht. Deine Augen stehen so eng, ob du mich sehen kannst?
Dann hebst du deinen Krallenflügel - er hat keine Federn - und wirfst drei goldene Nüsse ins Gras.
Ich stürze hinterher, will sie fangen in ihrer Bahn. Es gelingt nicht. Doch ich finde sie schnell. Denn sie schauen mich an aus dem feuchten Grün. Zwei kann ich tragen. Das ist nicht leicht. Ich fliege sie ins Versteck, hoch oben in einen anderen Steinbaum. Dorthin wo die Schnabellosen nie erscheinen. Dann kehre ich zurück, hämmere die letzte Nuss auf und esse die Kerne.
Morgen sehen wir uns wieder.
*aus dem selben Kurs
Immer wenn es hell wird und ich mich aus dem Schlafbaum löse und den großen Gesang hinter mir lasse, fliege ich zu der Birke vor deinem Steinbaum ohne Äste. Du lebst in dem Baumloch ohne Rundung. Ganz oben, obwohl du keine Flügel hast. Ich kenne dein schnabelloses Gesicht. Ich warte. Ich warte bis du aus der Höhlung kommst und auf dem flachen Ast erscheinst. Du krallst dich nicht fest und fällst doch nicht. Deine Augen stehen so eng, ob du mich sehen kannst?
Dann hebst du deinen Krallenflügel - er hat keine Federn - und wirfst drei goldene Nüsse ins Gras.
Ich stürze hinterher, will sie fangen in ihrer Bahn. Es gelingt nicht. Doch ich finde sie schnell. Denn sie schauen mich an aus dem feuchten Grün. Zwei kann ich tragen. Das ist nicht leicht. Ich fliege sie ins Versteck, hoch oben in einen anderen Steinbaum. Dorthin wo die Schnabellosen nie erscheinen. Dann kehre ich zurück, hämmere die letzte Nuss auf und esse die Kerne.
Morgen sehen wir uns wieder.
*aus dem selben Kurs
Ich denke, es kann keine Freude geben ohne Vorfreude. Vorfreude ist ein essentieller Lebensantrieb. Da die Krähen vermutlich einen ganzen Jahreszyklus ahnen können und wissen, was die Jahresabschnitte mit sich bringen, ist ihre Vorfreude vielleicht auch entsprechend lange zeitlich ausdehnbar.
- Jörn Budesheim
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Kann es nebenbei auch geben, ja. Aber Spontanfreude allein kann sich logischerweise evolutionär nicht entwickeln, weil es keinen keinen Sinn ergibt, wenn Freude nie vor dem Freudenziel auftaucht. Ohne Vorfreude kommt keine Motivation auf. Wenn nie Motivation da ist, muss die Evolution auch kein Freudengefühl entwickeln. Und wenn das nicht da ist, gibt es gar keine Freude; weder Vorfreude noch Spontanfreude.
- Jörn Budesheim
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Die Krähen könnten natürlich auch gar keine Freude empfinden. René Descartes glaubte schließlich, dass Tiere seelenlose Automaten (oha!) seien. Ich denke, diese These wird hier niemand vertreten wollen. Ich vermute eher, dass die Erforschung der Tiere noch einige Überraschungen für uns in Petto hat :-)