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Warum Bürokratieabbau auch gefährlich sein kann
Doch Vorsicht: Nicht immer geht es nur darum, Verwaltungswege effektiver zu gestalten. Hinter der Forderung kann auch das Ziel stecken, den Staat und seine Standards zu schleifen.
Der Soziologe Max Weber bestimmt Bürokratie in seinem Werk „Wirtschaft und Gesellschaft“ von 1922 als eine bestimmte, und zwar die rationalste Art, Herrschaft zu organisieren: Herrschaft durch Verwaltung.
Damit meint Weber nicht, dass die Verwaltung die Gesetze macht, sondern dass die Herrschaft derjenigen, die die Gesetze machen, durch das Handeln der Verwaltung – durch Ämter und Behörden – planvoll in die Tat umgesetzt wird.
Dieses bürokratische Handeln zeichnet sich durch mehrere Prinzipien aus. Am wichtigsten zu nennen sind: Professionalität, das heißt Arbeitsteilung und Trennung von Amt und Person; Unpersönlichkeit, also die neutrale Beurteilung von Sachverhalten ohne Ansehen der konkret Beteiligten, Berechenbarkeit durch strikte Befolgung vorgeschriebener Verfahren sowie Transparenz durch lückenlose schriftliche Dokumentation jedes Vorgangs.
Aus dieser Charakterisierung lässt sich nicht nur erkennen, dass moderne Demokratien auf Bürokratie angewiesen sind, sondern auch, dass eine gute Bürokratie selbst Grundprinzipien der modernen Demokratie verkörpert. Durch ihr oft kaltherzig erscheinendes Absehen von der Person verwirklicht sie die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Durch ihre oft kleinkariert wirkende strikte Befolgung vorgeschriebener Verfahren sichert sie die Einklagbarkeit eigener Ansprüche. Durch die oft umständliche Dokumentation von Anträgen, Genehmigungen und Berichten stellt sie Transparenz und Verantwortlichkeit her.
Wenn Betroffene die Neujustierung solcher Fehlsteuerungen fordern, ist das „Bürokratieabbau“ im Interesse einer gut funktionierenden Bürokratie selbst. Aber man muss genau hinsehen. Denn manchmal verbirgt sich hinter der gleichlautenden Forderung ein ganz anderes Ziel, nämlich die Stellen derjenigen Professionals abzubauen, die für die Erledigung des sinnvollen Verwaltungshandelns unverzichtbar sind. Solche Leute kosten Geld. Dann entsteht aber ein Teufelskreis: Am Ende kann die Bürokratie ihre Aufgaben gerade wegen des sogenannten Bürokratieabbaus nicht mehr erfüllen, was zu mehr Frustration mit der Bürokratie führt und die Forderung nach noch mehr Bürokratieabbau generiert.
Ist es so weit gekommen, dann schlägt die Stunde derjenigen, die auch „Bürokratieabbau“ sagen, aber noch etwas Drittes damit meinen, nämlich die Schleifung jener politischen Ziele und Standards, zu deren Verwirklichung die Bürokratie tätig ist: Weg mit diesen ganzen lästigen Sozial- und Umweltstandards, den nervigen Pflichten, Rechenschaft abzulegen über dies und das, freie Bahn dem freien Unternehmertun, das noch bereit ist, etwas zu riskieren, und nach den Kosten für die Allgemeinheit im Zweifelsfall hinterher fragt – wenn überhaupt.
Fast macht es den Eindruck, als könnte sich unter dem Stichwort „Bürokratieabbau“ jeder gegen das wenden, was ihm sowieso nicht in den Kram passt. Vielleicht sind deshalb alle dafür?
Herr Lauer erwähnt als negatives Beispiel die Dokumentationspflicht in Pflegeheimen. Diese Dokumentation machen durchaus Sinn. Es lässt sich nachverfolgen, ob die Medikamente richtig vergeben wurden, ob es jemand gut geht, wie die Pflege war, usw. Es gehört auch dazu, dass bestimmte Vorkommnisse der zuständigen Behörde gemeldet werden müsssen. Und je nachdem wer zuständig ist, kann das alles sein, was nach deren Ansicht " besonders" ist. Von, es haben sich zwei Bewohner gestritten bis hin zu den schlimmen Vorfällen. Letzteres ist klar, aber manche Dinge sind das normale Leben, und damit wird das ganze ausufernd und kostet viel Zeit.
Immer dort, wo eine Behörde Spielraum hat, z.B. was sind geeignete Unterlagen, wird es so richtig bürokratisch. Da wird der eine oder andere Professionals zum kleinkarierten Erbsenzähler.
Ðas mit der Transparenz ist auch so eine Sache. Die ist nur dann gegeben, wenn jeder und jede das auch versteht, was z.B. In einem Schreiben steht.
Und es wird noch viel zu viel ausschließlich in Papierform gemacht. Und wenn man dann auf das Digitale umstellt wird es oft schlecht umgesetzt. Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheining ist so ein Fall....führt zu einem erhöhten Arbeistaufwand in den Personalabteilungen. Die Abschaffung der Steuerkarte in Papierform hat dagegen zu einer Entlastung bei Abeitgebern geführt.
Irgendwie findet man derzeit nicht das Mittelmaß.