Kaffeestübchen

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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AufDerSonne
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So 24. Sep 2023, 20:50

Ich habe mich etwas in diesen Begriffs-Thread eingelesen. Ja, ist nicht schlecht. Das Denken dient zur Orientierung, naja. Kann man so sehen.

Kimmerling stellt sich damit gegen die Position (der er früher selbst “zuneigte”) die glaubt, an einem Begriff könne nicht mehr dran sein als das, was sich in der kompetenten Verwendung, wenn man so will im Sprechen, zeigt. (Jörn)
Das wäre also die Position, die ich intuitiv angenommen habe. Ein Begriff ist eigentlich nicht weiter reduzierbar, wenn man ihn richtig verwendet.

Ein Begriff übernimmt häufig die Funktion des Gleichsetzens des Ungleichen. (Gabriel)
Das zielt mehr auf das Denken ab. Was ein Begriff für eine Rolle beim Denken hat, glaube ich.

Noch zur Mathematik. Also man kann sie auch zu stark mystifizieren. Ich gehe davon aus, dass die Menschen mit dem Zählen von Dingen begonnen haben, sich mit Zahlen zu beschäftigen. Etwas eigen formuliert: Die natürlichen Zahlen waren der Anfang aller Mathematik. Wenigstens beim Menschen. Wahrscheinlich zählten sie ganz am Anfang vor allem Tiere, denn es war lebenswichtig zu wissen, ob viele gefährliche Tiere oder nur eines oder zwei in der Nähe waren. Oder vielleicht auf der Jagd musste man wissen, wie viele Tiere in einer kleinen Gruppe waren. Sie brauchten dazu am Anfang auch ihre zehn Finger. Manche "Stämme" auch noch die zehn Zehen. Deshalb zwanzig als Grundzahl bei einigen frühen Völkern.
Dass diese Idee, dass man die Dinge zählen kann, so unheimlich mächtig wurde, das ist das Rätsel. Aber man darf sich von diesem Rätsel nicht beirren lassen und etwas annehmen, was nicht ist.



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Jörn Budesheim
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So 24. Sep 2023, 21:04

AufDerSonne hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 20:50
Noch zur Mathematik. Also man kann sie auch zu stark mystifizieren. Ich gehe davon aus, dass die Menschen mit dem Zählen von Dingen begonnen haben, sich mit Zahlen zu beschäftigen. Etwas eigen formuliert: Die natürlichen Zahlen waren der Anfang aller Mathematik. Wenigstens beim Menschen. Wahrscheinlich zählten sie ganz am Anfang vor allem Tiere, denn es war lebenswichtig zu wissen, ob viele gefährliche Tiere oder nur eines oder zwei in der Nähe waren. Oder vielleicht auf der Jagd musste man wissen, wie viele Tiere in einer kleinen Gruppe waren. Sie brauchten dazu am Anfang auch ihre zehn Finger. Manche "Stämme" auch noch die zehn Zehen. Deshalb zwanzig als Grundzahl bei einigen frühen Völkern.
Dass diese Idee, dass man die Dinge zählen kann, so unheimlich mächtig wurde, das ist das Rätsel. Aber man darf sich von diesem Rätsel nicht beirren lassen und etwas annehmen, was nicht ist.
Wo genau in diesem Text versteckt sich das Argument, dass man nicht annehmen sollte, was nicht ist?




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AufDerSonne
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So 24. Sep 2023, 21:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 21:04
AufDerSonne hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 20:50
Noch zur Mathematik. Also man kann sie auch zu stark mystifizieren. Ich gehe davon aus, dass die Menschen mit dem Zählen von Dingen begonnen haben, sich mit Zahlen zu beschäftigen. Etwas eigen formuliert: Die natürlichen Zahlen waren der Anfang aller Mathematik. Wenigstens beim Menschen. Wahrscheinlich zählten sie ganz am Anfang vor allem Tiere, denn es war lebenswichtig zu wissen, ob viele gefährliche Tiere oder nur eines oder zwei in der Nähe waren. Oder vielleicht auf der Jagd musste man wissen, wie viele Tiere in einer kleinen Gruppe waren. Sie brauchten dazu am Anfang auch ihre zehn Finger. Manche "Stämme" auch noch die zehn Zehen. Deshalb zwanzig als Grundzahl bei einigen frühen Völkern.
Dass diese Idee, dass man die Dinge zählen kann, so unheimlich mächtig wurde, das ist das Rätsel. Aber man darf sich von diesem Rätsel nicht beirren lassen und etwas annehmen, was nicht ist.
Wo genau in diesem Text versteckt sich das Argument, dass man nicht annehmen sollte, was nicht ist?
Ich meinte unter anderem die Existenz der Zahlen. Man kann auch zu viel überlegen. Sie sind aus einem ganz einfach Grund entstanden als ganz einfache Idee. Das Zählen von Dingen.
Ich meine, in einem Post vorher charakterisierst du die Mathematik. Moment. Hier:

Hier ein weiteres Beispiel aus einer Einführung in die Philosophie der Mathematik:

"[Ich, Jörg Neunhäuserer bin] Anhänger eines platonischen Realismus in der Ontologie der Mathematik, eines Rationalismus in der Erkenntnistheorie der Mathematik und einer wissenschaftstheoretischen Abgrenzung der Mathematik von den anderen Wissenschaften. Das heißt, dass [ich der Überzeugung bin], dass die Gegenstände der Mathematik unabhängig von mentalen Vorgängen und jenseits der physikalischen Raum-Zeit existieren, dass wir mathematische Erkenntnisse durch unmittelbare rationale Einsicht und logische Deduktion gewinnen und dass die Mathematik durch ihre methodische Praxis klar von allen anderen Wissenschaften unterschieden ist. Diese Position ist nicht originell, eher konservativ und in der Philosophie der Mathematik umstritten. Vielleicht ist [meine] Perspektive typisch für einen Mathematiker, der sich mit der Philosophie der Mathematik beschäftigt."

Ich meine, setze diesen Text einmal einem Durchschnittsmenschen vor. Der wird ihn wahrscheinlich nicht verstehen, vor allem wahrscheinlich gar nicht bis zu Ende lesen. Oder einem Kind.
Jetzt vergleiche einmal meine Bemühung, die Mathematik ein wenig zugänglicher zu machen. Ja, der Unterschied ist einfach zu gross.



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Jörn Budesheim
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So 24. Sep 2023, 21:26

Du setzt voraus, was du zeigen willst. Du sagst einfach, dass die Zahlen aus einem einfachen Grund entstanden sind, nämlich um die Tiere zu zählen. Aber dass die Zahlen entstanden sind, das willst du doch erst zeigen. Stattdessen behauptest du es einfach. Man kann auch zu wenig denken :)




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AufDerSonne
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So 24. Sep 2023, 22:08

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 21:26
Du setzt voraus, was du zeigen willst. Du sagst einfach, dass die Zahlen aus einem einfachen Grund entstanden sind, nämlich um die Tiere zu zählen. Aber dass die Zahlen entstanden sind, das willst du doch erst zeigen. Stattdessen behauptest du es einfach. Man kann auch zu wenig denken :)
Ehrlich gesagt, ich weiss wieder einmal nicht mehr, worum es geht.

Was mir noch in den Sinn gekommen ist. Die Buchstaben, die wir beim Schreiben verwenden, sind ja auch irgendwie entstanden.
Ich denke aus dem Bedürfnis heraus, die Laute, die die frühen Menschen mit dem Mund erzeugen konnten, irgendwie festzuhalten. Jetzt ist das Ganze sicher sehr geheimnisvoll, aber schlussendlich wollte man einfach das gesprochene Wort aufschreiben können.
Was ich damit sagen will. Manchmal muss man praktisch denken! Die frühen Menschen haben sich nicht so viel dabei gedacht als sie Zahlen und Buchstaben "erfanden". Es ist einfach geschehen.



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Burkart
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So 24. Sep 2023, 22:21

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 19:45
Die Philosophin Silvia Jonas meint, dass es Untersuchung darüber gibt, wie Mathematiker selbst zu der Frage stehen, ob Zahlen wirklich existieren. Eine Mehrheit der Mathematiker scheint der Ansicht zu sein, dass sie die Welt der Mathematik entdecken und erforschen, Zahlen also real sind.
Sicher erforschen sie die Welt der Mathematik, nämlich die deduktive, die auf Basis der Axiome basiert.
Das hat nichts damit zu tun, ob Zahlen real sind oder nicht, was immer das überhaupt heißen soll.
Der deutsche Mathematiker Peter Scholze, der vor einiger Zeit mit der Fields-Medaille ausgezeichnet wurde, sieht das wohl ähnlich und sagt in einem Interview:

"Ich [Peter Scholze] denke tatsächlich, dass die Zahlen unabhängig von uns sind.
Unabhängig insofern, dass einige Tiere sicher ähnliche Zahlenverständnisse haben, einverstanden. Aber ohne denkende Subjekte gäbe es keine Zahlen.
In welchem Sinne sie „existieren“ ist vielleicht schwer zu sagen, sicherlich nicht als konkrete Objekte unserer Welt.
Richtig.
Ich fühle mich aber wie ein Physiker, der die zugrundeliegenden Gesetze der Zahlen erforscht. So wie der Physiker die Welt ergründet, versuche ich einfach, die ganzen Zahlen zu erforschen. [...]
Genau, die deduktiven Beziehungen zwischen den Zahlen, die deduktive Welt der Mathematik halt.
Die Zahlen sind Teil von unserer Welt."
Klar,, in diesem Sinne: WIr benutzen sie u.a. als An-Zahl und haben so den Bezug zu unserer (Alltags-, physischen, u.a.) Welt.
Hier ein weiteres Beispiel aus einer Einführung in die Philosophie der Mathematik:

"[Ich, Jörg Neunhäuserer bin] Anhänger eines platonischen Realismus in der Ontologie der Mathematik, eines Rationalismus in der Erkenntnistheorie der Mathematik und einer wissenschaftstheoretischen Abgrenzung der Mathematik von den anderen Wissenschaften. Das heißt, dass [ich der Überzeugung bin], dass die Gegenstände der Mathematik unabhängig von mentalen Vorgängen und jenseits der physikalischen Raum-Zeit existieren, dass wir mathematische Erkenntnisse durch unmittelbare rationale Einsicht und logische Deduktion gewinnen und dass die Mathematik durch ihre methodische Praxis klar von allen anderen Wissenschaften unterschieden ist. Diese Position ist nicht originell, eher konservativ und in der Philosophie der Mathematik umstritten. Vielleicht ist [meine] Perspektive typisch für einen Mathematiker, der sich mit der Philosophie der Mathematik beschäftigt."
Ja, die Mathematik unterscheidet sich als formale Wissenschaft von vielen anderen Wissenschaften, weil sie eben vor allem logische Deduktion benutzt.
Und ja, mathematische Gegenstände sind als abstrakte Dinge unabhängig von mentalen Vorgängen und der physikalischen Raum-Zeit. Allerdings beruhen die mathematischen Gegenstände auf realen Dingen, die Zahl u.a. als An-Zahl z.B.
Genau genommen besteht die Verbindung zwischen der (Alltags- u.ä.) Welt und der Mathematik darin, dass Elemente ersterer in mathematische transformiert werden, Mathematik angewendet wird und dessen Ergebnis durch Interpretation zurück in unsere (Alltags- u.ä.) Welt kommt.
Zuletzt geändert von Burkart am So 24. Sep 2023, 22:24, insgesamt 2-mal geändert.



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Quk
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So 24. Sep 2023, 22:23

Den superlangen Faden mit dem Begriffsrealismus habe ich noch nicht gelesen. Ich habe anderswo gelernt, dass -- und das kommt vielleicht in dem Faden auch vor? -- die Anwesenheit eines Begriffs eine psychisch heilsame Wirkung haben kann: Wenn ein Mensch beispielsweise ein scheinbar außergewöhnliches Verhalten aufweist, für das selbiger Mensch keinen offiziellen Begriff kennt, dann verunsichert ihn die Abwesenheit eines Begriffs nur noch mehr. Er fühlt sich einsam im Unbegrifflichen oder Unbegreiflichen. Irgendwann liest dieser Mensch Berichte von anderen, die das gleiche Verhalten haben, und schließlich kommt heraus, dass es einen Fachbegriff für dieses Verhalten gibt. Jetzt fühlt er sich nicht mehr einsam, denn nun hat seine Außergewöhnlichkeit einen offiziellen Begriff bekommen. Der Begriff dient als Sichtbarkeitsurkunde. Als ob nur dasjenige wirklich sein kann, wofür es einen Begriff gibt.




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Quk hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 22:23
Irgendwann liest dieser Mensch Berichte von anderen, die das gleiche Verhalten haben, und schließlich kommt heraus, dass es einen Fachbegriff für dieses Verhalten gibt.
Ja, diesen Mechanismus gibt es. Wenn man ein Wort findet für das "Problem", kommt man weiter.
Das muss gar nicht ein Fachbegriff sein, denke ich. Manchmal fällt einem das richtige Wort einfach nicht ein. Besser gesagt, das zutreffende Wort.
Ich habe es auch schon erlebt, dass sich ein ganzes Problem auflöste, als ich das richtige Wort dafür gefunden habe. Aber da war ich mir absolut sicher, dass dieses Wort das richtige war.
Ich denke, das Problem ist eher, dass das ein langer Prozess sein kann, bis man zum richtigen Wort kommt. Also viel Zeit brauchen kann.



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Jörn Budesheim
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Quk hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 22:23
Den superlangen Faden mit dem Begriffsrealismus habe ich noch nicht gelesen. Ich habe anderswo gelernt, dass -- und das kommt vielleicht in dem Faden auch vor? -- die Anwesenheit eines Begriffs eine psychisch heilsame Wirkung haben kann: Wenn ein Mensch beispielsweise ein scheinbar außergewöhnliches Verhalten aufweist, für das selbiger Mensch keinen offiziellen Begriff kennt, dann verunsichert ihn die Abwesenheit eines Begriffs nur noch mehr. Er fühlt sich einsam im Unbegrifflichen oder Unbegreiflichen. Irgendwann liest dieser Mensch Berichte von anderen, die das gleiche Verhalten haben, und schließlich kommt heraus, dass es einen Fachbegriff für dieses Verhalten gibt. Jetzt fühlt er sich nicht mehr einsam, denn nun hat seine Außergewöhnlichkeit einen offiziellen Begriff bekommen. Der Begriff dient als Sichtbarkeitsurkunde. Als ob nur dasjenige wirklich sein kann, wofür es einen Begriff gibt.
Ja, das ist sicher so. Ob es in dem Faden thematisiert wird, weiß ich allerdings nicht.




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Jörn Budesheim
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Burkart hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 22:21
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 19:45
Die Philosophin Silvia Jonas meint, dass es Untersuchung darüber gibt, wie Mathematiker selbst zu der Frage stehen, ob Zahlen wirklich existieren. Eine Mehrheit der Mathematiker scheint der Ansicht zu sein, dass sie die Welt der Mathematik entdecken und erforschen, Zahlen also real sind.
Sicher erforschen sie die Welt der Mathematik, nämlich die deduktive, die auf Basis der Axiome basiert.
Das hat nichts damit zu tun, ob Zahlen real sind oder nicht, was immer das überhaupt heißen soll.
Die Frage, ob die Zahlen wirklich existieren, hat nichts damit zu tun, ob Zahlen real sind?

Wie dem auch sei, die Zitate sollen zeigen - und tun es meiner Meinung nach auch -, dass es eine Tatsache zu sein scheint, dass eine Mehrheit der Mathematiker:innen der Meinung ist, dass Zahlen real sind und nicht von uns abhängen. Natürlich kann auch die Mehrheit irren. Dennoch könnte diese Tatsache den Laien nachdenklich und neugierig machen.




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Mo 25. Sep 2023, 19:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Sep 2023, 08:49
Burkart hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 22:21
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Sep 2023, 19:45
Die Philosophin Silvia Jonas meint, dass es Untersuchung darüber gibt, wie Mathematiker selbst zu der Frage stehen, ob Zahlen wirklich existieren. Eine Mehrheit der Mathematiker scheint der Ansicht zu sein, dass sie die Welt der Mathematik entdecken und erforschen, Zahlen also real sind.
Sicher erforschen sie die Welt der Mathematik, nämlich die deduktive, die auf Basis der Axiome basiert.
Das hat nichts damit zu tun, ob Zahlen real sind oder nicht, was immer das überhaupt heißen soll.
Die Frage, ob die Zahlen wirklich existieren, hat nichts damit zu tun, ob Zahlen real sind?
Die Welt der Mathematik besteht vor allem aus Strukturen, Beweisen, Theoremen usw., bei denen Zahlen gerade mal die bzw. nur einige ihrer Elemente sind - ok, und insofern eigentlich genauso nur gedankliche Elemente sind. Allerdings sind Zahlen nun mal die direkten Abstraktionen von oft physisch realen DIngen, ob nun durch An-Zahl oder auch durch Längenangaben-Zahlen o.ä.
Wie dem auch sei, die Zitate sollen zeigen - und tun es meiner Meinung nach auch -, dass es eine Tatsache zu sein scheint, dass eine Mehrheit der Mathematiker:innen der Meinung ist, dass Zahlen real sind und nicht von uns abhängen.
"real sind" und "nicht von uns abhängen" scheint mir nicht identisch zu sein.
Wie ich schon früher schrieb, haben einige Tiere sicherlich auch einen Zahlbegriff, der unserem (zumindest der kleinen natürlichen Zahlen) ähnlich sein dürfte.
Damit hängen die Zahlen nicht von uns ab, sind aber nicht unbedingt real - was immer man unter "real" genau halt versteht, so vielfältig wie der Begriff ist.
Zahlen könnte man vielleicht als "gedanklich real" bezeichnen im Gegensatz zu "physisch real".
Natürlich kann auch die Mehrheit irren. Dennoch könnte diese Tatsache den Laien nachdenklich und neugierig machen.
Sind entsprechend auch Farben real? Oder ggf. nur deren Frequenzen? Immerhin haben unterschiedliche Menschen unterschiedliches Farbverständnis.



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Jörn Budesheim
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Mo 25. Sep 2023, 19:52

Wie kann dieser Satz
Sind entsprechend auch Farben real? Oder ggf. nur deren Frequenzen? Immerhin haben unterschiedliche Menschen unterschiedliches Farbverständnis.
eine Antwort auf diesen sein?
Natürlich kann auch die Mehrheit irren. Dennoch könnte diese Tatsache den Laien nachdenklich und neugierig machen.




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Mo 25. Sep 2023, 20:05

Was sind eure krassesten Meinungsänderungen in der Philosophie?

Bei mir ist es im Grunde so, dass ich in den meisten philosophischen Fragen so ziemlich das Gegenteil von dem denke, was ich vor etwa zwei Jahrzehnten gedacht habe. Das liegt daran, dass ich mich früher als radikalen Konstruktivisten verstanden habe und heute in jeder Hinsicht Realist bin.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als jemand im alten Forum einen Thread zum Thema Werte-Realismus eröffnete und ich gar nicht so recht verstand, was das für ein Thema war und ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, warum man so etwas abstruses glauben sollte. Heute ist es die Position, die ich selbst vertrete :)

Im alten Forum habe ich praktisch jedes Thema sprachphilosophisch traktiert, weil ich dachte, alle Philosophie sei Sprachphilosophie, heute kommen solche Überlegungen bei mir eher am Rande vor.

Früher hielt ich alle möglichen Formen des Relativismus für selbstverständlich, heute halte ich sie fast alle für selbstverständlich falsch.




Burkart
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Mo 25. Sep 2023, 20:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Sep 2023, 19:52
Wie kann dieser Satz
Sind entsprechend auch Farben real? Oder ggf. nur deren Frequenzen? Immerhin haben unterschiedliche Menschen unterschiedliches Farbverständnis.
eine Antwort auf diesen sein?
Natürlich kann auch die Mehrheit irren. Dennoch könnte diese Tatsache den Laien nachdenklich und neugierig machen.
...nachdenklich und neugierig... was ist alles real... sind es auch Farben... - so waren meine Gedanken...



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Jörn Budesheim
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Mo 25. Sep 2023, 20:26

Der amerikanische Philosoph Hilary Putnam war bekannt für seine intellektuelle Beweglichkeit und seine Bereitschaft, seine Ansichten zu überdenken. In einem Text schrieb er - bemerkenswert für einen Philosophen -: "Die anderen hatten Recht und ich hatte Unrecht.

Hier zwei oder drei Beispiele, wobei ich mich auf sehr dünnem Eis bewege, ich lege nicht meine Hand dafür ins Feuer.

Funktionalismus: Ursprünglich war Putnam ein Anhänger des Funktionalismus, einer Theorie des Geistes, die besagt, dass mentale Zustände durch ihre Funktionen definiert sind, unabhängig von ihrer konkreten physischen Umsetzung. Später wurde er zu einem der schärfsten Kritiker dieser Position, wenn ich mich recht entsinne.

Auch in Bezug auf Wahrheitstheorien hat er seine Ansichten mehrfach geändert, meine ich.

Eine seiner Positionen war der sogenannte "ontologische Relativismus". Soweit ich weiß, hat er auch diese Position verworfen und später für eine sehr eigene Version des Realismus plädiert.

Es ist allerdings schon ziemlich lange her, dass ich mich damit beschäftigt habe, Details habe ich nicht mehr präsent.




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AufDerSonne
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Mo 25. Sep 2023, 21:06

Ich habe eine Zeit lang nur noch materielle Gegenstände als real betrachtet. Oder als sicher. Also dass es sie sicher gibt. Jeder Begriff, der sich nicht auf einen materiellen Gegenstand bezog, war für mich unsicher.
Wenn man den Gedanken weiter verfolgt, kommt man darauf, dass sogar nur ein konkreter Gegenstand real sein kann. Also schon etwa der Begriff Tisch ist nicht sicher, sondern nur ein bestimmter Tisch. Zum Beispiel der dunkelbraune Tisch hier in meinem Wohnzimmer. Da keine zwei materiellen Gegenstände genau gleich sein können, wären also nur noch dann etwas sicher, wenn man genau sagt, um welchen konkreten Gegenstand es sich handelt. In einem gewissen Sinne gibt es keine Computer, aber es gibt den Computer in meinem Wohnzimmer. Und der ist logischerweise einzigartig.

Was ich mir jetzt überlege, ob doch noch andere Begriffe real sein können. Logik, Gerechtigkeit, Zahl, Wahrheit, Vernunft usw... Ob es auch solche nicht-materiellen Sachen sicher geben kann.



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Jörn Budesheim
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Mo 25. Sep 2023, 21:11

Wie kommt man eigentlich dazu, von allen möglichen Dingen, von denen jeder weiß, dass es sie gibt, glauben zu wollen, dass es sie nicht gibt. Was macht diese Position eugentlich attraktiv? Warum möchte man das glauben?




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Mo 25. Sep 2023, 21:20

Warum bitteschön sollte der Umstand, dass der Computer in deinem Zimmer einzigartig ist, dagegen sprechen, dass er ein Computer ist? Einfach nur sagen, er ist einzigartig, daher ist der kein Computer, ist etwas dünn, du müsstest dieses "Argument" irgendwie plausibel machen.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Sep 2023, 21:20
Warum bitteschön sollte der Umstand, dass der Computer in deinem Zimmer einzigartig ist, dagegen sprechen, dass er ein Computer ist? Einfach nur sagen, er ist einzigartig, daher ist der kein Computer, ist etwas dünn, du müsstest dieses "Argument" irgendwie plausibel machen.
Ich muss ein wenig darüber nachdenken, wie ich das plausibel machen könnte. Das Problem ist, dass solche Gedanken, wenn man konsequent ist, schwierige philosophische Probleme aufwerfen.



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Mo 25. Sep 2023, 22:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Sep 2023, 21:11
Wie kommt man eigentlich dazu, von allen möglichen Dingen, von denen jeder weiß, dass es sie gibt, glauben zu wollen, dass es sie nicht gibt. Was macht diese Position eugentlich attraktiv? Warum möchte man das glauben?
Vielleicht liegt es an dem "gibt": Man versucht klarzumachen, dass es verschiedenes Geben gibt. Und dass es deine "allen möglichen Dinge" dann nur teilweise gibt, teilweise aber auch nicht.
So gibt es halt Zahlen in (insb. unserem) Denken (das Geben hier von Zahlen in der/einer Gedankenwelt o.ä.), aber nicht in der lebewesen-unabhängigen(*) bzw. der physischen Welt (kein Geben von Zahlen hier).
Das wiederum soll zum Denken motivieren, die Geben-Welten zu unterscheiden und wie die Existenz in der einen sich mit der Nicht-Existenz in der anderen verträgt, hier Zahl u.a. als Abstraktion von Dingen zu ihrer An-Zahl.

(*) PS: Hier bin ich ungenau: Es muss nur irgendetwas wie eine Gedankenwelt existieren, auch eine andere wäre grundsätzlich denkbar (insbesondere die einer KI).
Zuletzt geändert von Burkart am Mo 25. Sep 2023, 22:42, insgesamt 2-mal geändert.



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