Wasser?

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Consul
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Mo 7. Okt 2024, 21:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Okt 2024, 09:24
Consul, du setzt voraus, ohne es zu begründen oder herzuleiten, dass die chemische Definition von Wasser korrekt ist. Dass du das, was gerade infrage steht, zur Grundlage deiner Argumentation machst, kann mich natürlich nicht überzeugen.
...
Ich sehe jetzt nicht, wo du die geforderte Begründung "nachgeliefert" hast? Im Gegenteil, du setzt weiter voraus, dass nur die Naturwissenschaften den Begriff angemessen bestimmen können. Die Vorstellung, Wasser nur als H₂O zu definieren, ist ohne Begründung reduktionistisch und verfehlt zum Beispiel den alltäglichen Gebrauch des Begriffs.
Da gibt es für mich nichts weiter "zu begründen oder herzuleiten"; denn es ist eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache, dass Wasser qua reines leichtes Wasser = Dihydrogenoxid (H2O). Die Molekularstruktur H2O ist die "reale Essenz" (Locke) von reinem leichten Wasser. Für Erläuterungen empfehle ich Lehrbücher der Hydrochemie als Lektüre!
Dass es Wasser genannte wässrige Flüssigkeiten oder Lösungen gibt, die nicht nur aus Dihydrogenoxid bestehen (z.B. Mineralwasser), bestreitet niemand. Ich selbst habe ja bereits zwischen Wasser1 (= reines leichtes Wasser) und Wasser2 unterschieden.
"Wasser (H2O) ist die bei weitem wichtigste binäre (aus Atomen zweier Elemente bestehende) Verbindung. Sie entsteht aus der Vereinigung der Elemente Wasserstoff (Elementsymbol H, grch.-lat. hydrogenium, „Wasserbildner“) und Sauerstoff (Elementsymbol O, grch.-lat. oxygenium, „Säurebildner“). Der Grundzustand der Elemente ist jeweils das zweiatomige Molekul, H2 bzw. O2. Die Elementbezeichnung „oxygenium“ beruht auf der historischen (2. Hälfte des 18. Jahrhunderts) und heute in dieser Ausschließlichkeit nicht mehr zutreffenden Annahme, dass Sauerstoff Bestandteil aller Substanzen sei, die man als Säuren klassifizierte. Systematische Namen für Wasser, d. h. Namen im Rahmen der wissenschaftlichen Nomenklatur, sind Dihydrogenoxid und Oxidan."

(Grohmann, Andreas N., Martin Jenkel, Andreas Grohmann, et al. Wasser: Chemie, Mikrobiologie und nachhaltige Nutzung. Berlin: De Gruyter, 2011. S. 30)



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Consul
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Mo 7. Okt 2024, 21:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 08:00
Ich hab an dieser Stelle nicht von Chemikern gesprochen, sondern von deinen metaphysischen und epistemischen Grundeinstellungen.
Die sind in diesem Diskussionsstrang aber nicht das Thema!



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Jörn Budesheim
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Mo 7. Okt 2024, 21:11

Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 21:05
Da gibt es für mich nichts weiter "zu begründen oder herzuleiten"
Es soll jedoch schon vorgekommen sein, dass in der Philosophie Gründe für Behauptungen angeführt wurden :)




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Consul
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Mo 7. Okt 2024, 22:27

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 21:11
Consul hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 21:05
Da gibt es für mich nichts weiter "zu begründen oder herzuleiten"
Es soll jedoch schon vorgekommen sein, dass in der Philosophie Gründe für Behauptungen angeführt wurden :)
Dass reines leichtes Wasser = H2O, ist keine philosophische These!



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Jörn Budesheim
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Di 8. Okt 2024, 08:03

RoloTomasi hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 23:37
"Wenn Chemiker lehren, dass (reines leichtes) Wasser H2O ist, dann propagieren sie damit nicht den metaphysischen Materialismus!"
Dass Chemiker per se einen metaphysischen Materialismus o.ä. propagieren, wenn sie vertreten, dass Wasser H₂O ist, habe ich allerdings gar nicht behauptet. Naturwissenschaftler, die mit ihren Methoden Aspekte der Wirklichkeit erforschen, nehmen bestimmte Bereiche mit ihren Mitteln in den Blick und gelangen zu bestimmten Ergebnissen – das akzeptiere ich. In diesem Fall war es jedoch Consul (und nicht etwa ein Chemiker, es sei denn, Consul ist einer), der in einem philosophischen Forum die Definition „Wasser ist H₂O“ übernommen hat. Consul akzeptiert diese Definition als wahr, wenn ich recht sehe, und sein unbegründeter, unbewiesener, metaphysischer Materialismus spielt dabei – wie auch in vielen anderen Fällen – eine zentrale Rolle.
RoloTomasi hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 23:37
Der besagte Materialismus ist ja eine philosophische Theorie, während Consul ja im Wesentlichen schlichte wissenschaftliche Darlegungen präsentiert hat. 
Ich sehe das anders. Consul übernimmt schließlich die chemische Definition von Wasser, er macht sie sich also zu eigen. Die philosophische Frage, warum ausgerechnet die Chemie das Recht haben sollte, die Definition von Wasser festzulegen, hat er jedoch nicht beantwortet. Das setzt er schlicht voraus. „Da gibt es für mich nichts weiter zu begründen oder herzuleiten.“ Diese Position hinterfrage ich. Damit tut er meines Erachtens deutlich mehr, als nur eine wissenschaftliche Feststellung zu machen; er vertritt implizit die philosophische These, dass die Chemie für diese Definition letztgültig zuständig ist.
RoloTomasi hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 23:37
Man kann ja auch einfach sagen, dass Wasser auf bestimmte Weise chemisch beschrieben werden kann (so wie es Consul ja hier auch gemacht hat)
Aber das ist halt meines Erachtens einfach nicht das, was Consul gemacht hat. Für ihn ist - so verstehe ich seine Ausführungen - die richtige Antwort auf die Frage "Was ist Wasser?" "H₂O". Und ich halte diese Antwort für falsch, sie zeigt nur, was die Chemie mit ihren Mitteln zeigen kann. Mit unseren Registraturen als Lebewesen erkennen wir beispielsweise noch andere Aspekte, die den Methoden der Naturwissenschaften gar nicht zugänglich sind.

Im Hintergrund steht eine philosophische Diskussion, die ich aus einem Vorlesungsmitschnitt von Wolfgang Welsch kenne und die ich eingangs skizziert habe. Es gibt zudem einen weiteren philosophischen Zusammenhang, in dem diese Frage eine Rolle spielt. Hilary Putnam entwickelte ein Gedankenexperiment mit einer Zwillingserde, auf der Wasser eine andere chemische Formel hat, nämlich XYZ. Wenn ich mich richtig erinnere (was nicht gesichert ist), erhob Donald Davidson dagegen Einwände, unter anderem die Frage, warum die chemische Formel die Bedeutung des Ausdrucks „Wasser“ bestimmen sollte. Auch wenn das ein anderer Zusammenhang ist, bleibt doch die Frage: Wenn wir einen Begriff definieren, ist dann nicht auch die Bedeutung des Begriffs von Relevanz?
RoloTomasi hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 23:37
Das Verhältnis zwischen alltäglicher und chemischer Bedeutung von Wasser kann man natürlich philosophisch befragen; und ich vermute mal, dass Jörn auf diese Differenz am Beginn des Fadens hinauswollte. 
Auch wenn ich diesen Punkt vielleicht anders darlegen würde, spielt er eine Rolle, auf die ich auch schon hingewiesen habe: "[Wir haben hier einen lebensweltlichen Begriff, nämlich 'Wasser'], der unter der naturwissenschaftlichen Brille seinen Charakter verändert und dann unkritisch in unsere Lebenswelt reimportiert wird. Tatsächlich enthält "natürliches" Wasser in der Regel Mineralstoffe, die für den Körper essentiell sind. Reines H₂O ohne diese Mineralstoffe – wie destilliertes Wasser – kann, wenn es in größeren Mengen konsumiert wird, sogar gesundheitsschädlich sein."




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Quk
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Di 8. Okt 2024, 10:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 8. Okt 2024, 08:03
Consul übernimmt schließlich die chemische Definition von Wasser, er macht sie sich also zu eigen. Die philosophische Frage, warum ausgerechnet die Chemie das Recht haben sollte, die Definition von Wasser festzulegen, hat er jedoch nicht beantwortet.
Warum unterschlägst Du hier die Tatsache, dass Consul auch eine zweite Definition nennt? Für Wasser nennt er zwei Definitionen: Wasser1 und Wasser2. Du zitierst immer nur sein Wasser1. Wieso?




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Jörn Budesheim
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Di 8. Okt 2024, 10:16

Ich hab da kein besonderes Augenmerk drauf, denn es ändert nichts an dem Problem, dass gerade die Chemiker die Definition liefern sollen (H₂O oder D₂O). Die Frage, warum ausgerechnet die Chemie das Wasser letztgültig erklären können soll, kann man nicht mit weiteren chemischen Definitionen beantworten, denn das setzt ja voraus, was strittig ist, ich glaube, da muss man philosophisch argumentieren.




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Jörn Budesheim
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Di 8. Okt 2024, 11:21

Selbst aus einer eher naturwissenschaftlichen Perspektive lässt sich vielleicht begründen, dass die "Reinheit von Wasser" (H₂O oder D₂O), wie sie in chemischen Modellen definiert ist, nicht der Realität entspricht, die wir in der Natur beobachten. Ist Wasser "rein", ist es im Grunde genommen kein Wasser mehr. Die natürlichen „Zutaten“, die immer dabei sind, gehören zum Wesen des Wassers selbst. Wasser ist also in aller Regel nicht H₂O, sondern H₂O plus irgendetwas.

In einem Video zum Thema Wasser, dass ich heute morgen kurz reingeschaut habe, sieht man zu Beginn den blauen Planeten, die Meere und Flüsse ... das ist Wasser und nicht das, was beispielsweise im Labor unter ganz künstlichen Bedingungen präpariert und untersucht wird. Wasser ist ein essenzieller Teil unseres Ökosystems, zu dem wir selbst gehören, und aus dem heraus wir Wasser kennen und verstehen, indem wir es trinken, uns damit waschen, darin schwimmen, zum Teil daraus bestehen usw. H₂O ist gewissermaßen nur kastriertes Wasser. Wasser ist Wasser also erst in der Wechselwirkung von H₂O mit anderen Substanzen und Elementen als Teil des Ökosystems. Dazu gehören beispielsweise gelöste Mineralien wie Kalzium und Magnesium, organische Verbindungen, Algen, Bakterien und andere Mikroorganismen. Nur so konnte Wasser die Wiege des Lebens werden, denke ich.

(In gewisser Hinsicht würde ich auch Putnams Gedanken akzeptieren, dass Wasser auf einem Zwillingsplaneten eine ähnliche Rolle wie bei uns spielen könnte, jedoch chemisch anders realisiert ist – das nur am Rande. Es gibt keine logisch/begriffliche Notwendigkeit, dass Wasser in dieser oder jener Weise realisiert ist.)




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Consul
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Di 8. Okt 2024, 20:58

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 8. Okt 2024, 08:03
RoloTomasi hat geschrieben :
Mo 7. Okt 2024, 23:37
Der besagte Materialismus ist ja eine philosophische Theorie, während Consul ja im Wesentlichen schlichte wissenschaftliche Darlegungen präsentiert hat. 
Ich sehe das anders. Consul übernimmt schließlich die chemische Definition von Wasser, er macht sie sich also zu eigen. Die philosophische Frage, warum ausgerechnet die Chemie das Recht haben sollte, die Definition von Wasser festzulegen, hat er jedoch nicht beantwortet. Das setzt er schlicht voraus. „Da gibt es für mich nichts weiter zu begründen oder herzuleiten.“ Diese Position hinterfrage ich. Damit tut er meines Erachtens deutlich mehr, als nur eine wissenschaftliche Feststellung zu machen; er vertritt implizit die philosophische These, dass die Chemie für diese Definition letztgültig zuständig ist.
"Chemie = Naturwissenschaft, die die Eigenschaften, die Zusammensetzung und die Umwandlung der Stoffe und ihrer Verbindungen erforscht." – DUDEN

"Chemistry = The study of the elements and the compounds they form." – Oxford Dictionary of Chemistry
Wasser ist ein Stoff (Material), und seine wissenschaftliche Untersuchung und Definition fällt offenkundig in das Fachgebiet der Chemie. Chemiker haben durch empirische Analysen festgestellt, dass reines leichtes Wasser aus (nichts weiter als) H2O-Molekülen besteht, sodass es sich als H2O definieren lässt. Dabei handelt es sich um eine "Realdefinition", die die "reale Essenz", d.i. die faktische chemische Komposition/Struktur, von reinem leichten Waser ausdrückt.
"Real and nominal definitions

John Locke distinguished, in his Essay, “real essence” from “nominal essence.” Nominal essence, according to Locke, is the “abstract Idea to which the Name is annexed (III.vi.2).” Thus, the nominal essence of the name ‘gold’, Locke said, “is that complex Idea the word Gold stands for, let it be, for instance, a Body yellow, of a certain weight, malleable, fusible, and fixed.” In contrast, the real essence of gold is “the constitution of the insensible parts of that Body, on which those Qualities [mentioned in the nominal essence] and all other Properties of Gold depend (III.vi.2).” A rough way of marking the distinction between real and nominal definitions is to say, following Locke, that the former states real essence, while the latter states nominal essence. The chemist aims at real definition, whereas the lexicographer aims at nominal definition.

This characterization of the distinction is rough because a zoologist’s definition of “tiger” should count as a real definition, even though it may fail to provide “the constitution of the insensible parts” of the tiger. Moreover, an account of the meaning of a word should count as a nominal definition, even though it may not take the Lockean form of setting out “the abstract idea to which the name is annexed.” Perhaps it is helpful to indicate the distinction between real and nominal definitions thus: to discover the real definition of a term X one needs to investigate the thing or things denoted by X; to discover the nominal definition, one needs to investigate the meaning and use of X. Whether the search for an answer to the Socratic question “What is virtue?” is a search for real definition or one for nominal definition depends upon one’s conception of this particular philosophical activity. When we pursue the Socratic question, are we trying to gain a clearer view of our uses of the word ‘virtue’, or are we trying to give an account of an ideal that is to some extent independent of these uses? Under the former conception, we are aiming at a nominal definition; under the latter, at a real definition."

Definitions: https://plato.stanford.edu/entries/definitions/
————————————
"Reale und nominale Definitionen

John Locke unterschied in seinem Essay zwischen „realer Essenz“ und „nominaler Essenz“. Die nominale Essenz ist laut Locke die „abstrakte Idee, an die der Name angehängt ist (III.vi.2).“ So ist die nominale Essenz des Namens „Gold“, so Locke, „jene komplexe Idee, für die das Wort Gold steht, sei es beispielsweise ein gelber Körper von einem bestimmten Gewicht, formbar, schmelzbar und fest.“ Im Gegensatz dazu ist die reale Essenz von Gold „die Zusammensetzung der unempfindlichen Teile dieses Körpers, von denen diese Qualitäten [die in der nominalen Essenz erwähnt werden] und alle anderen Eigenschaften von Gold abhängen (III.vi.2).“ Eine grobe Möglichkeit, die Unterscheidung zwischen realen und nominalen Definitionen zu kennzeichnen, besteht darin, Locke zu folgen und zu sagen, dass die erstere die reale Essenz angibt, während die letztere die nominale Essenz angibt. Der Chemiker strebt eine reale Definition an, während der Lexikograph eine nominale Definition anstrebt.

Diese Charakterisierung des Unterschieds ist grob, da die Definition eines Zoologen von „Tiger“ als Realdefinition gelten sollte, auch wenn sie möglicherweise nicht „die Zusammensetzung der unempfindlichen Teile“ des Tigers angibt. Darüber hinaus sollte eine Erklärung der Bedeutung eines Wortes als Nominaldefinition gelten, auch wenn sie nicht die Lockesche Form der Darlegung „der abstrakten Idee, an die der Name angehängt ist“ annimmt. Vielleicht ist es hilfreich, den Unterschied zwischen Real- und Nominaldefinitionen folgendermaßen zu verdeutlichen: Um die Realdefinition eines Begriffs X zu entdecken, muss man die Sache oder die Dinge untersuchen, die mit X bezeichnet werden; um die Nominaldefinition zu entdecken, muss man die Bedeutung und Verwendung von X untersuchen. Ob die Suche nach einer Antwort auf die sokratische Frage „Was ist Tugend?“ eine Suche nach einer Realdefinition oder eine nach einer Nominaldefinition ist, hängt von der Auffassung dieser besonderen philosophischen Tätigkeit ab. Wenn wir der sokratischen Frage nachgehen, versuchen wir dann, unsere Verwendung des Wortes „Tugend“ klarer zu verstehen, oder versuchen wir, ein Ideal zu beschreiben, das in gewissem Maße unabhängig von dieser Verwendung ist? Bei der ersten Auffassung streben wir eine nominale Definition an, bei der zweiten eine reale Definition."
[Übersetzt von Google Translate]

Definitions: https://plato.stanford.edu/entries/definitions/



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Consul
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Di 8. Okt 2024, 21:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 8. Okt 2024, 11:21
Selbst aus einer eher naturwissenschaftlichen Perspektive lässt sich vielleicht begründen, dass die "Reinheit von Wasser" (H₂O oder D₂O), wie sie in chemischen Modellen definiert ist, nicht der Realität entspricht, die wir in der Natur beobachten. Ist Wasser "rein", ist es im Grunde genommen kein Wasser mehr. Die natürlichen „Zutaten“, die immer dabei sind, gehören zum Wesen des Wassers selbst. Wasser ist also in aller Regel nicht H₂O, sondern H₂O plus irgendetwas.
Du hast recht, wenn mit "Wasser" Wasser2 gemeint ist; denn wenn damit Wasser1 gemeint ist, dann ist Wasser immer ausschließlich H2O.
Auch Chemiker unterscheiden zwischen Wasser qua reinem leichten Wasser (von mir Wasser1 genannt) und Wasser qua wässriger Flüssigkeitslösung, die größtenteils, aber nicht ausschließlich aus Wasser1 besteht (von mir Wasser2 genannt).
"Wasser ist Leben. Kürzer und prägnanter als mit diesem vielzitierten Satz kann man die Bedeutung der chemischen Verbindung mit der unspektakulären Formel H2O wohl nicht beschreiben. Wasser ist jedoch nicht gleich Wasser. Reines Wasser kommt in der Natur nicht vor, Wasser enthält immer mehr oder weniger große Mengen gelöster oder ungelöster Substanzen. Diese Wasserinhaltsstoffe sind es, die die Qualität des Wassers, vor allem als Lebensraum für aquatische Organismen oder als Ressource für die Trink- oder Brauchwassergewinnung, bestimmen.

Die in Grund- und Oberflächenwässern auftretenden Inhaltsstoffe können natürlichen oder anthropogenen Ursprungs sein, ihr Verhalten in aquatischen Systemen wird durch vielfältige physikalische, chemische und biologische Prozesse bestimmt. Vorkommen und Reaktionen von Wasserinhaltsstoffen zu untersuchen ist Gegenstand der Wasserchemie (oder Hydrochemie) – einer Wissenschaftsdisziplin, die – basierend auf der klassischen Chemie – enge Verbindungen zur Geochemie und Hydrobiologie aufweist. Nicht zuletzt liefert die Wasserchemie auch die naturwissenschaftlichen Grundlagen für die Wassertechnologie."

(Worch, Eckhard. Wasser und Wasserinhaltsstoffe: Eine Einführung in die Hydrochemie. Wiesbaden: Springer, 1997. S. 5)
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 8. Okt 2024, 11:21
(In gewisser Hinsicht würde ich auch Putnams Gedanken akzeptieren, dass Wasser auf einem Zwillingsplaneten eine ähnliche Rolle wie bei uns spielen könnte, jedoch chemisch anders realisiert ist – das nur am Rande. Es gibt keine logisch/begriffliche Notwendigkeit, dass Wasser in dieser oder jener Weise realisiert ist.)
Wasser qua reines leichtes Wassser hat in allen möglichen Welten die "reale Essenz", d.i. die Molekularstruktur H2O. Folglich kann keine Flüssigkeit mit einer anderen Molekularstruktur Wasser qua reines leichtes Wasser sein.



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Jörn Budesheim
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Mi 9. Okt 2024, 09:33

Reines Wasser kommt in der Natur nicht vor, Wasser enthält immer mehr oder weniger große Mengen gelöster oder ungelöster Substanzen. Diese Wasserinhaltsstoffe sind es, die die Qualität des Wassers, vor allem als Lebensraum für aquatische Organismen oder als Ressource für die Trink- oder Brauchwassergewinnung, bestimmen. (Eckhard Worch) [Hervorhebung von mir]

H₂O kommt in der Natur nicht vor. Der Begriff „Wasser“ hat sich jedoch aus dem gebildet, was in der Natur tatsächlich vorkommt, und nicht aus dem, was nicht vorkommt. Wasser bedeutet daher nicht H₂O, sondern H₂O plus mehr oder weniger große Mengen gelöster oder ungelöster Substanzen. Die Unterscheidung zwischen Wasser1 (H₂O) und Wasser2 (natürliches Wasser mit seinen wechselnden Substanzen) kommt in unserer Sprache nicht vor und ist auch unnötig. Für das Konzept von Wasser1 gibt es schließlich den Ausdruck H₂O.

Die Problematik entsteht, meines Erachtens, weil wissenschaftliche Ausdrücke und reduktionistische Sichtweisen* der Naturwissenschaften unsere Lebenswelt oftmals "kolonisieren". Wasser ist Leben und spielt aus diesem Grund auch eine zentrale Rolle für die Lebenswelt, nicht als H₂O, das weder in der Natur vorkommt, noch die Basis des Lebens sein könnte, sondern als ein essenzielles Element für die Existenz von Organismen und Ökosystemen.

*Menschen fangen zum Beispiel plötzlich an zu glauben, sie seien Gehirne oder dergleichen.




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Mi 9. Okt 2024, 10:08

Consul hat geschrieben :
Di 8. Okt 2024, 21:52
Wasser qua reines leichtes Wassser hat in allen möglichen Welten die "reale Essenz", d.i. die Molekularstruktur H2O. Folglich kann keine Flüssigkeit mit einer anderen Molekularstruktur Wasser qua reines leichtes Wasser sein.
Woher haben wir unsere Begriffe? Nur aus dem Labor? Wasser spielt auf diesem Planeten und in unserem Leben, eine bestimmte Rolle im Ökosystem. Etwas, was in der fraglichen Zwillingswelt dieselbe Rolle spielt, wäre ebenfalls Wasser, auch wenn es anders realisiert wäre.




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RoloTomasi hat geschrieben :
Mi 9. Okt 2024, 11:52
Was Wasser ist, kann man so oder so sehen.
Das finde ich nicht. Consul und ich vertreten Ansichten, die einander ausschließen. Höchstens einer oder gar keiner von uns kann es richtig oder ungefähr richtig sehen, aber nicht wir beide. Wenn einer von uns beiden richtig liegt, liegt der andere falsch. Es geht mir auch nicht um Deutungshoheit, sonst würde ich keine Argumente vorlegen, sondern die Kavallerie rufen :-)
RoloTomasi hat geschrieben :
Mi 9. Okt 2024, 11:52
Der Hinweis von Jörn, dass Wasser auch anders denn als H2O aufgefasst werden kann - und als H2O in der empirischen Natur gar nicht vorkommt
Mein "Hinweis" ist nicht, dass Wasser anders aufgefasst werden kann, sondern anders aufgefasst werden sollte. Und dafür hab ich meine Argumente vorgelegt.




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Mi 9. Okt 2024, 15:08

Eine Untersuchung habe ich nicht zu bieten. Aber das Narrativ, dass man „im Wesentlichen“ sein Gehirn sei, ist vermutlich äußerst einflussreich. Es wird weit verbreitet, schätze ich – in populärwissenschaftlichen Büchern, von denen es, wenn ich durch Amazon scrolle, gefühlt hunderte gibt. Aber auch in Fernsehsendungen, YouTube-Videos, Podcasts und vermutlich sogar in Lehrplänen. Doch das ist nicht alles. Der Einfluss dieses Narrativs resultiert auch daraus, dass es oft nicht kritisch hinterfragt wird. Viele glauben, es beruhe auf klaren wissenschaftlichen Ergebnissen.

Außerdem ist das nur ein Mosaikstückchen unter vielen. Es gibt viele ähnliche Behauptungen. Zum Beispiel die Idee, dass wir in einem kalten, anonymen Universum leben, das allein von Naturgesetzen bestimmt wird. Oder die Auffassung, dass der freie Wille eine Illusion sei, weil alle unsere Entscheidungen auf neuronalen Prozessen basieren. Die Behauptung, dass altruistisches Verhalten letztlich nur egoistische Motive verbirgt. Der Gedanke, dass Liebe nichts als ein evolutionärer Vorteil zur Fortpflanzung ist. Die Idee, dass Kunst und Ästhetik rein subjektive Konstrukte ohne objektiven Wert sind. Die Behauptung, dass Menschen keine Würde oder Rechte haben, etc. p.p.

Ich vermute allerdings, dass immerhin noch eine Mehrheit solche Narrative nicht glaubt, unter anderem weil (man möchte fast sagen: Zum Glück) viele Menschen religiös sind – und damit meine ich jetzt nicht die Neuroreligion.




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Mi 9. Okt 2024, 17:42

RoloTomasi hat geschrieben :
Mi 9. Okt 2024, 16:47
Das Wort 'Wasser' hat einfach mehrere Bedeutungen, je nach Kontext. Die jeweils gesetzten Akzente sind verschieden, aber das Setzen verschiedener Akzente in Bezug auf Irgendetwas ist doch etwas ganz Normales.
Sicherlich, manchmal kann man bei manchen Themen in manchen Zusammenhängen verschiedene Akzente setzen, aber daraus folgt ja nicht, dass man es auch in diesem Zusammenhang zurecht könnte oder sollte. Dafür bräuchte es weitere Argumente.




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Mi 9. Okt 2024, 18:10

Ich habe mich in diesem Faden und anderen wiederholt auf den sogenannten semantischen Externalismus bezogen (ohne ihn hier beim Namen zu nennen). Der semantische Externalismus ist einfach ausgedrückt eine These in der Philosophie der Sprache, die besagt, dass die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks auch von externen Faktoren abhängt. Bedeutungen sind nun mal nicht „im Kopf“, wie es manchmal heißt. Meiner Ansicht nach ist unsere Sprache auf diese Weise in der Wirklichkeit dieser Welt verankert.

Wie ist der Ausdruck „Wasser“ in der Wirklichkeit verankert? Der Ausdruck „Wasser“ bezieht sich auf Wasser, so wie es in der Natur vorkommt. H₂O hingegen kommt in der Natur nicht vor! Wasser bezieht sich statt dessen auf das, was wir in Flüssen und im Meer finden – sofern diese nicht völlig verschmutzt oder vermüllt sind. Wasser ist das, was wir trinken und was in vielerlei Hinsicht eine essentielle Rolle in unserem Leben spielt. Diese externen Faktoren bestimmen meines Erachtens die Bedeutung des Begriffs „Wasser“ und verankern ihn in der Wirklichkeit. Das ist eines meiner Argumente, basierend auf dem semantischen Externalismus.

Mal ganz deutlich: H₂O kommt in der Natur nicht vor, aber dennoch soll es das sein, was dem Ausdruck „Wasser“ seine Bedeutung verleiht. Das halte ich ehrlich gesagt für absurd.

Ich bestreite nicht, dass man mit recht artifiziellen Methoden aus Wasser H₂O herstellen kann. Doch es bräuchte ein starkes Argument, um zu zeigen, dass das Ergebnis dann immer noch als Wasser gelten sollte. Ich sehe bisher keines. Insbesondere spricht dagegen, dass ihm dadurch all die besonderen Eigenschaften genommen werden, die es zur Quelle des Lebens machen – also die Eigenschaften, die Wasser die Bedeutung verleihen, die es für uns hat.

Einfach zu sagen, man könne es so oder so sehen, ist für mich kein überzeugendes Argument. Warum sollte man für etwas, das offensichtlich etwas anderes ist als Wasser, nicht einen anderen Ausdruck verwenden, zumal wir ja einen passenden Ersatz haben, der auch die Herkunft des Begriffs gleich anzeigt: H₂O.




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Mi 9. Okt 2024, 18:24

RoloTomasi hat geschrieben :
Mi 9. Okt 2024, 16:47
Man weiß es nicht, kann es nur vermuten.
Aber habe ich das wirklich getan? Ich finde nicht. Ich habe nicht einfach eine Vermutung geäußert, sondern versucht, sie zumindest mit Indizien zu untermauern. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Menschen seit Jahrzehnten auf den verschiedenen Kanälen, von denen ich oben nur einige aufgezählt habe, mit entsprechenden Aussagen über das Verhältnis von Gehirn und Mensch bombardiert werden und dass das spurlos an ihnen vorübergeht.




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Do 10. Okt 2024, 02:27

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 9. Okt 2024, 09:33
Reines Wasser kommt in der Natur nicht vor, Wasser enthält immer mehr oder weniger große Mengen gelöster oder ungelöster Substanzen. Diese Wasserinhaltsstoffe sind es, die die Qualität des Wassers, vor allem als Lebensraum für aquatische Organismen oder als Ressource für die Trink- oder Brauchwassergewinnung, bestimmen. (Eckhard Worch) [Hervorhebung von mir]

H₂O kommt in der Natur nicht vor.
Das ist falsch! Worch schreibt: "Reines Wasser kommt in der Natur nicht vor."
Dass in der Natur keine reinen (unvermischten) H2O-Mengen vorkommen, bedeutet selbstverständlich nicht, dass darin überhaupt keine H2O-Mengen vorkommen.



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 9. Okt 2024, 10:08
Consul hat geschrieben :
Di 8. Okt 2024, 21:52
Wasser qua reines leichtes Wassser hat in allen möglichen Welten die "reale Essenz", d.i. die Molekularstruktur H2O. Folglich kann keine Flüssigkeit mit einer anderen Molekularstruktur Wasser qua reines leichtes Wasser sein.
Woher haben wir unsere Begriffe? Nur aus dem Labor? Wasser spielt auf diesem Planeten und in unserem Leben, eine bestimmte Rolle im Ökosystem. Etwas, was in der fraglichen Zwillingswelt dieselbe Rolle spielt, wäre ebenfalls Wasser, auch wenn es anders realisiert wäre.
Nein, <Wasser> ist ein Stoffbegriff und kein Rollenbegriff.



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Do 10. Okt 2024, 03:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 9. Okt 2024, 09:33
Die Unterscheidung zwischen Wasser1 (H₂O) und Wasser2 (natürliches Wasser mit seinen wechselnden Substanzen) kommt in unserer Sprache nicht vor und ist auch unnötig.
Doch, tut sie! Die Unterscheidung zwischen Wasser– (reinem H2O/einer H2O-Menge ohne Beimengung anderer Stoffe) und Wasser+ (unreinem H2O/einer H2O-Menge mit Beimengung anderer Stoffe) ist schon länger Teil unserer Sprache, und sie ist auch nicht nur Chemikern bekannt.
"Wasser. H2O findet sich im flüssigen und starren Zustand (als Eis) allgemein verbreitet in der Natur, gasförmig in der Atmosphäre, ferner als Hauptbestandteil des Pflanzen- und Tierkörpers und, chemisch gebunden, auch in vielen Mineralien. Wegen seines großen Lösungsvermögens ist aber das in der Natur vorkommende W. niemals rein und kann nur durch Destillation von den darin enthaltenen festen Stoffen und Gasen gereinigt werden."

(Meyers Großes Konversations-Lexikon: Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Bd. 20: Veda – Zz. 6. Aufl. Leipzig/Wien: Bibliographisches Institut, 1908. S. 401)



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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