Hier liegt alles an dem Wörtchen "Einfluss". Sind damit zum Beispiel explizit oder implizit angedrohte Sanktionen gemeint? In diesem Fall wäre nach Einschätzung von Byung-Chul Han - in "Was ist Macht?" die Macht noch nicht entfaltet oder bereits am Bröckeln.Tosa Inu hat geschrieben : ↑So 28. Jan 2018, 18:26psyheu hat geschrieben : Was ist Macht überhaupt? Nach einer klassischen Studie von John R.P. French Jr. und Robert Alan Dahl ist Macht „die Fähigkeit von Akteur A einen Akteur B zu einer Handlung zu bewegen, etwas zu tun, was Akteur A von ihm verlangt, abzüglich der Wahrscheinlichkeit, dass der Akteur B die von Akteur A gewollte Handlung auch ohne den Einfluss von Akteur A getan hätte.“[1]
Macht im Sinn von Han liegt - nach meinem bisherigen Verständnis - im Grunde voll entfaltet dann vor, wenn Akteur B tut, was Akteur A von ihm "verlangt", ohne dass dieser es überhaupt verlangen muss, also aus freien Stücken. In diesem Bild gehört zu einer richtigen Beschreibung der Situation, der "Raum" in dem sich A und B bewegen dazu. Dieser Raum ist nach Han im wesentlichen in "Sinn-Raum". B hat sich im "Idealfall" die Logik dieses Raum zu eigen gemacht. Die Macht greift sozusagen bis in seine Seele, weil er die kleinen oder großen Erzählungen, die diesen Raum strukturieren "verinnerlicht" hat. Früher hat man etwas Vergleichbares "die Verhältnisse" genannt, schätze ich. Die Verhältnisse setzen A und B in eben ein bestimmtes, präfiguriertes Verhältnis, welches ihre "Handlungsselektionen" bereits vorstrukturiert. A muss B unter solchen Umständen gar nicht erst bewegen. Der sinnhaft strukturierte Raum, zu dem beiden gehören, wird B dazu bringen, die fragliche Handlung aus "freien" Stücken zu vollziehen. So als wenn Akteur B die von Akteur A gewollte Handlung auch ohne den Einfluss von Akteur A getan hätte.
Wahre Macht vollzieht sich im Stillen, sie ist so unsichtbar, wie das Wasser, in dem der Fisch schwimmt.
Nehmen wir dazu einen kleinen Aspekt der Diskussion, die wir hier führen, um verdeutlichen, wie nach meiner Einschätzung bestimmte Machtverständnisse die Beurteilung formen. Im Lichte eines bestimmten Machtverständnis ist die Frage "Warum haben die Frauen sich nicht früher gemeldet?" völlig plausibel. Man geht von zwei symmetrischen Akteuren aus und fragt sich, wie A B zu all dem bewegen konnte, wenn nicht durch Gewalt. Aber warum dann das Schweigen, wie konnte es erzwungen werden? Ein anderes Machtverständnis stellt eine andere Frage. Zum Beispiel: Warum wurden die Frauen nicht früher gehört? Warum nicht früher ernst genommen? Welche "Macht-Kontinuen" haben das Handeln der vielen, vielen Akteure - und nicht bloß A und B - (mit-)geformt?
Wenn wir die Frage nach der Macht (was sie ist, wie sie wirkt) vertiefen, kommen wir vielleicht auch zu einem vertieften Verständnis der #metoo Debatte. Wie kann es ein Hashtag schaffen, Machtverhältnisse ins Wanken zu bringen :-)