Wachsende AfD kann die Demokratie abschaffen

Dieser Teil des Forums befaßt sich mit politischen, sozialen und historischen Aspekten der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten.
Jörn Budesheim

Di 6. Mai 2025, 13:01

https://de.statista.com/statistik/daten ... -parteien/

Etwa 88.5 %, also fast 90 % der Nicht-AfD-Wähler hält die AfD für eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland! (Wenn ich mich nicht verrechnet habe.)




Jörn Budesheim

Di 6. Mai 2025, 13:24

Consul hat geschrieben :
Mo 5. Mai 2025, 19:10
Was ist deiner Meinung nach die richtige Herangehensweise? Etwa eine unbeirrbare Fortführung der linken Politik der offenen Grenzen?
Nach meinem Eindruck geht man mit einer solchen Frage nach den Grenzen – gerade in diesem Zusammenhang hier – der AfD bereits auf den Leim. Denn sie unterstellt meines Erachtens zu Unrecht, dass das „Programm“ der AfD irgendeinen rationalen Kern habe, über den sich diskutieren ließe. Zur Erinnerung: Auch und gerade in Gegenden mit sehr geringem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund feiert die AfD große Erfolge! Entscheidend ist aus meiner Sicht, der AfD das Agenda-Setting zu entziehen. Ebenso wichtig ist es, deutlich zu machen, dass es hier nicht um eine nachvollziehbare, wertbasierte Alternative geht, sondern um irrationale Stimmungsmache – gezielt gegen das demokratische Fundament selbst. Entscheidend ist, denke ich, dass man sich nicht in die Agitationsmuster der AfD drängen lässt.

Dem lässt sich vielleicht begegnen, indem man für die möglichen Wähler der AfD* die Vorteile der Demokratie stärker sichtbar macht und – wenn man so will – ein berechtigtes Selbstbewusstsein in Bezug auf demokratische Errungenschaften fördert. Bereits bestehende Beteiligungsmöglichkeiten könnten klarer kommuniziert und, wo nötig, gestärkt werden. Wichtig ist sicher vor allem soziale Gerechtigkeit, Stärkung schwächerer Regionen, Bildung und ähnliches - platt und vereinfacht gesagt: Menschen, die nicht in prekären Verhältnissen leben, brauchen auch keine Sündenböcke. (Ich weiß, dass nicht alle AfD-Wähler in prekären Verhältnissen leben.)

Nachtrag: Die AfD hat auf Social Media (soweit ich weiß) vor allem bei jungen Zielgruppen, einen deutlichen Vorsprung, während andere Parteien hier weiterhin Nachholbedarf haben. Auch hier muss man natürlich ansetzen, finde ich.

Noch ein Nachtrag: es geht nicht nur um "die möglichen Wähler der AfD" - man sollte auch versuchen, die Nichtwähler zu "aktivieren".




Jörn Budesheim

Di 6. Mai 2025, 15:43

Thomas hat geschrieben :
Sa 3. Mai 2025, 10:17
@Jörn: Hast du keine Sorge, dass dieser Geist – in Deutschland verkörpert durch die AfD – auch für dich als unabhängiger Philosoph gefährlich werden könnte?

Danke für die persönliche Nachfrage. Nein, diese Sorge habe ich nicht. (Das ist ja genau mein Punkt, dass ich keine Gefahr aufziehen sehe. Aber ich betone nochmals, dass ich verstehe, wenn es anderen in diesem Punkt anders geht. Mein Standpunkt in dieser Sache ist bestimmt nicht repräsentativ.)

Beruflich sehe ich die Gefahr für mich deshalb nicht, weil ich ja gerade als Philosoph mit meinen Themen - Geschichte der Philosophie, Phänomenologie, Ontologie, Lebensphilosophie - überparteilich und überpolitisch arbeiten kann. Was meinen Unterricht in der Praxis seit rund 10 Jahren wirklich gefährdet, sind stark politisierte Teilnehmer, die keinen inneren Abstand zu den medialen Breaking News haben. Das macht es in Seminaren manchmal schwer, ins philosophische Denken reinzukommen.
Wenn die AfD je an die Macht kommt, gehörst du als Philosoph zum Beuteschema. Denn die Wahrheit ist der "natürliche" Feind der Rechtsextremen.




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Di 6. Mai 2025, 17:52

Thomas hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 08:59
Zur AfD habe ich (wie gesagt) nichts mehr zu sagen - dazu habe ich ja alles, was ich insgesamt denke, schon geschrieben.
Mich würde interessieren, ob du die AfD und ihr Umfeld (= das rechtsradikale/-extreme Netzwerk, dessen parlamentarische Speerspitze sie ist) weiterhin für derart harmlos hältst, dass von ihr keinerlei Gefahr für unsere liberale Verfassungsdemokratie, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgeht? Falls ja, dann muss ich mich sehr wundern. Die AfD ist zwar nicht die NSDAP 2.0, aber das bedeutet mitnichten, dass sie eine ungefährliche "normale", systemkonforme Partei ist.
Ich empfehle zum Vergleich das Studium der politischen Entwicklung Ungarns unter Orban & seiner Partei (Fidesz) sowie derjenigen Polens unter Kaczynski & seiner Partei (PiS).
Thomas hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 08:59
(Man kann das aktuell auch nicht rational diskutieren, da ist m.E. zu viel Erregung mit verbunden.)
Ich wage zu behaupten, dass meine Erwiderungen unaufgeregt und sachlich sind. Wer vor realen Gefahren warnt, betreibt keine irrationale Angstmacherei.



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Di 6. Mai 2025, 18:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 08:41
Consul hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 05:27
... der Aufstieg der Neuen Rechten hat schon etwas mit der woken Linken zu tun.

Im Zitat von Thomas tritt nur ein Akteur auf: die "Gegenseite". "Nüchtern betrachtet ergibt sich für mich der Erfolg der AfD bei uns sowie von Trump in Amerika daraus, dass die Gegenseite es mit ihren Ideen und Programmen einfach übertrieben hat." Die Polarisierungsstrategien der Rechten bleiben in dieser Analyse unerwähnt. Das trifft weder auf die USA noch auf Deutschland zu. Wir haben es mit gezielten Kampagnen zu tun – nicht mit einem Pendel, das unvermeidlich wie ein Naturgesetz ausschlägt.

Das einseitige Bild des Pendels, das viele andere Aspekte ausblendet, unterstellt einen simplen kausalen Nexus – verkürzt: Weil die Woken übertrieben haben, folgte zwangsläufig die Gegenreaktion. Das halte ich für unplausibel. Ich denke vielmehr, dass viele der heute lautstark vertretenen Haltungen schon lange (vielleicht unartikuliert, vage, diffus oder unbewusst) existierten und nicht erst durch woken Positionen "ausgelöst" oder "angestoßen" wurden – um im Bild des Pendels zu bleiben, sondern überwiegend von den Polarisierungsunternehmern der AfD bewusst befeuert wurden.

Kurz: Die Schuld bei den Woken zu suchen ist vorsichtig formuliert "unterkomplex" und blendet die aktive Rolle der Brandstifter in der AfD aus.
Von einer "pendelpolitischen" Alleinschuld der Wachen Linken kann in der Tat keine Rede sein. Ich habe nicht geschrieben: "Der Aufstieg der Neuen Rechten hat nur etwas mit der Wachen Linken zu tun." Ich habe allerdings auch nicht geschrieben: "Der Aufstieg der Neuen Rechten hat nichts mit der Wachen Linken zu tun." Denn, wie gesagt, der derzeitige Erfolg der reaktionären Rechten hat durchaus einiges mit dem "Exzessivismus" oder Radikalismus der Wachen Linken (mit ihrer kritischen Rassentheorie, Gendertheorie, Queertheorie etc.) zu tun, die für die Rechtsradikalen ein ideales Feindbild und Ziel ihrer Polarisierungskampagne abgibt. Diesen Umstand hervorzuheben, ist nicht Ausdruck einer einfältigen Auffassung, die der Komplexität der Wirklichkeit nicht gerecht wird.

Rechtsradikale/-extreme Strömungen haben schon immer parallel zu linksradikalen/-extremen Strömungen existiert – lange bevor die Wache Linke (die akademische kulturelle Linke) ab den 80ern als Nachfolgerin der Neuen Linken der 60er/70er-Jahre auftauchte und insbesondere nach der Jahrtausendwende einen großen Aufschwung (auch außerhalb der Universitäten) erfuhr. Die zeitgenössische Neue Rechte (Nouvelle Droite mit Vordenkern wie Alain de Benoist) ist parallel zur Neuen Linken entstanden; aber ihre ideologischen Quellen sind viel älter, denn sie liegen in den 1920er/30er-Jahren bei den Vordenkern der "konservativen Revolution".



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Quk

Di 6. Mai 2025, 19:06

Ob die "Wachen Linken" wesentlich dazu beitragen, halte ich für eine hypothetische Frage, denn wir können keinen parallelen Praxistest machen, in dem die "Wachen Linken" fehlen. Angenommen, sie fehlen, dann ist denkbar, dass die Rechtsextremen andere Spezialgruppen zum Feind erklären und ihnen grundlos und pauschal irgendwelche schlechten Eigenschaften unterstellen, wie damals den Juden, Roma, Sinti, Schwulen etc.

Es gehört zur Strategie der Rechtsextremen, ein Feindbild aufzubauen. Wenn es keine "Wachen Linken" gibt, wählt man eben andere aus. Im Notfall nimmt man sogar welche aus der eigenen rechtsextremen Reihe. In diesem System kann keiner niemandem trauen.




Jörn Budesheim

Di 6. Mai 2025, 19:12

Consul hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 18:54
Ich habe nicht geschrieben
Wenn ich mich richtig an meine Textarbeit von heute morgen erinnere, habe ich mich im Wesentlichen auf das Zitat von Thomas bezogen, was ich – meines Erachtens durchaus rational und nicht nur erregt – aus verschiedenen Gründen kritisiere.




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Consul
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Di 6. Mai 2025, 20:54

Quk hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 19:06
Es gehört zur Strategie der Rechtsextremen, ein Feindbild aufzubauen. Wenn es keine "Wachen Linken" gibt, wählt man eben andere aus. Im Notfall nimmt man sogar welche aus der eigenen rechtsextremen Reihe. In diesem System kann keiner niemandem trauen.
Die Linksextremen haben genauso Feindbilder aufgebaut. Die Wache Linke hat beispielsweise das stereotype Feindbild des heterosexuellen weißen Mannes entworfen, der angeblich für alles Übel in der Welt verantwortlich ist.



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

Jörn Budesheim

Di 6. Mai 2025, 20:59

Nur mal angenommen, das würde stimmen, würde daraus folgen, dass das, was Quk gesagt hat, falsch ist? Das Thema des Fadens ist die AfD, richtig?




Quk

Di 6. Mai 2025, 21:25

Consul hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 20:54
Quk hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 19:06
Es gehört zur Strategie der Rechtsextremen, ein Feindbild aufzubauen. Wenn es keine "Wachen Linken" gibt, wählt man eben andere aus. Im Notfall nimmt man sogar welche aus der eigenen rechtsextremen Reihe. In diesem System kann keiner niemandem trauen.
Die Linksextremen haben genauso Feindbilder aufgebaut. Die Wache Linke hat beispielsweise das stereotype Feindbild des heterosexuellen weißen Mannes entworfen, der angeblich für alles Übel in der Welt verantwortlich ist.
Das stimmt. Kann ich Deine Ergänzung als Zustimmung auffassen, dass die Rechtsextremen sowieso irgendeine Gruppe zum Feind erklären, ob es nun die "Wachen Linken" sind oder die Wildecker Herzbuben?




Timberlake
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Di 6. Mai 2025, 23:02

Weißt du an wen du mich mit deiner Unaufgeregtheit erinnerst?



"Man rühmte Zarathustra einen Weisen, der gut vom Schlafe und von der Tugend zu reden wisse: sehr werde er geehrt und gelohnt dafür, und alle Jünglinge säßen vor seinem Lehrstuhle. Zu ihm ging Zarathustra, und mit allen Jünglingen saß er vor seinem Lehrstuhle. Und also sprach der Weise:
Ehre und Scham vor dem Schlafe! Das ist das erste! Und allen aus dem Wege gehn, die schlecht schlafen und nachts wachen!
..
Keine geringe Kunst ist schlafen: es tut schon not, den ganzen Tag daraufhin zu wachen.
Zehnmal mußt du des Tages dich selber überwinden: das macht eine gute Müdigkeit und ist Mohn der Seele.
Zehnmal mußt du dich wieder mit dir selber versöhnen; denn Überwindung ist Bitternis, und schlecht schläft der Unversöhnte.
Zehn Wahrheiten mußt du des Tages finden; sonst suchst du noch des Nachts nach Wahrheit, und deine Seele blieb hungrig.
Zehnmal mußt du lachen am Tage und heiter sein: sonst stört dich der Magen in der Nacht, dieser Vater der Trübsal.
...
Ehre der Obrigkeit und Gehorsam, und auch der krummen Obrigkeit! So will es der gute Schlaf. Was kann ich dafür, daß die Macht gerne auf krummen Beinen wandelt?
...
Sehr gefallen mir auch die Geistig-Armen: sie fördern den Schlaf Selig sind die, sonderlich wenn man ihnen immer Recht gibt"

Nietzsche .. Also sprach Zarathustra[

Thomas hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 08:59
Zur AfD habe ich (wie gesagt) nichts mehr zu sagen - dazu habe ich ja alles, was ich insgesamt denke, schon geschrieben. (Man kann das aktuell auch nicht rational diskutieren, da ist m.E. zu viel Erregung mit verbunden.)

Aber zum Thema Erregung selbst: Wie versteht Ihr eigentlich Greta Thunbergs seinerzeit medial viralisierten Satz "Ich want to make you panic"?

(Greta Thunberg war ja, wie Ihr Euch vielleicht noch erinnert, das freundliche Gesicht des Klimaaktivismus, die als Wegelagerin an der Straßenecke Ihre Karriere als Panik- und Erregungsaktivistin begann. Das ist jetzt schon etwas her - ja bei dem heutigen medialen Erregungstempo fast schon historisch lange her.)
Das gehört nicht direkt in diesen Thread, aber es würde mich bei der Frage nach dem Thema soziale Erregung interessieren: Wie versteht Ihr Thunbergs Motto?
Greta Thunberg würde ich übrigens nicht zu jenen zählen, die diesen Weisen rühmen. Zu deiner Information, das gehört direkt in den Thread Das Anthropozän. Eigentlich sollte es dir aufgefallen sein, wurde dir doch gemeldet, dass du dort von zitiert wurdest. Wenn es bei dem Weisen hieß

"Zehnmal mußt du dich wieder mit dir selber versöhnen; denn Überwindung ist Bitternis, und schlecht schläft der Unversöhnte"

Versöhnlich war der Beitrag dort, wie auch meine Beiträge dich betreffend hier, allerdings nicht. Vor dem Hintergrund, dass der Unversöhnte schlecht schläft, war allerdings dein Schweigen zu all dem nur konsequent.




Jörn Budesheim

Mi 7. Mai 2025, 08:57

Thomas hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 23:00
Moralisierungsfallen
Was ist das? Insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema des Fadens?




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Stefanie
Beiträge: 9087
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mi 7. Mai 2025, 09:54

Es ist nicht notwendig, sich durch die diverse Medien durchzulesen.
Man kann die AfD Internetseite aufrufen und sich durch die diversen Dokumente durchlesen. Ebenso sich die jeweiligen Accounts in den sozialen Medien anzuschauen, abgedruckte Interviews zu lesen, Anfragen im Bundestag, Reden sich anzuhören usw. usw.
Das reicht schon aus, um zu erkennen, was die AfD für eine Partei ist.
Ja das fällt schwer, aber da muss man durch. Wenn man den Medien nicht so richtig traut.



Prinzessinnen richten ihr Krönchen.
Königinnen ziehen ihr Schwert.

Jörn Budesheim

Mi 7. Mai 2025, 09:57

Stefan Keuter (Bundestagsabgeordneter, AfD) teilte ein Foto eines Stahlhelmsoldaten am Maschinengewehr, versehen mit der Aufschrift:
„Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1.400 Anträge in der Minute ab!“


afd-verbot.de




Jörn Budesheim

Mi 7. Mai 2025, 10:39

Thomas hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 10:21
Ich meine mit Moralfalle, dass alles, was die AfD auch macht, nur schlecht oder böse sein kann
Und wie erklärst du dir, dass alles, was die AfD tut, dich nicht daran hindert zu glauben, es handle sich im Grunde um eine ganz normale, bürgerlich-konservative Partei? Wie kommt es, dass du zur AfD stets nur relativierende Worte findest – selbst angesichts solcher Äußerungen? Stefan Keuter, Bundestagsabgeordneter der AfD, teilte ein Foto eines Stahlhelmsoldaten am Maschinengewehr, versehen mit der Aufschrift: „Das schnellste deutsche Asylverfahren – lehnt bis zu 1.400 Anträge in der Minute ab!“

Reden so bürgerlich Konservative? Im Ernst? In welcher Falle sitzt du?




Jörn Budesheim

Mi 7. Mai 2025, 11:26

Thomas hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 11:14
... da müssen mir andere helfen.
Allerdings muss man sich auch helfen lassen. Es mag ein schönes Alleinstellungsmerkmal sein, „die offiziell kursierenden Ängste“ nicht zu teilen. Aber das ist nur sinnvoll, wenn diese Ängste tatsächlich unbegründet sind. Und da kommt man nicht weiter, wenn man sämtliche vorgetragenen Gründe gar nicht ernsthaft zur Kenntnis nimmt. Was hattest du eigentlich noch mal zu dem Zitat von Stefan Keuter (und den vielen anderen) geschrieben? Ich finde die Stelle gerade nicht.




Jörn Budesheim

Mi 7. Mai 2025, 11:37

Ist Greta Thunberg in der AfD? Nein. Das läuft für mich daher unter Whataboutismus. (Zudem hat Quk weiter oben schon etwas dazu gesagt.)




Jörn Budesheim

Mi 7. Mai 2025, 11:40

Thomas hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 11:35
@Jörn: "Stefan Keuter (Bundestagsabgeordneter, AfD) teilte ein Foto eines Stahlhelmsoldaten am Maschinengewehr, versehen mit der Aufschrift:
„Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1.400 Anträge in der Minute ab!“".

Das hast Du vorhin gepostet - aber selbst hast Du doch auch nichts dazu geschrieben.
Das ist lustig :-) Zur Erinnerung: Ich bin nicht derjenige, der die AfD für eine ganz normale, bürgerlich-konservative Partei hält. Nicht für meine, sondern für Deine Postion ist das Zitat ein Problem - to say the least.




Quk

Mi 7. Mai 2025, 16:57

Eine kleine Analyse:

In Bertolt Brechts Theaterstück "Leben des Galilei" sehen wir zwei Felder. In dem einen Feld agiert der Beobachter Galilei; durch sein Teleskop entdeckt er im Sonnensystem erstaunliche Prozesse. In dem anderen Feld agiert die Kirche, und diese klammert sich an ein altes dogmatisches Weltbild. Diese zwei Felder stoßen aufeinander. -- Worin unterscheiden sich die Felder im Wesentlichen? Auf dem offenen Feld sammelt Galilei unaufhörlich Daten und er zeigt, dass das bisherige dogmatische Weltbild inkonsistent ist. Die Kirche hingegen kann zum Erhalt ihres Dogmas nur eines tun: Galileis Daten ignorieren. Die Kirche steckt buchstäblich ihren Kopf in den Sand; sie weigert sich, durch Galileis Fernrohr zu sehen.

Analogie:

In den mit Dieter Nuhr und seinesgleichen geführten Debatten um den Klimawandel und den zunehmenden Rechtsextremismus sehe ich auch wieder diese zwei Felder. In dem einen offenen Feld werden klimatische und politische Prozesse beobachtet und datiert. In dem anderen Feld agieren Dogmatiker; ihr Dogma lautet: Es gibt nicht wirklich einen gefährlichen Klimawandel oder zunehmenden Rechtsextremismus; das ist nur medial aufgebauscht. -- Worin unterscheiden sich die beiden Felder im Wesentlichen? Auf dem offenen Feld sammeln Beobachter unaufhörlich Daten und zeigen, dass das bisherige dogmatische Friede-Freude-Eierkuchen-Bild inkonsistent ist. Das dogmatische Feld hingegen kann zum Erhalt seines Dogmas nur eines tun: Die gesammelten Daten ignorieren. Die Dogmatiker stecken buchstäblich ihre Köpfe in den Sand; sie weigern sich, empirische Belege anzusehen. Dieses Prinzip der Ignoranz wird hier im Forum an vielen Stellen empirisch demonstriert.

Um den Unterschied nochmal zu betonen: Das eine Feld hat einen breiteren, offenen, forschenden Charakter; es zieht auch andere Felder in Betracht und wägt ab. Das andere Feld hingegen ist dogmatisch eingeschränkt auf die Medien-Landschaft, als bestünde die Wirklichkeit nur aus Medien. Für sein dogmatisches Fortbestehen hilft nur eines: Man darf nicht auf das erste Feld schauen, denn das gibt es ja eigentlich nicht.




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Consul
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Registriert: Mo 29. Apr 2024, 00:13

Mi 7. Mai 2025, 17:14

Thomas hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 10:21
Das gehört insofern zum Thema des Fadens, als dieser im Titel ("Wachsende AfD kann die Demokratie abschaffen") eine moralisch-affektive Blockade schon enthält. Die Tatsache, dass die AfD - natürlich in ganz anderer Beleuchtung - selbst ständig vor Gefahren für die Demokratie warnt, kann gar nicht mehr gesehen werden. Es wäre doch interessant, sich mal zu fragen: Wie kann das eigentlich sein, dass beide, also die AfD und ihre Gegner (oder umgekehrt: die Gegner der AfD und die AfD) die Demokratie in Gefahr sehen? Wenn man so fragt, käme man aus der Moralfalle: Die jeweiligen Perspektiven würden dann versachlicht und überhaupt erst als Perspektiven sichtbar.
Wir haben es einerseits mit unterschiedlichen Demokratieverständnissen zu tun (liberale Demokratie vs. illiberale Demokratie); und andererseits—von teilweise berechtigter Kritik an der woken "Cancel Culture" abgesehen—sind die Warnungen der AfD vor Beeinträchtigungen der Demokratie und insbesondere vor Einschränkungen der freiheitlichen Grundrechte Teil dessen, was Jason Stanley als "unterminierende Propaganda/Demagogie" bezeichnet: Im Namen der Demokratie und der Freiheit bzw. des Kampfes dafür werden in Wahrheit anti(liberal)demokratische und antiliberale Ziele verfolgt—und zwar derart rhetorisch geschickt, dass viele es gar nicht bemerken.
"Unterminierende Propaganda: Ein Beitrag zum öffentlichen Diskurs, der als Verkörperung bestimmter Ideale dargestellt wird, aber dazu neigt, genau diese Ideale zu untergraben.
Unterminierende Propaganda beinhaltet einen Widerspruch zwischen Ideal und Ziel. Es handelt sich um ein Argument, das sich auf ein Ideal beruft, um Unterstützung zu gewinnen, im Dienste eines Ziels, das dazu neigt, die Verwirklichung dieses Ideals zu untergraben." [Google Translate]

(Stanley, Jason. How Propaganda Works. Princeton, NJ: Princeton University Press 2015. p. 53)

"Unterminierende Demagogie ist eine Form unterminierender Propaganda. Die vollständige Charakterisierung lautet daher:
Unterminierende Demagogie: Ein Beitrag zum öffentlichen Diskurs, der als Verkörperung eines ehrenwerten politischen, wirtschaftlichen oder rationalen Ideals präsentiert wird, aber einem Ziel dient, das genau dieses Ideal zu untergraben droht.
Wer einer fehlerhaften Ideologie anhängt, betreibt oft unwissentlich Demagogie. Eine fehlerhafte Ideologie führt dazu, dass jemand die Spannung zwischen dem Ziel, dem sein Argument dient, und den politischen Idealen, die es dabei verfolgt, nicht erkennt. Seine problematische Ideologie kann ihn sogar daran hindern, zu erkennen, dass er Demagogie betreibt, selbst wenn dies der Fall ist. Ein Publikum, das die fehlerhafte Ideologie des Sprechers teilt, würde nicht erkennen, dass die Botschaft demagogisch ist. Aber das ist natürlich ein Grund, warum unterminierende Demagogie so heimtückisch ist." [Google Translate]

(Stanley, Jason. How Propaganda Works. Princeton, NJ: Princeton University Press 2015. p. 69)



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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