Wachsende AfD kann die Demokratie abschaffen

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Thomas
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Mi 7. Mai 2025, 16:30

@Jörn: Das ist lustig :-) Zur Erinnerung: Ich bin nicht derjenige, der die AfD für eine ganz normale, bürgerlich-konservative Partei hält. Nicht für meine, sondern für Deine Position ist das Zitat ein Problem".

Ich kann mich immer nur wiederholen, aber dabei offensichtlich nicht verständlich machen. Ich spreche gar nicht politisch, ich habe keine Agenda. Das ist sehr wichtig, und nicht so banal, wie man denken könnte. Meinen Eindruck der AfD als bürgerlich-konservative Partei (so etwa im Stil der alten Strauß-CSU) meine ich nicht als politische Aussage. Und daher auch nicht als 'Verharmlosung', denn der Begriff setzt ja schon eine Gefahr voraus. Meine Bemerkungen bewegen sich auf einer anderen Ebene.

Will die AfD Leute an der Grenze massenweise erschießen? Ist das, was der absolut geschmacklose Post von Keuter sagt, wozu er aufruft? Wenn in den Reihen der Linken von der "Erschießung von Reichen" die Rede ist (https://www.welt.de/politik/deutschland ... assel.html) - wollen die Linken das dann wirklich tun?

Meiner Meinung nach sind solche Äußerungen das gezielte Setzen politischer Reize seitens von Politikern. Als besinnlicher Mensch springe ich auf solche Äußerungen nicht an wie auf Sachaussagen, Drohungen oder Versprechen. Das zu tun erscheint mir dumm, egal ob man nun Bild-Zeitung liest oder Tagesschau guckt. (Merz hat seine Wähler getäuscht? Ja sicher. Aber das kann doch nur für Wähler ein Skandal sein, die ohne Weiteres alles für bare Münze nehmen, was sie von Politikern lesen oder hören. Die Politik ist hintergründig, wie fast alles im Leben. Einfache und eindeutige Erklärungen oder Lösungen führen einen da nicht weiter.)

Ich versuche mir zu allem Gesagten immer ein differenziertes Bild zu machen. Ich würde niemals einfach Aussagen hinstellen und meinen, alles sei damit schon klar. Die Idee, dass einer Aussage immer die entsprechenden Taten folgen, ist m.E. kindisch. Ich jedenfalls versuche immer so gut es geht, Situationen auszulegen, zu verstehen, einzuordnen, zu kontextualisieren. Wenn ich das nicht mache, sondern andere einfach für Teufel erkläre, müsste ich mir anmaßen Gott zu sein. Menschsein im konstruktiven Sinne heißt für mich immer relativieren und normalisieren. Es geht mir darum, die rätselhafte Andersheit anderer zu verstehen...auch wenn das nie abschließend gelingen kann.

Finde ich den Post von Keuter gut? Nein, natürlich nicht - und die AfD in ihrer methodischen Primitivität insgesamt auch nicht! Will ich das Phänomen AfD verstehen? Ja klar, das schon, so wie alles andere auch.

Ich weiß, dass es unüblich ist, die AfD aus dieser philosophischen Distanz zu betrachten, aber das ist aus meiner Sicht in einem philosophischen Forum angemessener als direkt zu politisieren. Das sage ich nur, damit mein Standpunkt verständlicher wird, der eben hier kein politischer ist.




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Thomas
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Mi 7. Mai 2025, 16:49

Noch ein kleiner Nachtrag mit einem etwas konkreteren Punkt: Ich habe gerade auf Welt-Online die Schlagzeile gelesen: "Die ersten Risse in der Unions-Brandmauer zur Linkspartei". Auch angesichts solcher Perspektiven mache ich mir wegen der AfD in den nächsten 4 Jahren der Merz-Regierung erst mal keine Sorgen. Es ist m.E. sehr unwahrscheinlich, dass die CDU nach rechts hin öffnet; sie ist selbst schon zu sehr links-mittig geworden. Klar, die Rechten bleiben im Parlament stark. Aber sie sind jetzt irgendwie auch an einem toten Punkt, da können sie hetzen soviel sie wollen. Ich wette darauf, dass die sich in den nächsten Jahren mäßigen werden - sonst haben sie ja auch keine Chance. (Ich kann mich natürlich täuschen. Gerade die Rolle der USA ist nicht gut einzuschätzen ist, die unter Trump ja pro AfD ist. Man muss jetzt erst mal abwarten, was noch so alles passiert, nicht zuletzt auch international.)




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Quk
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Mi 7. Mai 2025, 16:57

Eine kleine Analyse:

In Bertolt Brechts Theaterstück "Leben des Galilei" sehen wir zwei Felder. In dem einen Feld agiert der Beobachter Galilei; durch sein Teleskop entdeckt er im Sonnensystem erstaunliche Prozesse. In dem anderen Feld agiert die Kirche, und diese klammert sich an ein altes dogmatisches Weltbild. Diese zwei Felder stoßen aufeinander. -- Worin unterscheiden sich die Felder im Wesentlichen? Auf dem offenen Feld sammelt Galilei unaufhörlich Daten und er zeigt, dass das bisherige dogmatische Weltbild inkonsistent ist. Die Kirche hingegen kann zum Erhalt ihres Dogmas nur eines tun: Galileis Daten ignorieren. Die Kirche steckt buchstäblich ihren Kopf in den Sand; sie weigert sich, durch Galileis Fernrohr zu sehen.

Analogie:

In den mit Dieter Nuhr und seinesgleichen geführten Debatten um den Klimawandel und den zunehmenden Rechtsextremismus sehe ich auch wieder diese zwei Felder. In dem einen offenen Feld werden klimatische und politische Prozesse beobachtet und datiert. In dem anderen Feld agieren Dogmatiker; ihr Dogma lautet: Es gibt nicht wirklich einen gefährlichen Klimawandel oder zunehmenden Rechtsextremismus; das ist nur medial aufgebauscht. -- Worin unterscheiden sich die beiden Felder im Wesentlichen? Auf dem offenen Feld sammeln Beobachter unaufhörlich Daten und zeigen, dass das bisherige dogmatische Friede-Freude-Eierkuchen-Bild inkonsistent ist. Das dogmatische Feld hingegen kann zum Erhalt seines Dogmas nur eines tun: Die gesammelten Daten ignorieren. Die Dogmatiker stecken buchstäblich ihre Köpfe in den Sand; sie weigern sich, empirische Belege anzusehen. Dieses Prinzip der Ignoranz wird hier im Forum an vielen Stellen empirisch demonstriert.

Um den Unterschied nochmal zu betonen: Das eine Feld hat einen breiteren, offenen, forschenden Charakter; es zieht auch andere Felder in Betracht und wägt ab. Das andere Feld hingegen ist dogmatisch eingeschränkt auf die Medien-Landschaft, als bestünde die Wirklichkeit nur aus Medien. Für sein dogmatisches Fortbestehen hilft nur eines: Man darf nicht auf das erste Feld schauen, denn das gibt es ja eigentlich nicht.




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Consul
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Mi 7. Mai 2025, 17:14

Thomas hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 10:21
Das gehört insofern zum Thema des Fadens, als dieser im Titel ("Wachsende AfD kann die Demokratie abschaffen") eine moralisch-affektive Blockade schon enthält. Die Tatsache, dass die AfD - natürlich in ganz anderer Beleuchtung - selbst ständig vor Gefahren für die Demokratie warnt, kann gar nicht mehr gesehen werden. Es wäre doch interessant, sich mal zu fragen: Wie kann das eigentlich sein, dass beide, also die AfD und ihre Gegner (oder umgekehrt: die Gegner der AfD und die AfD) die Demokratie in Gefahr sehen? Wenn man so fragt, käme man aus der Moralfalle: Die jeweiligen Perspektiven würden dann versachlicht und überhaupt erst als Perspektiven sichtbar.
Wir haben es einerseits mit unterschiedlichen Demokratieverständnissen zu tun (liberale Demokratie vs. illiberale Demokratie); und andererseits—von teilweise berechtigter Kritik an der woken "Cancel Culture" abgesehen—sind die Warnungen der AfD vor Beeinträchtigungen der Demokratie und insbesondere vor Einschränkungen der freiheitlichen Grundrechte Teil dessen, was Jason Stanley als "unterminierende Propaganda/Demagogie" bezeichnet: Im Namen der Demokratie und der Freiheit bzw. des Kampfes dafür werden in Wahrheit anti(liberal)demokratische und antiliberale Ziele verfolgt—und zwar derart rhetorisch geschickt, dass viele es gar nicht bemerken.
"Unterminierende Propaganda: Ein Beitrag zum öffentlichen Diskurs, der als Verkörperung bestimmter Ideale dargestellt wird, aber dazu neigt, genau diese Ideale zu untergraben.
Unterminierende Propaganda beinhaltet einen Widerspruch zwischen Ideal und Ziel. Es handelt sich um ein Argument, das sich auf ein Ideal beruft, um Unterstützung zu gewinnen, im Dienste eines Ziels, das dazu neigt, die Verwirklichung dieses Ideals zu untergraben." [Google Translate]

(Stanley, Jason. How Propaganda Works. Princeton, NJ: Princeton University Press 2015. p. 53)

"Unterminierende Demagogie ist eine Form unterminierender Propaganda. Die vollständige Charakterisierung lautet daher:
Unterminierende Demagogie: Ein Beitrag zum öffentlichen Diskurs, der als Verkörperung eines ehrenwerten politischen, wirtschaftlichen oder rationalen Ideals präsentiert wird, aber einem Ziel dient, das genau dieses Ideal zu untergraben droht.
Wer einer fehlerhaften Ideologie anhängt, betreibt oft unwissentlich Demagogie. Eine fehlerhafte Ideologie führt dazu, dass jemand die Spannung zwischen dem Ziel, dem sein Argument dient, und den politischen Idealen, die es dabei verfolgt, nicht erkennt. Seine problematische Ideologie kann ihn sogar daran hindern, zu erkennen, dass er Demagogie betreibt, selbst wenn dies der Fall ist. Ein Publikum, das die fehlerhafte Ideologie des Sprechers teilt, würde nicht erkennen, dass die Botschaft demagogisch ist. Aber das ist natürlich ein Grund, warum unterminierende Demagogie so heimtückisch ist." [Google Translate]

(Stanley, Jason. How Propaganda Works. Princeton, NJ: Princeton University Press 2015. p. 69)



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Consul
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Mi 7. Mai 2025, 18:07

Thomas hat geschrieben :
Di 6. Mai 2025, 23:00
@Consul: "Ich wage zu behaupten, dass meine Erwiderungen unaufgeregt und sachlich sind. Wer vor realen Gefahren warnt, betreibt keine irrationale Angstmacherei".

Das mit Angst und Aufregung meinte ich nicht in Bezug auf Dich oder andere hier, sondern primär in Bezug auf die Medien, aus denen man seine Eindrücke über die AfD bezieht. Und ich meine auch weniger psychische Angst und Aufregung, sondern eher die strukturelle Dramaturgie, die durch die 'Selbstbeobachtung der Gesellschaft durch die Medien' (im Luhmannschen Sinne) entsteht. Es werden dabei Frames (wie man das heute nennt) vorfabriziert, darunter etwa das Schema Schurken versus Verbündete (Beispiel: Die Bösen: AfD, Trump, Putin - die Guten: die Parteien der demokratischen Mitte, Selensky, Kamala Harris, usw.). Es ist schwer, solchen Framings und deren affektiven und moralisierenden Effekten zu entgehen, wenn man in eine Diskussion wie die unsere hier einsteigt.

Ich selbst erlebe es daher immer als eine Bereicherung, alle möglichen Medien zu nutzen - unsachlich gesagt also die guten wie die bösen. Das in Verbindung mit möglichst allseitiger Skepsis scheint mir ein einigermaßen gutes Mittel zu sein, um Engpässe in der Wahrnehmung zu vermeiden und nicht in Moralisierungsfallen zu tappen. (Ganz geht das natürlich nie: Denn man stelle sich bloß mal vor, was alles nicht gesendet wird! Man muss kein Verschwörungsdenker zu sein um zu wissen, dass auf allen Seiten vieles im Verborgenen stattfindet...und sicherlich auch vieles, das ganz anders ist als das, was man dann in den Medien zu Gesicht bekommt.)
Man sollte natürlich genau hinhören-/schauen, ob es sich bei den Darstellungen und Warnungen um Übertreibungen und eine unbegründete "moralische Panik" handelt oder nicht. Wer die AfD mit der NSDAP und Nationalpopulisten mit Nationalsozialisten gleichsetzt, der hat tatsächlich etwas nicht verstanden. Das macht den autoritären Nationalpopulismus jedoch nicht zu einer harmlosen Ideologie.

Die AfD ist Teil des zeitgenössischen reaktionären rechten Spektrums, das Ultrakonservative, Ultralibertäre (Paläolibertäre, Anarchokapitalisten), Nationalpopulisten, Neofaschisten, Neonazis, sowie die Alt-Right-Bewegung, die "metapolitisch" ausgerichtete Neue Rechte (Nouvelle Droite), und esoterische "Traditionalisten" (Antimodernisten) umfasst. Der Politologe Richard Shorten verwendet dafür den Oberbegriff Reaktionismus:
"Reaktionismus ist eine Politikform des 21. Jahrhunderts mit langer Tradition. In letzter Zeit weist er tendenziell vier Hauptausprägungen auf: Nationalpopulismus, Alt-Right, Neofaschismus und Antimodernismus. Reaktionismus, der einen rechten Raum jenseits des Konservatismus einnimmt (aber nur unangenehm von ihm abgegrenzt ist), gibt der politischen Analyse, der historischen Erklärung und der moralischen Kritik immer wieder Rätsel auf. Dieser Beitrag beschreibt eine sich überschneidende Gemeinsamkeit im Bekenntnis zur Ungleichheit, kritisiert aber gleichzeitig marxistische Ansätze und solche, die vor allem der Philosophie oder Psychologie verpflichtet sind. Sinnstiftende Übungen in Politik, Geschichte und Ethik könnten besser durch einen Ansatz unterstützt werden, der die Rhetorik in den Vordergrund stellt. Reaktionismus basiert auf drei miteinander verbundenen Säulen („Dekadenz“, „Empörung“ und „Verschwörung“). Zukünftige Studien könnten eine stärkere Berücksichtigung der Details reaktionärer Ausdrucksformen in unkonventionellen Formen und Kontexten voranbringen.

Reaktionismus ist im einfachsten Sinne eine interpretative Kategorie zur Bezeichnung eines breiten Spektrums politischer Akteure und Bewegungen der „harten“ [radikalen/extremen—hinzugefügt] Rechten. Die Kategorie basiert vor allem auf Akteuren und Bewegungen, die die Überzeugung betonen, dass die Geschichte, mit großem „G“, vom Kurs abgekommen ist. Obwohl der Grundbegriff „Reaktion“ in der Alltagssprache häufiger in Adjektiv- oder Substantiverweiterungen vorkommt – zum Beispiel „Das ist eine reaktionäre Politik“ oder „Er ist ein Reaktionär, wenn ich je einen getroffen habe“ –, ist es die Erweiterung „Ismus“, die dem Bedürfnis entspricht, die Natur der extremen Rechten auf der ideologischen Landkarte zu verorten. Dieses Bedürfnis ist besonders dringlich angesichts des weltweiten Erfolgs rechtsgerichteter, aber nicht konventionell konservativer Politikformen in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Tatsächlich ist der Reaktionismus jedoch ein historisches Phänomen mit langer Geschichte. Im modernen Westen reicht diese Geschichte mindestens bis zur Ablehnung der Französischen Revolution zurück. Diese historische Reichweite verstärkt die Vorteile der Kategorie sowohl für politische Erklärungen als auch für Gesellschaftskritik und ermöglicht es, unter Bezugnahme auf zeitgenössische Erfahrungen in bestimmten Aspekten sowohl Parallelen zu ziehen als auch spezifische Einflusslinien zu verfolgen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, politischen Kommentatoren eine alternative Beschreibung des Populismus zu bieten. „Reaktionismus“ vereint eine andere Sammlung vergangener und gegenwärtiger Erfahrungen als diese überstrapazierte Kategorie, die es schwer hat, rechte Politik im Allgemeinen und nicht nur in Teilen zu verstehen." [Google Translate]

(Shorten, Richard. "Reactionism." In Encyclopedia of New Populism and Responses in the 21st Century, ed. by Joseph Chacko Chennattuserry, Madhumati Deshpande, & Paul Hong, 877-880. Singapore: Springer Nature, 2024. p. 877)



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Jörn Budesheim
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Mi 7. Mai 2025, 18:26

„Bis jetzt ist unsere Geistesverfassung, unser Gemütszustand immer noch der eines total besiegten Volkes. [Applaus]. Wir Deutschen – und ich rede jetzt nicht von euch Patrioten, die sich hier heute versammelt haben – wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat. [Applaus]“

(Björn Höcke)

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Consul
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Mi 7. Mai 2025, 18:58

Thomas hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 16:30
Ich kann mich immer nur wiederholen, aber dabei offensichtlich nicht verständlich machen. Ich spreche gar nicht politisch, ich habe keine Agenda. Das ist sehr wichtig, und nicht so banal, wie man denken könnte. Meinen Eindruck der AfD als bürgerlich-konservative Partei (so etwa im Stil der alten Strauß-CSU) meine ich nicht als politische Aussage.
Eindrücke können bekanntlich täuschen, und deine Einschätzung der AfD "als bürgerlich-konservative Partei (so etwa im Stil der alten Strauß-CSU)" ist nachweislich falsch. Die vorliegenden Beweise sprechen eindeutig dagegen, dass die AfD eine etwas konservativere CSU ist.

Alice Weidel behauptet zwar, die AfD sei "eine liberale, konservative Partei", und sie selbst mag mit ihrer antistaatlichen Haltung tatsächlich Vertreterin des libertären Konservatismus (gemischt mit populistischen & nationalistischen Elementen) sein. Wenn man jedoch das derzeitige ideologische Mehrheitsverhältnis in der Partei betrachtet, dann steht diese deutlich weiter rechts—im Bereich des autoritären Nationalpopulismus und teilweise darüber hinaus in neofaschistischen Gefilden. Man muss dabei berücksichtigen, dass auch Weidel keinerlei Scheu vor persönlichen Kontakten zu den Neofaschisten der Neuen Rechten wie Götz Kubitschek hat.
"Wir sind eine liberale, konservative Partei. Wir sind die ganze Zeit falsch geframed und wir möchten die Menschen vom Staat befreien. Ich möchte selbständig denkende Menschen, selbstbewusste Menschen haben. Ich möchte einen Staat haben, der minimiert ist, minimiert auf seine Funktionen und dass Menschen ihre Meinungsfreiheit und auch Vermögensfreiheit haben. Der Staat ruiniert das Rückgrat des Wohlstandes mit seinen hohen Steuern. Das Volk ist also nicht in der Lage, Reichtum anzuhäufen, der es vom Staat unabhängig macht."
—Alice Weidel (im Gespräch mit Elon Musk): https://www.nordkurier.de/politik/musk- ... ut-3227227
Thomas hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 16:30
Ich versuche mir zu allem Gesagten immer ein differenziertes Bild zu machen. Ich würde niemals einfach Aussagen hinstellen und meinen, alles sei damit schon klar. Die Idee, dass einer Aussage immer die entsprechenden Taten folgen, ist m.E. kindisch. Ich jedenfalls versuche immer so gut es geht, Situationen auszulegen, zu verstehen, einzuordnen, zu kontextualisieren. Wenn ich das nicht mache, sondern andere einfach für Teufel erkläre, müsste ich mir anmaßen Gott zu sein. Menschsein im konstruktiven Sinne heißt für mich immer relativieren und normalisieren. Es geht mir darum, die rätselhafte Andersheit anderer zu verstehen...auch wenn das nie abschließend gelingen kann.
Finde ich den Post von Keuter gut? Nein, natürlich nicht - und die AfD in ihrer methodischen Primitivität insgesamt auch nicht! Will ich das Phänomen AfD verstehen? Ja klar, das schon, so wie alles andere auch.
Ich weiß, dass es unüblich ist, die AfD aus dieser philosophischen Distanz zu betrachten, aber das ist aus meiner Sicht in einem philosophischen Forum angemessener als direkt zu politisieren. Das sage ich nur, damit mein Standpunkt verständlicher wird, der eben hier kein politischer ist.
Eine politologische Analyse und Beurteilung der AfD sollte natürlich möglichst sachlich und differenziert erfolgen, und nicht a priori durch ideologische Parteilichkeit und Voreingenommenheit verzerrt sein.



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Consul
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Mi 7. Mai 2025, 19:09

Consul hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 18:58
… Man muss dabei berücksichtigen, dass auch Weidel keinerlei Scheu vor persönlichen Kontakten zu den Neofaschisten der Neuen Rechten wie Götz Kubitschek hat.
Ein Zeitungsbericht von 2019, der starke Zweifel daran aufkommen lässt, dass sie nur eine wirtschaftsliberale Konservative ist, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht:
"Was will AfD-Frau Weidel beim Vordenker der Neuen Rechten?

Zum ersten Mal ist AfD-Fraktionschefin Alice Weidel bei einer Sommerakademie von Götz Kubitschek in Schnellroda zu Gast. Der Ort gilt als „Oase” des radikalen AfD-„Flügels“. Mit ihrem Schulterschluss zu Kubitschek will Weidel ihren Einfluss erhöhen.
Schnellroda. Alice Weidel fühlt sich sichtlich wohl im Zentrum der Neuen Rechten in Schnellroda (Sachsen-Anhalt). „Es ist ein schönes Gefühl, hier zu sein“, sagt sie in einem Youtube-Video von Götz Kubitscheks Institut für Staatspolitik. „Die Leute sind aktiv, die sind wissbegierig. Man hat so eine gewisse Dynamik, das gefällt mir recht gut.“
Am Freitagabend referierte Weidel auf der Sommerakademie des Instituts über „Politik in Berlin“. Ihr Vorredner war der sächsische AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah. Journalisten waren zu der Veranstaltung nicht zugelassen. In dem Video ist Weidel im angeregten Gespräch mit dem Vordenker der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, zu sehen. Den Institutsleiter Erik Lehnert duzt sie.…"

Quelle: https://www.rnd.de/politik/was-will-afd ... 4B5OQ.html



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Timberlake
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Mi 7. Mai 2025, 21:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 18:26
„Bis jetzt ist unsere Geistesverfassung, unser Gemütszustand immer noch der eines total besiegten Volkes. [Applaus]. Wir Deutschen – und ich rede jetzt nicht von euch Patrioten, die sich hier heute versammelt haben – wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat. [Applaus]“

(Björn Höcke)

https://afd-verbot.de/beweise/88107
Nun ja .. zumindest wird da von einer Schande gesprochen. Das ist ja scho mal was. Zumindest im Vergleich zum Fliegenschiß ...

"Ja, wir bekennen uns zu unserer Verantwortung für die 12 Jahre. Aber, liebe Freunde, Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in unserer über 1000-jährigen Geschichte"

(Alexander Gauland)




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Mi 7. Mai 2025, 22:07

Wenn man das Ausmaß einer Katastrophe an ihrer Dauer bemisst:

Der Meteoriteneinschlag, der den Lebensraum der Dinosaurier vernichtete, dauerte sogar nur eine Sekunde.




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Mi 7. Mai 2025, 22:08

"Hier sind die ersten Belege zur Verfassungsfeindlichkeit der AfD

Völkisch-nationalistisch, rassistisch, antidemokratisch – auch nach Ansicht des Geheimdienstes ist die AfD gesichert rechtsextrem. Wir veröffentlichen einen ersten Ausschnitt aus dem 1100 Seiten langen Gutachten.…"

Quelle: https://fragdenstaat.de/artikel/exklusi ... feindlich/



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Timberlake
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Do 8. Mai 2025, 00:11

Thomas hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 11:06
Und ich lasse ich mich auch durch diejenigen Rechten irritieren, die mir mit dem Phantasma einer 'Überfremdung' unserer Gesellschaft durch Migranten Angst machen wollen.
.. das ist doch schon mal ein Anfang.
Thomas hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 16:30
Ich versuche mir zu allem Gesagten immer ein differenziertes Bild zu machen. Ich würde niemals einfach Aussagen hinstellen und meinen, alles sei damit schon klar. Die Idee, dass einer Aussage immer die entsprechenden Taten folgen, ist m.E. kindisch. Ich jedenfalls versuche immer so gut es geht, Situationen auszulegen, zu verstehen, einzuordnen, zu kontextualisieren. Wenn ich das nicht mache, sondern andere einfach für Teufel erkläre, müsste ich mir anmaßen Gott zu sein. Menschsein im konstruktiven Sinne heißt für mich immer relativieren und normalisieren. Es geht mir darum, die rätselhafte Andersheit anderer zu verstehen...auch wenn das nie abschließend gelingen kann.
Finde ich den Post von Keuter gut? Nein, natürlich nicht - und die AfD in ihrer methodischen Primitivität insgesamt auch nicht! Will ich das Phänomen AfD verstehen? Ja klar, das schon, so wie alles andere auch.
Ich weiß, dass es unüblich ist, die AfD aus dieser philosophischen Distanz zu betrachten, aber das ist aus meiner Sicht in einem philosophischen Forum angemessener als direkt zu politisieren. Das sage ich nur, damit mein Standpunkt verständlicher wird, der eben hier kein politischer ist.


Um das einmal aus dieser philosophischen Distanz zu betrachten.
  • "So sagt nun von jemand, der das Fundament seines Hauses untergrub: er konnte es a priori wissen, daß es einfallen würde, d.i. er durfte nicht auf die Erfahrung, daß es wirklich einfiele, warten. Allein gänzlich a priori konnte er dieses doch auch nicht wissen. Denn daß die Körper schwer sind, und daher, wenn ihnen die Stütze entzogen wird, fallen, mußte ihm doch zuvor durch Erfahrung bekannt werden"
    Kant .. Kritik der reinen Vernunft
Nur wurde dir das auch zuvor durch Erfahrung bekannt? So du das du gänzlich a priori wissen kannst, dass die Angst durch das Phantasma einer „Überfremdung“ unserer Gesellschaft durch Migranten unbegründet ist? Denn ..
Zuletzt geändert von Timberlake am Do 8. Mai 2025, 00:56, insgesamt 3-mal geändert.




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Do 8. Mai 2025, 00:40

Timberlake hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 21:30
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 7. Mai 2025, 18:26
„Bis jetzt ist unsere Geistesverfassung, unser Gemütszustand immer noch der eines total besiegten Volkes. [Applaus]. Wir Deutschen – und ich rede jetzt nicht von euch Patrioten, die sich hier heute versammelt haben – wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat. [Applaus]“
(Björn Höcke)
https://afd-verbot.de/beweise/88107
Nun ja .. zumindest wird da von einer Schande gesprochen. Das ist ja scho mal was. Zumindest im Vergleich zum Fliegenschiß ...
Höcke spielt mit seiner Rede von einem "Denkmal der Schande" bewusst mit einer Doppeldeutigkeit; denn das von ihm gemeinte Schändliche können die Naziverbrechen sein oder das Denkmal zum Andenken an die Naziverbrechen.



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Timberlake
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Do 8. Mai 2025, 01:05

Da könnte natürlich was dran sein, an dieser Doppeldeutigkeit. So das man daran möglicherweise, gleichsam einem Lackmustest, sein Verhältnis zur AfD festmachen kann. Mein Standpunkt, der von der Schändlichkeit der Naziverbrechen ausgeht, würde mich demnach als Gegner der AfD identifizieren. Währenddessen diejenigen, die das Denkmal zum Andenken an die Naziverbrechen als schändlich ansehen, sich als Anhänger der AfD identifizieren lassen.




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