https://www.swr.de/swraktuell/reinhold- ... e-100.html
Der Schraubenkönig aus dem Kochertal, Reinhold Würth, hat seinen 25.000 Mitarbeitenden einen Brief geschrieben. Auf fünf Seiten macht er sich Gedanken über die politische Lage im Land. Die Ampelregierung beschreibt er als einen durcheinanderrennenden Hühnerhaufen, der ein Land regiere, in dem immerhin niemand hungern oder frieren müsse. Die Bürger des Landes könnten „ein eher freiheitliches Leben leben“, hätten „einen guten oder mindestens angemessenen Arbeitsplatz“ und selbst für Urlaub sei viel Geld vorhanden.
Nicht blendend, aber auch nicht dramatisch hierzulande, so lässt sich die Analyse des bundesweit bekannten Unternehmers Würth aus Künzelsau verstehen. Umso mehr appelliert er an seine Mitarbeitenden, nicht die AfD zu wählen. "Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig", schreibt er wörtlich. Der AfD attestiert er, „mindestens eine Demokratur oder gar eine Diktatur einführen“ zu wollen. Den Protesten gegen Rechtsextremismus schließe er sich „voll“ an. Seine „Empfehlung“ ist es, am Grundgesetz, der Meinungsfreiheit und der Vielfalt der demokratischen Parteien festzuhalten.
(...)
Wer es allerdings nicht so mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung hat, ist die angesprochene AfD.
Es versteht sich von selbst, dass sie von Würths Appell nicht begeistert ist. Das kann man ihr meines Erachtens nicht verübeln. Für den Fraktionsvorsitzenden im baden-württembergischen Landtag, Anton Baron, ist er jedoch nichts weniger als Teil einer „Hetzkampagne gegen die AfD“, mit der Würth eine „rote Linie überschritten“ habe – kleiner geht’s bei der AfD offensichtlich nicht. Baron spricht in diesem Zusammenhang von „Denk- und Sprachverboten“ und behauptet, die Demos gegen Rechts seien – na klar – antidemokratisch.
In meinen Augen zeigt sich hier einmal mehr, was Meinungsfreiheit für die AfD heißt: Freiheit nur für die eigene Meinung – denn alle anderen sind eben nur antidemokratische Hetze. Den besten Beleg, dass der Schraubkönig aus dem Kochertal mit seiner Einschätzung der AfD so falsch nicht liegt, liefert die AfD selbst.
Wachsende AfD kann die Demokratie abschaffen
Herr Würth hat eine Wahlempfehlung an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesprochen. Erstaunlich in Deutschland.man kann übrigens auch Belegschaft schreiben.
Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)
Adorno hatte 1967 in Wien einen Vortrag mit dem Titel "Aspekte des neuen Rechtsradikalismus“ gehalten . Zur damaligen Zeit hatte die NPD wieder Zulauf. Der Vortrag ist mittlerweile, nach über 50 Jahren, auch als Buch erschienen.
Wer Zeit hat, kann sich diesen Vortrag auch hier anhören: https://youtu.be/rtRsFPI8E5U?si=_bDPy8P9aBXYOtNS
Es gibt auch kürzere Texte dazu
https://weyrother.net/2020/05/30/drei-g ... -w-adorno/
Oder auch: wieder Herr Scobel.
https://youtu.be/hFOgVDuO7_M?si=Jc-N8TC9ksvJ139J
Liest man sich das alles durch, muss man zu der Erkenntnis kommen, es hat sich zwischen 1945 und 1967 nicht viel geändert. Und auch nicht zwischen 1967 bis heute. Die Vorgehensweise der Rechten hat sich nicht wesentlich geändert. Jetzt kommen noch die sozialen Medien dazu. Trübe Aussichten.
Wer Zeit hat, kann sich diesen Vortrag auch hier anhören: https://youtu.be/rtRsFPI8E5U?si=_bDPy8P9aBXYOtNS
Es gibt auch kürzere Texte dazu
https://weyrother.net/2020/05/30/drei-g ... -w-adorno/
Oder auch: wieder Herr Scobel.
https://youtu.be/hFOgVDuO7_M?si=Jc-N8TC9ksvJ139J
Liest man sich das alles durch, muss man zu der Erkenntnis kommen, es hat sich zwischen 1945 und 1967 nicht viel geändert. Und auch nicht zwischen 1967 bis heute. Die Vorgehensweise der Rechten hat sich nicht wesentlich geändert. Jetzt kommen noch die sozialen Medien dazu. Trübe Aussichten.
Der, die, das.
Wer, wie, was?
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Ich war lange Zeit ein bisschen in der Schwebe zwischen den Stühlen mit einer leichten Tendenz pro Verbotsantrag. Nach dieser Diskussion, vor allem nach den Argumenten von Hans Jessen, ist mir wieder klar geworden, dass der Verbotsantrag ein ganz wichtiger Bestandteil der demokratischen Gegenwehr ist. Ich bin eindeutig pro Verbotsantrag. Auf der Contra-Seite konnte ich kein einziges sinnvolles Argument erkennen. Die Debatte beginnt bei 59:30:
- HeinrichUnverzagt
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Nach Lesen des Titels kam mir Karl Poppers "Paradoxon der Toleranz" in den Sinn. Doch ist es die AFD wert, ihr Eigenschaften zuzuschreiben, die sie gar nicht besitzt? Lächerlich finde ich, dass sich gebildete Mitmenschen entblöden sogar ein Verbot dieser Partei zu fordern. Von was soll denn solch ein Procedere ablenken? Schon der Versuch, seinerzeit die NPD zu verbieten ist gescheitert. Aus philosophischer Sicht ist die Existenz einer Rechten Gruppierung schließlich notwendig. Wo wollen wir sonst das politisch andere Extrem einordnen? Wir brauchen immer ein Maß des Messens, ohne die Unordnung nicht die Ordnung ... usw. Nach der gaußschen Normalverteilung würde sich ohne AFD unser politisches Spektrum stark verschieben, die CDU würde dann wohl den rechten Rand markieren. Noch Fragen? Den Politikern, die diese Forderung formulierten wird sicher klar gewesen sein, dass es nie zur Einleitung solchen Verfahrens kommen wird. Sie haben nur die Empörten instrumentalisiert.
Bei aller Ablehnung der AFD muss man bitte eines akzeptieren, nämlich dass sie jene Themen ansprechen die unsere Regierung regelrecht ignoriert. Unsere Tugendterroristen diskreditieren Meinungen als populistisch, die schon um die 2000er Jahre von ganz und gar nicht Rechten Politikern geäußert wurden. Dabei haben sich die Warnungen von Helmut Schmidt und anderen überaus honorigen Persönlichkeiten in riesigem Ausmaß bewahrheitet. Leider machen unsere Regierenden sehr offensichtlich deutlich, dass sie ihr Wahlvolk für nicht fähig halten die richtigen Schlüsse aus ideologisch fundierten Entscheidungen zu ziehen. Sondern deren Weisheit, weil ja der "Kleine Mann" verkennen.
Dieses Wahlvolk stimmt derzeit mit ihrer einzigen direkten Möglichkeit ab: Sie kaufen keine Wärmepumpen, sie kaufen nur wenige E-Autos und sie wählen (nicht aus Überzeugung) AFD. Im privaten Umfeld habe ich einige (auch gebildete) AFD-Wähler. Ich versuche nicht mehr sie zu bekehren. Das könnte nur unsere Regierung.
Letztendlich finde ich, dass zu akzeptieren ist, die AFD und ihre demokratisch legitimierte Volksvertreter genauso zu behandeln wie uns gefällige. Precht hat es in seinem Buch "Die 4. Gewalt" perfekt beschrieben, wie nämlich unsere Leitmedien nicht einfach berichten, sondern ihre Sicht von Politik zu etablieren. Merkt niemand, der fordert den AFD-Politikern keine Medienpräsenz usw. zu gewähren, dass das die Insignien totalitärer Regime sind?
Außerdem sollten alle, die Parallelen zur Machtergreifung Hitlers und der AFD ersinnen, sich intensiver mit unserer Geschichte beschäftigen. Rational gesehen müssen WIR vor der AFD keine Angst haben, nur jene die von ihr bloßgestellt werden ...
Bei aller Ablehnung der AFD muss man bitte eines akzeptieren, nämlich dass sie jene Themen ansprechen die unsere Regierung regelrecht ignoriert. Unsere Tugendterroristen diskreditieren Meinungen als populistisch, die schon um die 2000er Jahre von ganz und gar nicht Rechten Politikern geäußert wurden. Dabei haben sich die Warnungen von Helmut Schmidt und anderen überaus honorigen Persönlichkeiten in riesigem Ausmaß bewahrheitet. Leider machen unsere Regierenden sehr offensichtlich deutlich, dass sie ihr Wahlvolk für nicht fähig halten die richtigen Schlüsse aus ideologisch fundierten Entscheidungen zu ziehen. Sondern deren Weisheit, weil ja der "Kleine Mann" verkennen.
Dieses Wahlvolk stimmt derzeit mit ihrer einzigen direkten Möglichkeit ab: Sie kaufen keine Wärmepumpen, sie kaufen nur wenige E-Autos und sie wählen (nicht aus Überzeugung) AFD. Im privaten Umfeld habe ich einige (auch gebildete) AFD-Wähler. Ich versuche nicht mehr sie zu bekehren. Das könnte nur unsere Regierung.
Letztendlich finde ich, dass zu akzeptieren ist, die AFD und ihre demokratisch legitimierte Volksvertreter genauso zu behandeln wie uns gefällige. Precht hat es in seinem Buch "Die 4. Gewalt" perfekt beschrieben, wie nämlich unsere Leitmedien nicht einfach berichten, sondern ihre Sicht von Politik zu etablieren. Merkt niemand, der fordert den AFD-Politikern keine Medienpräsenz usw. zu gewähren, dass das die Insignien totalitärer Regime sind?
Außerdem sollten alle, die Parallelen zur Machtergreifung Hitlers und der AFD ersinnen, sich intensiver mit unserer Geschichte beschäftigen. Rational gesehen müssen WIR vor der AFD keine Angst haben, nur jene die von ihr bloßgestellt werden ...
Dann schenke ich dir mal ein paar, denn vielleicht waren dort ja die falschen Leute. Das erste stammt von Jan-Werner Müller, vielleicht DER liberale Vertreter in politischer Theorie und Ideengeschichte. Er sagt in „Furcht und Freiheit“ S. 51f:Quk hat geschrieben : ↑Sa 13. Jul 2024, 01:40Ich war lange Zeit ein bisschen in der Schwebe zwischen den Stühlen mit einer leichten Tendenz pro Verbotsantrag. Nach dieser Diskussion, vor allem nach den Argumenten von Hans Jessen, ist mir wieder klar geworden, dass der Verbotsantrag ein ganz wichtiger Bestandteil der demokratischen Gegenwehr ist. Ich bin eindeutig pro Verbotsantrag. Auf der Contra-Seite konnte ich kein einziges sinnvolles Argument erkennen. Die Debatte beginnt bei 59:30:
Weitere Argumente findet man schließlich im Interview mit Christian Waldhoff, der seinerzeit den Verbotsantrag gegen die NPD formulierte:Der erste Eindruck stimmt durchaus: Viele im weitesten Sinne liberale Akteure haben auf Populismus - hier verstanden als eine Form des Antipluralismus - primär mit moralischer Exklusion reagiert. Als Parteien wie die AfD zu erstarken begannen, antworteten viele Politikerinnen und Politiker darauf mit der Forderung nach einem möglichst kompletten Ausschluss: Man wollte nicht mit Populisten in Talkrunden auftreten; wenn sie schon Sitze im Parlament hatten, versuchte man, sie zu ignorieren, oder verließ demonstrativ den Saal, wenn sie das Wort ergriffen … Die Strategie des totalen Ausschlusses war gleich doppelt verfehlt: Sie funktionierte strategisch so gut wie nie (zumindest wenn man davon ausgeht, das strategische Ziel besteht darin, die populistische Partei politisch kleinzukriegen); und sie ist zudem aus einer demokratietheoretischen Sicht zutiefst problematisch. Praktisch ist der Ausschluss kontraproduktiv, weil er das Narrativ der Populisten, die liberalen Eliten kümmerten sich nicht um die Anliegen ihrer Anhänger und sie seien die Einzigen, die Tabuthemen ansprechen, aufs Wunderbarste bestätigt. Sind populistische Parteien einmal in ein Parlament gewählt, steht man vor dem tiefer gehenden demokratietheoretischen Problem, dass man mit einem Ausschluss unter Umständen allen Bürgern, die sie gewählt haben, die politische Repräsentation verweigert. Es wäre ein Kurzschluss anzunehmen, alle Wähler, die ihr Kreuz bei populistischen Parteien gemacht haben, seien selbst ebenfalls eingefleischte Antipluralisten.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ ... h-100.html
Nüchterner Klartext eines Experten.
Schließlich hat Philip Manow, den ich hier schon einmal in anderem Zusammenhang verlinkt hatte, in einem Interview in der ZEIT auf dieses merkwürdige deutsche Feature „Parteienverbot“, das es sonst so nirgends gibt, hingewiesen und abschließend gesagt:
https://www.zeit.de/2024/08/philip-mano ... afd-erfolgDie Vorstellung, falls eine Mehrheit etwas "Falsches" will, müsse man halt korrigierend eingreifen, vorzugsweise per Recht, führt ins Abseits. Denn Demokratie- und Rechtszerstörung gehen im Zweifelsfall Hand in Hand – das sieht man gerade in den USA. Wenn überhaupt, rettet die Demokratie den Rechtsstaat, nicht umgekehrt.
- Jörn Budesheim
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Bundesverfassungsgericht hat geschrieben : [...]
Verbotsverfahren
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig (vgl. Art. 21 Abs. 2 GG). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügt alleine die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen hierfür nicht. Hinzukommen müssen eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Erreichen der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.
[...]
Bisherige Verfahren
Zweimal hat das Bundesverfassungsgericht bislang ein Parteiverbot ausgesprochen: 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten und 1956 die Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Ein 2001 gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) eingeleitetes Verbotsverfahren wurde 2003 aus verfahrensrechtlichen Gründen eingestellt. Am 17. Januar 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht erneut über ein Verbot der NPD. Dabei stellte der Zweite Senat zwar fest, dass die NPD ein auf Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept vertritt. Wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer politischen Ziele wurde die Partei jedoch nicht verboten.
Damit will ich zum Ausdruck bringen, dass eine antidemokratische Partei meines Erachtens verboten werden muss, wenn sie die oben zitierten Kriterien des Bundesverfassungsgerichts erfüllt. Es geht also keineswegs um die Vorstellung, man müsse korrigierend eingreifen, wenn eine Mehrheit etwas "Falsches" will. Es geht darum, dass eine antidemokratische verfassungsfeindliche Partei verboten werden muss, wenn es möglich erscheint, dass sie die fraglichen Ziele erreichen kann. Es geht meines Erachtens um die Wehrhaftigkeit der Demokratie.Tagesschau hat geschrieben : Der Verfassungsschutz arbeitet laut einem Medienbericht an einem neuen Gutachten zur Einstufung der AfD. Demnach könnte die gesamte Partei als "gesichert extremistische Bestrebung" eingestuft werden.
Für mich haben Müller und Manow demokratietheoretisch - letzterer in seinen drei Büchern über Populismus und Demokratie - und insbesondere Waldhoff in juristischer Hinsicht alles gesagt, was fürs Thema von Relevanz ist.
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Ich bin in dieser Hinsicht etwas konservativer, das was unser Bundesverfassungsgericht sagt, hat für mich durchaus Relevanz.
Das Verfassungsgericht hat sich zum Thema noch nicht geäußert. Und ob es sich mit seinem Urteil zur NPD nicht selbst eine Grube gegraben hat, wird gegebenenfalls zu sehen sein.
Jedenfalls halte ich es für politisch und juristisch für eine Schnapsidee zu versuchen, 15-20 % der Wählern eine Repräsentation zu verweigern. Wenn man das Urteil zur NPD und deren fehlende Relevanz einmal umdreht, dann ist eben die Frage, ob man tatsächlich eine ziemlich relevante Repräsentation einfach rechtlich statt politisch abschaffen kann, ohne die Demokratie nachhaltig zu beschädigen oder unabsehbare Verwerfungen hervorzubringen. Und da die entsprechende Initiative zu einem Verbot von Vertretern der anderen Parteien ausgehen muss, also von denjenigen, deren Aufgabe es wäre, die Wähler, denen man die Repräsentation nehmen möchte, an sich zu binden, würden vermutlich nicht nur diese um ihre Repräsentation gebrachten Wähler den Eindruck gewinnen, hier wolle sich jemand mithilfe des Rechts einer politischen Aufgabe und Pflicht entledigen. Da gebe ich eben Manow recht: der Rechtsstaat kann die Demokratie nicht retten. Es funktioniert nur umgekehrt.
Jedenfalls halte ich es für politisch und juristisch für eine Schnapsidee zu versuchen, 15-20 % der Wählern eine Repräsentation zu verweigern. Wenn man das Urteil zur NPD und deren fehlende Relevanz einmal umdreht, dann ist eben die Frage, ob man tatsächlich eine ziemlich relevante Repräsentation einfach rechtlich statt politisch abschaffen kann, ohne die Demokratie nachhaltig zu beschädigen oder unabsehbare Verwerfungen hervorzubringen. Und da die entsprechende Initiative zu einem Verbot von Vertretern der anderen Parteien ausgehen muss, also von denjenigen, deren Aufgabe es wäre, die Wähler, denen man die Repräsentation nehmen möchte, an sich zu binden, würden vermutlich nicht nur diese um ihre Repräsentation gebrachten Wähler den Eindruck gewinnen, hier wolle sich jemand mithilfe des Rechts einer politischen Aufgabe und Pflicht entledigen. Da gebe ich eben Manow recht: der Rechtsstaat kann die Demokratie nicht retten. Es funktioniert nur umgekehrt.
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Die Äußerung des Bundesverfassungsgerichts habe ich zwei Beiträge zuvor zitiert. Da geht es um die Voraussetzungen für ein Parteienverbot. Sind die gegeben, sollte eine Partei verboten werden. Das ist mein Punkt: Eine gefährliche verfassungswidrige Partei sollte verboten werden. Es ist unangemessen, taktische Erwägungen über dieses grundlegende Prinzipien zu stellen.Lucian Wing hat geschrieben : ↑Sa 13. Jul 2024, 10:34Das Verfassungsgericht hat sich zum Thema noch nicht geäußert. Und ob es sich mit seinem Urteil zur NPD nicht selbst eine Grube gegraben hat, wird gegebenenfalls zu sehen sein.
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"Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung." (Bundesverfassungsgericht)Lucian Wing hat geschrieben : ↑Sa 13. Jul 2024, 10:34Und da die entsprechende Initiative zu einem Verbot von Vertretern der anderen Parteien ausgehen muss...
Und? Bestehen die nicht aus den Vertretern der anderen Parteien? Der aktuelle Antrag soll ja von einer gewissen Anzahl Bundestagsabgeordneter eingebracht werden, also von denen, die ich nannte. Parteienvertretern.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 13. Jul 2024, 10:42"Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung." (Bundesverfassungsgericht)Lucian Wing hat geschrieben : ↑Sa 13. Jul 2024, 10:34Und da die entsprechende Initiative zu einem Verbot von Vertretern der anderen Parteien ausgehen muss...
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Nein, leider nicht. Im Bundestag z.B ist die AFD bekanntermaßen vertreten. Das heißt, der Bundestag besteht nicht aus den "anderen Parteien", er besteht aus allen Parteien, die in den Bundestag gewählt wurden.Lucian Wing hat geschrieben : ↑Sa 13. Jul 2024, 10:58Bestehen die nicht aus den Vertretern der anderen Parteien?
Der geplante Antrag zum Verbot der AfD von Wanderwitz wird von den erforderlichen 37 Vertretern der anderen Parteien unterstützt.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 13. Jul 2024, 11:04Nein, leider nicht. Im Bundestag z.B ist die AFD bekanntermaßen vertreten. Das heißt, der Bundestag besteht nicht aus den "anderen Parteien", er besteht aus allen Parteien, die in den Bundestag gewählt wurden.Lucian Wing hat geschrieben : ↑Sa 13. Jul 2024, 10:58Bestehen die nicht aus den Vertretern der anderen Parteien?
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Wanderwitz will den Antrag auf die Tagesordnung setzen. Dafür braucht es fünf Prozent der Abgeordneten, also 37. Einen Verbotsantrag können nur das Parlament sowie die Bundesregierung und/oder der Bundesrat stellen. Entscheiden muss dann das Bundesverfassungsgericht.
Eben. Das Verbotsverfahren wird von Vertretern der anderen Parteien betrieben, damit der BT den Antrag stellt. Ein politischer Offenbarungseid und ein Desaster für die Demokratie.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 13. Jul 2024, 12:01Wanderwitz will den Antrag auf die Tagesordnung setzen. Dafür braucht es fünf Prozent der Abgeordneten, also 37. Einen Verbotsantrag können nur das Parlament sowie die Bundesregierung und/oder der Bundesrat stellen. Entscheiden muss dann das Bundesverfassungsgericht.
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Das Verbotsverfahren wird vom Bundestag beantragt. Wenn die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, gegeben sind, dann sollte es meines Erachtens eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein Verbotsverfahren eingeleitet wird.
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Immer wieder muß ich feststellen, daß nicht zwischen formaler und substantieller Demokratie unterschieden wird. Substantielle Demokratie muß man leben, sie besteht in dem Prinzip, die Vernunftfähigkeit der Bürger zu unterstellen und mit der diskursiven Überzeugung von der eigenen Vernunft beeinflussen zu können. Wenn ein Problem auftaucht, hat die Überzeugungsarbeit nicht funktioniert. Dann mit Verboten statt mit Mehrheiten die Probleme lösen zu wollen, ist substantiell undemokratisch.
Ausnehmen würde ich extreme Haltungen, die dem sittlichen Bewußtsein (im Sinne Hegels) widersprechen. Ich hoffe doch, daß die Todesstrafe grundgesetzlich verboten bleibt. Aber es muß ein Recht auf freie Meinungen diesseits solcher Grenzen geben, die demokratisch, mit Argumenten bekämpft und in ihrer Wirksamkeit bekämpft werden können.
Falls eine Gesellschaft sich tatsächlich pathologisiert, ist ihr nur noch durch kluge Strategie von Außen zu helfen, oder ein Notwehrhandeln im Inneren, das sich über Gesetze stellt. Der Notfall ist kein gesetzlicher Regelfall. Notstandsregierungen werden in der Regel von denen installiert, die den Notfall produziert haben, da macht man den Bock zum Gärtner.
Natürlich wird es nicht erst kritisch, wenn die AfD bei 45% liegt, aber vorher führt kein Weg an einer von der Richtigkeit der eigenen Ansichten überzeugenden Politik vorbei, der es gelingt, die Zustimmung zur AfD oder ähnlichen Gruppierungen abzuschmelzen. Gelingt das nicht, stimmt etwas nicht mit der Vernunft; so viel Demokrat sollte man sein.
Ausnehmen würde ich extreme Haltungen, die dem sittlichen Bewußtsein (im Sinne Hegels) widersprechen. Ich hoffe doch, daß die Todesstrafe grundgesetzlich verboten bleibt. Aber es muß ein Recht auf freie Meinungen diesseits solcher Grenzen geben, die demokratisch, mit Argumenten bekämpft und in ihrer Wirksamkeit bekämpft werden können.
Falls eine Gesellschaft sich tatsächlich pathologisiert, ist ihr nur noch durch kluge Strategie von Außen zu helfen, oder ein Notwehrhandeln im Inneren, das sich über Gesetze stellt. Der Notfall ist kein gesetzlicher Regelfall. Notstandsregierungen werden in der Regel von denen installiert, die den Notfall produziert haben, da macht man den Bock zum Gärtner.
Natürlich wird es nicht erst kritisch, wenn die AfD bei 45% liegt, aber vorher führt kein Weg an einer von der Richtigkeit der eigenen Ansichten überzeugenden Politik vorbei, der es gelingt, die Zustimmung zur AfD oder ähnlichen Gruppierungen abzuschmelzen. Gelingt das nicht, stimmt etwas nicht mit der Vernunft; so viel Demokrat sollte man sein.
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In Diskussionen über das Verbot gefährlicher, verfassungsfeindlicher Parteien wird oft ein falsches Dilemma oder eine falsche Dichotomie präsentiert. Manche argumentieren, man solle stattdessen gute Politik machen und überzeugende Argumente liefern.
Es gibt jedoch kein Entweder-Oder. Man sollte beides tun: sowohl gute Politik machen und überzeugend argumentieren als auch die verfassungsfeindliche und gefährliche Partei verbieten.
Es gibt jedoch kein Entweder-Oder. Man sollte beides tun: sowohl gute Politik machen und überzeugend argumentieren als auch die verfassungsfeindliche und gefährliche Partei verbieten.