Fortsetzung "Corona"

Dieser Teil des Forums befaßt sich mit politischen, sozialen und historischen Aspekten der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten.
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NaWennDuMeinst
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Sa 27. Nov 2021, 14:53

Nauplios hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 14:34
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 11:45
Nauplios hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 11:42
Das war aber nicht im Sommer, lieber Nauplios. Im Sommer kamen von Dir noch ganz andere Töne.
Da hast Du hier mit uns rumdiskutiert und mit allerlei philosophischen Kunststücken uns zu überzeugen versucht, dass man Menschen nicht belehren oder zu etwas drängen darf.
Das sei alles "Moral".
Ist ja auch ok. Du hast die Lage halt auch falsch eingeschätzt. Nicht nur die "Politiker".
Auch ich habe die Lage falsch eingeschätzt. Mit Sicherheit.
Na das ist doch schon mal was. Ich übrigens auch. Ich hatte immer gedacht, ok, wir erreichen die Impfquote nicht, aber vielleicht reichen ja auch die 70%. Den Rest schaffen wir vielleicht mit den sonstigen Maßnahmen (Maske und AHA und so). Dann muss man auch Niemanden unter Druck setzen. Da lag ich auch falsch. Es reicht nicht. Und ja, ich habe auch gedacht - nachdem der Sommer ganz gut verlief - dass die Warnungen vor dem Herbst vielleicht ein bißchen überzogen sind.
Worum es mir hier jetzt gerade aber geht ist, dass deine Haltung, die Du hier in dieser Diskussion vertreten hast (und von der Du jetzt auch ein kleines Stück abgerückt bist) auch ein Teil des Problems ist.
Wir bekommen die Situation unter anderem auch deshalb nicht in den Griff, weil wir weiterhin Skrupel davor haben das Gemeinwohl über die Befindlichkeiten von Coronaleugnern, BillGates-Verschwörern und ja - auch Impfverweigerern - zu stellen.
Zu dem Schluß bin ich nun gelangt.
Wenn wir da nicht den Kurs ändern, dann erleben wir auch noch die 5te, 6te und siebente Welle, weil nicht zu erwarten ist, dass diese Leute (rechtzeitig!) einlenken werden.
"allerlei philosophische Kunststücke"
Ach, ich meinte das gar nicht abwertend.. Du bist halt jemand, der sehr wortgewandt und sehr belesen ist. Nur, das bewahrt dich eben auch nicht davor Dich zu irren.
Dann muß man allerdings bereit sein, den "Aufbau gewaltiger Argumentationsketten" ebenso in Kauf zu nehmen wie "allerlei philosophische Kunststücke". - Ich habe in den letzten Tagen überlegt, einen Thread zur Frage nach Moral/Moralismus anzulegen (Wie ist eine moralfreie Theorie über Moral möglich?) ...
Laß' mal stecken. ;)
Ich habe für sowas momentan überhaupt keinen Kopf. Mich belastet diese Situation einfach zu sehr.
Ich überlege eher, ob es nicht mal wieder Zeit ist mich für eine gewisse Weile auszuklinken. Weil ich an die Grenze meiner Aufnahmefähigkeiten komme und ich auch merke, dass ich die Geduld verliere. Was aber wichtig ist in einer Diskussion.



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Stefanie
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Sa 27. Nov 2021, 15:42

Auf dem Titelblatt der aktuellen Ausgabe vom Stern steht groß: Staatsversagen.

Frau Merkel nehme ich da raus. Wenn es ihr ginge, wäre gerade alles wieder dicht.

Was ich überhaupt nicht verstehe ist die Ignoranz gegenüber Stimmen aus dem Bereich der Wissenschaft. Nahezu jeder und jede aus dem Bereich der Medizin, Biologie, Virologen, Physiker, Gesellschaftswissenschaftler, und und, und heute die Leopoldina, warnen, raten, empfehlen, zum Teil mehr als deutlich, zum Teil schon verzweifelt.
Es wird ignoriert. Komplett.
Was ist das Arroganz, Blödheit, Dummheit?
Ich weiß nicht mehr, wer es gesagt hat, irgendwer hat gesagt, es geht nicht um Wissenschaft, sondern um Politik.
Dazu fällt mir echt nicht mehr ein.



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NaWennDuMeinst
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Sa 27. Nov 2021, 15:54

Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 15:42
Auf dem Titelblatt der aktuellen Ausgabe vom Stern steht groß: Staatsversagen.

Frau Merkel nehme ich da raus. Wenn es ihr ginge, wäre gerade alles wieder dicht.

Was ich überhaupt nicht verstehe ist die Ignoranz gegenüber Stimmen aus dem Bereich der Wissenschaft. Nahezu jeder und jede aus dem Bereich der Medizin, Biologie, Virologen, Physiker, Gesellschaftswissenschaftler, und und, und heute die Leopoldina, warnen, raten, empfehlen, zum Teil mehr als deutlich, zum Teil schon verzweifelt.
Es wird ignoriert. Komplett.
Was ist das Arroganz, Blödheit, Dummheit?
Ich weiß nicht mehr, wer es gesagt hat, irgendwer hat gesagt, es geht nicht um Wissenschaft, sondern um Politik.
Dazu fällt mir echt nicht mehr ein.
Auf die Wissenschaft wird nur dann gehört, wenn sie uns gute Nachrichten bringt. Wenn sie hingegen Nachrichten bringt, die in der Konsequenz von uns eine Verhaltensänderung einfordern, dann schlägt das in Hass um. Dann hat die Wissenschaft plötzlich keine Ahnung mehr, die Wissenschaftler sind "Staatshuren" usw....
Von der Wissenschaft wird erwartet, dass sie uns - durch Technik zum Beispiel - das Leben schön macht oder für uns die Probleme löst. Und so lange das so ist, ist auch alles ok.
Wenn sie uns das Leben unbequem macht, weil sie uns sagt, dass wir selbst das Problem (zum Beispiel durch eine Änderung des Verhaltens) lösen müssen, dann sind sie plötzlich alle Lügner die keine Ahnung haben.
Es ist das alte Problem: Die Leute hören dem zu der ihnen erzählt was sie hören wollen. Und dass wir verzichten sollen (auf Luxus, auf Freiheiten usw) will einfach keiner hören. Denn verzichten will keiner, weil hier alle der Meinung sind sie würden (im Gegensatz zu allen anderen) schon genug verzichten. Ein WIssenschaftler, der daher kommt und sagt "Ihr müsst verzichten", wird direkt angespuckt. "Verzichte Du doch, Du Sau!". Und die Politiker stehen dazwischen, Stellen sie sich auf die Seite der Wissenschaft werden sie ebenfalls angespuckt, stellen sie sich auf die Seite der Spucker reissen sie den Karren in den Dreck.
Zum Glück bin ich weder Wissenschaftler noch Politiker. Ich darf Spucker sein.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Sa 27. Nov 2021, 16:11, insgesamt 1-mal geändert.



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Nauplios
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Sa 27. Nov 2021, 16:04

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 14:53

Ich habe für sowas momentan überhaupt keinen Kopf. Mich belastet diese Situation einfach zu sehr.
Wir laufen (gesellschaftlich) auf eine Situation zu, in der - befeuert von sozialen Medien - der "Naturzustand" des Menschen, so wie Hobbes ihn sah (Krieg aller gegen alle) sich hinter den "Primärdiskursen" (Parlament, Presse, Rundfunk, Fernsehen) immer deutlicher abzeichnet. Was wir schon seit Jahren erleben, die Radikalisierung in diesen sozialen Medien, ist im Grunde schon eine, über die Distanz dieser Medien zwar noch eingehegte, aber ansonsten sichtbare "moderne" Form des "Kriegs aller gegen alle".

Die politische Ideengeschichte hält mit Rousseau auch ein Gegenkonzept, auch ein ebenso fragwürdiges, Modell des "Naturzustands" des Menschen bereit, das des "edlen Wilden". Danach ist der Mensch von Natur aus gut, wird jedoch durch die Überfrachtung seiner Welt durch Staat und Gesellschaft deformiert. (Manche grüne Romantizismen bedienen sich aus diesem Noetop. War für die marxistische Linke des vorigen Jahrhunderts noch die Gesellschaft das leitende Modell, ist es nach Verbürgerlichung der Arbeiterklasse heute die Natur. Aus der Vielfalt der Klassen ist die Vielfalt der Arten geworden.)

Wir laufen (in dieser und manchen anderen Diskussionen) auf eine Situation zu, in der wir die obige nur noch abbilden. "Theorie der Gesellschaft" - ist ein sehr ambitioniertes Programm, dem man über tagesaktuelle Regierungskritik wie ich sie betreibe nicht näher kommt. Es bleibt bei Andeutungen. Man kommt ihr allerdings über eine Wutkultur auch nicht näher. Es bleibt bei Ausbrüchen.

Vielleicht wäre auch hier eines angesagt: Führung. ;)




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Nauplios
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Sa 27. Nov 2021, 18:58

Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 15:42
Auf dem Titelblatt der aktuellen Ausgabe vom Stern steht groß: Staatsversagen.
(...)
Ich weiß nicht mehr, wer es gesagt hat, irgendwer hat gesagt, es geht nicht um Wissenschaft, sondern um Politik.
Dazu fällt mir echt nicht mehr ein.
Ich kenne zwar den entsprechenden Artikel im Stern nicht, doch scheint mir der Begriff des Staatsversagens hier zu versagen, was seine Beschreibungsgenauigkeit betrifft. (Ich suche aber gleich erst mal, ob ich ihn nicht selber schon genutzt habe.)

Staatsversagen - (ohne juristisches Wissen um das definitorische Anforderungsprofil dieses Begriffs) stelle ich mir als eine Art multiples Organversagen staatlicher Institutionen vor, eine Art Bankrott staatserhaltender Strukturen. Mit diesem Begriff wäre ich vorsichtig, weil seine Unberechenbarkeit darin liegt, daß er das, was er bezeichnet, hervorrufen kann.

Wissenschaft und Politik - Plato hat vorgeschlagen, die Philosophen im idealen Staat zu Königen zu machen, weil sie von der Gerechtigkeit am meisten verstehen. Österreich hatte bis zum Januar 2020 eine Expertenregierung aus hohen Beamten. - Wissenschaftliche Politikberatung gehört natürlich zum Alltag des politischen Handwerks, zumal in einer Pandemie. Von der "Theorie der Gesellschaft" (wie Niklas Luhmann sie auf - wie ich finde - beeindruckende Weise vorgelegt hat) aus gesehen, sind beides ausdifferenzierte Sozialsysteme, die füreinander Umwelt sind und operativ geschlossen.

"Beschreibt man die Gesellschaft als System, so folgt aus der allgemeinen Theorie autopoietischer Systeme, daß es sich um ein operativ geschlossenes System handeln muß. Auf der Ebene der eigenen Operationen gibt es keinen Durchgriff in die Umwelt, und ebensowenig können Umweltsysteme an den autopoietischen Prozessen eines operativ geschlossenen Systems mitwirken. [...] Operative Geschlossenheit hat zur Konsequenz, daß das System auf Selbstorganisation angewiesen ist. [...] Die eigenen Strukturen können nur durch eigene Operationen aufgebaut und geändert werden - also zum Beispiel Sprache nur durch Kommunikation und nicht unmittelbar durch Feuer, Erdbeben, Weltraumstrahlungen oder Wahrnehmungsleistungen des Einzelbewußtseins."(Niklas Luhmann; Die Gesellschaft der Gesellschaft; S. 92f) Auch nicht durch Viren.-

"Wingardium Leviosa!" - und schon schwebt mit der korrekten Bewegung des Zauberstabs wie bei Mr. Harry Potter ein Theorieungeheuer über unseren Köpfen. - Und mit "Evanesco!" lasse ich den Grafen Voldemort aus Bielefeld gleich wieder verschwinden.




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Stefanie
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Sa 27. Nov 2021, 19:31

Bei der Anspielung zu Harry Potter muss ich passen. Beim ersten Film habe ich mich so gelangweilt, dass ich beinahe eingeschlafen bin und beim Buch auch.

Wenn es wissenschaftliche Politikberatung gibt sind die Damen und Herren ziemlich beratungsresistent.
Verantwortungsträger treffen Entscheidungen auch in Gebieten, in denen sie keine Experten sind. Es muss auch nicht sein, dass alle von allen eine Ahnung haben müssen.
Wie will die Politik Entscheidungen zum Klimaschutz treffen ohne Experten und Expertinnen.
Politik ist ein geschlossenes System und die Wissenschaft auch, na ist ja kein Wunder, warum s derzeit auf vielen Gebieten nicht läuft.
Luhmann beschreibt es negativ, sagt er auch, wie man geschlossene Systeme trotzdem öffnen kann?



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Nauplios
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Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 19:31

Politik ist ein geschlossenes System und die Wissenschaft auch, na ist ja kein Wunder, warum s derzeit auf vielen Gebieten nicht läuft.
Luhmann beschreibt es negativ, sagt er auch, wie man geschlossene Systeme trotzdem öffnen kann?
Luhmann würde wahrscheinlich sagen: nur weil sie (operativ) geschlossen sind, können sie (kognitiv) offen sein. Die operative Geschlossenheit sozialer Systeme bedeutet ja nur, daß das System die Grenze zu seiner Umwelt mit eigenen Operationen zieht. Nur so kann es sich überhaupt von seiner Umwelt unterscheiden. Das System erzeugt sich durch systemspezifische Operationen. Das gilt nicht nur für soziale Systeme, sondern auch für Bewußtseinssysteme. Wäre das Bewußtsein nicht operational geschlossen - es reiht Gedanken an Gedanken - könnte es zum Beispiel "Überlappungen" zwischen Deinem Bewußtsein und meinem Bewußtsein geben. Mein Bewußtsein könnte in Deines eindringen. Deine Erleichterung darüber, daß das nicht möglich ist, verdankst Du der operativen Geschlossenheit Deines Bewußtseins. Diese operative Geschlossenheit ist also nichts "Negatives".

Weil das System operativ geschlossen ist, kann es beobachten, ohne sich durch Aufgabe seiner System/Umwelt-Differenz gleichsam auflösen zu müssen. Solche Beobachtungen sind aber immer - wie ansonsten auch - systeminterne Operationen. Deshalb ist die Formulierung "Sieh' das mal mit meinen Augen" gottseidank eine Metapher. Ich kann nichts mit Deinen Augen sehen. Und ich kann meine Gedanken nicht an Deine Gedanken "anschließen"; nur metaphorisch. Aber ich kann die Äußerung eines Gedankens von Dir beobachten. Und umgekehrt. Aber das sind dann beides systemeigene (!) Operationen. Kognitive Offenheit nennt Luhmann das. Mein Bewußtsein wird angeregt, irritiert durch Beobachtung. Und umgekehrt. Es ist offen. Aber es kann nur (kognitiv) offen sein, weil es (operational) geschlossen ist.

Was ich jetzt am Beispiel des Bewußtseinssystems erläutert habe, gilt auch und sogar insbesondere für soziale Systeme. Soziale Systeme sind funktional ausdifferenziert. Sie bestehen nicht aus Menschen, sondern aus Kommunikationen. Daß Bewußtseinssysteme zu den Voraussetzungen von sozialen Systemen gehören, bedeutet nicht, daß soziale Systeme als kleinste Einheit Bewußtseinssysteme haben. Ihre kleinste Einheit ist Kommunikation. (Ein Spinnennetz hat Spinnen zur Voraussetzung, aber es besteht nicht aus Spinnen, sondern aus klebrigen Fäden.) - Auch für soziale Systeme (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Erziehung usw.) gilt, daß sie füreinander wechselseitig Umwelt sind. Ihre Operationen sind systemeigene Operationen (s.o.); das System ist operational geschlossen und nur so kann es seine Differenz zur Umwelt aufrechterhalten und in dieser Umwelt andere soziale Systeme beobachten, ist kognitiv offen. Könnte es nicht beobachten, wüßte es gar nichts von anderen Systemen. Es wäre hermetisch abgeriegelt, weil es gleichsam eigene und fremde Operationen gar nicht unterscheiden könnte. Es würde seine System/Umwelt-Differenz verlieren und damit in seine Umwelt diffundieren. Seine Geschlossenheit würde ihm als Offenheit zum Verhängnis werden. ;)

Das klingt komisch. Die Theorie sozialer Systeme ist mit ihrer Verliebtheit in Paradoxien grundsätzlich ein wenig komikaffin. Hans Blumenberg lehrte auf komische Weise das Tragische am menschlichen Dasein, Niklas Luhmann lehrte auf nüchterne Weise die Passion für das Gesellschaftliche.




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Stefanie
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Sa 27. Nov 2021, 21:38

O.k.
Dann sind derzeit einige nicht nur beratungsresistent, sondern können auch noch schlecht beobachten, von kommunizieren ganz zu schweigen. Gut, wird Herrn Luhmann nicht gerecht.

Aber es erklärt mir, wie Luhmann zu seiner Sicht von Inklusion gekommen ist, mit der viele PädagogInnen In der Praxis nicht so einverstanden sind.
Exklusion, Integration und Inklusion im Sinne der UN Behindertenrechtskonvention ist anders aufgestellt. Ich ernte ja schon Fragezeichen, wenn ich vor diesem Hintergrund den Unterschied zwischen Integration und Inklusion erkläre, und als ich einmal kurz Luhmann ins Spiel brachte, dessen Herleitung in der Soziologie noch gelehrt wird, war es ganz aus.



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Nauplios
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Sa 27. Nov 2021, 22:38

Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 21:38

Aber es erklärt mir, wie Luhmann zu seiner Sicht von Inklusion gekommen ist, mit der viele PädagogInnen In der Praxis nicht so einverstanden sind.
Exklusion, Integration und Inklusion im Sinne der UN Behindertenrechtskonvention ist anders aufgestellt. Ich ernte ja schon Fragezeichen, wenn ich vor diesem Hintergrund den Unterschied zwischen Integration und Inklusion erkläre, und als ich einmal kurz Luhmann ins Spiel brachte, dessen Herleitung in der Soziologie noch gelehrt wird, war es ganz aus.
Ganz aus?

Hm, ja gut, das sind Abwehrreflexe wie man sie der Systemtheorie als einer "Sozialtechnologie" von Anfang an entgegengebracht hat. Man hat ihr vorgehalten, daß der Mensch in ihr nicht vorkommt, ohne zu bedenken, daß die theoretische Befreiung von Humanismen aller Art vielleicht besonders human mit dem Menschen verfährt.

Blumenberg hat man vorgeworfen, daß in seiner Philosophie das Gesellschaftliche nicht vorkommt und nur vom Menschen die Rede ist.

Nicht nur deswegen ergänzt sich beides.




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Stefanie
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Sa 27. Nov 2021, 22:54

Ganz aus meint, es wurde nicht verstanden. Noch weniger als meine Bemühungen mit Bildchen und einem alten Werbeslogan eines Sportsenders Inklusion und Integration anhand der UN Behindertenkovention zu verdeutlichen. Zielgruppe waren hauptsächlich Verwaltungsmenschen. Luhmann kam bei den Sozialpädagogen nicht so gut an.



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Sa 27. Nov 2021, 23:44

Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 19:31
Bei der Anspielung zu Harry Potter muss ich passen. Beim ersten Film habe ich mich so gelangweilt, dass ich beinahe eingeschlafen bin und beim Buch auch.
Uh, ich bin doch nicht allein auf der Welt.
Meine Partnerin ist der totale Harry-Potter-Nerd. Ich glaube sie hat sogar Socken aus dem Hause Ravenclaw.
Ich selber habe immer wieder versucht mich in diese Welt einzuleben.... aber es reißt mich nicht mit.
Ich brauche Sterne, Weltall und Lichtschwerter.



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So 28. Nov 2021, 00:22

Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Nov 2021, 22:54
Ganz aus meint, es wurde nicht verstanden. Noch weniger als meine Bemühungen mit Bildchen und einem alten Werbeslogan eines Sportsenders Inklusion und Integration anhand der UN Behindertenkovention zu verdeutlichen. Zielgruppe waren hauptsächlich Verwaltungsmenschen. Luhmann kam bei den Sozialpädagogen nicht so gut an.
Wobei Luhmann doch Verwaltungsbeamter am Oberverwaltungsgericht in Lüneburg und im niedersächsischen Kultusministerium, Referent an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer und Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle in Dortmund war.

Luhmann und Blumenberg: beide berühmt für ihre Zettelkästen, beide bei Poetik und Hermeneutik, beide mit frühen Verbindungen zu Münster (Luhmann zu Schelsky, Blumenberg zum Kreis um Joachim Ritter), beide mit einer Vorliebe für's Komische, beide mit einem Sinn für Kunst und Literatur, beide bei Suhrkamp, beide gehören dort zum Herausgeberkreis der Reihe "Theorie", beide sind den 68ern suspekt, beide sind verheiratet mit einer Ursula.




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Nauplios
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So 28. Nov 2021, 01:09

"Die Probleme sind nicht dazu da, daß sie gelöst werden - sonst wären es ja keine Probleme, dann wär' man plötzlich am Ende - , die Probleme sind dazu da, daß man weiter reden kann, daß man irgendwas hat, was eine Kommunikation stimuliert."

Niklas Luhmann erklärt die Politisierung des Risikos, denn "wir sind nicht mehr im Bereich der Seefahrer und Pilzsammler": Entscheider und Betroffene fallen auseinander. ;)

Niklas Luhmann - Das Unbehagen an der Politik





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So 28. Nov 2021, 01:38

ZK_2_15_52_081_V_N_NB_9-8j.jpeg.jpg
ZK_2_15_52_081_V_N_NB_9-8j.jpeg.jpg (60.4 KiB) 3916 mal betrachtet

9/8j Im Zettelkasten ist ein Zettel, der das
Argument enthält, das die Behauptungen
auf allen anderen Zetteln widerlegt.

Aber dieser Zettel verschwindet, sobald man
den Zettelkasten aufzieht.

D.h. er nimmt eine andere Nummer an,
verstellt sich und ist dann nicht zu finden.

Ein Joker.


Das meinte ich mit Sinn für (kauzige) Komik.

Seit 2019 online:

Zettelkasten Nr. 1 von Niklas Luhmann




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Ottington
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Mo 29. Nov 2021, 10:17

Friederike hat geschrieben :
Mi 24. Nov 2021, 18:21
Alle wissen um das Provisorische der Moral, so vermute ich. Provisorisch heißt, unter dem Vorbehalt der zukünftig möglichen besseren Erkenntnisse. Zugleich ist es der Moral eigen, daß sie tun muß, als sei sie vorbehaltlos. Und zwar deswegen, weil es um das Gute, das Richtige geht, das zu tun geboten ist. "Jetzt, gegenwärtig halten wir dies für moralisch richtig". Das Provisorische hat darin keinen Platz.

Das ist meine Überlegung, die darin mündet zu sagen, "so wenig Moral wie möglich". Philosophisch theoretisch über Moralisches zu debattieren, das meine ich nicht. Aber politisch, dort wo es Handlungs-Konsequenzen hat, halte ich die Moralabstinenz, so weit es geht, für "gut". Die Grundlage, auf der politische Entscheidungen getroffen werden, sind die Gesetze, die Verfassung und die sind sowieso mit -genug- Moral gefüllt.
Eine Politik muss doch nur Entscheidungen treffen, die für eine Gesellschaft sinnvoll, nach aktuellem Stand richtig und zukunftsweisend sind. Ich verstehe gerade nicht, wie eine Politik überhaupt an moralischem Denken und Handeln vorbei kommen soll. Vielmehr, wie sie Moral aus ihrem Denken überhaupt herausnehmen will.
Mal angesehen davon, dass wir als Bürger und Wähler dieses Landes ebenfalls Bestandteil der Politik sind.




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Mo 29. Nov 2021, 12:54

Ottington hat geschrieben :
Mo 29. Nov 2021, 10:17
Eine Politik muss doch nur Entscheidungen treffen, die für eine Gesellschaft sinnvoll, nach aktuellem Stand richtig und zukunftsweisend sind. Ich verstehe gerade nicht, wie eine Politik überhaupt an moralischem Denken und Handeln vorbei kommen soll. Vielmehr, wie sie Moral aus ihrem Denken überhaupt herausnehmen will. Mal angesehen davon, dass wir als Bürger und Wähler dieses Landes ebenfalls Bestandteil der Politik sind.
Ist das eine Widerrede oder eine Ergänzung zu dem, was ich schrieb?
Ich verdeutliche, worauf ich hinauswill: In den öffentlichen Verkehrsmitteln hier hingen über ein Jahr lang Schilder, auf denen Smileys mit oder ohne Maske (echt, das habe ich vergessen) abgebildet waren, und der Text dazu lautete "verantwortungslos = 40 Euro los". Seit kurzem sind diese Schilder ersetzt durch ein Anderes, auf dem ein junges Gesicht mit Maske zu sehen ist und dazu der Text "bei uns trägt man Maske, ohne bist du 40 Euro los". Offensichtlich haben jüngere Menschen sich für die Verantwortung nicht interessiert, aber unabhängig davon ist die Aufforderung zur "Verantwortung" eine Aufforderung, die sich an die moralische Haltung richtet, während der gegenwärtige Hinweis ein verschleierter Hinweis auf eine gesetzliche Regelung ist. So ist es und falls sich jemand nicht daran hält, dann ist eine Ordnungsstrafe zu zahlen. Nun kann man zwar sagen, daß es für ein demokratisches Gemein- oder Staatswesen angemessener ist, an die Einsicht in eine moralische Tugend zu appellieren, aber freier fühle ich mich, wenn ich ein Gesetz befolge (oder auch nicht), weil meine Haltung mir überlassen wird.




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Mo 29. Nov 2021, 13:33

Weil Gesetze einem keine Vorwürfe machen?

Denn deine Haltung bleibt ja immer dir überlassen.




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Mo 29. Nov 2021, 13:54

Was ich damit sagen will: Der Appell will, dass du selbst vernünftig handelst, liefert dir aber in Form des Smileys gleich die vermeintlich richtige Antwort auf die Frage "Was ist denn nun vernünftig?" mit.
Meine Bedenken hinsichtlich dieser Haltung, die ich voll verstehe, sind, dass ein Gesetz das letztlich aber auch tut. Nur dass man dir obendrein noch die Pistole auf die Brust drückt und dieses vermeintlich richtige Handeln fordert.




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Mo 29. Nov 2021, 16:32

Ottington hat geschrieben :
Mo 29. Nov 2021, 13:54
Was ich damit sagen will: Der Appell will, dass du selbst vernünftig handelst, liefert dir aber in Form des Smileys gleich die vermeintlich richtige Antwort auf die Frage "Was ist denn nun vernünftig?" mit.
Meine Bedenken hinsichtlich dieser Haltung, die ich voll verstehe, sind, dass ein Gesetz das letztlich aber auch tut. Nur dass man dir obendrein noch die Pistole auf die Brust drückt und dieses vermeintlich richtige Handeln fordert.
Ottington hat geschrieben : Ich verstehe gerade nicht, wie eine Politik überhaupt an moralischem Denken und Handeln vorbei kommen soll. Vielmehr, wie sie Moral aus ihrem Denken überhaupt herausnehmen will.
Gesetze, auf die sich politische Entscheidungen u.a. stützen, um wiederum neue Gesetze zu installieren, basieren auf Moral, auch wenn dies oft auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. In diesem Punkt stimmen wir überein.

Was ist nun der Unterschied, ob es sich um ein Gesetz oder eine direkte Aufforderung, sich moralisch -im speziellen Fall verantwortlich- zu verhalten, handelt? Ein Gesetz ist etwas mir Äußerliches. Ich kann es ablehnen und ihm dennoch folgen wie andersherum ich ein Gesetz befürworten und ihm dennoch zuwider handeln kann. Moral hingegen betrifft mich als Person oder genauer sie betrifft mein Selbstverständnis. Ich fühle mich genötigt, auf eine bestimmte Weise zu handeln, wenn ich mich als verantwortungsvolle Person verstehe.

Damit ist erstens Dein Einwand nicht beantwortet, daß auch Gesetze Moral in sich tragen, wo ich dann ebenso genötigt werde ... und außerdem habe ich mich verheddert. Einmal geht es mir darum, daß ich meine Person nicht von moralischen Vorstellungen, die nicht meine sind, behelligen lassen möchte, und weiterhin geht es mir darum, daß ich mir nicht aufzwingen lassen will, daß aus bestimmten moralischen Ansichten ganz bestimmte Handlungen resultieren müssen. *stöhn* ich habe mich hoffnungslos verstrickt. :?




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Di 30. Nov 2021, 11:55

Derweil haben die Bundesverfassungsrichter ihre mit Spannung erwartete Entscheidung zur Bundesnotbremse verkündet. Die Richter wiesen Klagen von Eltern und Schülern bezüglich Schulschließungen zurück. Auch die Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren wurden als verhältnismäßig eingestuft, um den Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern. Das Urteil gilt als wegweisend für das weitere Vorgehen in der Pandemie-Bekämpfung.



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