Gott für Atheisten

Glaube und Wissen, Wesen und Formen von Religionen, ihre Bedeutung für das menschliche Leben, Grundfiguren religiösen Denkens u.ä. - Darauf wirft die Religionsphilosophie ihren Blick.
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Friederike
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Fr 26. Apr 2019, 10:13

Stefanie hat geschrieben :
Do 25. Apr 2019, 19:03
Um das geht es doch:
Wenn Du Dein eigenes Verhalten reflektierst, dann meinst Du damit doch, daß Du eine Verhaltensweise z.B. in einer bestimmten Situation be-denkst? Das heißt, zum Zeitpunkt X denkst Du über ein Verhalten zu einem früheren Zeitpunkt Y nach. Möglicherweise bewertest Du Dein Verhalten auch. "Das war unklug" oder "das war richtig".
Das ist doch Vernunft. Die goldene Regel anwenden, und den anderen verstehen zu wollen, zu wissen, wie seine Situation ist und dementsprechend reagieren. Was auch mal schief geht.

Aber die Perspektive eines anderen auf mich zu übernehmen, nein. Wenn ich das jedes mal machen würde, mir die Perspektiven von Menschen, die eine völlig andere Lebenswirklichkeit haben als ich, die Entscheidungen treffen, die ich nie treffen würde usw. auf mich zu übernehmen, dann würde ich kirre. Nicht mehr ich wäre ich dann.

Und das "Distanz zu sich selbst", bleibt mir ein Rätsel.
Davon, die Perspektive eines anderen Menschen auf mich zu übernehmen, habe ich nichts gesagt. Die Perspektive eines anderen Menschen -auf mich- versuchen einzunehmen, das habe ich gesagt. Und von "jedes Mal" war auch nicht die Rede.

Trotzdem, irgendwie bewegt mich Deine renitente (das Wort fiel mir zuerst ein, als ich Deinen Beitrag las) Beharrlichkeit auf einmal dazu, Deinen Einwänden nicht nur meine Auffassung entgegenzusetzen, sondern Deine Einwände für beachtens-wert zu halten.

Im Grunde wirfst Du ja die ganze Problematik der Subjektphilosophie auf (Selbstbewußtsein, innere Vorstellung, Bewußtsein, Ich, Selbst), d.h. die Zersplitterung der Person in Instanzen, wo man eigentlich ganz einfach sagen könnte, ich denke einen Gedanken und dann denke ich einen weiteren Gedanken über den eben gedachten Gedanken usw.usf., oder ich denke über ein Verhalten von mir nach, oder ich bedenke die Situation eines anderen Menschen. Das heißt, genaugenommen bin immer ich es, die denkt. Die Perspektive eines anderen Menschen einzunehmen, das geht bei Lichte besehen überhaupt nicht, weil ich niemals mit den Augen des Anderen werde sehen können. Wenn ich also sage, ich versuche die Perspektive eines anderen Menschen auf mich einzunehmen, dann bedeutet das "lediglich", daß ich anders auf mich sehe. Wobei "sehen" in diesem Fall, genauso wie "reflektieren", auch zu dem Instanzen-Konzept vom Menschen gehört.

Ich muß dazu nochmal bei Tugendhat nachlesen. Mir ist so, als stünde diese ganze Redeweise von "Distanznahme", Unterscheidung in Selbst und Ich (@Herbert) bei ihm in heftigster Kritik.




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Friederike
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Fr 26. Apr 2019, 13:29

Jörn hat geschrieben :
Stefanie hat geschrieben : Es geht doch ganz konkret darum, im Nachgang zu einer Situation, sich zu fragen, hätte ich was anders machen können, etwas anderes sagen können usw. Dies geht doch nur, wenn ich in mich "hineinhöre", und mir damit noch mal hervorhole, was ich gemacht hatte und wie andere reagiert hatten.
Reflexion ist eine optische Metapher, eine Spiegelung. Eine Spiegelung erfordert einen Abstand. Auch der "Nachgang" ist eine Metapher, die einen Abstand beinhaltet [...]
"Hineinhören", "in sich hineinsehen", "reflektieren - der Metaphorik liegt ein Modell vom Menschen zugrunde, das den Menschen/eine Person in bestimmte Tortenstückchen aufteilt, die miteinander kommunizieren. Ja, ich weiß, das ist nicht Threadthema, aber ich bin jetzt drauf gekommen, das nicht für selbstverständlich zu nehmen. Völlig unabhängig davon, ob ich damit Deine Einwandsgründe treffe @Stefanie.




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Jörn Budesheim
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Fr 26. Apr 2019, 20:58

Rainer Maria Rilke

Du musst das Leben nicht verstehen

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.




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Jörn Budesheim
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Rainer Maria Rilke
Duineser Elegien - Kapitel 7

...

Hiersein ist herrlich. Ihr wußtet es, Mädchen, ihr auch,
die ihr scheinbar entbehrtet, versankt –, ihr, in den ärgsten
Gassen der Städte, Schwärende, oder dem Abfall
Offene. Denn eine Stunde war jeder, vielleicht nicht
ganz eine Stunde, ein mit den Maßen der Zeit kaum
Meßliches zwischen zwei Weilen –, da sie ein Dasein
hatte. Alles. Die Adern voll Dasein.
Nur, wir vergessen so leicht, was der lachende Nachbar
uns nicht bestätigt oder beneidet. Sichtbar
wollen wirs heben, wo doch das sichtbarste Glück uns
erst zu erkennen sich giebt, wenn wir es innen verwandeln.

...




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Friederike
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Sa 27. Apr 2019, 09:44

Zu diesem Thema melde ich mich morgen wieder.




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Friederike
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Sa 27. Apr 2019, 18:42

Mir gefällt am besten der Gedanke, daß das, was die Welt im Innersten zusammenhält oder daß das, was das Ganze ist, draußen in der Welt und zugleich in uns ist. Das Gesuchte könnte Gott sein, es könnte eine Energie sein, für die ich keinen Namen weiß, es könnte der "Geist" sein. Vielleicht gibt es noch weitere Möglichkeiten dafür, das Ganze und uns nicht getrennt zu denken. Damit meine ich, daß jeder Mensch teilhat an dem, was in allgemeiner Form "alles" ist.




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Stefanie
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Sa 27. Apr 2019, 23:35

Friederike hat geschrieben :
Fr 26. Apr 2019, 13:29
Jörn hat geschrieben :
Stefanie hat geschrieben : Es geht doch ganz konkret darum, im Nachgang zu einer Situation, sich zu fragen, hätte ich was anders machen können, etwas anderes sagen können usw. Dies geht doch nur, wenn ich in mich "hineinhöre", und mir damit noch mal hervorhole, was ich gemacht hatte und wie andere reagiert hatten.
Reflexion ist eine optische Metapher, eine Spiegelung. Eine Spiegelung erfordert einen Abstand. Auch der "Nachgang" ist eine Metapher, die einen Abstand beinhaltet [...]
"Hineinhören", "in sich hineinsehen", "reflektieren - der Metaphorik liegt ein Modell vom Menschen zugrunde, das den Menschen/eine Person in bestimmte Tortenstückchen aufteilt, die miteinander kommunizieren. Ja, ich weiß, das ist nicht Threadthema, aber ich bin jetzt drauf gekommen, das nicht für selbstverständlich zu nehmen. Völlig unabhängig davon, ob ich damit Deine Einwandsgründe treffe @Stefanie.
Denken als Dialog mit sich selbst. Wenn ich im Nachgang einer Situation über diese Situation nachdenke, bin ich im Dialog mit mir selber. Es lässt sich auch sagen, eine Begegnung mit mir selber. Eine Begegnung ist aber eine Annäherung und kein Abstand nehmen zu sich selbst.



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herbert clemens
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So 28. Apr 2019, 09:19

Es ist Abstand wie Annäherung. Nur wenn ich nicht identisch mit etwas bin, wenn ich Abstand habe, kann ich jemanden begegnen. Wir sind in einer gemeinsamen Sprach- und Denkwelt, in einer geistigen Welt, um uns dieses selbst und anderen mitzuteilen. Es passt nicht ganz; aber ich bin gerade dabei, die Wunder des Sprach und Denkerwerb meines Enkels zu bestaunen. Er hört ein Wort, begreift den Sinn und gibt es unmittelbar fast lautgetreu wieder. Er-innern findet statt. ...




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Friederike
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So 28. Apr 2019, 10:49

Dem Gedanken, es handele sich um einen inneren Dialog, der zu einer Annäherung führt, kann ich sehr viel abgewinnen. Das ist ja sozusagen ein Perspektivenwechsel, vom negativen Distanznehmen (@Stefanie, Du hattest erläutert, was Du unter "sich distanzieren" verstehst, wobei die negative Bewertung deutlich wurde) zum positiven Sichnähern.

@Herbert, wenn man, wie Du vorgeschlagen hast, in "Ich" und "Selbst" unterscheidet, dann braucht Abstand nicht erst hergestellt werden, weil die Identität ja nicht vorausgesetzt wird. Aber das nur nebenbei und es ist auch nicht ganz ernst von mir gemeint, weil Du die Unterscheidung aus heuristischen Grunde vorgeschlagen hattest.

Was ist denn nun zuerst? Die Identität des Ich, die zunächst zertrennt werden muß, um dann zu einer Annäherung führen zu können oder aber der Abstand zwischen zwei Gedanken, zwischen Gedanke und Verhaltensweise oder zwischen Gedanke und Gefühl einer Person, die sie im inneren Gespräch einander anzunähern versucht.




szimmer
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So 28. Apr 2019, 13:43

Friederike hat geschrieben :
So 28. Apr 2019, 10:49
Was ist denn nun zuerst? Die Identität des Ich, die zunächst zertrennt werden muß, um dann zu einer Annäherung führen zu können oder aber der Abstand zwischen zwei Gedanken, zwischen Gedanke und Verhaltensweise oder zwischen Gedanke und Gefühl einer Person, die sie im inneren Gespräch einander anzunähern versucht.
Spontan dachte ich da jetzt zuerst an das Huhn-Ei-Problem 🤔☺️
Aber vll. hilft Dir bei der ersten Frage auch Heraklit weiter:
„Wir steigen in denselben Fluß und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht.“ („Alles fließt“ → Panta rhei). "
Der Fluß als Zeitfluss...aus einer Wasser-Materie aber unermesslichen Einzelteilen...identisch gleich langen einzelnen Sekunden... Tropfen etc...die aber nicht identisch sind.
Jedenfalls wäre es wohl sinnvoll bei meereren ☺️ gleichzeitig auftauchenden Fragen jede zuerst einzeln zu beantworten....d.h. zerteilt analytisch...und evtl. die Ergebnisse hinterher wieder zu einem Ganzen zusammenzufu(e)gen....zumindest wäre das schonmal eine wissenschaftliche Methode...die uns evtl. weiterbringt...wenn auch nicht ans ganz große Ziel...

https://youtu.be/lIMmZ4ZVkc4



P.S. Wer den Fehler findet darf ihn behalten ;)

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Friederike
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So 28. Apr 2019, 14:59

Jaaa, @sz, Du hast völlig recht, es handelt sich um zwei unterschiedliche Ansätze. Wenn man das nicht beachtet, kommt nur Murks bei raus. Einmal geht es um die Frage von Identität und Differenz (einer Person) bzw. Abstand und Annäherung, bei er es unsinnig ist, nach dem "zuerst" zu suchen, und beim anderen geht es um die Gedanken (einer Person), die sie zu ihren Gefühlen, Handlungen oder anderen Gedanken hat. Jetzt finde ich die beiden Sätze von mir wenigstens schon sortiert ... :mrgreen:




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Jörn Budesheim
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Mo 29. Apr 2019, 05:42

Stefanie hat geschrieben :
Sa 27. Apr 2019, 23:35
Eine Begegnung ist aber eine Annäherung und kein Abstand nehmen zu sich selbst.
Eine Annäherung ist die Verringerung eines Abstandes. Das ist nur möglich, wenn man sich von sich selbst unterscheiden kann.

Aus irgendwelchen Gründen, die ich nicht verstehen kann, hältst du daran fest, Abstand und Distanz negativ zu lesen, obwohl es so nicht gemeint ist, und ich auch schon darauf hingewiesen habe.




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Friederike
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Mo 29. Apr 2019, 08:50

Neuerlicher Versuch einer Klärung.

Welche Frage wollen wir beantworten? Das heißt zu fragen, um welchen Sachverhalt es geht. Wenn wir das wissen -ich weiß es inzwischen nicht mehr- dann können wir entscheiden, ob man die Redeweisen einfach ändern kann. Falls die Redeweisen mit dem Sachverhalt direkt verknüpft sind, dann geht das nicht.

Man könnte sich darauf einigen zu sagen, daß der Mensch die Fähigkeit hat, mit sich selbst zu sprechen oder in eine Beziehung zu sich selbst zu treten. Beide Redewendungen umgehen die Frage, ob Abstand oder Annäherung.




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Stefanie
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Mo 29. Apr 2019, 19:39

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 22. Apr 2019, 20:07
Stefanie hat geschrieben :
Mo 22. Apr 2019, 17:24
Welche Distanz ist gemeint?
Dass wir uns von uns selbst distanzieren können auf verschiedenste Art und Weise macht doch einen großen Teil unserer Freiheit aus?! Wir können in unsere alltäglichen Handlungen zwar (distanzlos) verstrickt sein, was sicherlich sogar oft vorkommt, aber wir haben auch die Fähigkeit, einen Schritt zur Seite zu treten und uns gleichsam von außen zu betrachten. Diese Art von "Distanz zu sich" selbst ist gemeint. In dieser inneren Einstellung kann man sich selbst aus verschieden Distanzen heraus betrachten und verschiedene Ausschnitte in den Blick nehmen. Man kann eine bestimmte Situation betrachten, einen Lebensabschnitt, vielleicht das gesamte Leben... Man kann sich als Mitglied der Familie, eines Teams, einer Kultur, dieses Planeten oder als Teil des Universums in den Blick nehmen. Betrachtet man sich als Teil des Weltganzen, der gesamten Unendlichkeit in räumlicher und zeitlicher Ausdehnung und verschiedenen andere Hinsichten - dann hat man vielleicht maximale Distanz erreicht ...

Wenn man, wie die Menschen im 17-18 jahrhundert glaubt, dass die Welt ein riesiges Räderwerk ist, in dass man selbst hinein eingefügt ist, hält man sich vielleicht für einen homme machine a la Mettrie. Hier kann die maximale Distanznahme sogar dazu führen, dass man die eigene Lebenswirklichkeit im Grunde verneint.
Also noch mal von vorne...
Ich habe extra noch mal nachgeschaut, was Distanz meint...Abstand, Entfernung, Zwischenraum, Ferne. Soziale Distanz, und das sich distanzieren. ( Mein Google Verlauf umfasst zig Kombinationen mit Distanz) Es ist immer etwas zwischen zwei Dingen, was eine Distanz schafft, eine räumliche Entfernung, die Einstellung, Lebenseinstellung, Abneigung usw.
Was verstehst Du unter Distanz?

Es geht nicht um den Abstand zu anderen Menschen, also die Distanz zu diesen. Oder die Distanz zu Gegenständen.
Die Distanz zu sich selbst ist mir unverständlich.
Aus diesem Beitrag, aus dem ersten Absatz, könnte ich jeden Satz zitieren, mit einem großen Fragezeichen.
Wo ist da was positives? (Im letzten Absatz ist die Verneinung der eigenen Lebenswirklichkeit nun nichts positives.)
Was ist zwischen mir selbst, was eine Distanz schafft. Was? Ein anderes Ich, ein anderes Selbst? Es gibt nur ein ich. Mein ich, und ich bin mein selbst.
Wenn ich denke, streiten sich nicht zwei ich's. Sind Ich und Selbst zwei getrennte "Wesen"?, die in meinem Geist leben und sich andauernd von einander entfernen, denn das distanzlose verstrickt sein, ist wohl nicht die Regel, wenn ich das richtig verstanden habe.
Ich bin Teil verschiedenster Systeme, es gibt verschiedenste Lebensabschnitte, mit mehr oder weniger Erinnerung daran. Von all dem könnte ich mich lösen, mich distanzieren, wenn ich wollte. Ich kann sagen, nöö also ein Teil des Universums bin ich nicht. Nur was hat dies mit Distanz zu sich selbst zu tun? Was genau ist die Distanz zu sich selbst, bei den von Dir genannten Beispielen und warum liegt dort eine Distanz zu sich selbst?
Der letzte Satz in dem ersten Abschnitt lässt mich immer noch ratlos zurück.

Aufgrund des Beitrags mit dem Reinhard Mey Zitat hatte ich ja nachgefragt, bzw. geschrieben, dass ich es nicht verstehe.
Da steht
Wir sind nicht nur in unserer alltäglichen Handlungen verklebt - wir können uns auch von ihnen distanzieren und sie zum Gegenstand des Nachdenkens machen, sprich aus der Vogelperspektive betrachten
Wenn dort jetzt nur stehen würde Gegenstand des Nachdenkens, und das distanzieren und die vogelperspektive weg wären, ja richtig, aber so...Bahnhof.



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Stefanie
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Mo 29. Apr 2019, 22:45

Jörn:
Das ist nur möglich, wenn man sich von sich selbst unterscheiden kann.
Wenn ich das bei Google eingebe, lande ich bei Selbsterkennung und Selbstwahrnehmung. Ist das jetzt gemeint?
Friederike hat geschrieben :
Do 25. Apr 2019, 17:08
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 25. Apr 2019, 05:41
Ich war gestern Abend im Theater. [...] An einer Stelle entfährt es Anna, der Hauptdarstellerin "Ich habe den Glauben an Gott verloren". Gott war für sie offenbar der Garant des Sinns. Bis dahin hatte sie das Gefühl, dass sich in ihrem Leben letztlich alles fügen würde, so dass alles, was sie erlebt sich letztlich als sinnvolle Geschichte erzählen ließe ... Alle Umwege, alle Abwege, alle Zufälle! würden sich letztlich als sinnvoll erweisen.
Ja, genau so erlebe ich es auch. Und "Sinn" ist das einzige Wort, das erfaßt, was gemeint ist. Nichts wird besser oder schlechter; ich glaube noch nicht einmal, daß Gott auf irgendeine Weise in mein Leben eingreift, und trotzdem wird mein Leben zu einem "kohärenten Ganzen" durch Gott, aber auch dieser Ausdruck ist nur ein ungenügender Ersatz für "Sinn".
Um etwas zum ursprünglichen Thema zurück zu kommen..Oder auch nicht.
Das
"hatte sie das Gefühl, dass sich in ihrem Leben letztlich alles fügen würde, so dass alles, was sie erlebt sich letztlich als sinnvolle Geschichte erzählen ließe ... Alle Umwege, alle Abwege, alle Zufälle! würden sich letztlich als sinnvoll erweisen."

Sehe ich auch so, allerdings ohne einen Gott. Es ist der Grund, warum ich, wenn man sich am liebsten unter die Bettdecke verkriechen würde und es auch mal tut, wieder aus der Bettdecke herauszukriechen und einfach weitermacht. Menschliche Zuversicht. Der Glaube an sich selber und an den Menschen.



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Stefanie
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Mo 29. Apr 2019, 22:59

herbert clemens hat geschrieben :
Fr 26. Apr 2019, 09:23
Weil bisher keine darauf eingegangen ist, wiederhole ich mein Verständnis von „Distanznahme“ (weiter oben) leicht verändert noch einmal:
„Zu Stefanie: Hilfreich finde ich die Unterscheidung zwischen „Ich“ und „Selbst“. Es gibt einen Persönlichkeitskern, der nicht im persönlichem biographischen Ich aufgeht. Ich verliere nicht meine Biographie und persönlichen Vorlieben, aber ich kann mich Ihnen gegenüber stellen und sie verändern. (was allerdings nicht immer einfach ist.)“
Mir Ist nicht ganz klar was gemeint ist, weshalb ich den Beitrag bislang nur umkreiste.
Ist nicht der Persönlichkeitskern die Grundvoraussetzung, die Basis, dass es überhaupt möglich ist, ein biographischen ich zu entwickeln? Wobei ich dazu tendiere, letzteres Identität zu nennen. Sicher bin ich mir nicht.



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Jörn Budesheim
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Di 30. Apr 2019, 06:00

Friederike hat geschrieben :
Sa 27. Apr 2019, 18:42
das, was die Welt im Innersten zusammenhält
Das ist im Übrigen eine metaphysische Sicht der Dinge, die auch sehr viele Atheisten teilen. Das ist also etwas gibt, was die Welt im Innersten zusammenhält. Der abendländischen Tradition wird das oftmals durch die Form "Alles ist X" ausgedrückt.




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Jörn Budesheim
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Di 30. Apr 2019, 06:22

Stefanie hat geschrieben :
Mo 29. Apr 2019, 19:39
Wenn dort jetzt nur stehen würde Gegenstand des Nachdenkens, und das distanzieren und die vogelperspektive weg wären, ja richtig, aber so...Bahnhof.
Wenn du sagst, dass du über dich nachdenkst, dann nutzt du genau dieselbe Metapher. Indem du über dich nachdenkst, unterscheidest du dich von dir selbst und nimmst eine bestimmte Perspektive auf dich ein.




herbert clemens
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Di 30. Apr 2019, 08:55

Mich reizt es folgenden Gedanken zu formulieren. Es gibt nur einen Gott, wie es im Islam zurecht fest gehalten wird. Dieser ist „heutzutage“ der „Gott für Atheisten“. Die Menschen haben sich in der Geschichte zu individuellen Weltbürgern entwickelt, die sich ihren kulturellen Traditionen gegenüber stellen können. Jedes Individuum erfährt sich selbst und sein Leben als ausschlaggebend und sucht sich seinen Sinn selbst und ist der geistigen Menschengemeinschaft aufeinander verwiesen.




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Friederike
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Di 30. Apr 2019, 10:28

herbert clemens hat geschrieben :
Di 30. Apr 2019, 08:55
Mich reizt es folgenden Gedanken zu formulieren. Es gibt nur einen Gott, wie es im Islam zurecht fest gehalten wird. Dieser ist „heutzutage“ der „Gott für Atheisten“. Die Menschen haben sich in der Geschichte zu individuellen Weltbürgern entwickelt, die sich ihren kulturellen Traditionen gegenüber stellen können. Jedes Individuum erfährt sich selbst und sein Leben als ausschlaggebend und sucht sich seinen Sinn selbst und ist der geistigen Menschengemeinschaft aufeinander verwiesen.
Wenn ich Deinen reizvollen Gedanken nur verstünde ... :lol: Was ist denn nun, Deiner Meinung nach, der "Gott der Atheisten", der heutzutage die Position Gottes -hier "Gott" als Eigenname gemeint- eingenommen hat? Während ich meine Frage schreibe, verstehe ich, glaube ich, doch, was Du meinst. Der "Gott der Atheisten" ist der jeweils von den einzelnen Menschen gewählte "Sinn". So?




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