Was ist Macht?

Ursprünglich in der praktischen Philosophie beheimatet sind Theorien der Gesellschaft heute weitgehend von der Soziologie aufgegriffen worden.
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Jörn Budesheim
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Fr 2. Feb 2018, 08:06

Ich habe den Part des #MeToo-Threads, der sich mit der Frage "Was ist Macht?" beschäftigt aus diesem Thread herauskopiert. Diese Frage kann hier diskutiert werden.
Byung-Chul Han - in "Was ist Macht?" - hat geschrieben : Hinsichtlich des Machtbegriff herrscht immer noch ein theoretisches Chaos. Der Selbstverständlichkeit des Phänomens steht eine totale Unklarheit des Begriffs gegenüber. Für den einen bedeutet sie Unterdrückung. Für den anderen ist sie ein konstruktives Element der Kommunikation. Die juristische, die politische und die soziologische Vorstellung von der Macht stehen einander unversöhnt gegenüber. Die Macht wird bald mit der Freiheit, bald mit dem Zwang in Verbindung gebracht. Für die einen beruht die Macht auf dem gemeinsamen Handeln. Für die anderen steht sie mit dem Kampf eine Beziehung. Die einen grenzen die Macht von der Gewalt scharf ab. Für die anderen ist die Gewalt nichts anderes als in eine intensivierte Form der Macht. Die Macht wird bald mit dem Recht, bald mit der Willkür assoziiert.
Byung-Chul Han - in "Was ist Macht?" - hat geschrieben :
Logik der Macht

Unter Macht versteht man gewöhnlich die folgende Kausalrelation: Die Macht von Ego ist die Ursache, die bei Alter gegen dessen Willen ein bestimmtes Verhalten bewirkt. Sie befähigt Ego dazu, seine Entscheidungen, ohne auf Alter Rücksicht nehmen zu müssen, durchzusetzen. So beschränkt Egos Macht Alters Freiheit. Alter erleidet den Willen Egos als etwas ihm Fremdes. Diese gewöhnliche Vorstellung von der Macht wird deren Komplexität nicht gerecht. Das Geschehen der Macht erschöpft sich nicht in dem Versuch, Widerstand zu brechen oder Gehorsam zu erzwingen. Die Macht muß nicht die Form eines Zwanges annehmen. Daß sich überhaupt ein gegenläufiger Wille bildet und dem Machthaber entgegenschlägt, zeugt gerade von der Schwäche seiner Macht. Je mächtiger die Macht ist, desto stiller wirkt sie. Wo sie eigens auf sich hinweisen muß, ist sie bereits geschwächt.
Byung-Chul Han - in "Was ist Macht?" - hat geschrieben : [...] es ist nämlich das Zeichen einer höheren Macht, dass der Machtunterworfene von sich aus gerade das, was der Machthaber will, ausdrücklich will, dass der Machtunterworfene dem Willen des Machthabers wie seinem eigenen Willen folgt oder sogar vorgereift [...]
Je mächtiger die Macht ist, desto stiller und untergründiger wirkt sie, meint Han. Widerstand, der erst noch zu brechen wäre, ist nicht in Sicht und Gehorsam wird nicht erzwungen, sondern ist oft vorauseilend und kommt als Selbstverständlichkeit oder Folgsamkeit daher. Vielleicht fühlt sie sich für die davon betroffenen sogar als Freiheit an? Was ist Macht? Was ist Freiheit? Wie erkennen wir sie? Woran erkennt der Fisch das Wasser? Ulrich Beck schreib dazu: "Selbstverständlichkeit, Vergessen und Größe der Macht korrelieren positiv. Man kann geradezu sagen: Wo niemand über Macht spricht, ist sie fraglos da, in ihrer Fragwürdigkeit zugleich sicher und groß. Wo macht Thema wird, beginnt ihr Zerfall."
Byung-Chul Han - in "Was ist Macht?" - hat geschrieben : [...]Das Zwangsmodell wird der Komplexität der Macht nicht gerecht. Die Macht als Zwang besteht darin, eigene Entscheidung gegen den Willen des anderen durchzusetzen. So weist sie einen sehr geringeren Vermittlungsgrad auf. Ego und Alter verhalten sich zueinander antagonistisch. Ego findet keine Aufnahme in Alters Seele. Mehr Vermittlung enthält dagegen jene Macht, die nicht gegen den Handlungsentwurf des Anderen, sondern aus ihm heraus auswirkt. Eine höhere Macht nämlich die, die die Zukunft des Anderen bildet, und nicht die, die sie blockiert. Statt gegen eine bestimmte Handlung Alters vorzugehen, beeinflusst oder bearbeitet sie das Handlungsfeld oder -vorfeld Alters so, dass sich Alter freiwillig, auch ohne negative Sanktionen, für das entscheidet, was Egos Willen entspricht. Ohne jede Gewaltausübung nimmt der Machthaber Platz in der Seele des Anderen.
Byung-Chul Han - in "Was ist Macht?" hat geschrieben : [...] Die Macht unterdrückt die Natur, die Instinkte, eine Klasse, die Individuen; und ist im zeitgenössischen Diskurs diese hundertmal wiederholte Definition der Macht als einer unterdrückenden zu finden, so hat sie nicht der zeitgenössische Diskurs erfunden: Hegel hatte es als erster gesagt, dann Freud, dann Reich. Wie dem auch sei: >Organ der Unterdrückung< ist im gegenwärtigen Vokabular die quasi automatische Benennung der Macht.«

In Wirklichkeit stellt die Unterdrückung nur eine bestimmte, nämlich eine vermittlungsarme oder vermittlungslose Form der Macht dar. Die Macht aber beruht nicht auf der Repression. Immer wieder distanziert sich Foucault von dieser negativen Konzeption der Macht: »Man muß aufhören, die Wirkungen der Macht immer negativ zu beschreiben, als ob sie nur >ausschließen<, >unterdrücken<, >verdrängen<, >zensieren<, >abstrahieren<, >maskieren<, >verschleiern< würde.

In Wirklichkeit ist die Macht produktiv; und sie produziert Wirkliches.« Sie ist »dazu bestimmt, Kräfte hervorzubringen, wachsen zu lassen und zu ordnen, anstatt sie zu hemmen, zu beugen oder zu vernichten«. Zu dem Zusammenhang zwischen Körper und Macht schreibt Foucault: »Der Grund dafür, daß die Macht herrscht, daß man sie akzeptiert, liegt ganz einfach darin, daß sie nicht nur als neinsagende Gewalt auf uns lastet, sondern in Wirklichkeit die Körper durchdringt, Dinge produziert, Lust verursacht, Wissen hervorbringt, Diskurse produziert; man muß sie als ein produktives Netz auffassen, das den ganzen sozialen Körper überzieht und nicht so sehr als negative Instanz, deren Funktion in der Unterdrückung besteht.

Foucaults Hinweise zur Produktivität der Macht werden selten zur Kenntnis genommen. Dazu hat Foucault [selbst beigetragen ...]




Tosa Inu
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psyheu hat geschrieben : Was ist Macht überhaupt? Nach einer klassischen Studie von John R.P. French Jr. und Robert Alan Dahl ist Macht „die Fähigkeit von Akteur A einen Akteur B zu einer Handlung zu bewegen, etwas zu tun, was Akteur A von ihm verlangt, abzüglich der Wahrscheinlichkeit, dass der Akteur B die von Akteur A gewollte Handlung auch ohne den Einfluss von Akteur A getan hätte.“[1]

Gemäß Max Weber ist Macht, „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“[2]

Breiter fasst die Sozialwissenschaft Macht, nämlich als „die Fähigkeit einer Person oder Interessengruppe, auf das Verhalten und Denken einzelner Personen, sozialer Gruppen oder Bevölkerungsteile einzuwirken.“[3]

Macht ist also der Einfluss, die Fähigkeit, das Verhalten oder Denken anderer zu steuern.

Es gibt viele offene Formen der Macht und vermutlich noch mehr versteckte.
(Quelle)



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Tosa Inu hat geschrieben :
So 28. Jan 2018, 18:26
psyheu hat geschrieben : Was ist Macht überhaupt? Nach einer klassischen Studie von John R.P. French Jr. und Robert Alan Dahl ist Macht „die Fähigkeit von Akteur A einen Akteur B zu einer Handlung zu bewegen, etwas zu tun, was Akteur A von ihm verlangt, abzüglich der Wahrscheinlichkeit, dass der Akteur B die von Akteur A gewollte Handlung auch ohne den Einfluss von Akteur A getan hätte.“[1]
Hier liegt alles an dem Wörtchen "Einfluss". Sind damit zum Beispiel explizit oder implizit angedrohte Sanktionen gemeint? In diesem Fall wäre nach Einschätzung von Byung-Chul Han - in "Was ist Macht?" die Macht noch nicht entfaltet oder bereits am Bröckeln.

Macht im Sinn von Han liegt - nach meinem bisherigen Verständnis - im Grunde voll entfaltet dann vor, wenn Akteur B tut, was Akteur A von ihm "verlangt", ohne dass dieser es überhaupt verlangen muss, also aus freien Stücken. In diesem Bild gehört zu einer richtigen Beschreibung der Situation, der "Raum" in dem sich A und B bewegen dazu. Dieser Raum ist nach Han im wesentlichen in "Sinn-Raum". B hat sich im "Idealfall" die Logik dieses Raum zu eigen gemacht. Die Macht greift sozusagen bis in seine Seele, weil er die kleinen oder großen Erzählungen, die diesen Raum strukturieren "verinnerlicht" hat. Früher hat man etwas Vergleichbares "die Verhältnisse" genannt, schätze ich. Die Verhältnisse setzen A und B in eben ein bestimmtes, präfiguriertes Verhältnis, welches ihre "Handlungsselektionen" bereits vorstrukturiert. A muss B unter solchen Umständen gar nicht erst bewegen. Der sinnhaft strukturierte Raum, zu dem beiden gehören, wird B dazu bringen, die fragliche Handlung aus "freien" Stücken zu vollziehen. So als wenn Akteur B die von Akteur A gewollte Handlung auch ohne den Einfluss von Akteur A getan hätte.

Wahre Macht vollzieht sich im Stillen, sie ist so unsichtbar, wie das Wasser, in dem der Fisch schwimmt.




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Jörn Budesheim
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Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 10:18
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 08:36
Macht im Sinn von Han liegt - nach meinem bisherigen Verständnis - im Grunde voll entfaltet dann vor, wenn Akteur B tut, was Akteur A von ihm "verlangt", ohne dass dieser es überhaupt verlangen muss, also aus freien Stücken.
Das würde ich zurückweisen, weil sich das mit der Willensfreiheit beißt. Dahinter steht die These einer flächendeckenden Manipulation und nicht jeder Einfluss ist manipulativ. Wenn sich Interessen überschneiden, der Verkäufer einen Wagen verkaufen will und die schöne Karre mein heimlicher Traum ist, ist das in meinen Augen keine Manipulation, weil die These, dass einem ja schon nichts anderes einfällt, als z.B. Konsum, in eine ebenso paternalistische Form der Eigentlichkeit unserer wirklich wahren Wünsche einmündet.

Klar ist dieser Selbstoptimierungswahn derzeit bekloppt, aber man muss auch benennen können, was daran gaga ist, die Schiene Heidegger, Fromm, Marcuse, 'falsches Bewussstsen' ist da ziemlich tot.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 08:36
In diesem Bild gehört zu einer richtigen Beschreibung der Situation, der "Raum" in dem sich A und B bewegen dazu. Dieser Raum ist nach Han im wesentlichen in "Sinn-Raum". B hat sich im "Idealfall" die Logik dieses Raum zu eigen gemacht. Die Macht greift sozusagen bis in seine Seele, weil er die kleinen oder großen Erzählungen, die diesen Raum strukturieren "verinnerlicht" hat. Früher hat man etwas Vergleichbares "die Verhältnisse" genannt, schätze ich. Die Verhältnisse setzen A und B in eben ein bestimmtes, präfiguriertes Verhältnis, welches ihre "Handlungsselektionen" bereits vorstrukturiert. A muss B unter solchen Umständen gar nicht erst bewegen. Der sinnhaft strukturierte Raum, zu dem beiden gehören, wird B dazu bringen, die fragliche Handlung aus "freien" Stücken zu vollziehen. So als wenn Akteur B die von Akteur A gewollte Handlung auch ohne den Einfluss von Akteur A getan hätte.

Wahre Macht vollzieht sich im Stillen, sie ist so unsichtbar, wie das Wasser, in dem der Fisch schwimmt.
Das ist überbordend. Eine m.E. schöne, aber leider etwas längere Antwort darauf - dafür mit viel Philosophie - steht hier.




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Jörn Budesheim
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Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 10:18
Das würde ich zurückweisen ...
Du meinst, so etwas wie Macht gibt es gar nicht?




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 17:01
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 10:18
Das würde ich zurückweisen ...
Du meinst, so etwas wie Macht gibt es gar nicht?
Doch klar.
Aber diese These der schleichenden Dressur ist gewagt, weil ja viele lieber im goldenen Käfig sitzen, als frei zu sein.
Nur, dass wir eben alle still manipuliert sind und es nicht merken, geht nicht auf.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 17:06
These der schleichenden Dressur ist gewagt,
Hmm, ... weder das, noch die Sache mit der Manipulation trifft das, was Han vorträgt (und was ich erstmal prüfenswert bis plausibel finde).




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 18:07
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 17:06
These der schleichenden Dressur ist gewagt,
Hmm, ... weder das, noch die Sache mit der Manipulation trifft das, was Han vorträgt (und was ich erstmal prüfenswert bis plausibel finde).
Ich hatte mich dabei auf das bezogen, was Du über Han geschrieben hast:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 08:36
Macht im Sinn von Han liegt - nach meinem bisherigen Verständnis - im Grunde voll entfaltet dann vor, wenn Akteur B tut, was Akteur A von ihm "verlangt", ohne dass dieser es überhaupt verlangen muss, also aus freien Stücken. In diesem Bild gehört zu einer richtigen Beschreibung der Situation, der "Raum" in dem sich A und B bewegen dazu. Dieser Raum ist nach Han im wesentlichen in "Sinn-Raum". B hat sich im "Idealfall" die Logik dieses Raum zu eigen gemacht. Die Macht greift sozusagen bis in seine Seele, weil er die kleinen oder großen Erzählungen, die diesen Raum strukturieren "verinnerlicht" hat. Früher hat man etwas Vergleichbares "die Verhältnisse" genannt, schätze ich. Die Verhältnisse setzen A und B in eben ein bestimmtes, präfiguriertes Verhältnis, welches ihre "Handlungsselektionen" bereits vorstrukturiert. A muss B unter solchen Umständen gar nicht erst bewegen. Der sinnhaft strukturierte Raum, zu dem beiden gehören, wird B dazu bringen, die fragliche Handlung aus "freien" Stücken zu vollziehen. So als wenn Akteur B die von Akteur A gewollte Handlung auch ohne den Einfluss von Akteur A getan hätte.

Wahre Macht vollzieht sich im Stillen, sie ist so unsichtbar, wie das Wasser, in dem der Fisch schwimmt.
Für mich heißt das, dass man die Normen, Logik, Denkweise eines bestimmten Raumes mehr oder weniger unhinterfragt übernimmt und fortan in und aus dieser empfundenen Normalität heraus denkt, bewertet und agiert.
Das würde ich als schleichende Dressur bezeichnen. Denn gerade dann und dadurch zwingt man niemandem etwas auf ... es ist ja normal.
Hattest Du es anders gemeint?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Fr 2. Feb 2018, 08:13

Tommy hat geschrieben :
Fr 2. Feb 2018, 08:13
[...] wenn nun sogar die Freiwilligkeit geradezu ein Ausdruck von Macht und Machtausübung sein soll... was bleibt dann noch?
Gegenüber bestimmten Gruppen gab und gibt es ja allgemeine Ressentiments, zum Beispiel Homosexuelle. Waren/sind diese Gefühle unfreiwillig? Wurden die Menschen gegen ihren Willen gezwungen, schlecht über Homosexuelle zu denken? Wurde die Geschlechterungleichheit gegen die Überzeugungen der Einzelnen über Jahrtausende aufrecht erhalten? Ich glaube das nicht. Selbst die Leidtragenden mancher solcher Ordnungen haben diese oft für gut geheißen - sagen wir: gottgewollt zum Beispiel. Folgen die Menschen manchen Mächtigen nicht voller Überzeugung?




Tosa Inu
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Fr 2. Feb 2018, 08:13

Ich glaube nicht, dass gesellschaftliche Normen etwas sind, was von ein paar Mächtigen beschlossen wurde.
Das ist glaube ich schon Teil einer Legendenbildung.



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Fr 2. Feb 2018, 08:14

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 19:09
Ich glaube nicht, dass gesellschaftliche Normen etwas sind, was von ein paar Mächtigen beschlossen wurde.
Das ist glaube ich schon Teil einer Legendenbildung.
An wen geht das? Tommy? Oder mich? Wenn an mich: worauf beziehst du dich?




Tosa Inu
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Fr 2. Feb 2018, 08:14

Ging an Dich, bezog sich auf die Menschen, die gerne den Mächtigen folgen.



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Fr 2. Feb 2018, 08:14

Hmm, verstehe ich nicht. Seit einer Handvoll Beiträgen hab nicht mehr das Gefühl, dass du dich auf das beziehst, was ich sage, sondern ... ich weiß nicht was. Dazu kann ich dann schwer Stellung nehmen, weil ich nicht begreife, wie du darauf kommst.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 29. Jan 2018, 18:58
Folgen die Menschen manchen Mächtigen nicht voller Überzeugung?
Ja, tun sie.
Das meinte ich.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Fr 2. Feb 2018, 09:04

Macht hat mehrere Aspekte, offene und stille.

Wenn ich die Regeln einer bestimmten Existenzform so verinnerlicht habe, dass ich gar erst/mehr auf die Idee komme, dass man/ich auch anders könnte, ist das dieser stille Aspekt der Macht, den Han hier wohl meint.

Doch Macht hat auf eine offene Komponente, in dem sich jemand hinstellt und einfach nicht mehr mit macht. "Ich kann auch anders."

Und, wie so oft, gibt es 1000 Zwischenstufen. Bei uns sind aktuell Machtforderungen beliebt, die sanft und auf leisen Sohlen daher kommen: "Geh nur zu der Party, mach' dir um mich keine Sorgen, ich komm' schon klar." Mit dem Ausdruck des Leiden Christi im Gesicht.

Nicht wenige behaupten, die stille Komponente sei heute bereits institutionalisiert, so dass es stille Normen gibt, auf wen in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen ist, was zu einer Umkehr des Leistungsgedanken führt. Aus der Belohnung für erbrachte Leistungen wird eine Belohnung, für das, was man nicht mehr kann oder nicht konnte.

Noch größer gezogen lautet der Vorwurf, wir hätten das soagr kulturalisiert, das wäre dann die Fraktion um Nietzsche, gegen das Christentum.

Common sense bei uns ist ein komischer Hybrid. Natürlich sind wir alle gegen das Christentum, aber das Mitleid möchten wir doch erhalten wissen. Über die sich daraus ergebende Macht der Ohnmächtigen wurden etliche Bücher geschrieben.



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Jörn Budesheim
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Was ist Macht - Michel Foucault 1/2





Was ist Macht - Michel Foucault 2/2




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Alethos
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Sa 3. Feb 2018, 21:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 2. Feb 2018, 08:09
Wahre Macht vollzieht sich im Stillen, sie ist so unsichtbar, wie das Wasser, in dem der Fisch schwimmt.
Nur in einer sehr subtilen, sensiblen Weise kann Akteur A auf B Macht ausüben, ohne selbst unter die Knechtschaft seines eigenen Herrschaftsanspruches zu geraten. Wie mächtig ist denn der Mächtige, der unterdrücken kann, wenn er unterdrücken muss? Wie weit reicht seine Macht, wenn er der Mächtige ist und alle um ihn die Ohnmächtigen bleiben?

Teile deine Macht mit anderen und vermehre sie, wäre eine kooperative Auslegung des Machtgedankens, eine demokratische. Aber ist das nicht zu schöngeistig gedacht angesichts der knallharten politischen Realitäten? Ist es nicht naiv?



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

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So 4. Feb 2018, 09:47



“Einführung/grundlegende Konzepte”
ab ca. Minute 21 Niklas Luhmann
ab Minute 52.30 Michel Foucault

(aus meiner bisherigen schmalen Lektüre - insbesondere bei Han - ergibt sich, dass Hübners Charakterisierung Foucaults, dass dieser sich allein der "potestas" (Herrrschaftsmacht) widmet, einem weit verbreiteten und einseitigen Foucault-Interpretation verdankt, an welcher Foucault aber selbst nicht ganz unschuldig sein soll....)




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Tommy hat geschrieben :
Fr 2. Feb 2018, 08:13
Denn wenn nun sogar die Freiwilligkeit geradezu ein Ausdruck von Macht und Machtausübung sein soll... was bleibt dann noch?




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Stefanie
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Sa 10. Nov 2018, 19:31

Macht wird in der Regel als destruktiv verstanden. Macht sei die Einwirkung auf die Handlungen einer Person. Dabei kann Macht von Individuen, sozialen Gruppen und Organisationen ausgeübt werden,
Eine der gängigsten und meist zitierten Definitionen darüber was Macht in diesem Sinne ist, stammt von Max Weber:
Max Weber:
Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.

Dieses Verständnis von Macht wird von der amerikanischen Politikwissenschaftlerin Hanna Pitkin als power over Macht bezeichnet. Dem stellt sie ihre eigene Konzeption genannt power on gegenüber. Hiernach ist Macht die Befähigung zum Handeln und ist daher schöpferisch und richtet sich nicht notwendigerweise gegen Personen.

Am deutlichsten setzt Arendt dieses power on Konzept um, und trennt zudem Macht von Gewalt. Für sie ist Macht kommunikativ.
„Macht entspringt der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln“ . Die Macht entsteht im gemeinsamen Handeln und Reden mit anderen, und erzeugt so eine kommunikative Macht. Dies ist die Legitimation für politischen Handlungen und die politische Herrschaft. Gewalt kommt nach Arendt nur dann zum Einsatz, wo diese kommunikative Macht nicht mehr vorhanden ist, wo also die Herrschaft ihre Legitimation verloren hat, als bei Revolutionen.

In dem ersten Konzept wird Macht gegen andere eingesetzt, nach der zweiten Ansicht ermöglicht Macht die Handlungsfähigkeit von Personen.

Der Machtbegriff stammt von Foucault setzt einen anderen Schwerpunkt. Mir ist dieses Konzept von Macht leider nicht ganz klar geworden. Na ja nicht verstanden trifft es auch.
Foucault verabschiedet sich von diesen oben genannten Konzepten und stellt dem eine ‚Mikrophysik der Macht’ entgegen: „Die Macht ist […] etwas, was sich von unzähligen Punkten aus und im Spiel ungleicher und beweglicher Beziehungen vollzieht“ .Macht durchzieht den ganzen Gesellschaftskörper bis in seine kleinsten Kapillaren. Macht formt den Menschen in seinem Handeln und Denken.
Irgendwie scheint Macht immer vorzuliegen. Oder wie meint er das?

Was ist Macht, und ist Macht angeboren oder nicht?

https://www.philosophie.ch/philosophie/ ... sier-macht

Dort die PDF Datei, die leider zu groß ist, um sie hier anzuhängen.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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