Gibt es eine Demokratie ohne Kapitalismus?

Ursprünglich in der praktischen Philosophie beheimatet sind Theorien der Gesellschaft heute weitgehend von der Soziologie aufgegriffen worden.
herbert clemens
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Do 15. Feb 2018, 14:55

novon hat geschrieben :
Mi 14. Feb 2018, 20:28
herbert clemens hat geschrieben :
Mi 14. Feb 2018, 08:51
Allerdings verstehe ich immer noch nicht, wie eine Entscheidung nach Geldbesitz als demokratisch bezeichnet werden kann.
Ich verstehe nicht, was eine "Entscheidung nach Geldbesitz" sein soll. Es geht beim Proporz in der Aktionärsversammlung um Stimmgewichte. Etwaige Entscheidungen in deren Rahmen müssen wohl notwendig irgendwie vernünftig sein, sonst war es das für die AG. Zwei, drei massive Fehlentscheidungen und die Anlegen sagen leise Adieu, was den Wert der entsprechenden Aktie und somit das Vermögen der verbliebenen Anleger quasi verdunsten lässt. Wenn ich also z. B. 100 Aktien von irgendeiner AG hätte, nun feststellen würde: "Die bauen Mist, den ich nicht unterstützen will", verkaufe ich mein 100 Aktien und lege die irgendwo anders an. Machen das noch einige 100.000 weitere Kleinaktionäre, geht die Aktie nahezu zwangsläufig in die Knie, was jenen am meisten missfallen dürfte, die mehr Anteile an der AG halten, nämlich die, mit dem gewichtigeren Stimmrecht, deren Vermögen wesentlich stärker schrumpft, als das von Kleinanlegern. D. h. die mit dem höheren Stimmrecht tragen auch ein höheres finanzielles Risiko, verlieren auch bei kleinen Knicken im Kurs eventuell bereits gewaltig. Auf staatlicher Ebene sieht das anders aus, denn wenn der Staat wie auch immer Mist baut, sind alle gleichteilig (mit-) gearscht, darum sollten auch alle mit gleichem Gewicht abstimmen, staatliches Handeln verantworten.

Deine Antwort befriedigt mich nicht. Die Realität des Aktienhandels sieht anders aus. Kleinaktionäre haben keine Chance auf Unternehmensziele Einfluss zu nehmen.
Was heißt „vernünftig“? Für die einflußreichen Hauptaktionäre bedeutet „vernünftig“ den kurzfristigen Gewinnerwartungen zu entsprechen. Die elende Lage der Kakaobauern und die Abholzung des Regenwaldes interessiert die Aktionäre von Ferrero oder Nestle oder... im ersten Schritt nicht.
Von meinem Hauptgedankenstrang habe ich damit leider selbst abgelenkt. Da wäre ich mehr auf Antworten gespannt.




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Jörn Budesheim
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So 18. Feb 2018, 06:35

Ich habe einen Thread zum Thema Gerechtigkeit eröffnet, denn einige der Fragen, die hier diskutiert werden, scheinen sich genau darum zu drehen > viewtopic.php?t=331




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Tarvoc
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So 18. Feb 2018, 23:46

novon hat geschrieben :
Mi 14. Feb 2018, 20:39
Ui... Ist schon Zeit für NS-Vergleiche...
Das war kein Vergleich (womit auch?), sondern ein Beispiel zur Illustration. Ich hätte genausogut das Frankreich des Sonnenkönigs nehmen können. Dass buchstäblich alles gesellschaftliche Handeln irgendwie auf dem Willen von Individuen basiert, ist eine Binse. Worum es mir ging, habe ich in dem Satz vorher gesagt: Um eine definitorische Abgrenzung, die auch tatsächlich zur Abgrenzung taugt.



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Jörn Budesheim
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Mo 19. Feb 2018, 05:36

herbert clemens hat geschrieben :
Mi 14. Feb 2018, 08:51
Aus grundsätzlichen und praktischen Erwägungen heraus, bin ich skeptisch, ob sich eine demokratisch sozialistische Planwirtschaft verwirklichen lässt. Kann ich dann als Konsument die individuell mir gut erscheinenden Produkte bekommen? Kann ich als Produzent genug Freiheitsraum erhalten, um neue Produktideen zu entwickeln und zu gestalten?
"Kann ich als Produzent genug Freiheitsraum erhalten, um neue Produktideen zu entwickeln und zu gestalten?" Und dafür eine Geschäftsform zu wählen, die mir vielversprechend erscheint z.b. eine Aktiengesellschaft :)

Zu den Lohngrenzen nach unten und oben: Solange zwar die Wirtschaft sich globalisiert, das Recht aber nicht, sind solche Dinge immer riskant, da Firmen ihre Freiheit dann dazu nutzen in Länder abzuwandern, wo solche Grenzen nicht gelten.

Wie viel Freiheit braucht der Markt, wie viele Eingriffe verträgt er? Oder umgekehrt? Wie viele Eingriffe braucht der Markt und wie viel Freiheit verträgt er?





herbert clemens
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Mi 21. Feb 2018, 11:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 05:36
herbert clemens hat geschrieben :
Mi 14. Feb 2018, 08:51
Aus grundsätzlichen und praktischen Erwägungen heraus, bin ich skeptisch, ob sich eine demokratisch sozialistische Planwirtschaft verwirklichen lässt. Kann ich dann als Konsument die individuell mir gut erscheinenden Produkte bekommen? Kann ich als Produzent genug Freiheitsraum erhalten, um neue Produktideen zu entwickeln und zu gestalten?
"Kann ich als Produzent genug Freiheitsraum erhalten, um neue Produktideen zu entwickeln und zu gestalten?" Und dafür eine Geschäftsform zu wählen, die mir vielversprechend erscheint z.b. eine Aktiengesellschaft :)
„Aktiengesellschaft „ hört sich abstrakt nach einer guten Lösung an. Die Realität der heutigen Finanzwelt ist eine andere. Bei fast allen mir bekannten AG steht nicht eine Produktidee im Vordergrund, sondern es geht darum, quantitativ eine hohe Gewinnerwartung zu realisieren. Crowdfunding und Genossenschaften scheinen mir zielführendere Organisationsformen zu sein.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 05:36
Zu den Lohngrenzen nach unten und oben: Solange zwar die Wirtschaft sich globalisiert, das Recht aber nicht, sind solche Dinge immer riskant, da Firmen ihre Freiheit dann dazu nutzen in Länder abzuwandern, wo solche Grenzen nicht gelten.
Heißt das der Kapitalismus ist stärker als demokratische Rahmenplanungen, also undemokratisch? Ich gebe zu, dass dies ein komplexes Thema ist. Beim Mindestlohn sind die Befürchtungen nicht eingetreten. Auch ohne Bonibechränkungen wandert das Kapital gerne zu den höchsten Gewinnerwartungen. Beispiel Siemens: Neue Arbeitsplätze in den USA - Kündigungen in Deutschland. Andererseits sind Fachkräfte auch nicht immer von heute auf morgen zu ersetzen. Unternehmen wie Siemens haben natürlich kein Problem Subventionen auszunutzen, und andererseits das Lob des unregulierten Marktes zu singen.
Wie viel Freiheit braucht der Markt, wie viele Eingriffe verträgt er? Oder umgekehrt? Wie viele Eingriffe braucht der Markt und wie viel Freiheit verträgt er?
Interessanterweise ist der Markt Subjekt des Satzes, was Marx als Entfremdungszusammenhang kritisiert. Sollen die Menschen Subjekte ihrer Geschichte sein oder werden oder ist der Markt das Subjekt?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 19. Feb 2018, 05:36
Das Comicmodell der Hayek-Theorie wird der Realität des heutigen Kapitalismus überhaupt nicht gerecht. Es beschreibt nicht die Wirklichkeit und entbehrt Handlungsstrategien. Es dient nur legitimatorischen Zwecken. Interessant, dass der Preis als quantitaves Merkmal in den Vordergrund rückt.
Noch einmal: über den Markt Ideen als Produzent einzubringen und als Konsument zu schauen, welche Bedürfnisse ich durch wen befriedigt haben möchte, scheint mir durchaus weiterführend zu sein. Ist der historisch gewachsene Finanzkapitalismus die einzige Möglichkeit einer entwickelten Marktwirtschaft? Können wir als Konsumenten z.B.durch Boykott (in anderen Threads diskutiert) genug Gegenmacht entfalten?




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Jörn Budesheim
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Do 22. Feb 2018, 07:38

herbert clemens hat geschrieben :
Mi 21. Feb 2018, 11:28
„Aktiengesellschaft „ hört sich abstrakt nach einer guten Lösung an. Die Realität der heutigen Finanzwelt ist eine andere. Bei fast allen mir bekannten AG steht nicht eine Produktidee im Vordergrund, sondern es geht darum, quantitativ eine hohe Gewinnerwartung zu realisieren. Crowdfunding und Genossenschaften scheinen mir zielführendere Organisationsformen zu sein.
Das ist allerdings keine wirkliche Antwort auf meinen Einwand :-(
herbert clemens hat geschrieben :
Mi 21. Feb 2018, 11:28
Das Comicmodell der Hayek-Theorie
?




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Tarvoc
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Sa 24. Feb 2018, 00:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 22. Feb 2018, 07:38
herbert clemens hat geschrieben :
Mi 21. Feb 2018, 11:28
Das Comicmodell der Hayek-Theorie
?
Ich vermute mal, er meint das von dir verlinkte Video.



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Jörn Budesheim
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Sa 24. Feb 2018, 06:11

Das war mir schon klar. Aber wenn man eine Theorie in Form eines Comics darstellt, wird aus der Theorie dadurch ja kein Comic bzw ein Comic Modell, oder?




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herbert clemens hat geschrieben :
Mi 21. Feb 2018, 11:28
Können wir als Konsumenten z.B.durch Boykott (in anderen Threads diskutiert) genug Gegenmacht entfalten?
Bedingt, es wird an der Bequemlichkkeit und Meinungsviefalt scheitern.
Vorschläge, wie dies funktionieren könnte, ohne dass man sich ein Bein ausreißt, interessieren nicht.
Im Moment interessieren die "alles muss ganz anders werden" Modelle, die sich genau aus dem Grund nicht durchsetzen.
Sich erregen zu können, aber nichts ändern zu müssen ist ja längst eingeübte Nichtpraxis und eine eigene Industrie.
Denn alles zu ändern ist wohl doch ein bisschen viel verlangt und nur ein wenig zu machen, ist ja nur symbolisch, man kann es auch lassen. So nickt man sich zu, in dem warmen Wissen, dass es eben nicht geht, so gernee man wollte.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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herbert clemens
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So 25. Feb 2018, 11:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 22. Feb 2018, 07:38
herbert clemens hat geschrieben :
Mi 21. Feb 2018, 11:28
„Aktiengesellschaft „ hört sich abstrakt nach einer guten Lösung an. Die Realität der heutigen Finanzwelt ist eine andere. Bei fast allen mir bekannten AG steht nicht eine Produktidee im Vordergrund, sondern es geht darum, quantitativ eine hohe Gewinnerwartung zu realisieren. Crowdfunding und Genossenschaften scheinen mir zielführendere Organisationsformen zu sein.
Das ist allerdings keine wirkliche Antwort auf meinen Einwand :-(
herbert clemens hat geschrieben :
Mi 21. Feb 2018, 11:28
Das Comicmodell der Hayek-Theorie
?
Mein Beitrag stand in dem Zusammenhang einer kritischen Rückfrage an tarvoc, ob eine demokratische Gesamtplanung vorstellbar ist, und erwartete rhetorisch ein nein. Jörns Antwort passt eigentlich also nicht: "Kann ich als Produzent genug Freiheitsraum erhalten, um neue Produktideen zu entwickeln und zu gestalten?" Und dafür eine Geschäftsform zu wählen, die mir vielversprechend erscheint z.b. eine Aktiengesellschaft :)
Ich habe die Antwort dennoch aufgegriffen, weil ich wie Jörn der Ansicht bin, dass marktwirtschaftliche Lösungen mir praktikabler erscheinen. Jedoch zweifele ich die AG als wünschenswerte Gesellschaftsform an. Pointiert würde ich die AG sogar als Wurzel des Übels bezeichnen, sie markiert in gewisser Weise den Unterschied zwischen Kapitalismus und entwickelte sozialer Marktwirtschaft, zwischen quantitativen Wachstum und qualitativer Bedürfnisbefriedigung, zwischen Oientierung an den Bedürfnissen der Reichen und Solidarität mit den Armen.
Natürlich ist die Sprachkritik von Jörn am „ Comicmodell der Hayek-Theorie“ berechtigt. Ich kann nicht beurteilen, ob die Verkürzungen im Video liegen, oder schon in Theorie von Hayek begründet sind. Nehmen wir dies an, dann könnte mensch inhaltlich auf meine Gedanken eingehen.
Auch die kapitalistische Marktwirtschaft kommt ohne Regulierungen nicht aus. In den letzten Jahrzehnten haben sich dabei (unter dem Etikett „neoliberal“) große Konzerne und das Finanzkapital große Vorteile verschafft. Also Marktwirtschaft ja, aber welche Regulierungen sind praktikabel und führen zu mehr Menschenwürde, Mitbestimmung, … .




herbert clemens
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So 25. Feb 2018, 11:10

da keimt Hoffnung auf...




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Jörn Budesheim
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So 25. Feb 2018, 11:17

Ich befürchte, das habe ich alles nicht verstanden :-( wie lautet jetzt deine Antwort auf die Frage nach dem Freiraum, also der Freiheit. Das habe ich noch nicht begriffen. Das ist doch eine inhaltliche Frage, oder?




herbert clemens
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So 25. Feb 2018, 20:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 11:17
Ich befürchte, das habe ich alles nicht verstanden :-( wie lautet jetzt deine Antwort auf die Frage nach dem Freiraum, also der Freiheit. Das habe ich noch nicht begriffen. Das ist doch eine inhaltliche Frage, oder?
Eine kurze Antwort: Bei der von Tarvoc favorisierten demokratischen Planungswirtschaft erwarte ich für die potentiel vielfältigen Ideen von Produzenten weniger an praktikablen Ideen. Deshalb halte ich ein noch zu entwickelndes Modell einer sozialen( sozialistischen) marktwirtschaft für besser. Auf dieses Modell bezogen scheinen mir die Aktiengesellschaften keine sinnvolle Organisationsform. Das habe ich ja oben schon ausgeführt. Sie ermöglichen den dort arbeitenden Menschen kaum Freiraum.Auch für Menschen mit neuen Produktideen („Unternehmern“) ergibt sich durch die Orientierung an der Gewinnmaximierung als einzigen Zweck wenig Freiraum.




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Jörn Budesheim
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So 25. Feb 2018, 20:20

Das ist ein Ausweichen, meine ich. Aber keine Antwort. Oder?




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So 25. Feb 2018, 20:42

herbert clemens hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 20:15
Auch für Menschen mit neuen Produktideen („Unternehmern“) ergibt sich durch die Orientierung an der Gewinnmaximierung als einzigen Zweck wenig Freiraum.
Was soll das heißen? Willst du den Menschen vorschreiben, wie sie ihr Leben gestalten, welche Ziele sie verfolgen und für erstrebenswert halten sollen? Das klingt leider so.




herbert clemens
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Mo 26. Feb 2018, 08:43

Schade, wir reden wohl aneinander vorbei. Ich verstehe nicht, wieso ich etwas vorschreiben will. Vielleicht kann jemand anderes helfen.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 20:42
herbert clemens hat geschrieben :
So 25. Feb 2018, 20:15
Auch für Menschen mit neuen Produktideen („Unternehmern“) ergibt sich durch die Orientierung an der Gewinnmaximierung als einzigen Zweck wenig Freiraum.
Was soll das heißen? Willst du den Menschen vorschreiben, wie sie ihr Leben gestalten, welche Ziele sie verfolgen und für erstrebenswert halten sollen? Das klingt leider so.




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Mo 26. Feb 2018, 09:02

Freiheit heißt doch auch, sich selbst Ziele setzen zu können. Wer ein Geschäft eröffnet, allein mit dem Ziel, möglichst hohe Gewinne zu machen, dessen Freiheit willst du anscheinend beschneiden, indem du definierst, dass die Orientierung an Gewinnen nicht zur Freiheit gehört. Oder wie soll man diesen etwas kryptischen Satz: "Auch für Menschen mit neuen Produktideen („Unternehmern“) ergibt sich durch die Orientierung an der Gewinnmaximierung als einzigen Zweck wenig Freiraum." sonst verstehen?




herbert clemens
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Mi 28. Feb 2018, 09:26

Danke. Jetzt habe ich dich, so glaube ich, verstanden.
Ob ich eine verständliche Antwort hin bekomme? Mein Beitrag ist ja in gesellschaftsverändernder Option, sozusagen auf einer Metaebene angesiedelt.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die ein hohes Maß an Selbstbestimmung für alle Menschen aufweist. In der die Produzenten in erster Linie an dem Wohle der Konsumenten interessiert sind.
Wenn hoher Gewinn das einzige Ziel eines Unternehmens ist, so geht die Selbstbestimmung der dort Arbeitenden, wie auch der Konsumenten verloren und gleichzeitig werden die begrenzten Lebensgrundlagen unserer Erde zerstört.
Die Freiheit des Kapitals sollte also in der Tat gegen die Freiheiten der anderen Menschen abgewogen werden. Menschenwürde bedeutet für mich auf dem Gebiet des Wirtschaftlebens den Wert der Geschwisterlichkeit eine hohe Bedeutung zu geben. Der Zweck der Weltwirtschaft ist die Versorgung der Menschheit, nicht Gewinnmaximierung. Wie sollte das alleinige Ziel „hoher Gewinn“ erreicht werden, außer durch die Benachteiligung der für ihn arbeitenden Menschen- „Ausbeutung“?
Vielleicht könnte demokratisch auf andere Wirtschaftsformen alsAktiengesellschaft hingearbeitet werden: z.B. Genossenschaften?
Noch Bemerkungen zum kryptischen Satz: Für mich ist Freiheit ein kreativer schöpferischer Prozess. Aus einem inneren Anliegen heraus erschafft ein Künstler ein Kunstwerk, eine Erfinder eine Produktidee, ein Designer ein ästhetisches T-Shirt, … . Um seinen Lebensunterhalt gewährleistet zu bekommen, ist er darauf angewiesen, von anderen Menschen Produkte zu bekommen. Ist „Gewinn“ dafür die einzige Möglichkeit?




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Jörn Budesheim
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Mi 28. Feb 2018, 10:07

herbert clemens hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 09:26
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die ein hohes Maß an Selbstbestimmung für alle Menschen aufweist. In der die Produzenten in erster Linie an dem Wohle der Konsumenten interessiert sind.
Selbstbestimmung sollte auch aus meiner Sicht eine Basis jeder Gesellschaft sein. Daraus folgt jedoch zunächst einmal, dass Produzenten sich an dem orientieren dürfen, was sie selbst für richtig erachten. Wenn sie sich allein für Gewinne interessieren, dann ist das eben so. Auch diese Freiheit darf nicht ohne weiteres eingeschränkt werden. Denn Freiheit ist das oberste Gebot. Die Freiheit des Einzelnen endet jedoch da, wo die Freiheit eines Anderen tangiert wird, aber auch nicht früher. Wenn jemand sich entscheidet, dass „Gewinn“ für ihn die einzige Möglichkeit ist, dann hat er alles Recht dazu. An diesem Punkt kann ich dir auf keinen Fall zustimmen. Freiheit ist nämlich immer auch die Freiheit des anders Denkenden. Dass du (ich oder wer auch immer) Gewinnmaximierung nicht magst, kann nicht ohne weiteres ein Kriterium sein.

Verschiedene und konkurrierende Lebensentwürfe müssen selbstverständlich möglich sein und wenn jemand möglichst reich werden will, dann ist das Ausdruck seiner Freiheit. Die Freiheit des Unternehmers kann natürlich nicht grenzenlos sein. Weil die Anderen die natürliche Grenze sind. Aus der Unternehmerfreiheit folgt also zum Beispiel nicht, dass er Arbeiter unter unmenschlichen Bedingungen und mit unzureichender Bezahlung "halten" darf. Wie man hier die Balance zwischen den verschiedenen Freiheiten bewahrt, das ist natürlich die große Frage. Deine Ansätze scheinen mir erhebliche Einschränkungen der Freiheit vorzusehen. Und das kann ich nicht gut heißen.




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