Gibt es eine Demokratie ohne Kapitalismus?

Ursprünglich in der praktischen Philosophie beheimatet sind Theorien der Gesellschaft heute weitgehend von der Soziologie aufgegriffen worden.
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Tarvoc
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So 19. Nov 2017, 19:54

Stefanie hat geschrieben :
So 19. Nov 2017, 19:53
Du relativierst.
Nein, du relativierst. Das ist genau mein Punkt. Du relativierst, verschweigst und marginalisierst Verbrechen, die von Demokratien begangen wurden, weil sie dir nicht ins Bild passen. Du behauptest kackdreist, Demokratien würden keine Verbrechen begehen, und wenn dir jemand Fakten um die Ohren schmeißt, die das Gegenteil beweisen, wirfst du ihm vor, er würde relativieren.



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Stefanie
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So 19. Nov 2017, 19:57

Habe ich nicht behauptet.



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Tarvoc
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So 19. Nov 2017, 19:59

Stefanie hat geschrieben :
So 19. Nov 2017, 19:57
Habe ich nicht behauptet.
Und jetzt betreibst du Gaslighting. Das hast du sehr wohl behauptet. Ich zitier's nochmal:
Stefanie hat geschrieben :
So 19. Nov 2017, 19:26
Demokratische Staaten können nicht einfach Millionen Menschen verhungern lassen, verhaften, in Lager stecken oder ermorden um einen vermeintlichen Sprung in der industriellen Entwicklung zu machen.
Verhungern lassen, willkürliche Verhaftungen, Lager, Ermordungen. Für jeden einzelnen dieser Punkte gibt es Beispiele aus demokratischen Staaten, gerade wenn man den Umgang mit den Kolonien mitbedenkt. Wenn wir mal die Opfer der industriellen Revolution Amerikas und der europäischen Staaten insgesamt hochrechnen, worum wollen wir wetten, dass wir dann auf Millionen kommen?

Es stimmt allerdings, dass demokratische Staaten mehr auf gute Public Relations angewiesen sind als Diktaturen. Dass das einen enorm zivilisierenden Effekt haben kann, bestreite ich nicht.



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Stefanie
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So 19. Nov 2017, 20:06

Oh Mann.



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Tarvoc
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So 19. Nov 2017, 20:08

Aha.



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Tarvoc
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So 19. Nov 2017, 20:13

Nochmal: Es geht mir nicht darum, den Stalinismus zu verteidigen, schon gar nicht gegenüber modernen westlichen kapitalistischen Demokratien. Aber wer behauptet, Demokratien begingen keine Verbrechen, der hat entweder keine Ahnung von Geschichte oder er lügt. Darum ging es mir. Wenn man ein bestimmtes System verteidigen will, hilft es ungemein, sich an die Fakten zu halten. Alles andere schwächt auf Dauer die eigene Position, weil Falschbehauptungen immer über kurz oder lang als solche enttarnt werden. Man kann aber durchaus dafür argumentieren, dass kapitalistische Demokratien besser sind als der Stalinismus, auch ohne zu ihrer Verklärung Geschichtsfälschung zu betreiben oder Verbrechen zu leugnen, die historische Tatsachen sind. Auf Falschbehauptungen und Verklärungen zu verzichten macht natürlich mehr Arbeit, und man muss womöglich die eigenen Vorurteile hinterfragen, aber es eröffnet oft dem Diskurs neue Perspektiven.

Das hat nichts mit der Relativierung der stalinistischen Verbrechen oder irgendwas derartigem zu tun, sondern mit intellektueller Aufrichtigkeit.
Zuletzt geändert von Tarvoc am So 19. Nov 2017, 20:19, insgesamt 1-mal geändert.



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Alethos
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So 19. Nov 2017, 20:19

Du unterstellst mir Unwissenschaftichkeit in historischen Dingen, damit kann ich leben, schliesslich habe ich es einleitend selbst zugestanden. Aber ich habe Mühe, wenn du dann gleichzeitig durchs Band einen solch’ aggressiven, ideologieschwangeren Ton anschlägst. Das ist nämlich nicht nur unwissenschaftlich, sondern unproduktiv und unfreundlich.

Ich frage mich, ob du deine wohlklingende Theorie von kooperativen Wirtschaftsmodellen in der Praxis auch mit der Brechstange durchsetzen würdest...
Tarvoc hat geschrieben :
So 19. Nov 2017, 01:06
hirnlose Kapitalismusapologie
Tarvoc hat geschrieben :
Do 16. Nov 2017, 16:44
Erst "aber ist doch wertend, heul!" Dann "aber ist doch nicht mehr zeitgemäß, heul!"
Tarvoc hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 22:00
Da bist du im Irrtum, und zwar grundsätzlich.
usw. usf.



-------------------------------
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Tarvoc
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So 19. Nov 2017, 20:26

Alethos hat geschrieben :
So 19. Nov 2017, 20:19
Aber ich habe Mühe, wenn du dann gleichzeitig durchs Band einen solch’ aggressiven, ideologieschwangeren Ton anschlägst. Das ist nämlich nicht nur unwissenschaftlich, sondern unproduktiv und unfreundlich.
Erstens: Ein Ton kann nicht unwissenschaftlich sein. Nur eine Methode oder Theorie kann unwissenschaftlich sein. Dass es unfreundlich war, gestehe ich zu. Es war allerdings nicht ohne Vorgeschichte.

Zweitens: Überlegt euch vielleicht mal, welches Bild ihr hier abgebt. Ich habe auf den ersten paar Threadseiten einfach nur die ökonomische Theorie und Kritik von Karl Marx dargestellt, wie ich sie sehe. Statt auf die Kernpunkte inhaltlich einzugehen, lenkt ihr dadurch ab, dass ihr in sachlich belanglose Meckereien über die Wortwahl verfallt. Immer wieder kopiert ihr irgendwelche Textblöcke in die Diskussion, die ihr selbst nicht kritisch gegengelesen habt, anstatt auf das einzugehen, was ich vorher gesagt hatte. Willst du ernsthaft behaupten, die von Jörn zitierte Passage von Conway sei nicht ideologieschwanger? Wenn ich die kritischen Punkte dieser Textpassagen herausstreiche, wird darauf wieder nicht eingegangen, sondern einfach das nächste Fass aufgemacht. Von Jörn Budesheim habe ich z.B. immer noch keine Aussage dazu, ob er das Demokratieverständnis Conways teilt oder nicht. Und inzwischen sind wir an dem Punkt, an dem einige Leute hier aktiv Gaslighting betreiben.

Kannst du dir nicht vorstellen, wie eine solche Diskussionskultur jemanden wirklich ärgerlich machen kann?
Zuletzt geändert von Tarvoc am So 19. Nov 2017, 21:02, insgesamt 1-mal geändert.



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Tarvoc
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So 19. Nov 2017, 20:44

Vielleicht überlegt ihr euch mal, was ihr selbst zur Situation beigetragen habt. Um es euch leichter zu machen, zitiere ich nochmal die von dir zitierten Passagen aus meinen Beiträgen im Kontext.

Erstes Zitat:
Tarvoc hat geschrieben :
So 19. Nov 2017, 01:06
Stefanie hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 21:15
Womöglich aus humanitären Gründen teuer erkauft... mag nur sein?
Wenn ich mich darüber ärgere, dass jemand eine derart hirnlose Kapitalismusapologie wie die von Edmund Conway in die Diskussion reinkopiert, ohne sie vorher kritisch gegenzulesen, lasse ich mich manchmal zu sowas hinreißen. So gemeint war es nicht, in der Sowjetunion hätte ich nicht leben wollen - aber es stimmt einfach nicht, dass sie keine rasante ökonomische und technologische Entwicklung durchgemacht habe. Und das ist ja wirklich nicht das Einzige, was in Conways Artikel nicht stimmt. Unter Anderem werden die humanitären Kosten des Kapitalismus bei Conway nicht mal erwähnt. Meine Formulierung war eine impulsive Reaktion, Conways Schweigen ist wohldurchdachte Absicht. Das ist eben der kleine Unterschied.
Hierzu ist zu bemerken, dass ich der einzige war, der sich zu Conways Artikel überhaupt geäußert hatte, obwohl er von eurer Seite aus hier eingestellt wurde. Ich hatte eine lange Kritik an ihm vorgelegt, von der einzig Stefanie einen einzigen Punkt herausgegriffen hat, auf die aber ansonsten überhaupt nicht eingegangen wurde. Wenn ihr einen Artikel nicht diskutieren wollt, warum stellt ihr ihn dann überhaupt ein? Einzig um des Effekts willen? Seid ihr wirklich sicher, dass ich derjenige bin, der hier "ideologieschwanger" unterwegs ist?

Zweites Zitat:
Tarvoc hat geschrieben :
Do 16. Nov 2017, 16:44
:lol: Wie sehr ihr euch darum bemüht, dass Leute eine bestimmte Sprache nicht mehr benutzen. Erst "aber ist doch wertend, heul!" Dann "aber ist doch nicht mehr zeitgemäß, heul!"

Widerlegungen in der Sache sucht man vergebens, aber neue Entschuldigungen für das Sprachverbot werden am laufenden Band produziert. :roll:
Über mehrere Seiten wurde versucht, mir zu erklären, dass ich doch bitte andere Worte verwenden sollte. Das wäre ja kein Problem gewesen, wenn dazu Argumente gekommen wären, die tatsächlich was zur Sache sagen. Das war aber nicht der Fall. Die Diskussion über zu vermeidende Worte trat vielmehr an die Stelle einer Auseinandersetzung zur Sache. Es wurde aktiv versucht, mir eine bestimmte Ausdrucksweise aufzuzwingen. Der Kritiker sollte dazu gezwungen werden, keine Worte mehr zu verwenden, die kritisch sein könnten - anstatt dass auch nur versucht wurde, seine Kritik inhaltlich nachzuvollziehen. Dazu kam buchstäblich nichts. Es ging hier nur darum, mir ohne plausible Argumente Sprachregeln aufzuzwingen. Seid ihr wirklich sicher, dass ich derjenige bin, der hier "ideologieschwanger" unterwegs ist?

Drittes Zitat:
Tarvoc hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 22:00
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 21:55
Es ist für eine Analyse keineswegs egal, ob man wertende Begriff nutzt oder nicht.
Da bist du im Irrtum, und zwar grundsätzlich. Es ist für eine Analyse tatsächlich buchstäblich völlig egal, welche "Wertungen" du persönlich mit den Begriffen assoziierst, solange sie für die Begriffsbestimmung im Rahmen der Analyse keine Rolle spielen und man klar bestimmen kann, was gemeint ist. Das einzig Entscheidende ist der Sachbezug. Niemand ist verpflichtet, in seinen Analysen nur solche Wörter zu verwenden, die vom Obersten Wortrichter Jörn Budesheim für "hinreichend wertfrei" befunden werden. Dass eine solche Verpflichtung selbst alles andere als unideologisch wäre, sollte klar sein.

Überhaupt sind wir an einem toten Punkt in der Diskussion angelangt. Du hast an dem, was ich sage, inhaltlich nichts auszusetzen, aber dir gefallen die Worte nicht, in denen ich diese Inhalte ausdrücke, und zwar ohne echte sachliche Begründung. Die Begründung reduziert sich buchstäblich darauf, dass dir das Wort "Profit" nicht gefällt, weil es sich für dich persönlich unbehaglich anfühlt.
Ich habe nicht nur gesagt, dass Jörn Budesheim im Irrtum ist. Ich habe Argumente dafür gebracht. Jörn Budesheim hatte allen Ernstes behauptet, man dürfe in einer Analyse bestimmte Worte nicht benutzen, weil er persönlich damit Wertungen assoziiert. Ich habe das mit Argumenten widerlegt. Was ein Argument ist, weisst du hoffentlich noch...?



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Tarvoc
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So 19. Nov 2017, 20:57

Mal Hand auf's Herz:
Ging es euch hier überhaupt um eine sachliche Diskussion oder darum, andere Positionen inhaltlich kennenzulernen? Oder doch eher darum, Kapitalismuskritik mit allen Mitteln abzubügeln?

Ich hab' mich in der Vergangenheit einige Male sehr gewinnbringend mit Verteidigern des Kapitalismus unterhalten, ganz ohne Aggressivität oder dergleichen. Da wurden dann aber tatsächlich Argumente ausgetauscht und nicht nur immer neue Nebelkerzen eingeworfen oder versucht, der anderen Seite Worte zu verbieten. Denen wäre es z.B. auch nicht eingefallen, so ein Fragment wie das von Conway "einfach mal unkommentiert stehenzulassen". Wenn sie sowas verwendeten, dann positionierten sie sich auch unmittelbar dazu, schon beim Zitieren, statt sich danach tagelang nicht mehr zu melden.



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Stefanie
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So 19. Nov 2017, 21:12

Ich finde die Ausgangsfrage nach wie vor interessant.
Interessant finde ich es aber nicht, dass Du ausschließlich an Marx festhält, und keinerlei Kritik an dieser Theorie zulassen wirst. Es gibt nur schwarz und weiß. Kapitalismus ist grundsätzlich böse, nichts aber auch gar nichts scheint dich davon abzubringen. Positive Seiten des Kapitalismus scheint es für dich nicht zu geben. Nur schlechte.


Bei diesem Thema gibt es Differenzen, die wohl nicht geklärt werden können.
Wobei die Ausgangsfrage unbeantwortet zu scheinen bleibt.



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Tarvoc
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So 19. Nov 2017, 21:16

Stefanie hat geschrieben :
So 19. Nov 2017, 21:12
Interessant finde ich es aber nicht, dass Du ausschließlich an Marx festhält, und keinerlei Kritik an dieser Theorie zulassen wirst.
Nochmal: Ich habe mich mit Leuten, die meinem Ansatz kritisch gegenüberstehen, in der Vergangenheit durchaus für beide Seiten gewinnbringend auseinandergesetzt. Da kamen dann aber eben Argumente zur Sache statt die hier üblichen ständigen Ablenkungsmaneuver. Vielleicht versucht ihr einfach mal eine inhaltliche Kritik. Allerdings muss ich dir gegenüber fairerweise zugeben, dass du von allen Diskussionsteilnehmern bisher diejenige bist, von der man wohl noch am ehesten sagen kann, dass sie sich zumindest manchmal auch um inhaltliche Argumente und Diskussionen bemüht hat. (Die Frage, wie sich Marxisten zum Thema Dienstleistungen positionieren sollen, ist zum Beispiel in der Tat keine triviale. Nur muss man, wenn man kapitalistisches Wirtschaften verstehen will, eben trotzdem zuerst die Produktionsform verstehen, nicht zuletzt weil die Produktion auch der Ort der Wertbildung ist und man nur verteilen kann, was man vorher produziert hat.)



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novon
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Tarvoc hat geschrieben :
So 19. Nov 2017, 19:38
Im Übrigen möchte ich daran erinnern, dass die industrielle Revolution Europas und der USA ebenfalls ein enormes Maß an Menschenleben gekostet hat, und zwar sowohl vor Ort als auch in den Kolonien.
Der Kolonialismus wurde von demokratischen Staaten betrieben? Afaik fällt der Kolonialismus (abgesehen von Frankreich) noch voll in die monarchistische Epoche, nicht?




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Tarvoc
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So 19. Nov 2017, 21:58

novon hat geschrieben :
So 19. Nov 2017, 21:51
Der Kolonialismus wurde von demokratischen Staaten betrieben? Afaik fällt der Kolonialismus (abgesehen von Frankreich) noch voll in die monarchistische Epoche, nicht?
Churchills Britannien war keine Demokratie? Oder die USA?

Ich hatte ja hier schon das Beispiel der Hungersnot in Indien von 1943 gebracht. Indien war bis 1947 britische Kolonie. Es stimmt, dass sich die westlichen Demokratien oft in langen Reformprozessen aus ursprünglich nichtdemokratischen Systemen heraus entwickelten. Oft schufen Kolonialismus und brutale Industrialisierungsprozesse erst die Voraussetzungen für Demokratisierung.



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Jörn Budesheim
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Mo 20. Nov 2017, 06:42

Jürgen Kocka, in 'die Geschichte des Kapitalismus' hat geschrieben : «Kapitalismus» ist ein umstrittener Begriff. Viele Wissenschaftler vermeiden ihn. Er erscheint ihnen als zu polemisch, denn er entstand als Begriff der Kritik und ist jahrzehntelang auch als solcher verwendet worden. Der Begriff wird unterschiedlich und oft gar nicht definiert. Er umfasst sehr vieles, seine Abgrenzung ist schwierig. Ist es nicht besser, auf ihn zu verzichten und etwa von «Marktwirtschaft» zu sprechen?

Andererseits gibt es eine lange Reihe sehr ernst zu nehmender Sozial- und Kulturwissenschaftler, die zur Diskussion über Kapitalismus viel Substantielles beigetragen haben. Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Kalten Kriegs, der auch ein Krieg um Schlüsselbegriffe war, ist der Begriff voll in den wissenschaftlichen Diskurs zurückgekehrt. Die internationale Finanz- und Schuldenkrise seit 2008 hat das kritische Interesse am Kapitalismus zusätzlich angeheizt. Kürzlich berichtete die New York Times über einen neuen Boom von Lehrveranstaltungen zur Geschichte des Kapitalismus an amerikanischen Universitäten. Der Begriff ist auch in Europa so aktuell wie schon lange nicht, wenn auch mehr bei Publizisten, Sozial- und Kulturwissenschaftlern als bei Ökonomen.
Kapitalismus» ist ein umstrittener Begriff. Viele Wissenschaftler vermeiden ihn. Er erscheint ihnen als zu polemisch erläutert Kocka. Andere nutzen ihn nicht, weil er zu den ideologisch aufgeladenen Schlagworten gehört. Nach Ansicht von Kocka war der Kalte Krieg auch ein Krieg über Schlüsselbegriffe.

Dennoch: Sogar die Frage, ob der Begriff tatsächlich umstritten ist, ist umstritten, denn andere Autoren meinen (mit dem entsprechenden Zungenschlag), der Begriff sei mittlerweile allseits "akzeptiert": der Begriff des Kapitalismus ist offenbar zu einem allseits akzeptierten Universalschlüssel geworden, der jede Erklärung ersetzt und keinen Streit mehr provoziert – schon gar nicht darüber, ob es diesen Kapitalismus überhaupt gibt.

Das war nicht immer so. Als der Kapitalismusbegriff nach dem Krieg seine erste populäre Konjunktur außerhalb der Fachliteratur erlebte, war er noch eindeutig ein Kampfbegriff, der von links artikuliert wurde. Vom Kapitalismus sprach nur, wer ihn abschaffen wollte. Wer an der hergebrachten Wirtschaftsweise festhalten wollte, nannte sie nicht Kapitalismus.
(Jens Jessen)

Welche Färbung der Begriff hat, oder überhaupt eine hat, ist also seinerseits ziemlich "umstritten". 😊 Meine eigene Alltagserfahrung ist, dass der Begriff zwar kein Kampfbegriff mehr ist, niemand zuckt mehr zusammen, wenn man ihn nutzt, aber der Grundton enthält nach wie vor eher eine kritische Wertung. Das hängt allerdings ganz offensichtlich damit zusammen in welchen Sphären man sich bewegt: "Wann immer es etwas zu fürchten gibt, die Arbeitslosigkeit, die Klimakatastrophe – der Kapitalismus ist schuld. Wann immer es etwas zu hoffen gibt, das Ende der Arbeitslosigkeit, eine umweltfreundliche Technologie – dem Kapitalismus wird es zu verdanken sein." (Jens Jessen)




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Tarvoc
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Mo 20. Nov 2017, 18:41

Darüber, dass das Wort nicht die Sache ist, sind wir uns aber schon einig, oder?



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Jörn Budesheim
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Mo 20. Nov 2017, 18:51

Nein, darauf können wir uns nicht grundsätzlich einigen. Denn bei "Sachen", die uns selbst direkt betreffen, gehört die Art und Weise, wie wir über sie sprechen natürlich zur Sache selbst.




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Mo 20. Nov 2017, 19:10

Du interessierst dich kein Bisschen für ökonomische Zusammenhänge. Und du führst pseudophilosophischen Nonsense als Entschuldigung dafür an, stattdessen über was ganz anderes zu sprechen.

Ich hab' schon verstanden. Du bist an einer Diskussion zur Sache nicht interessiert. Dementsprechend werde ich mir überlegen, ob ich in Zukunft noch weitere Versuche unternehme, mit dir eine zu führen.
Zuletzt geändert von Tarvoc am Mo 20. Nov 2017, 19:20, insgesamt 2-mal geändert.



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Mo 20. Nov 2017, 19:15

Hier mal zwei Zitate als Beispiel für die Unterschiedlichkeit der Herangehensweisen:
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 18:03
Zum Beispiel: Erstens bemisst sich der Wert der Lohnarbeit auf einem kapitalistischen Arbeitsmarkt nicht daran, ob der Arbeiter besonders tüchtig ist, sondern daran, was er zur Reproduktion seiner Arbeitskraft benötigt. Du wirst als Kapitalist den flinken und schnellen Spieler nicht nur deshalb besser bezahlen als einen anderen, weil er besser spielt. Sondern eine Lohnerhöhung für ihn kommt für dich nur dann in Frage, wenn du entweder dir daraus höhere Profite erhoffen kannst, oder Profiteinbrüche befürchten müsstest, wenn du es nicht tust. Wenn für dich zu arbeiten seine einzige Option ist, dann kann er tausendmal flinker und schneller sein als die anderen, er wird trotzdem mit dem selben Lohn vorlieb nehmen müssen. Man sieht hier, dass sein Lohn mit seinen spielerischen Fähigkeiten überhaupt nichts zu tun hat. Sie sind einfach kein Faktor in der Berechnung des Tauschwerts seiner Arbeit. Der Arbeitsmarkt kennt weder Moral noch Belohnung in diesem Sinne. Zweitens erzielt der Kapitalist (also in diesem Beispiel du) seinen eigenen Wohlstand überhaupt nicht durch eigene Lohnarbeit, sondern durch Abschöpfung des Mehrwerts der Arbeit anderer, nämlich seiner beschäftigten Lohnarbeiter. Niemand wird ausschließlich durch eigene Arbeit Milliardär. Es geht bei Kapitalismuskritik nicht darum, zu bemängeln, dass manche Lohnarbeiter mehr verdienen als andere, sondern darum, dass alle Lohnarbeiter ausgebeutet werden, weil kein Kapitalist einen Lohnarbeiter anstellen würde, dessen Arbeit keinen Mehrwert für ihn abwirft. Die fundamentale Ungleichheit des Kapitalismus besteht nicht darin, dass ein Lohnarbeiter vom Kapitalisten besser bezahlt wird als ein anderer, sondern darin, dass es überhaupt Kapitalisten gibt, die Loharbeiter für sich arbeiten lassen. Dein flinker, schneller Spieler könnte ja mal ganz keck fragen, warum du überhaupt die Löhne festlegen darfst und nicht die ganze Mannschaft gemeinsam über die Verwendung der erwirtschafteten Einnahmen entscheiden sollte. Der Grund dafür ist, dass du damit seine Arbeitskraft kaufst - und das geht nur, weil du Kapital hast und er nicht. In einer Gesellschaft, in der die Produktionsmittel Gemeineigentum sind, ergibt sich dein Szenario gar nicht.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 20. Nov 2017, 06:42
Kapitalismus» ist ein umstrittener Begriff. Viele Wissenschaftler vermeiden ihn. Er erscheint ihnen als zu polemisch erläutert Kocka. Andere nutzen ihn nicht, weil er zu den ideologisch aufgeladenen Schlagworten gehört. Nach Ansicht von Kocka war der Kalte Krieg auch ein Krieg über Schlüsselbegriffe.

Dennoch: Sogar die Frage, ob der Begriff tatsächlich umstritten ist, ist umstritten, denn andere Autoren meinen (mit dem entsprechenden Zungenschlag), der Begriff sei mittlerweile allseits "akzeptiert": der Begriff des Kapitalismus ist offenbar zu einem allseits akzeptierten Universalschlüssel geworden, der jede Erklärung ersetzt und keinen Streit mehr provoziert – schon gar nicht darüber, ob es diesen Kapitalismus überhaupt gibt.

Das war nicht immer so. Als der Kapitalismusbegriff nach dem Krieg seine erste populäre Konjunktur außerhalb der Fachliteratur erlebte, war er noch eindeutig ein Kampfbegriff, der von links artikuliert wurde. Vom Kapitalismus sprach nur, wer ihn abschaffen wollte. Wer an der hergebrachten Wirtschaftsweise festhalten wollte, nannte sie nicht Kapitalismus.
(Jens Jessen)

Welche Färbung der Begriff hat, oder überhaupt eine hat, ist also seinerseits ziemlich "umstritten". 😊 Meine eigene Alltagserfahrung ist, dass der Begriff zwar kein Kampfbegriff mehr ist, niemand zuckt mehr zusammen, wenn man ihn nutzt, aber der Grundton enthält nach wie vor eher eine kritische Wertung. Das hängt allerdings ganz offensichtlich damit zusammen in welchen Sphären man sich bewegt: "Wann immer es etwas zu fürchten gibt, die Arbeitslosigkeit, die Klimakatastrophe – der Kapitalismus ist schuld. Wann immer es etwas zu hoffen gibt, das Ende der Arbeitslosigkeit, eine umweltfreundliche Technologie – dem Kapitalismus wird es zu verdanken sein." (Jens Jessen)
Eines dieser beiden Zitate stellt ökonomische Zusammenhänge dar. Ob es sie richtig darstellt, wäre zu diskutieren, aber es stellt sie dar. Das andere Zitat versucht dies hingegen gar nicht erst.

Über das Wort "Kapitalismus" lässt man sich genau dann aus, wenn man sich an einer Diskussion zum Thema Kapitalismus beteiligen will, ohne von Ökonomie auch nur einen Hauch von Ahnung zu haben.



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Jörn Budesheim
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Kontaktdaten:

Mo 20. Nov 2017, 19:25

Tut mir leid, dass ich mich für andere Dinge interessiere als du.




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