Ich habe mir die Arbeit über Tönnies gerade mal angeschaut, Groot.
Tönnies ist ja heute immer noch eine Pflichtlektüre für Soziologiestudenten,
Gemeinschaft und Gesellschaft ein Klassiker. Erst vor wenigen Jahren wurden bis dahin verschollene Teile seines Spätwerks
Geist der Neuzeit entdeckt; der erste Teil erschien 1935. Tönnies geht der Frage nach der "gegenseitigen Bejahung" der Menschen nach, in bewußtem Gegensatz zu Hobbes Krieg aller gegen alle, den Hobbes ja als Naturzustand des Menschen ansah. Man sieht auch bei Tönnies die Schwierigkeit, soziologisch zu erfassen, was Menschen miteinander verbindet. Exemplarisch diese von Dir zitierte Stelle:
"Gesellschaft also, durch Convention und Naturrecht einiges Aggregat[;] wird begriffen als eine Menge von natürlichen und künstlichen Individuen, deren Willen und Gebiete in zahlreichen Beziehungen zu einander und in zahlreichen Verbindungen mit einander stehen, und doch von einander unabhängig und ohne gegenseitige innere Einwirkung bleiben. Und hier ergibt sich die allgemeine Beschreibung der 'bürgerlichen Gesellschaft' oder 'Tauschgesellschaft', deren Natur und Bewegungen die politische Oekonomie zu erkennen beflissen ist: eines Zustandes, worin nach dem Ausdrucke Adam Smith >Jedermann ein Kaufmann ist<“ (S. 60, §25)" (Ferdinand Tönnies;
Gemeinschaft und Gesellschaft)
"Zahlreiche Beziehungen" ... "Zahlreiche Verbindungen" ... und entscheidend: "ohne gegenseitige innere Einwirkung" ... Wie die "Menge von natürlichen und künstlichen Individuen" dann buchstäblich ins Geschäft kommt läuft über den Tausch und die "Natur" der Tauschgesellschaft. Deren Vorläufer einer "rituellen Ökonomie" und Weiterentwicklung unter den Bedingungen des frühneuzeitlichen Liberalismus und seinen historischen Transformationen gehst Du dann ja nach unter Einbeziehung von Mauss, Foucault und anderen. Tönnies konstruiert die "Gemeinschaft" als "Verbindung des 'Blutes'" als zunächst "ein Verhältnis der Leiber" und zudem als "gemeinsame Beziehung auf Gegenstände", also die intersubjektiv abgesicherte Beziehung auf das, was die bürgerliche Tauschgesellschaft ausmacht: Gegenstände, die "gemeinsam besessen und genossen" werden, eben ausgetauscht werden können.
Aufgefallen ist mir die Verquickung, die Du ansprichst, von Naturrecht und Marktordnung:
"Der Staat und die Individuen sind in jenem von Anbeginn eingebunden in die Ordnung des Marktes, welcher seine Ursprünge mit der Naturrechtsordnung der Neuzeit entstehen sieht." (Groot)
Hier wären vielleicht die Arbeiten von Leo Strauss (
Naturrecht und Geschichte) erwähnenswert, der sich für das Naturrecht einsetzt und den Liberalismus - insbesondere den amerikanischen Neoliberalismus - kritisiert. Strauss beschäftigt sich eigentlich, ähnlich wie Tönnies, mit den Bedingungen, unter denen die Neuzeit entsteht.
Alles in allem: Daumen hoch für Deine Hausarbeit.
(wie immer)