Vertrauen

Ursprünglich in der praktischen Philosophie beheimatet sind Theorien der Gesellschaft heute weitgehend von der Soziologie aufgegriffen worden.
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infinitum
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Sa 17. Apr 2021, 12:25

AndreaH hat geschrieben :
Fr 16. Apr 2021, 03:22
Ich denke, Vertrauen gehört zu einen der schönsten Gefühle die wir leben können. Mit Vertrauen verbinde ich Aufrichtigkeit, Geborgenheit,  Sicherheit (denn dort wo ich mein Vertrauen hingebe, verlasse ich mich darauf, dass es gut aufgehoben ist), aber auch Mut mich auf etwas einzulassen;
Wenn Vertrauen gebrochen wird, ist es sehr verletzend.
Das zeigt vielleicht auch, warum Misstrauen und Vertrauen so eng zusammen liegen. Es ist vielleicht diese Verletzlichkeit die beim Vertrauen ganz offen liegt. Beim Misstrauen aber unberührt bleibt. Ist es die Verletzbarkeit die uns manchmal dazu bewegt, eher zu Misstrauen als zu Vertrauen?
Verlieren wir aber mit dem Misstrauen nicht auch sehr viel?
Ich denke, es ist ein großer Unterschied ob ich jemanden mit einer inneren Haltung des Misstrauens oder des Vertrauens gegenübertrete. Das innere Gefühl von mir selbst wäre jeweils ganz anders. Aber nicht nur das! Wenn ich jemanden mit Misstrauen begegne, ist dies für denjenigen sehr verletzend. Wir verlieren also sehr viel wenn wir Misstrauen. Leider zeigt uns unser Umfeld aber auch oft das Vertrauen missbraucht und gebrochen wird.

Ich habe daher nachgedacht, was für mich stimmig wäre von dieser Skepsis wegzukommen, die ich grundsätzlich so wichtig empfinde (die mir aber irgendwie zu sehr ins Misstrauen rutscht)

Wenn ich als Kind auf einer Mauer stand, forderten meine Eltern mich immer auf in ihre Arme zu hüpfen.
Das war sehr schön, denn ich konnte darauf vertrauen das ich aufgefangen wurde.
Ein Gefühl von Ehrlichkeit, Sicherheit und Verantwortung kam von meinen Eltern.
Sie haben also auch die Verantwortung für mich getragen. Ich gab diese Verantwortung ab.

Wenn ich zum Arzt gehe, vertraue ich meinem Arzt. Ich gebe ihm die Verantwortung für meine Wehwehchen, damit er mit seiner Fachkompetenz die richtigen Entscheidungen für mich trifft.

Vertrauen denke ich, ist immer auch zum Teil damit verbunden, Verantwortung abzugeben.
Ich kann aber in den meisten Situationen in denen ich Vertraue auch meine Eigenverantwortung behalten und muss sie nicht gänzlich abgeben. Wenn ich Verantwortung für mich selbst übernehme, bin ich ja wachsam zum Schutz für mich selbst. Das heißt, ich nehme einfach nur wahr, wenn mir etwas auffällt, was nicht stimmig passt.
Bei Misstrauen oder Skepsis würde ich nach Unstimmigkeiten direkt suchen.

Daher gefällt mir der Gedanke jetzt besser,
ein offenes Vertrauen, verbunden mit Eigenverantwortung.
ich finde, das ist eine gute Antwort, die ich auch so unterschreiben würde.

Auch wenn ich mich in einen Bus setze, gebe ich dem Busfahrer das Vertrauen über mein Leben für eine gewisse Zeitspanne. Es sind ganz kleine Dinge im Alltag, in denen man sich oft gar nicht bewusst ist, dass man Vertrauen hat, auch wenn man gerne Skeptiker sein möchte oder auch misstrauisch ist. Ein gutes Beispiel finde ich auch das mit dem Stadtbummel-wenn ich kein Vertrauen zu den anderen Menschen habe, dass sie sich regelkonform verhalten, dann würde ich diesen nicht machen, denn die anderen könnten gewalttätig werden etc.
Ja, in einer Gesellschaft muss man schon ein Vertrauen haben können und es gibt aber auch einige Anhaltspunkte, dass man dies haben kann. Ausnahmen sind hier natürlich immer auch dabei, aber im Großen und Ganzen haben auch misstrauische Menschen Vertrauen, auch wenn sie es nicht merken.

Natürlich ist ein gesundes Verhältnis zwischen Skepsis und Vertrauen gut und angebracht, blindes Vertrauen führt dazu, dass man in Schwierigkeiten gerät, zuviel Skepsis führt dazu, dass man sich selbst von allem ausschliesst.

Bezüglich der Gegenüberstellung Skepsis /Misstrauen würde ich meinen, auch wenn ich jetzt nicht direkt angesprochen bin:
Skepsis wäre für mich ein gesundes Hinterfagen einer Gegebenheit, Misstrauen ein dem Aberglauben-ähneldem Zustand, bei dem man allem blind nicht-vertraut, ohne zu hinterfragen.



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Burkart
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Sa 17. Apr 2021, 13:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 11:26
Burkart hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 09:22
Mein einer Punkt dazu war halt der mögliche Missbrauch.
Aber wofür ist der Punkt ein Punkt? Das verstehe ich nicht. Vertrauen kann ungerechtfertigt sein. Vertrauen kann missbraucht werden. Dafür brauchst du keine weiteren Beispiele sammeln. Das ist geschenkt. Was ich gerne wissen möchte ist, wofür oder wogegen du damit argumentieren willst. Was willst du damit zeigen?
Ok, vieles hatte ich schon zwischen den Zeilen gesagt, aber ich führe hier gerne explizit Punkte auf.
Damit du weißt, worum es mir geht - ein oder zwei Beispiele: es könnte ja sein, dass du sagen willst, dass das gegenseitige Vertrauen erodiert, so dass der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht mehr gegeben ist.
"Nicht mehr gegeben" ist natürlich zu viel; dass es erodiert, scheint allerdings passend. Zum einen, weil Menschen z.T. egoistischer zu werden scheinen, ob nun wirtschaftlich getrieben (Geld und Macht im Vordergrund) oder auch durch mehr mehr (z.T. zu viel!?) Informationen im Web, die sich dann z.T. widersprechen, zu einseitig sind, ge- oder verfälscht sein können usw.
Oder es könnte sein, dass du sagen willst, das Vertrauen überhaupt nicht die besondere gesellschaftliche Rolle spielt, die ich ihr zugewiesen habe.
Sicherlich spielt Vertrauen eine Rolle, sonst hätte ich ja nicht so viel Misstrauens-Beispiele gebracht, wenn es egal (mir) wäre.

Aktuell haben wir mit Vertrauen ein Problem, weil es bei Corona nicht gut aussieht, ob nun die Maskenaffären, die Unternehmen, die die Impfungen nicht fair verteilen, die Politiker, die mal hüh und mal hot sagen oder wenn schon hüh, dann aber nichts daraus resultiert an sinnvoller Aktion...

Unsere Parteienlandschaft zeigt, dass sich Vertrauen über Jahrzehnte auch gewandelt bzw. verschlechtert hat. Aus drei Parteien (CDU (samt CSU), SPD und FDP) sind nun ein paar mehr geworden mit den Grünen, Linken und AfD (um nur die größeren aufzuzeigen auf Bundesebene, wobei ich bedauere, dass die Piraten wieder praktisch verschwunden sind). Da zeigt, dass das Vertrauen in die Altparteien nicht mehr so vorhanden ist - was es schwieriger macht, Koalitionen zu bilden und so womöglich zu einer echten demokratischen Krise führen kann (wann man z.B. nach Israel schaut, dass sie dort seit Jahren nie gut regieren können; von Pseudodemokratien wie Russland und der Türkei mal ganz zu schweigen).

Vertrauen in Arbeitgeber gab es früher auch viel mehr; heutzutage kann man sich glücklich schätzen, wenn man sein Leben lang in einer Firma sein kann.

Vertrauen in die Rente... no comment...

Vertrauen, dass es immer Zinsen auf Geld gibt - war einmal...
Dies zeigt, dass wieder einmal der kleine Mann nicht mehr Vertrauen kann, sondern die Großen im Schnitt den Reihbach machen.
-> Vertrauen in unser System schwindet, damit auch z.T. in die Demokratie.

Auch ein Vertrauen in familiäre Systeme gibt es weniger als früher; Verantwortung füreinander ist z.T. leider auch weniger geworden.

Insgesamt:
Vertrauen ist in der Theorie wäre gut und schön, scheint aber immer weniger zu werden. Oder wo siehst du vielleicht (größere) Gegenbeispiele?



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Sa 17. Apr 2021, 13:25

transfinitum hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 12:25
Bezüglich der Gegenüberstellung Skepsis /Misstrauen würde ich meinen, auch wenn ich jetzt nicht direkt angesprochen bin:
Na, dann antworte ich doch gleich hierauf :)
Skepsis wäre für mich ein gesundes Hinterfagen einer Gegebenheit, Misstrauen ein dem Aberglauben-ähneldem Zustand, bei dem man allem blind nicht-vertraut, ohne zu hinterfragen.
Für mich ist es letztlich vor allem eine Frage der (eigenen?) Wort-Definitionen.

Wenn ich skeptisch (=Zweifel habe) bin, misstraue ich dann nicht einer Situation? Oder sagt man das so nicht, ist Misstrauen nur auf Menschen bezogen?
Und wenn ich misstraue, bin ich natürlich auch skeptisch.

"Skepsis als Hinterfagen einer Gegebenheit":
Das sehe ich auch so; ob diese nur gesund sein kann, Definitionssache für mich, kann man aber so sehen.

"Misstrauen als dem Aberglauben-ähneldem Zustand, bei dem man allem blind nicht-vertraut, ohne zu hinterfragen.":
Dies sehe ich anders.
Aberglaube kann, muss aber keine Rolle spielen.
Ich kann jemandem auch aus Erfahrung heraus misstrauen. Deshalb passt für mich auch "blind" hier nicht oder auch "ohne zu hinterfragen".



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Jörn Budesheim
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Sa 17. Apr 2021, 13:34

transfinitum hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 12:25
Bezüglich der Gegenüberstellung Skepsis /Misstrauen würde ich meinen, auch wenn ich jetzt nicht direkt angesprochen bin:
Skepsis wäre für mich ein gesundes Hinterfagen einer Gegebenheit, Misstrauen ein dem Aberglauben-ähneldem Zustand, bei dem man allem blind nicht-vertraut, ohne zu hinterfragen.
Das würde ich zunächst einmal unterschreiben. Ein gesundes Hinterfragen wäre dann vielleicht eines, das in irgendeiner Form begründet ist, oder? Während Misstrauen eher schon eine generelle negative Haltung ist, die ablehnend ist, ob mit oder ohne Grund.

Ich stelle mir das Ganze netzartig vor, das heißt die gesellschaftlichen Dinge hängen oft miteinander in irgendeiner Form zusammen. Ein ganz vereinfacht dargestelltes Beispiel: Weil ich der Überzeugung bin, dass wir in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat leben, denke ich, dass unsere Presse frei ist. Die sogenannten Mainstream-Medien sind daher für mich auch die vertrauenswürdigsten. Ähnlich denke ich, dass unsere Ausbildungssysteme einigermaßen ok sind, von daher bekommt ein Arzt von mir zunächst einmal einen Vertrauensvorschuss. In gewissen Teilen muss dieses Vertrauen zwangsläufig blind sein, weil ich einfach kein Mediziner bin. Daraus folgt natürlich nicht, dass ich jede Form von gesunder Skepsis in den Wind schlage. Wenn ich z.b. das Gefühl habe, dass ein Arzt eine OP empfiehlt, weil er daran gut verdient, steht mir ja der Weg zu einer anderen Meinung noch offen.

Ich schätze, ein grundlegendes Vertrauen in alle möglichen Bereiche muss oft auch mit Formen von Skepsis und kritischer Nachfrage gewürzt werden. Ebenso wie Vertrauen in die Gesellschaft ein grundlegender Aspekt ist, ist es natürlich auch der kritisch hinterfragende Bürger. Aber ein kritischer Bürger ist nicht dasselbe wie ein misstrauischer.




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Sa 17. Apr 2021, 14:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 13:34
Aber ein kritischer Bürger ist nicht dasselbe wie ein misstrauischer.
Das sehe ich auch so, genauer aus meiner Sicht:
Ein misstrauischer ist jemand mit (zu vielen) schlechten Erfahrungen, die sein Vertrauen (zu sehr) erschüttert haben.

Wenn man so will, mag Kritik(fähigkeit) und Skepsis rational sein, Misstrauen dagegen emotional. Das ist aber kein Widerspruch, bedingt sich leicht gegenseitig.



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Sa 17. Apr 2021, 15:19

transfinitum hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 12:25
Bezüglich der Gegenüberstellung Skepsis /Misstrauen würde ich meinen, auch wenn ich jetzt nicht direkt angesprochen bin:
Skepsis wäre für mich ein gesundes Hinterfagen einer Gegebenheit, Misstrauen ein dem Aberglauben-ähneldem Zustand, bei dem man allem blind nicht-vertraut, ohne zu hinterfragen.
Das Verhältnis zwischen Skepsis und Misstrauen ist mir noch nicht klar geworden. Mir scheint, dass in jeder Skepsis auch eine Art von Vorsicht mitschwingt. Auch Vorsicht ist eine Form von Misstrauen, oder? Aber der Skeptiker glaubt bei aller Zurückhaltung bezüglich der Erkennbarkeit von Wahrheit, dass sie gut ist, wo der Misstrauische eher ein Vertrauen darin hat, dass die Wahrheit ihm nichts Gutes will. Misstrauen in diesem Sinn bliebe in einem pessimistischen Modus, wo doch die Skepsis sich aufhellt im Lichte der guten Wahrheit.

Aber, wie gesagt, das ist alles noch unausgegoren und mir fehlen schlicht noch die richtigen Begriffe, um dieses Verhältnisse zu beleuchten.



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AndreaH
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Sa 17. Apr 2021, 15:55

Burkart hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 09:32


Ist das nicht nur eine Wortspielerei, damit man sich besser fühlen kann? Oder wo soll Eigenverantwortung herkommen, wenn nicht aus einem kritischen Blick heraus, ob man ihn nun Skepsis oder Misstrauen oder sonstwie nennt!? Oder inwiefern siehst du es ggf. anders?
Ich muss eingestehen, es stimmt was Burkart hier anspricht, vielleicht ist es eine Wortspielerei von mir gewesen! Denn eigentlich fällt ja diese Eigenverantwortung die ich mir so schön rund gedacht habe auch in den Bereich Skepsis und Misstrauen. Vielleicht sollte man Vertrauen wirklich voll und ganz als Vertrauen in seiner Ganzheit lassen, ohne irgendwelche Einschränkungen.
Denn wenn ich z.B. erblinde brauche ich eine Person der ich voll und ganz vertrauen kann. Da kann ich überhaupt keine Kompromisse eingehen. Entweder ich vertraue dieser Person dann die mich führt, oder nicht.
Ich denke, so ist es auch in anderen Bereichen. Es kommt immer darauf an, wie weit oder wie viel vertraue ich jemanden und in welcher Situation.
Dies braucht Zeit damit Vertrauen wachsen kann.
Denn unsere Erfahrungen haben gezeigt das man nicht immer Vertrauen kann, aber genauso haben Erfahrungen auch gezeigt das man ebenso Vertrauen kann.




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Jörn Budesheim
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Sa 17. Apr 2021, 15:57

Burkart hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 14:47
Ein misstrauischer ist jemand mit (zu vielen) schlechten Erfahrungen, die sein Vertrauen (zu sehr) erschüttert haben
So jemanden würde ich vielleicht vorsichtig nennen. Misstrauen ist für mich eine negative Eigenschaft. Misstrauisch kann auch jemand sein, der überhaupt keine schlechte Erfahrungen gemacht hat und nicht den geringsten Grund zum Misstrauen hat. Z.b. sind viele Menschen misstrauisch gegenüber Fremden, obwohl sie nicht den geringsten Grund dazu haben.




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AndreaH hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 15:55
Vielleicht sollte man Vertrauen wirklich voll und ganz als Vertrauen in seiner Ganzheit lassen, ohne irgendwelche Einschränkungen.
Ich finde den Ansatz, Verantwortung und Vertrauen in Verbindung zu denken, interessant und gelungen. Das sollten wir noch vertiefen.

Grundsätzlich denke ich, dass Verantwortung nicht teilbar ist, aber nicht etwa so, dass ich sie entweder mir auferlege in Form einer Eigenverantwortung oder dann aber auf die Anderen übertrage. Verantwortung ist unteilbar, weil wir sie uneingeschränkt haben sowohl für uns selbst als auch für die Anderen. Es gibt keinen Konflikt zwischen Eigenverantwortung und Verantwortung für andere, ausser man konstruiere ihn vor dem Hintergrund eines irrigen Ichbegriffs, der das Ich nicht als Teil der Anderen erfasst.

Wenn ich dem Blinden über die Strasse helfe, so helfe ich auch mir, denn es ist doch unweigerlich so, dass ich etwas Falsches täte, wenn ich ihm nicht hälfe. Wir tragen Verantwortung füreinander, weshalb jede*r gefordert ist, sowohl sich selbst als auch anderen aus eigener Kraft zu helfen. Verantwortung ist die unteilbare Pflicht, das Richtige zu tun (was immer dieses sei).



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So 18. Apr 2021, 10:07

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 15:57
Burkart hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 14:47
Ein misstrauischer ist jemand mit (zu vielen) schlechten Erfahrungen, die sein Vertrauen (zu sehr) erschüttert haben
So jemanden würde ich vielleicht vorsichtig nennen. Misstrauen ist für mich eine negative Eigenschaft.
So verstehen oder vielleicht besser empfinden wir das Wort halt unterschiedlich.
Misstrauisch kann auch jemand sein, der überhaupt keine schlechte Erfahrungen gemacht hat und nicht den geringsten Grund zum Misstrauen hat.
Kann schon, muss aber eben nicht. Misstrauen muss ja irgendwo herkommen (angeboren ist es nicht); es kann berechtigt sein oder eben auch nicht.
Z.b. sind viele Menschen misstrauisch gegenüber Fremden, obwohl sie nicht den geringsten Grund dazu haben.
Auch hier kann es aber berechtigste Gründe geben, die auf eigenen Erfahrungen beruhen.



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So 18. Apr 2021, 10:16

Burkart hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 10:07
Z.b. sind viele Menschen misstrauisch gegenüber Fremden, obwohl sie nicht den geringsten Grund dazu haben.
Auch hier kann es aber berechtigste Gründe geben, die auf eigenen Erfahrungen beruhen.
Das scheint mir einfach logisch ausgeschlossen zu sein.




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So 18. Apr 2021, 11:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 10:16
Burkart hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 10:07
Z.b. sind viele Menschen misstrauisch gegenüber Fremden, obwohl sie nicht den geringsten Grund dazu haben.
Auch hier kann es aber berechtigste Gründe geben, die auf eigenen Erfahrungen beruhen.
Das scheint mir einfach logisch ausgeschlossen zu sein.
Warum? Auf welchen logischen Schluss beziehst du dich?



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So 18. Apr 2021, 11:50

Burkart hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 11:32
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 10:16
Burkart hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 10:07

Auch hier kann es aber berechtigste Gründe geben, die auf eigenen Erfahrungen beruhen.
Das scheint mir einfach logisch ausgeschlossen zu sein.
Warum? Auf welchen logischen Schluss beziehst du dich?
Wenn man Erfahrungen mit etwas macht, ist es nicht das Fremde. Überhaupt schliessen sich Erfahrung (im Sinne einer Empirie) und Misstrauen aus. Misstrauen schliesst die Erfahrung von Wirklichkeit aus.
Das Fremde ist Wirklichkeit, aber eben die nicht erfahrene.
Zuletzt geändert von Alethos am So 18. Apr 2021, 11:52, insgesamt 1-mal geändert.



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Burkart hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 11:32
Warum?
Wenn jemand keine Gründe hat, kann er nicht zugleich doch Gründe haben.




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Alethos hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 15:19
transfinitum hat geschrieben :
Sa 17. Apr 2021, 12:25
Bezüglich der Gegenüberstellung Skepsis /Misstrauen würde ich meinen, auch wenn ich jetzt nicht direkt angesprochen bin:
Skepsis wäre für mich ein gesundes Hinterfagen einer Gegebenheit, Misstrauen ein dem Aberglauben-ähneldem Zustand, bei dem man allem blind nicht-vertraut, ohne zu hinterfragen.
Das Verhältnis zwischen Skepsis und Misstrauen ist mir noch nicht klar geworden. Mir scheint, dass in jeder Skepsis auch eine Art von Vorsicht mitschwingt. Auch Vorsicht ist eine Form von Misstrauen, oder? Aber der Skeptiker glaubt bei aller Zurückhaltung bezüglich der Erkennbarkeit von Wahrheit, dass sie gut ist, wo der Misstrauische eher ein Vertrauen darin hat, dass die Wahrheit ihm nichts Gutes will. Misstrauen in diesem Sinn bliebe in einem pessimistischen Modus, wo doch die Skepsis sich aufhellt im Lichte der guten Wahrheit.

Aber, wie gesagt, das ist alles noch unausgegoren und mir fehlen schlicht noch die richtigen Begriffe, um dieses Verhältnisse zu beleuchten.
ja, mir geht es ähnlich. Die richtigen Begriffe habe ich auch noch nicht, aber so eine vage Vermutung. Vorsicht würde ich auf einer anderen Ebene sehen, auf der Ebene des Handelnden- also das aus der misstrauischen Geisteshaltung resultierende Verhalten. Daher kann man eventuell schon bei den Begriffen Misstrauen und Skepsis bleiben.
Skepsis ist dann eher sowas wie rationale Ansicht einer Gegebenheit und ein ausgeglichenes Abwiegen der positiven und negativen Anteile dieser. Beim Misstrauen fehlt dann dieser rationale Anteil, m.E.
Burkart hat geschrieben : Auch hier kann es aber berechtigste Gründe geben, die auf eigenen Erfahrungen beruhen.
ja, stimme ich dir zu. Den Aspekt hatte ich nicht erwähnt. Erlerntes Misstrauen kann ebenfalls auf Erfahrungen beruhen, aber dies grenzt sich eigentlich vom natürlichen Misstrauen ab, auf welches ich eigentlich hinaus wollte. Dieses natürliche Misstrauen ist dann präsent, wenn keine Gründe dafür vorliegen und selbst dann wenn es Gründe dagegen gibt. Also im Prinzip kommt es dem Aberglauben schon nahe.



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Stellen wir uns um des Argumentes Willen vor, wir hätten es mit einer Gesellschaft zu tun, die ideal wäre oder doch zumindest dicht daran. In einer solchen Gesellschaft gäbe es keine misstrauischen Bürger, aber notwendigerweise kritische.




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So 18. Apr 2021, 12:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 12:18
Stellen wir uns um des Argumentes Willen vor, wir hätten es mit einer Gesellschaft zu tun, die ideal wäre oder doch zumindest dicht daran. In einer solchen Gesellschaft gäbe es keine misstrauischen Bürger, aber notwendigerweise kritische.
das ist ein gutes Szenario, welches mich direkt an einen Film erinnert, in dem dies genau so gezeigt wird: Die Zeitmaschine (1960), hier reist der Hauptdarsteller in die Zukunft mit einer selbst gebastelten Zeitmaschine und findet dort eine Zivilisation, die in völliger Harmonie und Wissensarmut lebt.
hier ein Wiki-Zitat:
Als er eine einladende Umwelt erkennt, bremst er und hält schließlich am 12. Oktober 802.701, wo er beim Aussteigen aus seiner Maschine eine paradiesisch anmutende Landschaft vorfindet. Eine Gruppe Menschen sitzt am Flussufer und isst Früchte. Als ein Mädchen im Fluss zu ertrinken droht und niemand eingreift, rettet George es. Es stellt sich daraufhin als Weena vor. Anschließend versucht George, mit den apathisch reagierenden Bewohnern des Gartens, den Eloi, ins Gespräch zu kommen. Einer der jungen Leute führt George schließlich in eine Bibliothek, wo George allerdings zu seiner Bestürzung feststellen muss, dass die Bücher zu Staub zerfallen sind und sämtliches Wissen der Menschheit verloren gegangen ist.
worauf ich hinaus will: durch das fehlende Misstrauen und auch andere menschliche Charakterzüge zeigt sich die Auswirkung in diesem Beispiel, dass der Frau nicht geholfen wird, als sie ins Wasser fällt, da niemand das Gefühl von Angst oder ähnlichem kennt. Es ist ihnen schlicht fremd und alles erscheint harmonisch.
Ein ziemlich seltsames Szenario.



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Alethos hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 11:50
Burkart hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 11:32
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 10:16


Das scheint mir einfach logisch ausgeschlossen zu sein.
Warum? Auf welchen logischen Schluss beziehst du dich?
Wenn man Erfahrungen mit etwas macht, ist es nicht das Fremde.
Das ist mir viel zu schwarz-weiß gedacht.
Wenn ich einen fremden Menschen treffe, der äußerliche Merkmale hat, die auf meinen Erfahrungen beruhen, sind die Merkmale nicht fremd, nur der Mensch.
Natürlich zählt zu den Merkmale nicht z.B. seine Nasenform, schon aber, wenn er ein Smartphone in der Hand hat und da in der Bahn reinzuquatschen droht...
Hier bin ich automatisch misstrauisch, dass er gleich längere Zeit quatschen wird, so dass ich mich lieber gleich weiter entfernt hinsetze (soweit das möglich ist).
Überhaupt schliessen sich Erfahrung (im Sinne einer Empirie) und Misstrauen aus. Misstrauen schliesst die Erfahrung von Wirklichkeit aus.
Das Fremde ist Wirklichkeit, aber eben die nicht erfahrene.
Wo meinst du kommt Misstrauen her, wenn nicht aus Erfahrung? Oder meinst du, dass es angeboren ist?



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So 18. Apr 2021, 12:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 11:52
Burkart hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 11:32
Warum?
Wenn jemand keine Gründe hat, kann er nicht zugleich doch Gründe haben.
Dann habe ich "Grund" anders als du interpretiert, nämlich der Grund als etwas auf klar Erkennbarem oder gar Bewiesenem basierend im Gegensatz zu weniger klar Erkennbarem oder eher erstmal Vermutetem.



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So 18. Apr 2021, 12:37

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 18. Apr 2021, 12:18
Stellen wir uns um des Argumentes Willen vor, wir hätten es mit einer Gesellschaft zu tun, die ideal wäre oder doch zumindest dicht daran. In einer solchen Gesellschaft gäbe es keine misstrauischen Bürger, aber notwendigerweise kritische.
Wenn die Gesellschaft (fast) ideal wäre, warum sollte man dann noch kritisch sein müssen? Oder ist sie doch nicht so ideal?

Und anders herum: Wenn man kritisch ist, lernt man, dass nicht alles perfekt ist und genauer betrachtet werden sollte. Das wiederum kann zu einem allgemeineren Gefühl von individuellem Misstrauen führen.



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