Rechte/Pflichten

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn Budesheim
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Sa 26. Nov 2022, 14:01

Was sind eigentlich unsere unveräußerlichen Menschenpflichten?




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Lucian Wing
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Sa 26. Nov 2022, 22:28




Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Timberlake
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So 27. Nov 2022, 00:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 14:01
Was sind eigentlich unsere unveräußerlichen Menschenpflichten?
  • Die Pflicht des Menschen gegen sich selbst, als einem animalischen Wesen
    Die, wenn gleich nicht vornehmste, doch erste Pflicht des Menschen gegen sich selbst, in der Qualität seiner Tierheit, ist die Selbsterhaltung in seiner animalischen Natur.

    Die Pflicht des Menschen gegen sich selbst, bloß als einem moralischen Wesen
    Sie ist den Lastern: Lüge, Geiz und falsche Demut (Kriecherei) entgegen gesetzt

    Immanuel Kant .. Die Metaphysik der Sitten

Wenn man Kant glauben schenken darf , die Pflicht gegen sich selbst, als einem animalischen , wie auch als moralischen Wesen
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 22:28
Vielleicht das hier?

https://www.interactioncouncil.org/site ... %20ltr.pdf
.. darin findet sich übrigens zu der Pflicht des Menschen gegen sich selbst, als einem animalischen Wesen nichts. Möglicherweise habe ich das ja auch nur auf Grund der unzähligen Pflichten gegen sich selbst, bloß als moralischen Wesen überlesen ;)




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Jörn Budesheim
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So 27. Nov 2022, 07:15

Wer kein PDF herunterladen möchte, findet die Menschenpflichten auch hier: https://www.menschenpflichten.info/kopie-home




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Jörn Budesheim
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So 27. Nov 2022, 07:45

Woraus ergibt sich nach Ansicht des InterAction Council die Notwendigkeit von Menschenpflichten? Unter anderem daraus:

"... da das exklusive Bestehen auf Rechten Konflikt, Spaltung und endlosen Streit zur Folge hat und die Vernachlässigung der Menschenpflichten zu Gesetzlosigkeit und Chaos führen kann ..."




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Lucian Wing
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So 27. Nov 2022, 16:26

Der Weg in die Moderne:

1. Abwehrrechte --> Freiheitsgewinn (Rechte GEGEN staatliche Institutionen)
2. Anspruchsrechte --> Gerechtigkeits/Gleichheitsgewinn --> Freiheitseinschränkung (Rechte GEGENÜBER staatlichen Institutionen)
3. Menschenpflichten --> Freiheitsverlust (Pflichten GEGENÜBER Institutionen, da nur von diesen durchsetzbar)

Ein solcher Katalog an Menschenpflichten voller schwammiger Leerformeln liefert das Individuum völlig dem Staat aus und gibt diesem, als der Institution, die für die Durchsetzung zuständig und berechtigt ist, vollkommene Macht über den Einzelnen. Der Staat (und die Gerichte) definieren hier bis in die letzten Anstandsregeln zwischenmenschlicher Beziehungen alles, was Menschen eigentlich unterhalb der staatlichen Ebene im Zusammenleben selbst regeln. Der Unterschied zwischen Rechtsnormen, Moralnormen und Sittennormen ist insofern aufgehoben, als jedes Detail von Staats wegen regelbar ist.



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Stefanie
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So 27. Nov 2022, 17:02

Wieso führt der Gerechtigkeitsgewinn und der Gleicheitsgewinn zu einer Freiheitseinschränkung?



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Lucian Wing
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So 27. Nov 2022, 17:08

Das Problem ist ja wie bei den Menschenrechten die Herleitung. Dort hat man, was von Bentham über MacIntyre bis zu Searle einigen Spott hervorrief, immer die natürlichen Rechte angeführt. Hier haben wir dann analog was: natürliche Pflichten?



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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Lucian Wing
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So 27. Nov 2022, 17:10

Stefanie hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 17:02
Wieso führt der Gerechtigkeitsgewinn und der Gleicheitsgewinn zu einer Freiheitseinschränkung?
Was ich auf der einen Seite an Freiheit gewinne, nehme ich auf der anderen bei der Gleichheit weg. Und umgekehrt ebenso.

Aber wie gesagt, was ich zeitgleich mit dir schrieb: woraus sind die Menschenpflichten abgeleitet? Aus der gleichen Quelle wie Menchenrechte aus natürlichem Recht?



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Stefanie
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So 27. Nov 2022, 17:21

Hast du mal ein Beispiel? Hierfür meine ich: Was ich auf der einen Seite an Freiheit gewinne, nehme ich auf der anderen bei der Gleichheit weg. Und umgekehrt ebenso

Bei lesen des Textes zu den Pflichten, war ein Gedanke, ob diese deutsche Übersetzung so das beschreibt, was die englische Fassung meint. Ich fand an einigen Stellen rumpelt es sprachlich. Z.B. einerseits du sollst nicht lügen, zwei Sätze weiter, niemand ist verpflichtet, die volle Wahrheit zu sagen.

Zweiter Gedanke, o.k, einiges ist schon, zumindest bei uns, mittlerweile in Gesetzen umgesetzt worden, bzw. war schon umgesetzt

Dritter Gedanke, die 10 Gebote lassen grüßen. Anders formuliert, die Religionen haben ganz schön Einfluss gehabt.



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Burkart
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So 27. Nov 2022, 17:33

Stefanie hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 17:21
Hast du mal ein Beispiel? Hierfür meine ich: Was ich auf der einen Seite an Freiheit gewinne, nehme ich auf der anderen bei der Gleichheit weg. Und umgekehrt ebenso
Das ist doch bei vielen Rechten so.
Trivial wäre das Recht auf Geld: Der eine verdient immer mehr (und damit Freiheit) und nimmt es Anderen weg (hinsichtlich Gleichheit).
Wenn einige Leute sich die Freiheit nehmen, andere irgendwie zu stören/behindern usw., nehmen diese Leute den anderen die Gleichheit weg (ob nun durch Festkleben z.B. auf Autobahn-Abfahrten (Gleichheit zu ungestörtem (Auto-)Verkehr), ob durch Krach z.B. im Nahverkehr (gleiches Recht auf Ruhe) usw.)



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Stefanie
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So 27. Nov 2022, 17:42

Echt jetzt?
Es gibt ein Recht auf Geld? und die Gleicheit wird eingeschränkt, wenn jemand eine Straße blockiert, auf der ich fahre?



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Burkart
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So 27. Nov 2022, 17:51

Stefanie hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 17:42
Echt jetzt?
Es gibt ein Recht auf Geld? und die Gleicheit wird eingeschränkt, wenn jemand eine Straße blockiert, auf der ich fahre?
Vielleicht habe ich es etwas drastisch dargestellt.
Das mit dem Recht auf Geld habe ich mehr im übertragenen Sinne gemeint, sieht man z.B. aber gut bei Ölkonzernen, die auf Kosten ihrer Kunden Gewinne machen wollen und so sich quasi mehr Freiheit verschaffen.
Beim Verkehr sollte doch jeder die gleiche Freiheit haben hinzukommen, wohin er will. Blockiert jemand die Straße, nimmt der Blockierer den anderen ihre Freiheit.



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Lucian Wing
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So 27. Nov 2022, 18:22

Stefanie hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 17:21
Hast du mal ein Beispiel? Hierfür meine ich: Was ich auf der einen Seite an Freiheit gewinne, nehme ich auf der anderen bei der Gleichheit weg. Und umgekehrt ebenso
Ich habe den Gedanken schon einmal vor längerer Zeit im Kaffeestübchen als Zitat eingestellt:

viewtopic.php?p=56213#p56213
Um Ungleichheit oder Elend nicht sehen zu müssen, bin ich bereit, meine Freiheit oder einen Teil von ihr zu opfern: vielleicht tue ich das aus freien Stücken und eigenem Antrieb, aber es ist doch die Freiheit, die ich um der Gerechtigkeit, der Gleichheit, der Nächstenliebe willen aufgebe. Ich würde mich zurecht schuldig fühlen, wenn ich in bestimmten Situationen nicht bereit wäre, dieses Opfer zu bringen. Aber ein Opfer ist dann noch nicht die Vermehrung dessen, was da geopfert wird, nämlich die Freiheit, und sei … das, was man zum Ausgleich gewinnt, noch so groß. Jedes Ding ist das, was es ist: Freiheit ist Freiheit und nicht Gleichheit oder Fairness oder Gerechtigkeit oder Kultur oder menschliches Glück oder gutes Gewissen. Wenn meine Freiheit oder die meiner Klasse oder meiner Nation auf der Not einer Anzahl anderer Menschen beruht, dann ist das System, dass diese Verhältnisse stabilisiert und Ihnen Vorschub leistet, ungerecht und unmoralisch. Aber wenn ich die eigene Freiheit beschneide oder aufgebe, um die Bestimmung, mit der mich diese Ungleichheit erfüllt, zu verringern, und hierdurch nicht eine greifbare Zunahme der individuellen Freiheit anderer erreiche, dann kommt es zu einem absoluten Verlust an Freiheit. Das mag durch einen Gewinn an Gerechtigkeit oder Glück oder Frieden ausgeglichen werden, aber der Verlust bleibt, und es wäre eine Verwirrung von Wertbegriffen, wenn ich sagen würde, dass zwar meine liberale individuelle Freiheit über Bord gehe, dafür aber eine andere Art von Freiheit wie soziale oder ökonomische Freiheit zunehme.
Stefanie hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 17:21
Dritter Gedanke, die 10 Gebote lassen grüßen. Anders formuliert, die Religionen haben ganz schön Einfluss gehabt.
Die zehn Gebote sind eine Moralnorm. Die werden zwischen den Menschen ausgehandelt, nicht von einer absoluten Institution wie dem Staat als Rechtsnorm festgelegt. Aus den als Moralnormen konstituierten zehn Geboten kann ich aussteigen, aus dem in Gesetzestext gegossenen unververäußerlichen Menschenpflichten nicht.

Aber wie gesagt: Mich interessiert, ob man sich hier wie bei Menschenrechten oder Menschenwürde auch auf Naturrecht zu stützen beabsichtigt. Oder woraus leitet man das ab?

Der Katalog der Menschenrechte ist seit der ersten Proklamation ständig erweitert worden, vor allem um Anspruchsrechte. Wie Liessmann (in Antwort auf Schirachs "Jeder Mensch" schrieb: Aus fundamentalen Abwehrrechten gegenüber staatlicher Gewalt und Willkür wurden ausufernde Anspruchsrechte, für deren Einlösung ein paternalistisch gedachter Staat verantwortlich gemacht werden soll. Aus dem Recht der Bürger, nach ihrem Glück zu streben, wurde längst die Pflicht des Staates, für dieses Glück zu sorgen. Dass in einer Demokratie die Bürger selbst diesen Staat ausmachen und deshalb solche Forderungen an sich selbst adressieren müssten, wird gerne vergessen. Und genau dieser paternalistische Staat wird, so meine ich, dann absolut, wenn er neben den Ansprüchen auch noch die Pflichten des Einzelnen gegen diesen durchsetzen muss. Was bleibt noch übrig an freier Gesellschaft, die Moral unter sich im alltäglichen Leben "aushandelt" (lassen wir mal einen Moment die Frage der Macht außer Acht)?
Stefanie hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 17:42
Echt jetzt?
Es gibt ein Recht auf Geld?
Das Eigentum, und dazu gehört auch das Geld, ist grundgesetzlich geschützt, oder siehst du das anders? Und hat nicht das höchste Gericht verboten, nur Sachleistungen zu gewähren bei Bedürftigkeit?



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Stefanie
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So 27. Nov 2022, 19:03

In dem Text steht ziemlich am Anfang der Verweis auf die goldenen Regel. Falls das überlesen wurde.

Meine Frage bezog sich auf die Aussage von Burkhard, der immer gerne die vermeintlichen Ungerechtigten bzgl. des Geldes benennt.
Der Geldschein in meiner Geldbörse ist nicht mein Eigentum, ich besitze diesen nur. Nur mal so am Rande.
Es gibt kein Recht darauf, dass alle 5000 Euro Brutto im Monat verdienen.
Die Entscheidung gegen die Sachleistungen beruhte nicht auf Art. 14 GG, sondern auf Art. 1 und auf dem Sozialstattprinzip.
Auch nur am Rande.
Um Ungleichheit oder Elend nicht sehen zu müssen, bin ich bereit, meine Freiheit oder einen Teil von ihr zu opfern: vielleicht tue ich das aus freien Stücken und eigenem Antrieb, aber es ist doch die Freiheit, die ich um der Gerechtigkeit, der Gleichheit, der Nächstenliebe willen aufgebe. Ich würde mich zurecht schuldig fühlen, wenn ich in bestimmten Situationen nicht bereit wäre, dieses Opfer zu bringen. Aber ein Opfer ist dann noch nicht die Vermehrung dessen, was da geopfert wird, nämlich die Freiheit, und sei … das, was man zum Ausgleich gewinnt, noch so groß. Jedes Ding ist das, was es ist: Freiheit ist Freiheit und nicht Gleichheit oder Fairness oder Gerechtigkeit oder Kultur oder menschliches Glück oder gutes Gewissen. Wenn meine Freiheit oder die meiner Klasse oder meiner Nation auf der Not einer Anzahl anderer Menschen beruht, dann ist das System, dass diese Verhältnisse stabilisiert und Ihnen Vorschub leistet, ungerecht und unmoralisch. Aber wenn ich die eigene Freiheit beschneide oder aufgebe, um die Bestimmung, mit der mich diese Ungleichheit erfüllt, zu verringern, und hierdurch nicht eine greifbare Zunahme der individuellen Freiheit anderer erreiche, dann kommt es zu einem absoluten Verlust an Freiheit. Das mag durch einen Gewinn an Gerechtigkeit oder Glück oder Frieden ausgeglichen werden, aber der Verlust bleibt, und es wäre eine Verwirrung von Wertbegriffen, wenn ich sagen würde, dass zwar meine liberale individuelle Freiheit über Bord gehe, dafür aber eine andere Art von Freiheit wie soziale oder ökonomische Freiheit zunehme.
Ich hatte geahnt, dass dies gemeint ist. Vor allem der von mir fett markierte Satz. Und immer noch ist mir das nicht ganz klar, mir fehlt ein konkretes Beispiel, und nicht nur das Gendersternchen.
Wenn die individuelle Freiheit auf Kosten der individuellen Freiheit eines anderen geht, läuft doch was schief, oder etwa nicht?



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Jörn Budesheim
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So 27. Nov 2022, 19:37

Stefanie hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 17:21
Dritter Gedanke, die 10 Gebote lassen grüßen. Anders formuliert, die Religionen haben ganz schön Einfluss gehabt.
Woher weiß man denn, dass es nicht umgekehrt ist? Vielleicht haben ja die Umstände, dass wir Rechten und Pflichten als Menschen haben die Religionen beeinflusst?




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Lucian Wing
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So 27. Nov 2022, 19:39

Stefanie hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 19:03

Wenn die individuelle Freiheit auf Kosten der individuellen Freiheit eines anderen geht, läuft doch was schief, oder etwa nicht?
Ja, und? Dann wird ein Stück wovon genommen, um das zu vermeiden? Doch wohl (sinnvollerweise!) von der individuellen Freiheit! Aber das vermehrt doch an keinem Punkt die Freiheit, sondern schafft eben mehr Gleichheit oder Gerechtigkeit. Das muss doch nicht immer schlecht sein, aber trotzdem nimmt es Freiheit. Außer, man definiert Freiheit kollektiv, was ich falsch UND für gefährlich halte.

Thomas Buchheim macht in seinem Aufsatz über Charles Taylors Überlegungen zu Berlins negativer Freiheit bei aller Sympathie für Taylor trotz allem ein wichtiges Zugeständnis. Taylor sagt, dass die unterschiedlichen Auffassungen von negatien und positiven Konzepten der Freiheit auf unterschiedlichen Begriffsbestimmungen beruhen, wobei positive immer auf bestimmte innere Quellen rekurrieren, während negative Theorien solchen Vorstellungen skeptisch gegenüberstünden. Und Buchheim greift das auf:
Schon gar wenn man Freiheit unter politischen Aspekt betrachtet, scheint es gelinde gesagt unangemessen, politische Maßgaben darüber spezifizieren zu wollen, was es für den Menschen heißt, ein freies Subjekt zu sein. Nur zu oft wurden und werden auf diese Weise politische oder soziale Zwangsmaßnahmen ergriffen, die angeblich die davon betroffenen Individuen erst zur Freiheit oder wenigstens in die Nähe einer reellen Chance auf sie bringen sollen. Der Kommunismus, aber auch faschistische Volks- oder religiöse Befreiungsideologien bilden naheliegende Beispiele für den Missbrauch politische Freiheitsideale.
Und genau um dieses Gedankens willen bleibe ich, wie Buchheim dann wieder kritisch fortfährt, doch lieber einmal mehr als einmal weniger eingemauert in die "rein negativ bestimmte Festung". Auch auf die Gefahr hin, bloß zu einem "leeren Anziehungspunkt von Massenkultur, Mediennutzung und Konsumentenglück" zu werden. (Wär's so, hätte ich vermutlich Buchheim nie gelesen, oder gehört er zur Massenkultur? :lol: ). Denn die unveräußerlichen Menschenpflichten laufen ja wieder nur darauf hinaus, für ihre Legitimation solche Spezifizierungen machen zu wollen.

Aber damit ist gut. Ich will niemanden beglücken, bekehren, überzeugen, sondern meine Position darstellen.

Und noch immer weiß ich nicht, woraus sich dieser Kanon der Menschenpflichten ableiten soll: Aus den derselben Quelle wie die Menschenrechte? :?: Dann wären das trübe Wasser. :mrgreen:



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So 27. Nov 2022, 19:43

Lucian Wing hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 19:39
Und noch immer weiß ich nicht, woraus sich dieser Kanon der Menschenpflichten ableiten soll
Woher leitest du ab, dass sich der Kanon aus irgendetwas ableiten muss?




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Lucian Wing
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So 27. Nov 2022, 19:48

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 19:43
Lucian Wing hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 19:39
Und noch immer weiß ich nicht, woraus sich dieser Kanon der Menschenpflichten ableiten soll
Woher leitest du ab, dass sich der Kanon aus irgendetwas ableiten muss?
Woher bekommt er seine Legitimation? Die Menschenrechte haben ja (angeblich) eine im Naturrecht.



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Jörn Budesheim
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So 27. Nov 2022, 20:12

Lucian Wing hat geschrieben :
So 27. Nov 2022, 19:48
Woher bekommt er seine Legitimation?
Woher weißt du, dass das die richtige Frage ist? Woher weißt du, dass die Frage nicht irregeleitet ist?




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