Moralisierung

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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NaWennDuMeinst
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Mi 31. Mai 2023, 16:44

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:34
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:23
Ist es richtig, dass die Moral im Prinzip davon handelt, was gut ist und was schlecht? Also die Fragen. Was darf ich tun und vor allem, was darf ich nicht tun?
Laut Kant geht es in der Moralphilosophie um die Frage "Wie sollen wir handeln?". Mit Betonung auf "sollen".
Also wie und woher wissen wir was "gutes" oder "schlechttes" Handeln ist. Wobei gerade der Begriff "gut" auf eine bestimmte Weise aufgeladen ist (guter Mensch/schlechter Mensch).
Etwas neutraler könnte man vielleicht eher von richtig und falsch reden.

Aber das kommt drauf an wen Du fragst. Es gibt auch Philosophen die meinen, dass solche Kategorien in der Moral gar nichts zu suchen haben, weil es dort kein richtig oder falsch gibt.
Diese Kategorie von Philosophen mag Jörn am liebsten ... :-D (Achtung Ironie)
Wie sollen wir handeln?
Ja, aber wer sagt denn uns, wie wir handeln sollen? Die Philosophen? Die Eltern? Oder ist gemeint, dass wir selbst herausfinden müssen, wie wir handeln sollen?
Es heißt erstmal nur, dass es da eine zu beantwortende Frage gibt. Nämlich "Wie sollen wir handeln".
Wie Du die Frage dann beantwortest hängt von dir ab.
Ich weiss nicht, ob es einen Sinn hat, so tief in die Materie abzutauchen, dass man gut und schlecht definieren muss. Das ist sehr schwierig. Können wir nicht einfach davon ausgehen, dass es gute und schlechte Handlungen gibt?
Nun, gute und schlechte Menschen. Das ist immer ein sehr heikles Thema. Und man hört etwa sofort, es gebe keine schlechten Menschen.
Genau deshalb schlug ich ja vor etwas neutralere Begriffe zu verwenden.
Aber gute und schlechte Handlungen. Schon eher. Da kann ich mir etwas darunter vorstellen. Und solche Bewertungen können ja nicht nur von der Gesellschaft abhängen.
Sonst gäbe es ja Gesellschaften, wo Töten eine gute Handlung wäre. Das halte ich aber in jeder Gesellschaft für falsch.
Echt? Aber das ist ja nicht einmal bei uns so. Wenn der Russe ins Land einfällt wird es nicht als "schlecht" angesehen wenn Du Russen tötest um Dein Vaterland zu verteidigen.
Im Gegenteil. Dann erwartet man das von Dir als Deine Pflicht.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Mi 31. Mai 2023, 16:45, insgesamt 1-mal geändert.



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Mi 31. Mai 2023, 16:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:39
AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:34
Wie sollen wir handeln?
Ja, aber wer sagt denn uns, wie wir handeln sollen?
Solange wir darauf warten, dass uns jemand sagt, was wir tun sollen, ist es um die Moral schlecht bestellt. Es gibt niemanden, der es uns sagt, nicht Kant, nicht der liebe Gott, niemand. Deshalb nennt man den Menschen manchmal frei. Das ist eine Aufgabe, die wir an niemanden delegieren können, nicht einmal an ChatGPT.
Moment. Was wir tun sollen bezüglich Moral. Was wir sonst tun sollen, ist ja wohl egal. Ob ich etwa ein Online-Programmierkurs mache oder nicht oder welchen Beruf ich habe ist doch keine moralische Frage.
Dieses Tun-Sollen muss man schon im richtigen Kontext sehen.
Ich denke, wenn jemand weiss, was aktuell gut und schlecht ist, ist es nicht falsch, wenn er es den anderen sagt. Es wird uns sowieso auch gesagt von "oben". Sonst bräuchten wir keine Regierungen.
Also wir haben Moral von "oben" und Moral von "unten", also von uns selbst.



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Mi 31. Mai 2023, 16:49

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:44
Echt? Aber das ist ja nicht einmal bei uns so. Wenn der Russe ins Land einfällt wird es nicht als "schlecht" angesehen wenn Du Russen tötest um Dein Vaterland zu verteidigen.
Im Gegenteil. Dann erwartet man das von Dir als Deine Pflicht.
Ins Land "einfällt". Schöne Formulierung.

Nun gut. Krieg ist sowieso Blödsinn. Und da gelten ja keine Moralvorstellungen mehr.



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Mi 31. Mai 2023, 16:53

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:49
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:44
Echt? Aber das ist ja nicht einmal bei uns so. Wenn der Russe ins Land einfällt wird es nicht als "schlecht" angesehen wenn Du Russen tötest um Dein Vaterland zu verteidigen.
Im Gegenteil. Dann erwartet man das von Dir als Deine Pflicht.
Ins Land "einfällt". Schöne Formulierung.

Nun gut. Krieg ist sowieso Blödsinn. Und da gelten ja keine Moralvorstellungen mehr.
Auch das ist falsch. Auch im Krieg gibt es Regeln. Es ist wahr, dass sich diese Regeln immer mehr auflösen je länger der Krieg dauert und je weiter er eskaliert.
Aber grundsätzlich ist auch der Krieg kein moralfreier Raum. Allerdings gelten bestimmte Regeln nicht mehr. Die Natur des Krieges macht das Töten unvermeidlich.
Man kann natürlich trotzdem der Meinung sein (und sollte das auch) dass dieses Töten (bzw der Krieg an sich) moralisch verwerflich ist.
Wir unterscheiden da aber schon. Angriffskriege verurteilen wir idR. Wenn ein Land sich verteidigt bewerten wir dessen Kampfhandlungen anders.

Ich wollte aber mit dem Beispiel "Krieg" nur aufzeigen, dass es eine generelle Regel, wonach Töten immer als "falsch" bewertet wird so nicht gibt.
Auch bei uns nicht. Allerdings möchten die meisten Menschen das vermeiden. Das ist richtig.
Ich denke Krieg wird auch deshalb als "schlecht" angesehen, weil er uns zwingt gegen unsere moralischen Überzeugungen zu handeln.
Die wenigsten Menschen wollen andere Menschen töten. Es kann aber - zum Beispiel im Verteidigungsfall - geboten sein.
An der Stelle stehen dann andere Werte über dem Leben des Angreifers.



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Mi 31. Mai 2023, 17:41

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:53
Die wenigsten Menschen wollen andere Menschen töten. Es kann aber - zum Beispiel im Verteidigungsfall - geboten sein.
An der Stelle stehen dann andere Werte über dem Leben des Angreifers.
Naja, in der Regel beginnen ja beide ein wenig den Krieg, also beide Kriegsparteien.
Ich habe da ein wenig eine eigene Meinung. Und zwar, Gewalt ist in JEDEM Fall schlecht.
In einem gewissen Sinne sogar zur Verteidigung.



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Mi 31. Mai 2023, 18:37

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 17:41
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:53
Die wenigsten Menschen wollen andere Menschen töten. Es kann aber - zum Beispiel im Verteidigungsfall - geboten sein.
An der Stelle stehen dann andere Werte über dem Leben des Angreifers.
Naja, in der Regel beginnen ja beide ein wenig den Krieg, also beide Kriegsparteien.
Politisch vielleicht. Aber vom militärischen Standpunkt ist es in der Geschichte oft so gewesen, dass ein Land ein anderes überfällt.
Die Ukrainer haben den Krieg nicht begonnen und auch die Polen haben 1939 wohl nichts dazugetan, dass Deutschland sie überfallen hat.
Ich habe da ein wenig eine eigene Meinung.
Ich habe da eine andere Meinung. Wer zuerst zur Waffe greift, wer zuerst die Grenze zur Waffengewalt überschreitet und ein anderes Land überfälltt ist eindeutig der Aggressor und darf dann auch mit Waffengewalt hingeschlachtet werden. Das ist das Recht der Verteidiger.
Das finde ich moralisch ok. Der Aggressor muss sich ja nur zurückziehen und es geschieht ihm kein Leid. Wenn er das nicht macht, ist er selber schuld wenn er auf dem Schlachtfeld verblutet.



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Jörn Budesheim
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Mi 31. Mai 2023, 19:43

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:44
Was wir tun sollen bezüglich Moral.
Oh Mann, worüber reden wir denn hier die ganze Zeit? Über Nasepopeln oder was?!




Timberlake
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Mi 31. Mai 2023, 22:40

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 17:41
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:53
Die wenigsten Menschen wollen andere Menschen töten. Es kann aber - zum Beispiel im Verteidigungsfall - geboten sein.
An der Stelle stehen dann andere Werte über dem Leben des Angreifers.
Naja, in der Regel beginnen ja beide ein wenig den Krieg, also beide Kriegsparteien.
Ich habe da ein wenig eine eigene Meinung. Und zwar, Gewalt ist in JEDEM Fall schlecht.
In einem gewissen Sinne sogar zur Verteidigung.
Im Sinne von Kants "kategorischem Imperativ" ist Gewalt zur Verteidigung tatsächlich in JEDEM Fall schlecht, nur um an dieser Stelle .. noch mal! .. darauf hin zu weisen .
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 18:37

Ich habe da eine andere Meinung. Wer zuerst zur Waffe greift, wer zuerst die Grenze zur Waffengewalt überschreitet und ein anderes Land überfälltt ist eindeutig der Aggressor und darf dann auch mit Waffengewalt hingeschlachtet werden. Das ist das Recht der Verteidiger.
Das finde ich moralisch ok. Der Aggressor muss sich ja nur zurückziehen und es geschieht ihm kein Leid. Wenn er das nicht macht, ist er selber schuld wenn er auf dem Schlachtfeld verblutet.
  • Kategorischer Imperativ Definition
    Immanuel Kant stellt mit dem kategorischen Imperativ einen Leitsatz auf, mit dem du deine Handlungen auf ihre moralische Richtigkeit überprüfen kannst. Das, was diesen Imperativ „kategorisch“ macht, ist, dass er allgemein gilt und damit nicht auf ein bestimmtes Ziel bezogen ist.


Ist doch danach das Töten und Verletzen von Menschen "kategorisch" untersagt . Selbst wenn das Töten und Verletzen von Menschen auf ein bestimmtes Ziel bezogen ist , wie das man sich beispielsweise dessen bedient , um sich einem Aggressor zu erwehren.
  • "Denken wir uns nun einen äußersten Fall: daß ein Buch von lauter Erlebnissen redet, die gänzlich außerhalb der Möglichkeit einer häufigen oder auch nur seltenen Erfahrung liegen – daß es die erste Sprache für eine neue Reihe von Erfahrungen ist. In diesem Falle wird einfach nichts gehört, mit der akustischen Täuschung, daß, wo nichts gehört wird, auch nichts da ist..."
    Friedrich Nietzsche ... Ecce Homo
Insofern Kants "kategorischer Imperativ" wohl so ein Buch ist , dass von lauter Erlebnissen redet, die gänzlich außerhalb der Möglichkeit einer häufigen oder auch nur seltenen Erfahrung liegen und wurde hier " in diesem Falle" , also meinen Beiträgen dazu , nicht tatsächlich ... "einfach nichts gehört, mit der akustischen Täuschung, daß, wo nichts gehört wird, auch nichts da ist.. " Warum sollte man auch diese "erste Sprache" sprechen , wenn doch der kategorische Imperativ jenseits aller Erfahrungen ist. Naja, zumindest @AufDerSonne scheint für diese Sprache ein offenes Ohr zu haben. .. Respekt :!:




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NaWennDuMeinst
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Do 1. Jun 2023, 00:57

@Timberlake.
Du schreibst
1)
  • Kategorischer Imperativ Definition
    Immanuel Kant stellt mit dem kategorischen Imperativ einen Leitsatz auf, mit dem du deine Handlungen auf ihre moralische Richtigkeit überprüfen kannst. Das, was diesen Imperativ „kategorisch“ macht, ist, dass er allgemein gilt und damit nicht auf ein bestimmtes Ziel bezogen ist.
Und dann
2)
Ist doch danach das Töten und Verletzen von Menschen "kategorisch" untersagt .
In 1) steht aber 2) nicht.

Kannst Du mal ein Zitat Kants bringen aus dem einwandfrei herovrgeht, dass nach Kant "das Töten und Verletzen von Menschen in jedem Fall kategorisch untersagt ist"?
Nur für Dich als Hinweis: Kant war Befürworter der Todesstrafe. Wie passt das mit dem was Du behauptest zusammen?

Weiterhin:
Ich zitiere mal von der Webseite die Du verlinkt hast (Ist die für Kinder?).

Ausschlaggebend ist also, dass du dir vor einer Handlung deine persönlichen Leitsätze (Maxime) vor Augen führst. Du fragst dich also: Möchte ich, dass alle anderen Menschen auch so handeln? Wenn die Antwort ja lautet, ist die Handlung moralisch; ist die Antwort nein, dann ist sie es nicht.

Machen wir das doch also mal:
Ja, ich möchte, dass alle anderen Menschen auch so handeln, dass wenn sie von einem gewalttätigen Aggressor mit dem Tode bedroht werden sie sich zur Wehr setzen dürfen, auch wenn das im schlimmsten Fall den Tod des Aggressors bedeutet.
Und so wie ich das sehe, folge ich damit dem Imperativ ganz perfekt.
Der kategorische Imperativ schliesst also Gewaltanwendung zur Slebstverteidigung in keinster Weise aus.
Das wäre ja auch ziemllich bescheuert.
Wenn Du sowas suchst, suche bei den Christen (nicht bei Kant), die wenn sie geschlagen werden auch noch die andere Wange hinhalten.



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Jörn Budesheim
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Do 1. Jun 2023, 06:21

"Ausschlaggebend ist also, dass du dir vor einer Handlung deine persönlichen Leitsätze (Maxime) vor Augen führst. Du fragst dich also: Möchte ich, dass alle anderen Menschen auch so handeln? Wenn die Antwort ja lautet, ist die Handlung moralisch; ist die Antwort nein, dann ist sie es nicht."

Was auch immer das sein mag, es ist keine Erklärung des kategorischen Imperativs, dazu reicht ein Blick auf eine der verschiedenen Formeln. Es fehlt in der Erklärung völlig der Aspekt, dass die sogenannte Maxime des Handelns so beschaffen sein muss, dass man wollen kann, dass sie allgemeines Gesetz wird.
Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Akademieausgabe hat geschrieben : Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.




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Do 1. Jun 2023, 09:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 19:43
AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:44
Was wir tun sollen bezüglich Moral.
Oh Mann, worüber reden wir denn hier die ganze Zeit? Über Nasepopeln oder was?!
Die Leitfrage Kants ist: Was soll ich tun?
Die anderen: Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?

Ich weiss nun nicht, wie allgemein dieses Was-soll-ich-Tun gemeint ist. Ist es nur moralisch gemeint oder generell, was ich tun soll?
Das ist mein Problem.



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Do 1. Jun 2023, 11:15

Wir sind hier im Bereich Ethik, im Thread Moralisierung, und reden ständig über Moral, Moralvorstellungen, Sitten und Gebräuche... und plötzlich weißt du nicht mehr, worauf sich der von dir zitierte Beitrag von mir bezieht. Das ist schon merkwürdig.

Zur Frage, welche Handlungen eigentlich "moralisch relevant" sind, habe ich übrigens erst gestern oder vorgestern etwas geschrieben. Manchmal ist es nicht schlecht, die Beiträge der anderen auch zu lesen.




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Do 1. Jun 2023, 14:15

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 1. Jun 2023, 00:57
Machen wir das doch also mal:
Ja, ich möchte, dass alle anderen Menschen auch so handeln, dass wenn sie von einem gewalttätigen Aggressor mit dem Tode bedroht werden sie sich zur Wehr setzen dürfen, auch wenn das im schlimmsten Fall den Tod des Aggressors bedeutet.
Und so wie ich das sehe, folge ich damit dem Imperativ ganz perfekt.
Der kategorische Imperativ schliesst also Gewaltanwendung zur Slebstverteidigung in keinster Weise aus.
Das wäre ja auch ziemllich bescheuert.
Wenn Du sowas suchst, suche bei den Christen (nicht bei Kant), die wenn sie geschlagen werden auch noch die andere Wange hinhalten.
Und wenn man das Beispiel auf Gewaltanwendung herunterbricht?
Dann müsste man sagen. Wenn ich Gewalt anwende, dann dürfen das die anderen auch.
Ob das zur Selbstverteidigung ist oder sonst, ist ja erst einmal egal, wenn es nur um Gewalt geht.
Und wann etwas Selbstverteidigung ist oder nicht, ist oft sehr schwer zu entscheiden.

Womit ich einverstanden bin ist, wenn jemand EINFACH SO Gewalt anwendet gegen eine andere Person. Das ist in jedem Fall falsch. Ist mir drum schon passiert. Also ich war das Opfer. Also nicht schlimm, aber Gewalt war es.
Irgend einmal stellt sich natürlich dann auch die Frage, was denn Gewalt genau sei. Oft meinen wir körperliche Gewalt, aber auch das ist nicht immer klar. Man könnte es aber genau genug definieren, denke ich, so dass wir alle vom gleichen sprechen.

Übrigens. Wenn wir uns darauf einigen, das (körperliche) Gewalt grundsätzlich verwerflich ist, dann ist ja der, der beginnt, sowieso schon im Fehler (zeitliche Abfolge relevant).



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Do 1. Jun 2023, 18:28

AufDerSonne hat geschrieben :
Do 1. Jun 2023, 14:15
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 1. Jun 2023, 00:57
Machen wir das doch also mal:
Ja, ich möchte, dass alle anderen Menschen auch so handeln, dass wenn sie von einem gewalttätigen Aggressor mit dem Tode bedroht werden sie sich zur Wehr setzen dürfen, auch wenn das im schlimmsten Fall den Tod des Aggressors bedeutet.
Und so wie ich das sehe, folge ich damit dem Imperativ ganz perfekt.
Der kategorische Imperativ schliesst also Gewaltanwendung zur Slebstverteidigung in keinster Weise aus.
Das wäre ja auch ziemllich bescheuert.
Wenn Du sowas suchst, suche bei den Christen (nicht bei Kant), die wenn sie geschlagen werden auch noch die andere Wange hinhalten.
Und wenn man das Beispiel auf Gewaltanwendung herunterbricht?
Dann müsste man sagen. Wenn ich Gewalt anwende, dann dürfen das die anderen auch.
Das ist aber nicht das was ich gesagt habe. Die Regel lautet nicht es darf immer und in jeden Fall Gewalt angewendet werden, sondern im Verteidigungsfalle gilt das für den Verteidiger.
Und ja, diese Regeln gilt für alle.
Und da gibts auch nichts "herunterzubrechen". Ich bin in der Lage zu differenzieren nach Situation. Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Da gibt es Unterschiede in der Motivation.



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Do 1. Jun 2023, 18:32

AufDerSonne hat geschrieben :
Do 1. Jun 2023, 09:51
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 19:43
AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 31. Mai 2023, 16:44
Was wir tun sollen bezüglich Moral.
Oh Mann, worüber reden wir denn hier die ganze Zeit? Über Nasepopeln oder was?!
Die Leitfrage Kants ist: Was soll ich tun?
Die anderen: Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?

Ich weiss nun nicht, wie allgemein dieses Was-soll-ich-Tun gemeint ist. Ist es nur moralisch gemeint oder generell, was ich tun soll?
Das ist mein Problem.
Kant bringt den Satz "Wie sollen wir handeln?" als Leitfrage für das was wir in der Moralphilosophie/Ethik behandeln.
Es geht also um moralisch relevante Handlungen.



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Do 1. Jun 2023, 19:42

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 1. Jun 2023, 18:28
Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Da gibt es Unterschiede in der Motivation.
Eben nicht. Das ist ja das Problem. Gewalt ist gleich Gewalt.



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Do 1. Jun 2023, 19:53

Schau, NaWennDuMeinst, Gewalt ist eines dieser Themen, wo man Stellung beziehen muss.
Es gibt nicht ein bisschen Gewalt. Oder in diesem Fall ist es gerechtfertigt und in jenem nicht.
Gewalt ist in jedem Fall schlecht.

Man kann natürlich alles relativieren. Aber so kommen wir nie zu allgemeingültigen Prinzipien für die Moral.
Es gäbe ja dann doch immer wieder Ausnahmen, wo es eben anders ist.



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Do 1. Jun 2023, 23:01

AufDerSonne hat geschrieben :
Do 1. Jun 2023, 19:42
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 1. Jun 2023, 18:28
Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Da gibt es Unterschiede in der Motivation.
Eben nicht. Das ist ja das Problem. Gewalt ist gleich Gewalt.
Nein, ist sie nicht.
Gewalt ist in jedem Fall schlecht.
Erkläre mal was Du damit meinst.
Ich denke schon, dass es für die Frage ob wir Gewalt tolerieren einen Unterschied macht ob Jemand sich verteidigt, oder ob Jemand einen anderen angreift.
Nicht nur in der Moral, sondern auch in unseren Gesetzen unterscheiden wir diese Fälle ausdrücklich. Zu Recht.
Aber so kommen wir nie zu allgemeingültigen Prinzipien für die Moral.
Der Satz: "Im Falle der Verteidigung des eigenen Lebens darf (nicht muss) auch Gewalt angewendet werrden" IST allgemeingütlig. Er gilt immer und für jeden dieser genannten Fälle.
Wir nennen das das Recht auf Selbstverteidigung.
Dieser Satz wird auch angehoben auf die Ebene von Staaten die das Recht haben sich selbst gegenüber einem gewalttätigen Aggressor zu verteidigen.



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Fr 2. Jun 2023, 00:07

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 1. Jun 2023, 23:01
Aber so kommen wir nie zu allgemeingültigen Prinzipien für die Moral.
Der Satz: "Im Falle der Verteidigung des eigenen Lebens darf (nicht muss) auch Gewalt angewendet werrden" IST allgemeingütlig. Er gilt immer und für jeden dieser genannten Fälle.
Wir nennen das das Recht auf Selbstverteidigung.
Dieser Satz wird auch angehoben auf die Ebene von Staaten die das Recht haben sich selbst gegenüber einem gewalttätigen Aggressor zu verteidigen.
Diese Denkweise von Aggressor und "Verteidiger" ist ja ähnlich wie die Täter und Opfer (Verteidiger) Denkweise.
Es ist einfach so, dass das Opfer in der Regel nicht unschuldig ist. Blöd gesagt, zieht das Opfer den Täter an.

Vielleicht hast du recht. Dann können wir nur hoffen, dass wir nicht unbegründet angegriffen werden.



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Fr 2. Jun 2023, 00:17

AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 2. Jun 2023, 00:07
Es ist einfach so, dass das Opfer in der Regel nicht unschuldig ist. Blöd gesagt, zieht das Opfer den Täter an.
Du meinst so wie wenn das Vergewaltigungsopfer in der Regel nicht ganz unschuldig ist daran dass es vergewaltigt wird?
Und welche Schuld traf denn die Polen 1939 als der Aggressor Deutschland einfach in ihr Land eingedrungen ist und Tod und Verwüstung gebracht hat?
Hm?
Fang an nachzudenken.

Und Du musst auch mal etwas genauer lesen was ich schreibe.
Ich habe ja nirgendwo geschieben, dass Konflikte mmer nur einseitig entstehen.
Dennoch: Irgendeiner greift zuerst zur Waffe und überschreitet damit die Grenze vom politischen Konfllikt zum bewaffneten Konflikt.
Und das ist für mich das Entscheidende.
Wer zuerst zur Waffe greift ist der gewaltätige Aggressor und kann dann nicht von seinem Opfer fordern, dass es einfach stillhält wenn es erschlagen wird. Das ist absurd.

Ich bleibe dabei: Das Opfer Desjenigen der zuerst zur Waffe geift hat das Recht den Aggressor ebenfalls mit Waffengewalt zurückzutreiben.
Aktuell: Die Ukrainer haben alles Recht der Welt die Russen aus ihrem Land zu prügeln. Oder sie alle abzuschlachten wenn sie sich nicht freiwillig zurückziehen.
Und schuld an den ganzen Toten ist dann einzig und allein der Aggressor der zuerst gewalttätig geworden ist.
Das ist meine feste Überzeugung und davon rücke ich keinen Millimeter ab, egal was Du schreibst.

Man kann viel über Schuld nachdenken.
Ich bin niemand, der die Ansicht vertritt dass z.B. der zweite Weltkrieg ein Konflikt war bei dem eine Seite allein für die Entstehung des Konfliktes verantwortlich war.
Wie die Deutschen nach dem erstten Weltkrieg behandelt wurden war falsch und der Grund dafür dass das eskaliert ist.
ABER (und das ist jetzt ganz wichtig): Auch wenn die Deutschen gute Gründe für ihr Verhalten hatten, diese Gründe rechtfertigen in keiner Weise die Gewalt die die Deutschen dann entfesselt haben.
Sie hätten die Konflikte friedlichen lösen müssen. Durch Politik, Diplomatie, Gespräche. Stattdessen haben sie die Waffe gezogen und wollten ihre Interessen mit Gewalt durchsetzen.
Und genau an diesem Punkt haben sie die Grenze überschritten und sich selbst zum Aggressor gemacht.
Und sie haben die gerechte Strafe dafür bekommen.
So sehe ich das. Den Allierten ist da kein Vorwurf zu machen. Sie haben die Gewalt nicht begonnen, sondern ihr Recht wahrgenommen sich gegen einen gewaltätigen Aggressor zur Wehr zu setzen.
Sie haben die Deutschen entwaffnet und ihnen damit jede Möglichkeit genommen weiterhin bewaffnete Gewalt auszuüben.
Hätten die Deutschen nicht zur Waffe gegriffen um einen Angriffskrieg zu führen wäre ihnen diese Demütigung (und ein vollkommen zerstörtes Land) erspart geblieben.



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