Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ So 20. Mär 2022, 13:49
Man geht allerdings auch weg von der Wahrnehmung. Die kommt gar nicht vor. Um das zu erkennen, hilft es, wenn du dir ein paar reale Fälle von Wahrnehmung vor Augen führst. Z.b. sehe ich gerade, dass ein Reclam-Heftchen auf den Tisch liegt. Und das entspricht der allgemeinen Form, die ich weiter oben schon vorgeschlagen habe:
"Jemand nimmt etwas (in einer spezifischen Form) wahr."
Du meinst hier sicherlich den "Wahrnehmungsgehalt", wodurch wir uns dem Begriff "Qualia" und damit dem "Phänomen" nähern.
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ So 20. Mär 2022, 13:49
Drei Elemente: das Wesen, das wahrnimmt. Das, was wahrgenommen wird. Und wie es wahrgenommen wird. Das Reclam Heft, der Tisch und ich selbst befinden sich in einem physikalischen Feld und dort spielen sicherlich auch Wechselwirkungen eine Rolle, aber das ist pointless, solange nicht die oben skizzierte Struktur realisiert wird.
OK, es soll also um ein Dreigestirn gehen.
Du selbst fühlst dich bereits von Anfang an gezwungen, zwei dieser Punkte vom dritten Punkt abzugrenzen.
Bereits von dir aus, ist das Dreigestirn nicht ganz so einheitlich, wie es dieses Nebeneinanderstellen der drei Teile suggeriert.
Darf man die drei Teile überhaupt derart nebeneinander ("Realität") präsentieren?
Die ersten beiden Teile zeichnen sich durch die Möglichkeit einer beliebig umfangreichen Interaktion aus.
Diese Teile sind Quellen für neue Zusammenhänge. Wenn nicht hier das Wort "Existenz" eingesetzt wird, wann dann.
Der dritte Teil zeichnet sich dadurch aus, dass nichts davon zutrifft.
Es findet keine Interaktion statt und man bekommt keine neuen Zusammenhänge.
Um hier das Wort "Existenz" einzusetzen, muss man verdrehte Ontologien entwerfen.
Warum soll man also diese drei Teile nebeneinander präsentieren dürfen?
Eine Szene als Rechtsfertigungsgrundlage kann es nicht geben, denn der Unterschied in der Interaktion meisselt es quasi in Stein, dass diese drei Teile niemals zusammen vorkommen.
Nimmt man den dritten Teil nun ein wenig in den Fokus, dann ist für das Erkennen dieses Teils notwendig, dass für einen Wahrnehmungsvorgang eine Beobachtung des Resultats stattfinden soll.
Während eine Wahrnehmung geschieht, soll noch eine andere Wahrnehmung geschehen.
Das wäre ja ein enormer Einblick.
Das Problem hierbei ist nur: wir haben keinen Einblick in unseren Wahrnehmungsvorgang.
Wir haben noch nicht einmal einen Einblick in die Körpersteuerung.
Überall Nervenimpulse, nur nicht in unserer Wahrnehmung.
Wir haben genau den Einblick in uns, den der Körper durch seine Sinneszellen von sich selbst haben kann.
Was die Sinneszellen nicht erreichen, ist uns
an uns selbst unbekannt.
Der dritte Teil wirkt jedoch so, als wäre dort ein Beobachter "im Inneren", der beliebig zwischen den Sinnesbereichen hin- und her-wechseln kann.
Die Nützlichkeit des dritten Teils dreht sich alleine darum, dass wir mit unseren jeweiligen Sinnesfähigkeiten in Form einer "Gegenüberbeziehung" umgehen können.
Das ist sozusagen "das Bewusstsein".
Die "Gegenüberbeziehung" ist etwas, das der Körper in Bezug auf seine Umwelt die ganze Zeit verwalten muss -> Subjektivität.
Wenn man sich für den dritten Teil anschaut, was nicht vorliegt, was vorliegen soll und was an "anderer Stelle" sowieso vorliegt, dann kommt ein Verdacht auf:
Zusammen mit den Funktionen "Gedächtnis" und "Zukunftsplanung" muss das Nervensystem die Fähigkeiten des Körpers verwalten.
Nun ist das Nervensystem komplett auf die Zusammenhänge "Körper in Umwelt" ausgerichtet. Die "Gegenüberbeziehung" steckt quasi in jedem Zusammenhang drin, der vom Nervensystem bei Reaktionen aufgebaut wird.
Rechnet man all das zusammen, dann ist der dritte Teil lediglich das Anwenden der Zusammenhänge aus "Körper in Umwelt" auf die Sinnes-Fähigkeiten des Körpers.
Das riecht nach einem typischen Evolutionsschritt': "das bereits Vorhandene wird etwas abgewandelt und es ergeben sich neue Fähigkeiten".
Man könnte das Ganze im Grunde gegenprüfen, indem man versucht, einfach mal
nicht von einem Gehalt auszugehen.
Wenn der Gehalt etwas Unabhängiges sein sollte (zur Realität Gehörendes), dann müsste ich ihn ausschliessen (zumindest auswählen) können.
Ich versuch mal auf
dieses Bild zu verlinken.
Jeder wird vermutlich in den langen Linien eine Schräge erkennen.
Das ist natürlich eine Täuschung, denn sie sind nicht schräg. Das kann man ausmessen und/oder man malt sich das Bild selbst und achtet auf exakt horizontale Lang-Linien.
Kurz gesagt: man kann den "absoluten Willen" aufbauen, diese Schräge nicht mehr zu beachten, denn diese Schräge ist nicht da.
=> Keine Chance, wir haben hier keine Hoheit und müssen reagieren. Egal wie vernünftig wir sein wollen, es gelingt keine Kontrolle.
Ich sage:
es gibt keinen Wahrnehmungsgehalt, aber die Reaktion, als würde es ihn geben, findet statt.
Der dritte Teil ist nichts weiter als eine sinnvolle Anschlussreaktion, die unter Verwendung bereits vorhandener Reaktionsmöglichkeiten eine Erweiterung der Fähigkeiten ergibt.
Die Zusammenhänge, die in dieser Anschlussreaktion aufgebaut werden, sind nützlich und sie sind nicht ganz falsch, aber sie sind
nicht vollständig korrekt und es ist
nicht angebracht hier irgendwelche Existenzen und Welt-Anteile auszurufen.
Die Lösung für das "Qualia"-Rätsel lautet für mich somit (kurzgefasst):
die Reaktion findet statt (ausgeführt durch das Nervensystem), aber es gibt den Gehalt nicht.
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ So 20. Mär 2022, 13:49
Wieso kommt in deinem Konzept der Wahrnehmung die Wahrnehmungen gar nicht vor? Ich vermute es liegt an folgendem: Statt von konkreten Fällen, gehst du von einer bestimmten metaphysischen Vorstellung aus. Dadurch verfehlst du jedoch die Realität des untersuchten Gegenstandes (die Wahrnehmung), weil die ihn nach deinen metaphysischen Vorstellungen konstruierst und nicht ausgehend von dem, wie er sich uns wirklich darstellt.
Nö, ich verfehle da rein gar nichts.
Wahrnehmung ist und bleibt Reaktion. Ich sehe auch durch "deinen dritten Teil" keine Notwendigkeit, dass dies nicht gelten soll.