PS. zu Elke Heidenreich, Rassismus usw.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

So 6. Mär 2022, 16:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 15:17
Friederike hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 15:09
ich bin mit Deinem Argumentationsstil im Augenblick nicht "glücklich".
Du meinst, wenn nwdm erläutert, dass man dicht an der Tyrannei ist, wenn man Wahrheitsansprüche erhebt, dann ist das okay. Aber wenn man darauf hinweist, wie Tyrannen wirklich agieren, dann ist es nicht okay?
Ah, ich sehe, @NWDM hat dazu schon geantwortet. An mich gerichtet, antworte ich: "Es reicht", denn ich habe mich zur Tyrannenfrage mit keinem Wort geäußert.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23588
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 6. Mär 2022, 16:22

Stefanie hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:15
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 08:45
Stefanie, ich verteidige den Tatsachen Konstruktivismus doch nicht, ich halte ihn für komplett verfehlt.
Das weiß ich doch. Den Konstruktivismus verstehe ich nicht wirklich. Wenn Du dann schreibst, "aber für mich sind sie kein Konstrukt, es gibt sie, um die entsprechende Terminologie zu verwenden, "an sich" bin ich schon wieder verwirrt.

Ich hake den Konstruktivismus für mich ab, und gebe dem einen neuen Namen...die Pipi Langstrumpf Methode, denn so kommt er mir vor. Irgendwie.
Diese Bezeichnung ist im Übrigen sehr gängig! Entweder mit dem Verweis auf Pippi Langstrumpf oder dem Slogan "ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt".




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23588
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 6. Mär 2022, 16:25

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:12
Wie wir gerade im TV sehen können.
Ich weiß ja nicht, wo du deine Informationen her hast, aber das, was ich lese, ist ziemlich eindeutig. Putin lügt nach Strich und Faden. Und das Leute wie Putin, Trump, Erdogan und Konsorten lügen, das weiß jeder hier im Thread und es ist sinnlos, das Gegenteil zu behaupten. Bei den Tyrannen hat es die Wahrheit immer schwer, wer dort die Wahrheit sagt, muss mit dem Schlimmsten rechnen.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

So 6. Mär 2022, 16:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 15:13
Wenn dich jemand fragt, wie viel Uhr es ist, und du sagst ihm, es sei kurz vor 3 Uhr, dann erhebst du damit einen Wahrheitsanspruch. Und das schuldest du dem anderen auch. Einen Wahrheitsanspruch erheben, heißt, das was, man sagt, für wahr zu halten.
Das ist aus meiner Sicht eine verwässerte Form der Anwendung des Wahrheitsbegriffes (wie wir sie im Alltag oft gebrauchen = umgangssprachlich).
Jörn hat geschrieben : Ohne Wahrheit und Wahrheitsansprüche gäbe es keine Kommunikation und keine Gesellschaft, weil beides nicht ohne das Projekt der Triangulation zu machen ist. Der Umstand, dass wir erkennen können, dass andere (wozu auch unser vergangenes und zukünftiges Ich gehört) anderes für wahr halten (können), ist essentiell für unser geistiges Leben. Ansonsten könnte man uns auch mit einem Bein an einem Pfahl festbinden und wir würden es nicht einmal merken.
Auch hier würden ein "für richtig" oder "für angemessen" halten genügen.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

So 6. Mär 2022, 16:37

Stefanie hat geschrieben :
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:22
Ich hake den Konstruktivismus für mich ab, und gebe dem einen neuen Namen ... die Pipi Langstrumpf Methode, denn so kommt er mir vor. Irgendwie.
Diese Bezeichnung ist im Übrigen sehr gängig! Entweder mit dem Verweis auf Pippi Langstrumpf oder dem Slogan "ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt".
Damit habt Ihr mich, meine Person, mein "Da-Sein" in der Welt zutreffend erfaßt -
das schreibe ich "bitterböse".




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

So 6. Mär 2022, 16:38

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:25
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:12
Wie wir gerade im TV sehen können.
Ich weiß ja nicht, wo du deine Informationen her hast, aber das, was ich lese, ist ziemlich eindeutig. Putin lügt nach Strich und Faden. Und das Leute wie Putin, Trump, Erdogan und Konsorten lügen, das weiß jeder hier im Thread und es ist sinnlos, das Gegenteil zu behaupten. Bei den Tyrannen hat es die Wahrheit immer schwer, wer dort die Wahrheit sagt, muss mit dem Schlimmsten rechnen.
Das sagt Putin von uns auch. Wir lügen. Und nun?
Hauen wir uns halt weiter gegenseitig auf die Birne. Herzlichen Glückwunsch.
Das passiert halt wenn beinharte Wahrheitsansprüche aufeinanderstossen.

Du willst partout nicht zugeben, dass es Einigung braucht. Weil damit dein ganzes Kartenhaus zusammenbrechen würde, weil Einigung auf eine Wahrheit für dich "konstruktivistisches Teufelszeug" ist.
Da schlachten wir uns lieber gegenseitig ab.
Und das ist dann die realistische "Tatsachenmoral".



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

So 6. Mär 2022, 17:43

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 09:16
Manchmal heißt es, dass der Konstruktivismus annimmt, dass wir "Tatsachen epistemisch individuieren". Das ist pi mal Daumen die Idee, dass wir die Tatsachen erst im Erkennen konstruieren, das heißt, es gäbe sie nicht ohne diesen Erkenntnis-Konstruktions-Vorgang. Sehr anschaulich finde ich die Förmchen-Metapher von Boghossian: "Wir konstruieren Tatsachen [gemäß der Vorstellung vieler Konstruktivisten], indem wir mittels Begriffen bestimmte Dinge gruppieren. Unsere Begriffe kann man sich dabei wie Sand- oder Kuchenförmchen vorstellen: Sie stechen die Tatsachen aus der Welt aus, indem sie auf die eine oder andere Weise Grenzen und Linien ziehen."
Ein schönes Beispiel für die soziale Konstruktion ist das "Virus", d.h. die Ordnung der Krankheiten in epidemische und nicht epidemische Krankheiten. Ich nehme an, die Übertragbarkeit, die Ansteckungsmöglichkeit ist das Kriterium für die Einteilung. Diese "Gruppierung" liegt im Teig nicht vor, Menschen nehmen sie vor.

Nun ist die Neigung oder Fähigkeit des Virus, von einem Menschen auf den anderen überzu"springen" zwar eine Eigenschaft des Virus, aber "Husten", "Niesen" und Nähe der Menschen untereinander sind Eigenschaften des Menschen, die der Virusneigung entgegenkommen. Dies ist allerdings nur ein Nebenaspekt, an dem deutlich wird, daß die Eigenschaften der Dinge und die Eigenschaften der Menschen eine Beziehung bilden.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

So 6. Mär 2022, 17:48

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:38
Das sagt Putin von uns auch. Wir lügen. Und nun?
Hauen wir uns halt weiter gegenseitig auf die Birne. Herzlichen Glückwunsch.
Und wenn sie nicht alle gestorben sind, dann können sie später immer noch sagen, sie hätten sich geirrt (denn Irrtum gibts nur, wo's Wahrheit gibt und umgekehrt). Das ist entsetzlich polemisch, aber ich unterdrücke die Äußerung nicht.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23588
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 6. Mär 2022, 18:19

Friederike hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:30
Das ist aus meiner Sicht eine verwässerte Form der Anwendung des Wahrheitsbegriffes (wie wir sie im Alltag oft gebrauchen = umgangssprachlich).
Was ist die Begründung dafür?




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

So 6. Mär 2022, 18:19

Friederike hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 17:43
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 09:16
Manchmal heißt es, dass der Konstruktivismus annimmt, dass wir "Tatsachen epistemisch individuieren". Das ist pi mal Daumen die Idee, dass wir die Tatsachen erst im Erkennen konstruieren, das heißt, es gäbe sie nicht ohne diesen Erkenntnis-Konstruktions-Vorgang. Sehr anschaulich finde ich die Förmchen-Metapher von Boghossian: "Wir konstruieren Tatsachen [gemäß der Vorstellung vieler Konstruktivisten], indem wir mittels Begriffen bestimmte Dinge gruppieren. Unsere Begriffe kann man sich dabei wie Sand- oder Kuchenförmchen vorstellen: Sie stechen die Tatsachen aus der Welt aus, indem sie auf die eine oder andere Weise Grenzen und Linien ziehen."
Ein schönes Beispiel für die soziale Konstruktion ist das "Virus", d.h. die Ordnung der Krankheiten in epidemische und nicht epidemische Krankheiten. Ich nehme an, die Übertragbarkeit, die Ansteckungsmöglichkeit ist das Kriterium für die Einteilung. Diese "Gruppierung" liegt im Teig nicht vor, Menschen nehmen sie vor.
Ich habe hier eine schöne Box mit grünen und roten Glasperlen.
Die habe ich getrennt. Die Grünen sind die Guten und die Roten die Bösen. Das war in den Perlen schon drin (als Wahrheit an sich).
Und wenn Du die Roten gut findest bist Du halt eine Lügnerin die die Tatsachen nicht erkennt.
Sei froh, dass ich dir übers Internet nicht auf die Birne hauen kann.

;-)



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23588
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 6. Mär 2022, 18:22

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:38
Und nun?
Das musst du mit dir selbst ausmachen. Wenn du glaubst, dass Putin Recht hat, dann kann ich dir leider nicht helfen.

Von mir aus kannst du dich auf den Kopf stellen, dir ein Loch in die Knie machen und als Salzstreuer rumlaufen. Ich weiß, dass du weißt, das Despoten und Tyrannen immer die Wahrheit bekämpfen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23588
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 6. Mär 2022, 18:28

Friederike hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 17:43
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 09:16
Manchmal heißt es, dass der Konstruktivismus annimmt, dass wir "Tatsachen epistemisch individuieren". Das ist pi mal Daumen die Idee, dass wir die Tatsachen erst im Erkennen konstruieren, das heißt, es gäbe sie nicht ohne diesen Erkenntnis-Konstruktions-Vorgang. Sehr anschaulich finde ich die Förmchen-Metapher von Boghossian: "Wir konstruieren Tatsachen [gemäß der Vorstellung vieler Konstruktivisten], indem wir mittels Begriffen bestimmte Dinge gruppieren. Unsere Begriffe kann man sich dabei wie Sand- oder Kuchenförmchen vorstellen: Sie stechen die Tatsachen aus der Welt aus, indem sie auf die eine oder andere Weise Grenzen und Linien ziehen."
Ein schönes Beispiel für die soziale Konstruktion ist das "Virus", d.h. die Ordnung der Krankheiten in epidemische und nicht epidemische Krankheiten. Ich nehme an, die Übertragbarkeit, die Ansteckungsmöglichkeit ist das Kriterium für die Einteilung. Diese "Gruppierung" liegt im Teig nicht vor, Menschen nehmen sie vor.

Nun ist die Neigung oder Fähigkeit des Virus, von einem Menschen auf den anderen überzu"springen" zwar eine Eigenschaft des Virus, aber "Husten", "Niesen" und Nähe der Menschen untereinander sind Eigenschaften des Menschen, die der Virusneigung entgegenkommen. Dies ist allerdings nur ein Nebenaspekt, an dem deutlich wird, daß die Eigenschaften der Dinge und die Eigenschaften der Menschen eine Beziehung bilden.
Ich habe weiter oben ja mehrere Zitate aus dem Buch von Paul Boghossian gebracht.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

So 6. Mär 2022, 18:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 18:22
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:38
Und nun?
Das musst du mit dir selbst ausmachen. Wenn du glaubst, dass Putin Recht hat, dann kann ich dir leider nicht helfen.

Von mir aus kannst du dich auf den Kopf stellen, dir ein Loch in die Knie machen und als Salzstreuer rumlaufen. Ich weiß, dass du weißt, das Despoten und Tyrannen immer die Wahrheit bekämpfen.
Du hast das Argument nicht verstanden Jörn. Es geht nicht darum was ich glaube oder was Du glaubst. Natürlich ist Putin ein Idiot.
Mir geht es um die Haltung der Tyrannen. Die glauben ja nicht, dass sie im Irrtum wären.
Aber lass mal. Das bringt ja nichts.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23588
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 7. Mär 2022, 06:46

Ich habe einfach auf dein Argument mit etwas geantwortet, was ich für viel entscheidender halte, und was offensichtlich ist: dass nämlich in Diktaturen und Unrechtstaaten die Wahrheit immer bedroht ist und auch das freie Leben, das Recht der Menschen Mensch zu sein.

Das moralisch Gute, also z.b. das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht, ein Leben in Freiheit zu führen, werden in solchen Staaten bedroht. Nicht das Wahre und das Gute sind die Bedrohung, wie hier manchmal suggeriert wird, sondern sie selbst werden in solchen Staaten bedroht.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23588
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 7. Mär 2022, 09:27

Ich halte die Vorstellung, dass unser Recht, ein Leben in Selbstbestimmung zu führen, solange man andere damit nicht beschneidet, irgendwie zur Tyrannei führen soll oder Tyrannen in die Hände arbeiten, für absurd.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 7. Mär 2022, 13:08

Friederike hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:30
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 15:13
Wenn dich jemand fragt, wie viel Uhr es ist, und du sagst ihm, es sei kurz vor 3 Uhr, dann erhebst du damit einen Wahrheitsanspruch. Und das schuldest du dem anderen auch. Einen Wahrheitsanspruch erheben, heißt, das was, man sagt, für wahr zu halten.
Das ist aus meiner Sicht eine verwässerte Form der Anwendung des Wahrheitsbegriffes (wie wir sie im Alltag oft gebrauchen = umgangssprachlich).
Begründung: Zum einen geht es in Deinem Beispiel um die semantische Wahrheit. Die Aussage x ist dann wahr, wenn x der Fall ist. Wenn ich behaupte "es ist 3 Uhr", dann ist diese Aussage wahr, wenn es 3 Uhr ist. Weiterhin ist der Sachverhalt/Tatsache, um deren Wahrheit es geht, unter normalen Umständen (nicht, wenn es um den Zeitzünder an der Bombe geht) geringfügig, und darüberhinaus unter normalen Menschen kein Vorkommnis, über das sich überhaupt zu debattieren lohnt. Wenn ich im Rahmen Deines Beispiels sage, "es ist 3 Uhr, das ist wirklich wahr" (falls ein erstaunter Blick mich dazu bewegt), dann spreche ich so, wie man üblicherweise redet.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 7. Mär 2022, 13:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 7. Mär 2022, 06:46
Ich habe einfach auf dein Argument mit etwas geantwortet, was ich für viel entscheidender halte, und was offensichtlich ist: dass nämlich in Diktaturen und Unrechtstaaten die Wahrheit immer bedroht ist und auch das freie Leben, das Recht der Menschen Mensch zu sein.

Das moralisch Gute, also z.b. das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht, ein Leben in Freiheit zu führen, werden in solchen Staaten bedroht. Nicht das Wahre und das Gute sind die Bedrohung, wie hier manchmal suggeriert wird, sondern sie selbst werden in solchen Staaten bedroht.
Nehmen wir an wir hätten gar keine Vorstellung vom moralisch Guten wie Du es oben schilderst. Oder eine ganz andere Vorstellung.
Was genau könnte dann bedroht sein? Es gäbe dann ja nicht einmal eine Bedrohung (von was?).
Viele Russen und auch Chinesen glauben an das System in dem sie leben und die meinen dass wir auf dem Holzweg sind.
Natürlich konstruieren und konstituieren wir uns die Welt. Einfach dadurch dass wir Vorstellungen haben und diese umzusetzen versuchen.
Alles was man machen kann ist die Berechtigung der Vorstellungen irgendwie zu begründen. Manch einer stellt das auf eine naturalistische Basis, der Nächste auf eine theologische und wieder ein anderer glaubt an "Tatsachen an sich".
Und ich glaube nun zum Beispiel, dass die Selbstbestimmung daher rührt, dass wir frei entscheiden können (und nicht durch eine Wirklichkeit an sich gezwungen sind) wie wir unser Zusammenleben gestalten.
Deshalb lehne ich religiöse Moral ab. Weil sie den Menschen keine Wahl lässt (ausser sich von der Religion abzuwenden). Und die Vorstellung von einer "Moral an sich" kommt für mich dem gleich.
Für mich ist die entscheidende Frage nicht ob eine Moral richtig ist oder falsch, wahr oder unwahr, Tatsache oder nicht, sondern ob wir sie wollen können.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 7. Mär 2022, 13:40

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:22
Diese Bezeichnung ist im Übrigen sehr gängig! Entweder mit dem Verweis auf Pippi Langstrumpf oder dem Slogan "ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt".
Konstruktivist*innen leben in derselben Realität/Wirklichkeit wie Neu-Realist*innen. Falls sie Unschönes nicht sehen, dann hat es nichts mit ihrem Faible für den Konstruktivismus zu tun, sondern damit, daß sie Unschönes nicht sehen wollen. Gleiches gilt für Anhänger*innen des Neu-Realismus.

(Gewehre sind Gewehre. Punkt. Und der obige Slogan, von Dir -zustimmend- erwähnt, ist daneben).




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23588
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 7. Mär 2022, 14:41

Friederike hat geschrieben :
Mo 7. Mär 2022, 13:40
Gewehre sind Gewehre
Das ist jedoch ein Anti-Konstruktivistischer Slogan.
Friederike hat geschrieben :
Mo 7. Mär 2022, 13:40
Konstruktivist*innen leben in derselben Realität/Wirklichkeit wie Neu-Realist*innen.
Und das auch.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23588
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 7. Mär 2022, 15:18

Friederike hat geschrieben :
Mo 7. Mär 2022, 13:08
Friederike hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 16:30
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 6. Mär 2022, 15:13
Wenn dich jemand fragt, wie viel Uhr es ist, und du sagst ihm, es sei kurz vor 3 Uhr, dann erhebst du damit einen Wahrheitsanspruch. Und das schuldest du dem anderen auch. Einen Wahrheitsanspruch erheben, heißt, das was, man sagt, für wahr zu halten.
Das ist aus meiner Sicht eine verwässerte Form der Anwendung des Wahrheitsbegriffes (wie wir sie im Alltag oft gebrauchen = umgangssprachlich).
Begründung: Zum einen geht es in Deinem Beispiel um die semantische Wahrheit. Die Aussage x ist dann wahr, wenn x der Fall ist. Wenn ich behaupte "es ist 3 Uhr", dann ist diese Aussage wahr, wenn es 3 Uhr ist. Weiterhin ist der Sachverhalt/Tatsache, um deren Wahrheit es geht, unter normalen Umständen (nicht, wenn es um den Zeitzünder an der Bombe geht) geringfügig, und darüberhinaus unter normalen Menschen kein Vorkommnis, über das sich überhaupt zu debattieren lohnt. Wenn ich im Rahmen Deines Beispiels sage, "es ist 3 Uhr, das ist wirklich wahr" (falls ein erstaunter Blick mich dazu bewegt), dann spreche ich so, wie man üblicherweise redet.
Ich sehe nicht, warum der Wahrheitsbegriff verwässert wird, wenn man ein Alltagsbeispiel nimmt.




Antworten