PS. zu Elke Heidenreich, Rassismus usw.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Friederike
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So 7. Nov 2021, 14:48

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 14:32
[...] Das war ein Beispiel meinerseits wo jemand aus der Hautfarbe auf einen (Einwanderungs-)Hintergrund schliesst ...
:oops: o, ich hatte Dich komplett mißverstanden.




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NaWennDuMeinst
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So 7. Nov 2021, 14:55

Friederike hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 14:48
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 14:32
[...] Das war ein Beispiel meinerseits wo jemand aus der Hautfarbe auf einen (Einwanderungs-)Hintergrund schliesst ...
:oops: o, ich hatte Dich komplett mißverstanden.
Kann passieren. Aber verstehst Du denn warum ich Schwierigkeiten mit einigen Aussagen hier habe?
Verstehst Du mein Argument?



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Burkart
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So 7. Nov 2021, 15:01

Friederike hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 13:05
Burkart hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 12:12
Ist es auch 'rassistisch' zwischen blauen und brauen Augen oder blonden und dunklen Haaren zu unterscheiden? Zumindest folgern wir für unseren persönlichen Geschmack etwas daraus, oder?
Traditionell haben wir die Menschen nicht auf der Grundlage des Kriteriums der Haarfarbe oder der Augenfarbe eingeteilt ("Tonio Kröger" lasse ich beiseite).
Was heißt "traditionell"?
Zumindest früher galt mal als blond und blauäugig eher als Nordeuropäer, umgekehrt eher als Südeuropäer. Oder kennst du das nicht?



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Friederike
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So 7. Nov 2021, 15:17

Burkart hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 12:09
Radikal rassistisch und ausländerfeindlich gesprochen einfach weniger Leute aus solchen Gebieten hineinlassen ...
... aber das wollen wir ja nicht, nehmen also lieber solche Anschlage in Kauf...
Praktisch müsste es natürlich einen besseren Weg geben, aber dazu muss erst einmal akzeptiert werden, dass es solche Probleme überhaupt gibt und sie nicht unter den Teppich "Rassismus" oder "Ausländerfeindlichkeit" kehren.
Ich glaube zwar nicht, daß ich Deine Auffassung (in Hinsicht auf "Fremde" in D, ich beziehe mich auf mehrere Beiträge von Dir [siehe "Überschwemmung" u.a.]) teile, aber mir wird an dieser Stelle bewußt, daß es für eine inhaltliche Auseinandersetzung nur hinderlich ist, wenn bestimmte Worte zu Kampfbegriffen werden. Ob diese Art von Funktionalisierung Vermeidung zum Ziel hat, weiß ich nicht. Naja, zumindest macht sie komplexe Situationen überschaubar. 8-)




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Friederike
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So 7. Nov 2021, 15:22

Burkart hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 15:01
Was heißt "traditionell"? Zumindest früher galt mal als blond und blauäugig eher als Nordeuropäer, umgekehrt eher als Südeuropäer. Oder kennst du das nicht?
Ich weiß nicht, ob ich die richtige Antwort gebe, aber schwarzhäutigen Menschen hatten weißhäutige Menschen doch das Menschsein abgesprochen? Das scheint mir nicht unbedeutend.




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So 7. Nov 2021, 15:39

Burkart hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 12:09
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 11:45
Burkart hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 11:11

Vielleicht es eine mögliche Ursache für die Tat besser erklärt (und somit in der Zukunft u.U. bessere Prävention usw.)
Was genau könnte die Herkunft des Täters mit der Ursache für die Tat zu tun haben
Weil er in seinem Heimatland viel Leid vermutlich erfahren hat und entsprechend dadurch eher psychisch krank oder zumindest geprägt sein kann.
Ich würde meinen das trifft auf die meisten der Flüchtlinge aus Kriegsgebieten zu. Und auch die Reise nach Europa ist für diese Menschen oft traumatisch.
Deshalb sind das aber nicht alle "Messerstecher". Bei dem Täter muss also noch was hinzugekommen sein, das mit seiner Herkunft nichts, oder vielleicht nur indirekt zu tun hat
Vielleicht hat man ihn ja auch (wegen seiner Herkunft) beleidigt, ihn ausgegrenzt, ihm keine Chance gegeben?
und wie glaubst Du sähe eine "bessere Prävention" aus?
Radikal rassistisch und ausländerfeindlich gesprochen einfach weniger Leute aus solchen Gebieten hineinlassen...
... aber das wollen wir ja nicht, nehmen also lieber solche Anschlage in Kauf...
Praktisch müsste es natürlich einen besseren Weg geben, aber dazu muss erst einmal akzeptiert werden, dass es solche Probleme überhaupt gibt und sie nicht unter den Teppich "Rassismus" oder "Ausländerfeindlichkeit" kehren.
Wir lassen diese Menschen hierher, weil die Menschenrechte - an die wir glauben und an denen wir festhalten - uns das so "vorschreiben".
Und es wäre ja unsinnig genau die Leute nicht hierher zu lassen, auf die genau die Kriterien für z.B. politisch Verfolgte zutreffen, die in den Menschenrechten und Asylgesetzen festgelegt sind.
Will sagen: Diese Gesetzte sind ja genau für solche Leute geschaffen worden, also solche die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Und diese Menschen sind nun mal traumatisiert. Das bringt Krieg so mit sich.
Wenn Du das "vermeiden" willst musst Du ganz einfach Kriege vermeiden.



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So 7. Nov 2021, 15:48

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 14:43
Ja. Klar. Und? Davon gehe ich in der Regel sogar aus. Das schliesst doch aber nicht aus, dass er einen Einwanderungshintergrund (also Wurzeln in einem anderen Land) hat, auch wenn er deutscher Bürger und sogar hier geboren ist (es kann ja alles davon zutreffen). Und natürlich deutet (u.a.) seine Hautfarbe darauf hin. Und wenn ich so schlußfolgere, wieso ist das dann rassistisch oder diskriminierend?
Ich habe aber doch daraus nur geschlossen, daß die Norm der weiße Bürger ist. Mehr nicht. Aah, :roll: um Dich nicht wieder mißzuverstehen - Du adressierst gar nicht an mich persönlich, sondern an diejenigen, die so meinen. Ja, ich würde diese Haltung auch nicht als rassistisch bezeichnen oder negativ diskriminierend.
NWDM hat geschrieben : Du hast doch oben geschrieben Menschen in Gruppen mit schwarzer und weißer Hautfarbe einzuteilen sei rassistisch (oder zumindest meinst Du das Hasters das meint).
Um diese Behauptung geht es mir. Weil ich das für Unfug halte. Das kann so sein. Muss es aber nicht. Genauso wie eine solche Einteilung nicht per se eine Wertung (z.B. "du bist abseits der Norm") enthält oder (wie hier noch stärker behauptet wird) allein selbst schon eine Wertung ist (Stefanie: Jemanden Ausländer zu nennen ist eine Wertung; der reine Begriff "Ausländer" selbst ist schon die Wertung).
Das sind für mich die eigentlich spannenden Fragen.
Kann man die Zweiteilung an sich "rassistisch" nennen und was bringt es, wenn man das tut (irgendwie nimmt man den Begriff dann aus dem historischen Kontext raus) ...
Ist es überhaupt möglich, Einteilungen vorzunehmen, Begriffe zu benutzen, die ohne Wertung sind?
Ich meine mit Wertung nicht "besser" oder "schlechter", sondern eine Form von Wertung, die zwischen "beschreibend" und "wertend" liegt.




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Nauplios
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So 7. Nov 2021, 16:05

Friederike hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 10:40

Deinen Unmut reime ich mir so zusammen: Das Buch ist dermaßen simpel polarisierend gestrickt, daß für nuancierende und differenzierte Betrachtungsweisen kein Raum bleibt. Du erfährst nichts Neues; anstelle dessen wird Dir, den Lesenden ein schlichtes "pro"-"anti" oder "schwarz"-"weiß"- Muster vorgelegt und übergestülpt, in dem man sich mit jeder Kritik automatisch auf die eine oder die andere Seite begibt.
Selbst wenn das Muster nur zwei Optionen böte, würde ich es mir gerne überstülpen lassen. Zwei sind mehr als eine. Das Buch bietet mir stattdessen nur eine Option an. Das ist ja gerade das, was ich in "gewaltigen Argumentationsketten aufgebaut" habe, daß man ohne zwei Seiten einer Unterscheidung, deren eine man bezeichnet, nicht beobachten kann. Das Buch bietet auch dem Leser keine zwei Seiten. WÄRE noch ein Pro/Contra möglich, dann könnte sich der Leser in ein "Gespräch" mit der Autorin begeben; auch das Lesen ist ja eine Gesprächssituation, in der sich der Leser zum Gelesenen (nach-)denkend, abwägend, rezitierend, rezensierend ... als "impliziter Leser" (Wolfgang Iser) verhalten kann. -

Wenn der Leser jedoch vor, während und nach dem Lesen eben jener Rassist bleibt, der er ohnehin immer schon war, dann hat er die Option auf ein "Contra" nicht mehr, weil jedes "Contra" den Beweis für seinen Rassismus liefert. Nicht nur, daß ihm die volle Breite eines Deutungshorizonts vorenthalten wird (Teilhabe an Definitionsverfahren u.ä.); es werden nicht einmal mehr zwei Möglichkeiten offeriert. Der Leser hat genau eine: Schweigen. Er ist Rassist. Er bleibt Rassist. Und wenn er den Mund zum Widerspruch öffnet, hat er den Beweis dafür erbracht. - Wer "(betriebs)blind" ist, dessen Augen werden nach erfolgter Lektüre so wenig sehend, wie die Ohren des Schwerhörigen hörend.

Und wenn mir dann noch in dem von Stefanie verlinkten PDF (Amnesty International) bedeutet wird, daß "Kritik an diskriminierungssensiblem Sprachgebrauch" sich "oft in eine ganze Liste antimodernistischer Tendenzen [einreiht], zu denen nicht selten ebenso Antifeminismus, Rechtspopulismus oder Homophobie gehören", dann weiß ich bessere Hörgeräte zu finden, an denen ich meine "gewaltigen Argumentationsketten" ausprobieren kann.




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So 7. Nov 2021, 16:37

"Kritik" - das galt und gilt in der Philosophie als die Tätigkeit des κρίνειν, des "Unterscheidens", "Trennens", als philosophisches Kerngeschäft des Wagnisses, zu denken.

"Sprachkritik" hat im letzten Jahrhundert als Handwerk einer Schule deren Vertreter ernährt.

"Kritik an diskriminierungssensiblem Sprachgebrauch" als Teil einer Lieferkette darzustellen, der Antimodernisten, Rechtspopulisten, Homophobe zuarbeiten, heißt, von philosophischen Grundkenntnissen unbelastet Verdummung zu betreiben.




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So 7. Nov 2021, 18:23

Friederike hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 15:22
Burkart hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 15:01
Was heißt "traditionell"? Zumindest früher galt mal als blond und blauäugig eher als Nordeuropäer, umgekehrt eher als Südeuropäer. Oder kennst du das nicht?
Ich weiß nicht, ob ich die richtige Antwort gebe, aber schwarzhäutigen Menschen hatten weißhäutige Menschen doch das Menschsein abgesprochen? Das scheint mir nicht unbedeutend.
Was heißt "Menschsein abgesprochen"? Ist Sklaverei etwas, dass für dich dazu führt?
Dann gab es sie natürlich... wobei mir irgendwie gerade "moderne Sklaverei" als Stichwort in den Sinn kommt (siehe z.B. 996 (Arbeitswoche)), die weit auslegbar ist.
Zuletzt geändert von Burkart am So 7. Nov 2021, 18:29, insgesamt 2-mal geändert.



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So 7. Nov 2021, 18:27

Nauplios hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 16:05
Wenn der Leser jedoch vor, während und nach dem Lesen eben jener Rassist bleibt, der er ohnehin immer schon war, dann hat er die Option auf ein "Contra" nicht mehr, weil jedes "Contra" den Beweis für seinen Rassismus liefert.
Wenn ich mit extrem guten Willen da rangehe unterstelle ich Frau Hasters, dass das Absicht ist, also dass sie versucht hat den Leser genau diese Ausweglosigkeit fühlen zu lassen. Als Weißer bin ich auf die Rolle des Rassisten festgelegt, so wie die Schwarzen auf ihre Rolle als Unterdrückte festgelegt sind. Es ist vielleicht gerade ihre Absicht gewesen dass wir uns dagegen empören.
Falls das ihre Intention war dann weiß ich nicht ob ich das gutfinden soll. Das muss dann nämlich erkannt und verstanden werden und die Gefahr das misszuverstehen und dass das anstelle von Verständnis nur Unverständnis und Widerwillen erzeugt ist groß.
Hinzu komm dass das jetzt - in meinem Fall - auch nicht nötig ist. Ich muss nicht selber rassistische Ausgrenzung und ungewollte Rollenzuschreibung erfahren um zu wissen dass das schei*e ist. Ich hätte dann doch lieber gewusst was wir tun um gemeinschaftlich da raus zu kommen.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am So 7. Nov 2021, 18:37, insgesamt 1-mal geändert.



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So 7. Nov 2021, 18:37

Burkart hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 18:23
Was heißt "Menschsein abgesprochen"? Ist Sklaverei etwas, dass für dich dazu führt? Dann gab es sie natürlich... wobei mir irgendwie gerade "moderne Sklaverei" als Stichwort in den Sinn kommt (siehe z.B. 996 (Arbeitswoche)), die weit auslegbar ist.
Nunja, ich wollte lediglich darauf hinaus, daß die Unterscheidung in Nord- und Südeuropäer vielleicht minder gravierend war wie die Unterscheidung in schwarze und weiße Menschen. Das müßte eigentlich einleuchten?!




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So 7. Nov 2021, 18:54

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 18:27

Wenn ich mit extrem guten Willen da rangehe unterstelle ich Frau Hasters, dass das Absicht ist, also dass sie versucht hat den Leser genau diese Ausweglosigkeit fühlen zu lassen. Als Weißer bin ich auf die Rolle des Rassisten festgelegt, so wie die Schwarzen auf ihre Rolle als Unterdrückte festgelegt sind. Es ist vielleicht gerade ihre Absicht gewesen dass wir uns dagegen empören.
Seinen guten Willen könnte man auch hierauf verwenden:
20211107_183424.jpg
20211107_183424.jpg (3.45 MiB) 3767 mal betrachtet
... etwa auf den Aufsatz von Thaddeus Metz: Auf dem Weg zu einer Afrikanischen Moraltheorie in: "Afrikanische politische Philosophie", in dem es heißt: "Mein Ziel ist es, ein ethisches Prinzip zu entwickeln, das sich nicht nur direkt aus dem Nährboden afrikanischen Denkens speist und sich somit von den verbreiteten westlichen Moraltheorien unterscheidet ... " (S. 296)

... oder das zweite Kapitel von Mbembes Kritik der schwarzen Vernunft, dessen Titel ich hier nicht zitieren kann, weil in ihm ein Wort vorkommt, welches den Stempel "rassistisch" hat.




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So 7. Nov 2021, 19:53

Vorurteile, oder: In wie weit darf Satire diskriminieren?
https://www.youtube.com/watch?v=sunrqa4_Wlk



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So 7. Nov 2021, 19:57

Nauplios hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 18:54
Seinen guten Willen könnte man auch hierauf verwenden:

... etwa auf den Aufsatz von Thaddeus Metz: Auf dem Weg zu einer Afrikanischen Moraltheorie in: "Afrikanische politische Philosophie", in dem es heißt: "Mein Ziel ist es, ein ethisches Prinzip zu entwickeln, das sich nicht nur direkt aus dem Nährboden afrikanischen Denkens speist und sich somit von den verbreiteten westlichen Moraltheorien unterscheidet ... " (S. 296)

... oder das zweite Kapitel von Mbembes Kritik der schwarzen Vernunft, dessen Titel ich hier nicht zitieren kann, weil in ihm ein Wort vorkommt, welches den Stempel "rassistisch" hat.
Ich kenne leider nichts davon. Worum geht es? Moralphilosophie?
Ich finde die Idee aber schon reizvoll hier mal eine "schwarze" Philosophie näher zu betrachten.



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So 7. Nov 2021, 20:01

"Eben jene Begriffe der 'Befreiung' und der 'Freiheit' - die stolzen, klaren und populären Schlagwörter des gestrigen antikolonialen Kampfes - bilden das opake, obskure und mehrdeutige Enigma von heute. (...) Im Gegensatz zur jüngeren Vergangenheit mißversteht das postkoloniale 'unabhängige' Afrika heute ebenjene Begriffe. (...) Die Quelle dieses ärgerlichen 'Mißverständnisses' zu erkunden und zu entziffern, ist die eigentliche Aufgabe der zeitgenössischen Afrikanischen Philosophie. (...) Hans-Georg Gadamer, dem Vater der zeitgenössischen philosophischen Hermeneutik zufolge ist es ebendiese negative Situation des 'Mißverständnisses' und der Entfremdung innerhalb des gelebten Kontexts einer Tradition (das heißt einer bestimmten Geschichtlichkeit), die den Ursprung der Hermeneutik als einer besonderen philosophischen Orientierung darstellt. (...) In dieser Hinsicht besteht die vornehmliche Aufgabe der Philosophie in Afrika darin, systematisch eine radikale Hermeneutik der zeitgenössischen afrikanischen Situation auszuarbeiten."
(Tsenay Serequeberhan; Die Philosophie und das postkoloniale Afrika: Historizität und Denken, in: Afrikanische politische Philosophie; S. 59f)

Fabien Eboussi Boulaga schreibt in seinem Beitrag über "Die Notwendigkeit einer gegenseitigen 'Dekolonialisierung' unseres Denkens":

"Der einfachste Weg wäre - wie so oft - , die Schuld auf andere zu schieben. Wir wurden vor langer Zeit von einem alten kongolesischen Schriftsteller davor gewarnt, dies zu tun. Er schrieb bereits 1973:
Es ist sehr bequem für uns, die Schuld für all das, was in unserem Land passiert, dem Kolonialismus zuzuschieben, den Machenschaften der früheren Kolonialmächte. (...) Die Schuld immer nur auf die anderen zu schieben, macht uns letzten Endes zu ewigen Opfern ..." (S. 116)




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So 7. Nov 2021, 20:09

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 19:57
Nauplios hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 18:54
Seinen guten Willen könnte man auch hierauf verwenden:

... etwa auf den Aufsatz von Thaddeus Metz: Auf dem Weg zu einer Afrikanischen Moraltheorie in: "Afrikanische politische Philosophie", in dem es heißt: "Mein Ziel ist es, ein ethisches Prinzip zu entwickeln, das sich nicht nur direkt aus dem Nährboden afrikanischen Denkens speist und sich somit von den verbreiteten westlichen Moraltheorien unterscheidet ... " (S. 296)

... oder das zweite Kapitel von Mbembes Kritik der schwarzen Vernunft, dessen Titel ich hier nicht zitieren kann, weil in ihm ein Wort vorkommt, welches den Stempel "rassistisch" hat.
Ich kenne leider nichts davon. Worum geht es? Moralphilosophie?
Ich finde die Idee aber schon reizvoll hier mal eine "schwarze" Philosophie näher zu betrachten.
Komme später darauf zurück, NWDM.




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Mo 8. Nov 2021, 00:22

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 7. Nov 2021, 19:57

Ich kenne leider nichts davon. Worum geht es? Moralphilosophie?
Ich finde die Idee aber schon reizvoll hier mal eine "schwarze" Philosophie näher zu betrachten.

"Wenn in Afrika ein Greis stirbt, verbrennt eine Bibliothek." - Diese Sentenz stammt von dem malischen Schriftsteller Amadou Hampâté Bâ. Es gibt natürlich eine Reihe von afrikanischen Philosophen, die in Amerika beziehungsweise Europa studiert haben, die also mit den westlichen philosophischen Schulen absolut vertraut sind. Und daneben gibt es eine Kultur der mündlichen Überlieferung, die Sprichwörter und Sentenzen wie die obige bewahrt. - Die fehlende Schriftlichkeit wird aus europäischer Sicht oft als Ausdruck fehlender Philosophie mißverstanden. -

"Daß es keine Schrift gab, hat Afrika niemals seiner Vergangenheit, seiner Geschichte beraubt. (…) Die Schrift ist eine Sache und das Wissen eine andere. Die Schrift ist die Fotografie des Wissens, aber nicht das Wissen selbst. Das Wissen ist ein Licht, das sich im Menschen befindet. Es ist das Erbe von allem, was die Vorfahren erkennen konnten und uns im Keim übermittelt haben." (Amadou Hampâté Bâ)

Afrika ist der zweitgrößte Kontinent der Erde und seine kulturelle Vielfalt umfaßt islamisch geprägte, christlich geprägte, aber auch durch traditionelle Volksreligionen geprägte Länder und Gegenden. In den 50er und 60er Jahren wurde viele Länder in Afrika "unabhängig", blieben aber dennoch unter dem beherrschenden Einfluß ehemaliger Kolonialmächte. Dazu kommen Impulse aus der arabischen Welt und es gibt eben keine in Aufzeichnungen und Büchern dokumentierte Geschichte einer im engeren Sinne afrikanischen Philosophie.

So gibt es im Grunde auch keine einheitliche "schwarze Philosophie". Die afrikanischen Philosophen greifen sowohl auf die mündlichen Überlieferungen und Kulturen ihrer Ahnen als auch auf europäische und arabische Traditionen zurück.

In den westlichen philosophischen Diskursen ist "afrikanische Philosophie" sicher zur Zeit eher ein Randphänomen; aber inzwischen gibt es einige Veröffentlichungen dazu. Vor allem die Kritik der schwarzen Vernunft des kamerunischen Politikwissenschaftlers und Philosophen Achille Mbembe hat in Europa und Amerika Aufsehen erregt. In Deutschland wurde Mbembe dafür 2015 mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet. Dann im vergangenen Jahr kam es zu dieser unsäglichen Antisemitismus-Debatte gegen Mbembe, von dem es heißt, daß er nie wieder in Deutschland auftreten möchte. (Ich drösele das jetzt mal nicht im einzelnen auf.)




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Nauplios
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Mo 8. Nov 2021, 00:35

Die Debatte um den "Antisemitismus" Mbembes und seine vermeintliche "Relativierung des Holocaust" ist hier auf der Seite des "Deutschlandfunks" recht gut dokumentiert. Sie enthält eine Übersicht der wichtigsten Positionen und Stellungnahmen sowie weitere Links:

Darum geht es beim Streit um Achille Mbembe




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Mo 8. Nov 2021, 03:20

Ich habe mir in den letzten zwei Stunden mehrere Beiträge im Deutschlandfunk und DeutschlandRadio Kultur angehört zur Debatte um Achille Mbembe. Insbesondere das Gespräch zwischen Aleida Assmann und Susan Neiman geht der Sache auf den Grund. Das Streitgespräch zwischen Alan Posener und Stephan Detjen dokumentiert den Frontverlauf der Debatte. Mir persönlich haben auch die Interviews mit Micha Brumlik und Claus Leggewie gefallen, weniger die Analyse von Gerald Beyrodt.

Hervorheben möchte ich die Ausführungen des israelischen Philosophen Moshe Zuckermann, der Mbembe gegen den Vorwurf des Antisemitismus in Schutz nimmt und in dem Zusammenhang von "deutschen Befindlichkeiten" spricht. - Alle Links finden sich auf der Seite des Deutschlandfunks (s.o.)

"Wir" (Deutschen) verleihen einem der bedeutendsten Philosophen des afrikanischen Kontinents den "Geschwister-Scholl-Preis" (!), und fünf Jahre später wird ebenjener Philosoph mit dem Vorwurf der Verharmlosung des Holocaust überzogen. Daraufhin erklären 37 israelische (!) und jüdische Wissenschaftler ihre Solidarität mit Mbembe, 700 afrikanische Intellektuelle unterzeichnen einen offenen Brief an die deutsche Kanzlerin und an den Bundespräsidenten, in dem sie die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Mbembe als Beschädigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung bezeichnen.

"Man bestimmt von Deutschland aus wieder, wer Jude ist und wer nicht." (Moshe Zuckermann)

Wenn man etwas über Rassismus wissen will, ist man bei Mbembes Kritik der schwarzen Vernunft an einer sehr guten Adresse.




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