PS. zu Elke Heidenreich, Rassismus usw.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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NaWennDuMeinst
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Mo 1. Nov 2021, 09:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 07:44
Alice Hasters hat geschrieben : Tupoka Ogette bringt es in ihrem Buch exit RACISM auf den Punkt: »Die Europäer waren nicht zu Sklavenhändlern geworden, weil sie Rassisten waren. […] Sie wurden zu Rassisten, um Menschen für ihren eigenen Profit versklaven zu können. Sie brauchten eine ideologische Untermauerung; eine moralische Legitimierung ihrer weltweiten Plünderungsindustrie. Kurz und plakativ: Sie wollten gut schlafen.«
Das entspricht ziemlich genau dem, was Christian Geulen in seinem Buch über die Geschichte des Rassismus schreibt. Dabei ging es nicht bloß um irgendeine Form der Diskriminierung, sondern es wurde ein ganzes System von "Überzeugungen" aufgebaut, welches die bestialischen Praktiken rechtfertigen sollte. Und dieses System wird mit Worten, Bildern, Praktiken... von Generation zu Generation weitergetragen und wirkt auf Art und Weise oft und bis heute unterschwellig weiter. Um das zu unterbrechen, braucht es eben eine neue Form der "Empfindlichkeit". Doch diese Empfindlichkeit gilt es zu entwickeln - unter anderem, indem man die entsprechenden Texte, Videos etc. zur Kenntnis nimmt.
Das ist alles richtig und wohlbekannt. Es geht darum die rassistischen Strukturen die innerhalb der Gesellschaft aufgebaut wurden abzubauen.
Dazu braucht es ein empfindliches Erkennen gegenüber diesen Strukturen.
Dem stimme ich voll und ganz zu und dagegen wende ich mich nicht. Ich wende mich gegen eine Überempfindlichkeit, die aus diesem wichtigen Versuch heraus entsteht.
Die Frage wann wir es mit einer dieser rassistischen Strukturen zu tun haben, und wann mit harmloser Interaktion zwischen Menschen, steht zur Diskussion.
Und diese Diskussion kann nicht allein von den Betroffenen geführt werden.



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Friederike
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Mo 1. Nov 2021, 12:16

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 01:44
1+1=3 hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 00:26
Die Unterschiede hier spielen auf die zwischen "Menschengruppen" gemachten an (welche eben eigens dazu eingerichtet wurden), die allein dadurch bereits im Wortsinne diskriminiert (= unterschieden) werden. Und was sollten Unterschiede wohl bezwecken, wenn ihnen nicht entsprechende (!) "Sonderbehandlungen" folgen würden - sie wären doch völlig "sinnlos".
Unterschiede werden aber nicht nur gemacht, sie sind genauso auch einfach vorhanden (vorgegeben). Zum Beispiel die Unterschiede in den Kulturen. Die gibt es und die sind feststellbar. Auch die Unterschiede in den Hautfarben sind erstmal da. Die hat keiner "gemacht". Und diese Unterschiede festzustellen ist keine Diskriminierung, sondern einfach eine Beobachtung. Auch ist die Herkunft nicht "gemacht". Wenn ein Mensch mit seiner Familie aus Asien kommt, kommt er aus Asien und eben nicht aus Europa. Das ist dann nicht "gemacht", sondern einfach ein Fakt. Ich wüsste nicht was daran problematisch sein sollte Hautfarben, Kulturen, Herkunftsländer usw zu unterscheiden.
Man könnte die Menschen ebenso gut in Hinsicht auf ihre Größe, ihre Haarfarbe, ihren Körperumfang unterscheiden. Das hört sich lächerlich an, aber es klingt nur deswegen so lächerlich, weil wir eingeübt sind, die Hautfarbe oder das Geschlecht für eine grundlegende Unterscheidung anzusehen. Ich halte es also nicht für eine Angelegenheit der "Beobachtung". Wir beobachten an Menschen auch Merkmale, aufgrund derer wir sie nicht sortieren. Damit möchte ich nur sagen, daß die Menschen-Ordnung, d.h. die Einteilung in Menschen-Gruppen "gemacht" ist, und wenn es sich so verhält, dann ist auch eine andere Ordnung zu denken möglich. Die Gründe für die Einteilung, die wir vornehmen, sind also nicht auf der Beobachtungsebene zu finden, sondern in gesellschaftlichen Praktiken (siehe z.b. die Geulen-Zitate).




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Mo 1. Nov 2021, 12:31

Friederike hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 12:16
Man könnte die Menschen ebenso gut in Hinsicht auf ihre Größe, ihre Haarfarbe, ihren Körperumfang unterscheiden.
Nicht nur könnte. Das machen wir ja auch. Je nach Zweck ziehen wir unterschiedliche Merkmale heran.
Mir ging es hier nur darum: Festzustellen, dass ein Mensch "asiatisch" aussieht ist noch kein Rassismus. Das ist einfach nur eine Feststellung.
Zu schlußfolgern, dass Jemand der asiatische Merkmale zeigt in seiner Familiengeschichte asiatische Wurzeln aufweist ist kein Rassismus, sondern einfach nur folgerichtig, weil wir eben wissen, dass bestimmte Phänotypen vermehrt auf bestimmten Kontinenten vorkommen, bzw dort ihren Ursprung haben.
Irgendwann, wenn sich die Menschlein immer mehr vermischen, wird es vielleicht nicht mehr möglich sein anhand des Phänotyps eine Herkunft zu bestimmen (das geht dann nur noch anhand des Genotyps).
Aber momentan ist es teilweise noch möglich die Abstammung anhand des Phänotyps (mehr oder weniger genau) zu erkennen.
Damit möchte ich nur sagen, daß die Menschen-Ordnung, d.h. die Einteilung in Menschen-Gruppen "gemacht" ist, und wenn es sich so verhält, dann ist auch eine andere Ordnung zu denken möglich.
Und ich möchte einfach nur sagen sie (diese Einteilung) basiert auf Merkmalen die eben nicht "gemacht" sind, sondern beobachtet werden.
Dass es Menschen gibt die ein Epikanthus medialis aufweisen und dass diese Menschen vor allem aus dem asiatischen Raum stammen, haben wir uns nicht ausgedacht um diese Menschen zu "diskriminieren".
Das ist einfach so.



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Friederike
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Mo 1. Nov 2021, 13:13

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 12:31
Und ich möchte einfach nur sagen sie (diese Einteilung) basiert auf Merkmalen die eben nicht "gemacht" sind, sondern beobachtet werden. Dass es Menschen gibt die ein Epikanthus medialis aufweisen und dass diese Menschen vor allem aus dem asiatischen Raum stammen, haben wir uns nicht ausgedacht um diese Menschen zu "diskriminieren". Das ist einfach so.
Hm, ich finde, Du bist an meinem Argument vorbeigelaufen. Menschen haben sehr viele Merkmale, die man für eine Einteilung in Gruppen heranziehen kann. Warum aber sortieren wir in "männlich" und "weiblich" oder "schwarz" und weiß"? Die Gründe dafür können nicht in der Beobachtung des Aussehens liegen, eben weil es andere Erscheinungsmerkmale gibt, die wir ganz genauso beobachten, die aber nicht herangezogen werden, um grundlegend zu ordnen.




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NaWennDuMeinst
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Mo 1. Nov 2021, 13:36

Friederike hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 13:13
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 12:31
Und ich möchte einfach nur sagen sie (diese Einteilung) basiert auf Merkmalen die eben nicht "gemacht" sind, sondern beobachtet werden. Dass es Menschen gibt die ein Epikanthus medialis aufweisen und dass diese Menschen vor allem aus dem asiatischen Raum stammen, haben wir uns nicht ausgedacht um diese Menschen zu "diskriminieren". Das ist einfach so.
Hm, ich finde, Du bist an meinem Argument vorbeigelaufen.
Ich sehe nicht was Dein Argument mit der Fragestellung zu tun hat.
Es geht hier um die Frage ob es diskriminierend ist, wenn ich feststelle dass ein Mensch z.B. asiatische Merkmale hat und ich ihn deshalb nach seinen asiatischen Wurzeln frage.
Natürlich sortiere ich den Menschen in dem Moment ein : "Ah, nur eine Lidfalte = Asiatisch = asiatische Herkunft, bzw asiatische Wurzeln".
Aber warum sollte diese Einteilung "diskriminierend" sein?
Es kann ja sein, dass der Mensch nicht auf seine Wurzeln angesprochen werden will (Weil er sich seiner schämt oder was weiß ich was er für Gründe hat). Aber das kann er dann ja einfach sagen. Deshalb muss man ja nicht auch all die hundert Millionen Fälle am Tag unterbinden wo das überhaupt kein Problem für Niemanden darstellt.
Menschen haben sehr viele Merkmale, die man für eine Einteilung in Gruppen heranziehen kann. Warum aber sortieren wir in "männlich" und "weiblich" oder "schwarz" und weiß"? Die Gründe dafür können nicht in der Beobachtung des Aussehens liegen, eben weil es andere Erscheinungsmerkmale gibt, die wir ganz genauso beobachten, die aber nicht herangezogen werden, um grundlegend zu ordnen.
Wir sortieren Menschen nicht nur nach schwarz und weiß. Wir sortieren sie nach allen möglichen Gesichtspunkten und zu unterschiedlichen Zwecken. Dass z.B. Zwecke wie soziale Benachteiligungen dabei keine akzeptablen Zwecke sind ist geschenkt.
Das weiß ich.
Aber wo liegt denn bitteschön die "soziale Benachteiligung", wenn ich von einem Menschen einfach nur etwas über seine Wurzeln (seine geographischen und kulturellen Wurzeln) wissen will. Was zum Geier hat das mit Diskriminierung und Rassismus zu tun?
Nichts. Einfach mal rein gar nichts.
Einigen Menschen sind diese Fragen unangenehm. Ich verstehe das. Ist kein Problem. Das muss er mir nur sagen und dann stelle ich ihm diese Fragen nicht mehr. Aber wieso es nun einen gesellschaftlichen Diskurs darüber geben muss ob es grundsätzlich zulässig ist Menschen nach ihren Wurzeln zu fragen checke ich nicht. Wieso muss man zwanghaft und mit Gewalt aus einer im Grunde harmlosen Frage einen Akt der Diskriminierung konstruieren? Das ist mir echt zu hoch.

Mein Eindruck ist, seitdem man erkannt hat (was gut ist!), dass es in unserer Gesellschaft offene aber auch versteckte rassistische Strukturen gibt , suchen einige so zwanghaft nach den versteckten Strukturen, dass sie anfangen überall Gespenster zu sehen und den Leuten dabei gehörig "auf den Sack" gehen (was dann nicht mehr gut ist). Das Ganze wird zur Hysterie und irgendwer muss diesen Hysterie-Zug jetzt mal stoppen, bzw abbremsen bevor er hier Hinz und Kunz einfach vollkommen undifferenziert plattwalzt.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Mo 1. Nov 2021, 13:53, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Mo 1. Nov 2021, 13:53

Zur Erinnerung, wie die Dinge unter anderem nach Ansicht der Vereinten Nationen (UN) liegen.
Tupoka Ogette hat geschrieben : Von klein auf wird uns eingetrichtert, dass Rassismus einerseits verabscheuenswert ist, aber andererseits auch stets eine Intention voraussetzt. Rassismus wird somit nicht als System verstanden, sondern als vorsätzliche Handlung einer einzelnen Person. Natürlich ist dieses Denken auch in anderen Ländern vorhanden. In Deutschland ist dies allerdings so stark ausgeprägt, dass es sich eine Rüge der UN zuzog, die darauf hinwies, dass es in Deutschland wenig bis keine Kenntnis über institutionelle Formen des Rassismus in Schule oder auf dem Arbeitsmarkt und Wohnungsmarkt gibt.

[von mir hervorgehoben]

[Joshua Kwesi Aikins]: »Problematisch ist in Deutschland das verengte Verständnis von Rassismus. Sehr viel gewonnen wäre bereits, wenn die Menschenrechte und insbesondere die UN-Antirassismus-Konvention zugrunde gelegt würden, wann wir es mit Rassismus zu tun haben – immerhin hat Deutschland sich schon vor 40 Jahren verpflichtet, dieses Menschenrecht umzusetzen. Das geschieht leider nicht. Hierzulande wird zu oft die persönliche Meinung, genauer die herabsetzende Absicht, als maßgeblich für die Frage angesehen, ob Rassismus vorliegt. Dabei fallen all jene Fälle hinten runter, in denen der Täter zwar keine rassistische Absicht verfolgte, aber dennoch eine solche Wirkung auslöste. Ebenso unberücksichtigt bleibt die institutionelle rassistische Diskriminierung. Beides ist menschenrechtlich ganz klar als rassistische Diskriminierung definiert.«




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Mo 1. Nov 2021, 13:59

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 13:53
Zur Erinnerung, wie die Dinge unter anderem nach Ansicht der Vereinten Nationen (UN) liegen.
Tupoka Ogette hat geschrieben : Von klein auf wird uns eingetrichtert, dass Rassismus einerseits verabscheuenswert ist, aber andererseits auch stets eine Intention voraussetzt. Rassismus wird somit nicht als System verstanden, sondern als vorsätzliche Handlung einer einzelnen Person. Natürlich ist dieses Denken auch in anderen Ländern vorhanden. In Deutschland ist dies allerdings so stark ausgeprägt, dass es sich eine Rüge der UN zuzog, die darauf hinwies, dass es in Deutschland wenig bis keine Kenntnis über institutionelle Formen des Rassismus in Schule oder auf dem Arbeitsmarkt und Wohnungsmarkt gibt.

[von mir hervorgehoben]

[Joshua Kwesi Aikins]: »Problematisch ist in Deutschland das verengte Verständnis von Rassismus. Sehr viel gewonnen wäre bereits, wenn die Menschenrechte und insbesondere die UN-Antirassismus-Konvention zugrunde gelegt würden, wann wir es mit Rassismus zu tun haben – immerhin hat Deutschland sich schon vor 40 Jahren verpflichtet, dieses Menschenrecht umzusetzen. Das geschieht leider nicht. Hierzulande wird zu oft die persönliche Meinung, genauer die herabsetzende Absicht, als maßgeblich für die Frage angesehen, ob Rassismus vorliegt. Dabei fallen all jene Fälle hinten runter, in denen der Täter zwar keine rassistische Absicht verfolgte, aber dennoch eine solche Wirkung auslöste. Ebenso unberücksichtigt bleibt die institutionelle rassistische Diskriminierung. Beides ist menschenrechtlich ganz klar als rassistische Diskriminierung definiert.«
Ja. Alles richtig.
Daraus folgt aber nicht, dass in jedem Fall wo einer "Rassismus" schreit auch Rassismus vorliegt.
Und damit ist eben auch noch nicht geklärt, was alles zu diesen "rassistischen Strukturen" gehört.
Hier will man mir erzählen wer andere nach ihrer Herkunft fragt ist Teil rassistischer Strukturen und fördert diese.
Die Frage nach der Herkunft eines Menschen ist Teil normaler menschlicher Interaktion und ganz gewiss nicht per se Ausdruck rassistischer Denkmuster , -Systeme oder -Strukturen.
Ich halte das - gelinde gesagt - für ausgedachten Unsinn, für eine krankhaft übersteigerte Form anti-rassistischer Bemühungen.



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Nauplios

Mo 1. Nov 2021, 14:16

Friederike hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 13:13

Warum aber sortieren wir in "männlich" und "weiblich" oder "schwarz" und weiß"? Die Gründe dafür können nicht in der Beobachtung des Aussehens liegen ...
(Unterstreichung von mir)

Jovis hat geschrieben :
So 17. Okt 2021, 23:41

Wenn vor 20, 30 Jahren afrikanisch oder asiatisch aussehende Leute zu uns in die Bibliothek kamen, habe ich sie meist auf Englisch angesprochen. Damit lag ich in der Regel richtig, denn es waren oft Touristen, die kein oder kaum Deutsch sprachen. Heute ist die Situation eine andere. Bei uns sitzen Leute, die vom Aussehen her aus aller Herren oder Damen Länder kommen könnten ...
(Unterstreichung von mir)

Vielleicht kommt es bei den Unterscheidungskriterien darauf an, wer sie anwendet.




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Jörn Budesheim
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Jovis hat geschrieben :
So 17. Okt 2021, 23:41
Das Wort rassistsich hört sich in diesem Zusammenhang vielleicht für manchen übertrieben an. Aber wenn so ziemlich die erste Frage, die z.B. jemandem mit dunkler Hautfarbe gestellt wird, die nach seiner Herkunft ist, dann zeigt die Fragestellerin in meinen Augen damit (außer Unhöflichkeit), dass es für sie zumindest ungewöhnlich oder bemerkenswert ist, dass Deutsche nicht nur mitteleuropäisch aussehen, sondern auch afrikanisch, asiatisch oder arabisch. Damit aber zeigt sie, dass sie eine Vorstellung von der deutschen Bevölkerung hat, die mit der Realität nicht mehr übereinstimmt.
Zur Ergänzung.




Nauplios

Mo 1. Nov 2021, 14:37

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 13:59
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 13:53


[Joshua Kwesi Aikins]: »Problematisch ist in Deutschland das verengte Verständnis von Rassismus. Sehr viel gewonnen wäre bereits, wenn die Menschenrechte und insbesondere die UN-Antirassismus-Konvention zugrunde gelegt würden, wann wir es mit Rassismus zu tun haben – immerhin hat Deutschland sich schon vor 40 Jahren verpflichtet, dieses Menschenrecht umzusetzen. Das geschieht leider nicht. Hierzulande wird zu oft die persönliche Meinung, genauer die herabsetzende Absicht, als maßgeblich für die Frage angesehen, ob Rassismus vorliegt. Dabei fallen all jene Fälle hinten runter, in denen der Täter zwar keine rassistische Absicht verfolgte, aber dennoch eine solche Wirkung auslöste. Ebenso unberücksichtigt bleibt die institutionelle rassistische Diskriminierung. Beides ist menschenrechtlich ganz klar als rassistische Diskriminierung definiert.«

Ja. Alles richtig.
Daraus folgt aber nicht, dass in jedem Fall wo einer "Rassismus" schreit auch Rassismus vorliegt.
Was aber auf jeden Fall daraus folgt: daß es sich um einen "Täter" handelt.

Und falls der Täter namentlich bekannt ist und noch auf freiem Fuß ist, könnte eine Täterbeschreibung etwa so aussehen: "Die gesuchte Person ist 67 Jahre alt, ca. 1.75 groß, trägt eine Brille, hat eine Halbglatze und tut gerne vornehm. Zuletzt gesehen wurde er im Raum Münster, maskiert mit einer Michael-Myers-Maske. Falls Sie dem Täter begegnen, sprechen Sie ihn nicht an; der Mann ist dafür bekannt rücksichtlos von der Herkunftsfrage Gebrauch zu machen." :o




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Mo 1. Nov 2021, 14:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 14:20
Jovis hat geschrieben :
So 17. Okt 2021, 23:41
Das Wort rassistsich hört sich in diesem Zusammenhang vielleicht für manchen übertrieben an. Aber wenn so ziemlich die erste Frage, die z.B. jemandem mit dunkler Hautfarbe gestellt wird, die nach seiner Herkunft ist, dann zeigt die Fragestellerin in meinen Augen damit (außer Unhöflichkeit), dass es für sie zumindest ungewöhnlich oder bemerkenswert ist, dass Deutsche nicht nur mitteleuropäisch aussehen, sondern auch afrikanisch, asiatisch oder arabisch. Damit aber zeigt sie, dass sie eine Vorstellung von der deutschen Bevölkerung hat, die mit der Realität nicht mehr übereinstimmt.
Zur Ergänzung.
Das ist ein klassischer Fall von Projektion. Weil man selber so denkt unterstellt man dieses Denken auch den anderen Menschen.
Es kann tausende Gründe geben warum man einen Menschen nach seiner Herkunft fragt. Es könnte zum Beispiel sein, dass man selber einen besonderen Bezug zu einem bestimmten Erdteil hat und sich darüber freut Menschen zu sehen die vielleicht von dort kommen.

Aber dieses Beispiel ist ganz typisch für das selektive Sehen und Verstehen das jetzt überall um sich greift. Überall werden böse Motive verortet, alles ist Rassismus, überall versteckt sich die Diskriminierung. Wie gesagt: Das hat inzwischen krankhafte Züge angenommen.



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Nauplios hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 14:37
Und falls der Täter namentlich bekannt ist und noch auf freiem Fuß ist, könnte eine Täterbeschreibung etwa so aussehen: "Die gesuchte Person ist 67 Jahre alt, ca. 1.75 groß, trägt eine Brille, hat eine Halbglatze und tut gerne vornehm. Zuletzt gesehen wurde er im Raum Münster, maskiert mit einer Michael-Myers-Maske. Falls Sie dem Täter begegnen, sprechen Sie ihn nicht an; der Mann ist dafür bekannt rücksichtlos von der Herkunftsfrage Gebrauch zu machen." :o
Ja, sehr gut. Ich finde es auch vorbildlich, dass Du in deiner Täterbeschreibung die Hautfarbe nicht erwähnt hast. Die Polizei macht das manchmal, aber die wissen es ja noch nicht besser.



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Mo 1. Nov 2021, 14:57

Joshua Kwesi Aikins hat geschrieben : »Problematisch ist in Deutschland das verengte Verständnis von Rassismus.[...] Hierzulande wird zu oft die persönliche Meinung, genauer die herabsetzende Absicht, als maßgeblich für die Frage angesehen, ob Rassismus vorliegt. Dabei fallen all jene Fälle hinten runter, in denen der Täter zwar keine rassistische Absicht verfolgte, aber dennoch eine solche Wirkung auslöste. «
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 14:41
Es kann tausende Gründe geben warum man einen Menschen nach seiner Herkunft fragt.




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Mo 1. Nov 2021, 15:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 14:57
Joshua Kwesi Aikin hat geschrieben : »Problematisch ist in Deutschland das verengte Verständnis von Rassismus.[...] Hierzulande wird zu oft die persönliche Meinung, genauer die herabsetzende Absicht, als maßgeblich für die Frage angesehen, ob Rassismus vorliegt. Dabei fallen all jene Fälle hinten runter, in denen der Täter zwar keine rassistische Absicht verfolgte, aber dennoch eine solche Wirkung auslöste. «
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 14:41
Es kann tausende Gründe geben warum man einen Menschen nach seiner Herkunft fragt.
Die Frage nach der Herkunft eines Menschen löst aber per se keine rassistische Wirkung aus. Genau das bestreite ich.
Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass sie nur bei den Menschen eine rassistische Wirkung auslöst die in genau den kritisierten Mustern denken, die also selber Rassisten sind, oder zwanghaft überall Rassismus verorten.



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Nauplios

Mo 1. Nov 2021, 15:13

Vielleicht stellt sich ja der Täter auch. ;)

Aber jetzt mal im Ernst. Wenn man von "Fällen" spricht, "in denen der Täter keine rassistische Absicht verfolgte", dann fehlt zur vollständigen Kriminalisierung eigentlich nur noch, daß er seine Tat "ohne Vorsatz" beging. - Auch mit den besten Absichten wird und bleibt man "Täter".

Täter werden für ihre Taten zur Verantwortung gezogen und strafrechtlich verfolgt. Die Frage nach der Herkunft wird zunächst aus dem Kontext von Üblichkeiten und Rücksichtnahmen neu formatiert in eine moralische. Und von dort geht es auf die Reise ins Justiziable. - In Afghanistan gibt es ein "Ministerium für Laster und Tugend", also ein Ministerium für Moral. Es war das erste Ministerium, welches die Taliban einrichteten. Nach der Sicherung der Macht auf den Straßen Kabuls war ihnen die Überwachung der Moral das Wichtigste. Daß diese Moral eine religiös an der Scharia ausgerichtete Moral ist, ändert nichts an dem inneren Verbund von Macht und Moral. (Man muß dafür nicht bis nach Afghanistan gehen; man erinnere sich an die hochgereckte Bibel Trumps.)
Zuletzt geändert von Nauplios am Mo 1. Nov 2021, 15:14, insgesamt 1-mal geändert.




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Mo 1. Nov 2021, 15:14

Nauplios hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 14:16
Vielleicht kommt es bei den Unterscheidungskriterien darauf an, wer sie anwendet.
Es handelt sich, wie ich sagte und jetzt, ungefähr ein Stündchen später immer noch denke, um eingeübte Wahrnehmungsmuster. Was jahrhundertelang tradiert worden ist, hat sich eingeprägt und kann nicht per Beschluß aus der Welt geschafft werden.




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Mo 1. Nov 2021, 15:16

Friederike hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 15:14
Nauplios hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 14:16
Vielleicht kommt es bei den Unterscheidungskriterien darauf an, wer sie anwendet.
Es handelt sich, wie ich sagte und jetzt, ungefähr ein Stündchen später immer noch denke, um eingeübte Wahrnehmungsmuster. Was jahrhundertelang tradiert worden ist, hat sich eingeprägt und kann nicht per Beschluß aus der Welt geschafft werden.
Alice Hasters hat geschrieben : [Das] »Puppenexperiment«. Ein Kind hat dabei zwei Puppen zur Auswahl, die genau gleich aussehen, abgesehen von der Hautfarbe. Eine Puppe ist weiß, die andere Schwarz. Den Kindern werden eine Reihe Fragen gestellt: Welche Puppe ist die schöne? Welche Puppe ist die böse? Welche Puppe ist die hässliche? Die nette? Die gemeine? Das Resultat: Überwiegend ordneten die Kinder der weißen Puppe die positiven und der Schwarzen die negativen Attribute zu, unabhängig von der eigenen Hautfarbe. Auch Schwarze Kinder fanden die dunkelhäutige Puppe hässlich, gemein und böse — dabei wussten sie genau, dass sie selbst die gleiche Hautfarbe hatten. Dieses Experiment wurde von zwei afroamerikanischen Psycholog*innen in den 1940er-Jahren entwickelt. Vor allem in den USA wurde es mehrere Male wiederholt. 2010 zeigte CNN eine Abwandlung des Experiments mit ähnlichen Ergebnissen. Formen von Diskriminierung werden also nicht nur von denjenigen verinnerlicht und unbewusst als Wahrheit angenommen, die von ihnen profitieren, sondern auch von denjenigen, die darunter leiden. Im Englischen gibt es einen Begriff dafür: Internalized Oppression ...




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Mo 1. Nov 2021, 15:25

Friederike hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 15:14
um eingeübte Wahrnehmungsmuster.
Leider sind es nicht nur wertfreie Wahrnehmungsmuster, die Muster sind eben oft auch mit massiven Wertungen verknüpft - man könnte es auch "schlechte Schwingungen" nennen. Und die sind nicht einfach "da".




Nauplios

Mo 1. Nov 2021, 15:31

Friederike hat geschrieben :
Mo 1. Nov 2021, 15:14

Was jahrhundertelang tradiert worden ist, hat sich eingeprägt und kann nicht per Beschluß aus der Welt geschafft werden.
Das spricht für eine "morale par provision", die zum Beispiel aus der Tatsache, daß sich ein bayrischer Kicker in puncto Nebenwirkungen bei Impfungen als uninformiert erweist, kein moralisch aufgeladenes Politikum macht, an dem sich Regierungssprecher, Minister und nun neuerdings auch die Kanzlerin beteiligen. Der "Fall" Kimmich zeigt exemplarisch die Durchschlagskraft, welche die Moralisierung des Politischen hat. Der "Fall" Heidenreich ist ähnlich gelagert, auch der "Fall" Heinrich, der ja ebenfalls Rassismus vorgeworfen wird. -




Nauplios

Mo 1. Nov 2021, 15:53

"Geboren in Casablanca und aufgewachsen in Holland - lebt Mennana seit 2005 in Deutschland."(Quelle)

Hier geht der Herkunftsfrage nicht mal eine "Tat" voraus. ;)




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