Eigentlich könnte man das Adjektiv "frei" vor dem "Willen" streichen, der Wille jedes Individuums ist sein/ihr Wille. Das bezieht sich auf die von Dir zitierten "Singer"-Abschnitte. Oder man beläßt es bei dem Adjektiv und "Gehorsam" wäre dann der freie Wille (eines Individuums) sich einem fremden Willen unterzuordnen. "Einsicht" wäre der freie Wille, sich einem fremden Willen anzuschließen.Cosma hat geschrieben : ↑Mi 4. Dez 2019, 10:07In einer Lebensgemeinschaft sind Regeln unerlässlich. Das lernen wir. Dass jemand das oder das nicht tun darf, ist als moralischer Imperativ gespeichert und man kann erwarten, dass er sich daran hält. Zur "Verantwortung" gehört nicht unbedingt kausalfreier Wille, sondern Einsicht und im einfachsten Fall schlicht Gehorsam. Ich finde das eigentlich sehr plausibel.
Freiheit
- Friederike
- Beiträge: 4984
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48
Singer hält Begriffe wie Freiheit für nützliche soziale Determinanten: wir können so tun als ob es ihn gäbe und uns danach richten. Auf der anderen Seite gibt es ja noch die Definition von Tangens "Freiheit als Einsicht in die Bedingungen" o.s.ä., die ich auch nicht uninteressant finde.Friederike hat geschrieben : ↑Mi 4. Dez 2019, 15:47Eigentlich könnte man das Adjektiv "frei" vor dem "Willen" streichen, der Wille jedes Individuums ist sein/ihr Wille. Das bezieht sich auf die von Dir zitierten "Singer"-Abschnitte. Oder man beläßt es bei dem Adjektiv und "Gehorsam" wäre dann der freie Wille (eines Individuums) sich einem fremden Willen unterzuordnen. "Einsicht" wäre der freie Wille, sich einem fremden Willen anzuschließen.Cosma hat geschrieben : ↑Mi 4. Dez 2019, 10:07In einer Lebensgemeinschaft sind Regeln unerlässlich. Das lernen wir. Dass jemand das oder das nicht tun darf, ist als moralischer Imperativ gespeichert und man kann erwarten, dass er sich daran hält. Zur "Verantwortung" gehört nicht unbedingt kausalfreier Wille, sondern Einsicht und im einfachsten Fall schlicht Gehorsam. Ich finde das eigentlich sehr plausibel.
Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht!
* Rosa Luxemburg *
* Rosa Luxemburg *
- Tangens Alpha
- Beiträge: 91
- Registriert: Mi 23. Okt 2019, 20:39
Ja, da hast du Singers Auffassung wohl m.e. richtig wiedergegeben.
Fast alle Diskussionen legen den ursachlosen Freiheitsbegriff zugrunde, mit dem man alles erklären kann. Abgesehen davon: wenn ich meine Entscheidungen nicht auf mich oder meine Bedürfnisse zurückführen kann, kann ich mich auch nicht damit identifizieren und sie als meine Entscheidung erleben.Auf der anderen Seite gibt es ja noch die Definition von Tangens "Freiheit als Einsicht in die Bedingungen" o.s.ä., die ich auch nicht uninteressant finde.
Auch Gerichte konzentrieren sich mehr auf die Einsicht oder Nicht-Einsicht als auf die Freiheit.
Deshalb ist m.e. der ursachlose Freiheitsbegriff sinnlos.
"Knowledge speaks but Wisdom listens" [Jimi Hendrix]
- Tangens Alpha
- Beiträge: 91
- Registriert: Mi 23. Okt 2019, 20:39
... und das machst du ganz hervorragend, wie ich finde!Friederike hat geschrieben : ↑So 1. Dez 2019, 17:38... immerhin sind es diese Sätze von Dir gewesen, die mein Gehirn motiviert haben, mich das allererste Mal an einem Gespräch über SelbigesTangens Alpha hat geschrieben : ↑Fr 22. Nov 2019, 13:56[...] - aus meiner persönlichen Sicht: ich finde, das menschliche Gehirn ist das komplexeste & faszinierenste "System" überhaupt; es ist kaum vorstellbar, dass aus ein paar Elementarteilchen am Uranfang so etwas Komplexes mit der Fähigkeit zur Selbstreflektion, entstanden ist; ein kleiner aber unglaublicher Kosmos für sich.
Es ist, als würde der Kosmos durch das menschliche Gehirn über sich selbst nachdenken ...zu beteiligen.
Was den Übergang materielles Gehirn <=> Gedanken, etc. angeht: ist neurologisch bei Weitem noch nicht gelöst; schau mal hier rein:
https://www.tagesspiegel.de/wissen/hirn ... 76812.html
Unser Gehirn besteht aus ca. 90 Milliarden Neuronen (Nervenzellen), die jede bis zu 10.000 Verbindungen knüpfen können! Da herauszufinden, wann, wo und warum ein Gedanke entstanden ist, gleicht der Stecknadel...
"Knowledge speaks but Wisdom listens" [Jimi Hendrix]
- Tangens Alpha
- Beiträge: 91
- Registriert: Mi 23. Okt 2019, 20:39
Richtig! Unser Gehirn ist unbewusst eigentlich dauernd damit beschäftigt, Wahrnehmungsdaten auszuwerten, abzugleichen auf Gefährlichkeit, Nützlichkeit, etc. und Entscheidungen vorzubereiten & zu treffen. Der natürliche Lernprozess dient der Lebensbewältigung & ist ein lebenslanger; der kontrollierte ist lernzielorientiert.Friederike hat geschrieben : ↑Di 3. Dez 2019, 15:28Jetzt verstehe ich auch, was Du meintest, als Du schriebst, Lernprozesse seien mit Hirnprozessen nicht identisch.
"Knowledge speaks but Wisdom listens" [Jimi Hendrix]
- Friederike
- Beiträge: 4984
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48
Aaah, schööön, daß Du noch präsent bist @T.A. - den von Dir verlinkten "Tagesspiegel" probiere ich später nochmals. Bei meinem ersten Versuch eben hat sich das Hirn meines Laptops hoffnungslos verzettelt (wie sagt man richtig? "Aufgehängt"). Nix ging mehr. 

- Tangens Alpha
- Beiträge: 91
- Registriert: Mi 23. Okt 2019, 20:39
Scheiß Technik! Alles dreht sich!Friederike hat geschrieben : ↑Fr 6. Dez 2019, 14:52Aaah, schööön, daß Du noch präsent bist @T.A. - den von Dir verlinkten "Tagesspiegel" probiere ich später nochmals. Bei meinem ersten Versuch eben hat sich das Hirn meines Laptops hoffnungslos verzettelt (wie sagt man richtig? "Aufgehängt"). Nix ging mehr.
Du kannst den Artikel auch so aufrufen:
"Der Tagesspiegel vom 30.03.2016
Hirnforschung
Das Rätsel Bewusstsein – bald gelöst?"
"Knowledge speaks but Wisdom listens" [Jimi Hendrix]
- Tangens Alpha
- Beiträge: 91
- Registriert: Mi 23. Okt 2019, 20:39
In US-Science-Fictions wird da mal locker ein individuelles Bewusstsein in einen anderen 20 Jahre jüngeren Körper übertragen und behält trotzdem psychisch die volle Integrität & Identität!Friederike hat geschrieben : ↑Mo 2. Dez 2019, 11:10Ach ja, das führt zu der sicher philosophisch schon ausgiebig erörterten Frage, was bei einer Gehirntransplantation geschähe ... weiß ich mich noch als die, die ich war/bin?
Schwer vorstellbar! Aber vor 100 Jahren war es auch nicht vorstellbar, ein Herz verpflanzen zu können.
Aber ich denke, ein Gehirn ist schon ein anderes Kaliber!
"Knowledge speaks but Wisdom listens" [Jimi Hendrix]
- Jörn Budesheim
- Beiträge: 28226
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
- Wohnort: Kassel
- Kontaktdaten:
Friederike hat geschrieben : ↑So 1. Dez 2019, 14:42Gibt es Lebewesen ohne Gehirn (die Mikroorganismen vielleicht, aber sonst?). Meine Frage ist die nach der Beziehung zwischen dem Gehirn (der Materie, dem Stoff) und den Phänomenen wie denen, die wir "Bewußtsein" nennen, oder "denken" und "fühlen". Das ist mir rätselhaft.JPB hat geschrieben : Andere Wesen (ohne Gehirn) könnten auch versuchen, solcherart den Ball ins Tor zu bugsieren :) Notwendig in diesem Zusammenhang ist natürlich, der Gedanke, die Absicht es zu lernen. So gesehen ist das Gehirn sogar eine kontingente Zutat, da Absichten auch andere biologische Wesen haben könnten, auch solche ohne Gehirn.
der Philosoph Peter Godfrey-Smith hat geschrieben : Kopffüßler - Oktopoden, Kalmare und Nautilusse - sind eine Insel geistiger Komplexität inmitten des Ozeans wirbelloser Tiere
Nun hat der Oktopus zwar nicht "wie gewünscht" gar kein Gehirn, aber es scheint dem Unseren nicht besonders zu ähneln. Dennoch sind diese Wesen in einer gewissen Weise geistige Wesen. In anderen Welten könnte sich die Biologie vielleicht noch ganz anders entwickelt haben, aber wir könnten dort dennoch geistige Wesen antreffen. Zwar wäre ein Geist ohne Körper reichlich witzlos, aber der Körper muss, das scheint mir offensichtlich, keineswegs so wie unserer gebaut sein.SZ hat geschrieben : Beim Oktopus ist unklar, wo das Gehirn anfängt oder endet. Das Netzwerk der Neuronen zieht sich durch den gesamten Körper...
Der Neurologe (!) Richard Festak macht in seinem Buch "Geist und Gehirn" darauf (mit Ryle) aufmerksam, dass es sich bei der "Gleichsetzung" von Geist und Gehirn um einem Kategorienfehler handelt: "Geist ist keine physische Struktur wie das Gehirn, er ist kein Ding. Geist hat keine sichtbare Form, keinen Geruch, keine Geschmack, man kann ihn nicht in die Hand nehmen wie das Gehirn. ..."
Wenn wir eine Handlung in den Blick nehmen, dann nehmen wir ebenso nicht einfach ein "Ding" in den Blick. Wir können die Handlung daher nicht mit einer bestimmten Region innerhalb des Körpers identifizieren, sei es das Gehirn oder was auch immer. Damit würden wir uns erstens des gleichen Kategorienfehler schuldig machen, auf den der Neurologe aufmerksam macht. Und zweitens würden wir eine Art Chauvinismus betreiben, da andere geistig/körperliche Wesen auch Absichten haben, jedoch eine ganz andere biologische Struktur aufweisen könnten. (Und drittens würden wir natürlich nahezu systematisch den Gegenstand der Handlung verfehlen, der nicht zwingend Teil des Körpers sein muss: zu der Handlung "Türaufschließen" gehört unbedingt eine Tür und anderes mehr.)
Das Teamwork von Philosophen und Biologen (etc.) würde (grob vereinfacht gesagt) demgemäß vielleicht folgendermaßen aussehen: die Philosophen erforschen, was eine Handlung ist, dafür haben sie einen eigenen Forschungszweig eingerichtet, nämlich sinnigerweise die Handlungstheorie.
Biologen hingegen würden erforschen, wie Handlungen bei den verschiedenen Spezies realisiert werden.
Wir hätten hier also zwei ganz verschiedene Erklärungsleistungen. Die eine Erklärung würde darauf abzielen, was eine Handlung überhaupt ist. Und die andere Erklärungsleistung würde, falls der Begriff geklärt wäre, darauf abzielen zu erklären, wie in verschiedenen Organismen die körperlichen Korrelate der Handlungen verschieden realisiert werden.
- Jörn Budesheim
- Beiträge: 28226
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
- Wohnort: Kassel
- Kontaktdaten:
Ich will in den Beitrag oben natürlich nicht suggerieren, dass wir mit einer einfachen Zweiteilung - hier begriffliche Analyse der Philosophie und dort Biologie - zurechtkommen. Das ganze ist natürlich noch komplexer. Was in der Skizze unterbelichtet ist, ist der phänomenale Aspekt der Handlung. Ein Job für die Phänomenologie, vielleicht auch für Künstler. Zudem erfolgen Handlungen oftmals auch in der Gruppe. Eine Frage an die Philosophie der kollektiven Intentionalität. Des weiteren könnten Ethik und Soziologie gefragt sein.
Dabei darf man sich die verschiedenen Bereiche natürlich nicht wie Fettaugen auf einer Suppe, also ganz separiert, vorstellen.
Dabei darf man sich die verschiedenen Bereiche natürlich nicht wie Fettaugen auf einer Suppe, also ganz separiert, vorstellen.
- Jörn Budesheim
- Beiträge: 28226
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
- Wohnort: Kassel
- Kontaktdaten:
Ich sehe eine ganze Reihe von Problemen:Friederike hat geschrieben : ↑Mo 2. Dez 2019, 14:05Du meinst doch nicht die Gedankenexperimente ...? Weil die hätten doch ebenfalls nur gedankliche -wie sagt man? "fiktive"- Implikationen? Wir befassen uns ja nicht mit der technischen Möglichkeit einer Gehirnübertragung.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 2. Dez 2019, 13:03Ich finde eher, dass das dazu führt solche Gedankenexperimente fragwürdig zu finden, weil sie Implikationen haben könnten, die uns womöglich nicht klar sind.
In der Gegenüberstellung Körper/Gehirn könnte sich, ohne dass man es will, in kruder Dualismus wiederfinden, wenn man so sagen darf, das Nachfolgemodell von Rene Descartes.
Zudem fragt sich, ob man damit nicht genau den Kategorienfehler, den Ryle (siehe oben) moniert, begeht.
Außerdem spiegelt sich in der Idee möglicherweise eine Vorstellung vom Gehirn, die nicht durch unseren naturwissenschaftlichen Wissensstand gedeckt ist. Auf die Leber kann man vielleicht "zeigen" und sie (tatsächlich und begrifflich) "herauspicken" sowie erläutern, was ihre Funktion im Körper ist. Soweit ich weiß, ist das Gleiche beim Gehirn nicht so ohne weiteres möglich. Es ist natürlich nicht wie beim Octopus mehr oder weniger über den gesamten Körper verteilt, scheint aber diverse Filialen zu haben, am bekanntesten ist das Bauchgehirn. Wie diese verschiedenen Bereiche zusammengehören und wechselwirken ist nach meinem Kenntnisstand keineswegs letztgültig erforscht, so dass man nicht einmal genau weiß, von was man überhaupt genau spricht, wenn man vom Gehirn spricht. (Ich habe hier leider keine Quellen parat, weil ich das nur von verschiedenen Vorträgen her kenne.)
Zudem hat man es hier offensichtlich mit einer sogenannten Intuitions-Pumpe zu tun, wie das Daniel Dennett nennt. Nun habe ich natürlich keineswegs etwas gegen Intuition, meines Erachtens sind sie oft unverzichtbar, jedoch sind sie natürlich auch nicht irrtumsimmun. Man würde vielleicht glauben, dass unsere Erinnerungen in irgendeiner Weise im "Gehirn" "gespeichert" sind. Könnten Erinnerungen aber nicht im gesamten Körper "gespeichert" sein? Zudem haben wir übrigens viele unsere Erinnerungen ausgelagert und anderen Ort gespeichert, das kann man nicht einfach außer acht lassen. (Ich lasse hier die doppeldeutigkeit, die komplexen Semantik des Begriffs "Irrtum" mal außen vor, siehe dazu den Thread zum Sumpfmann.)
Wenn man dennoch glauben möchte, dass unsere Persönlichkeit, und darum geht es ja schließlich, irgendwie fest ins (Kopf-)Gehirn "gefesselt" ist, unterschätzt man dann nicht, welche Bedeutung unsere Rollen für unsere Persönlichkeit spielen? Die Blicke, Erwartungen und Beziehungen zu den vielen anderen gehören schließlich auch zu dem, was wir sind.
Wenn ich mir eine vorstelle, ich bekäme ein fremdes (Kopf-)Gehirn, wäre da nicht denkbar, dass es auf lange Sicht und in einer gewissen Weise sukzessive zum "alten" wird (wenn natürlich auch nicht vollständig)? Das mag eine unwahrscheinliche Möglichkeit sein, aber ich denke, man sollte sie nicht ganz ausschließen.
- Friederike
- Beiträge: 4984
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48
Zuerst habe ich nachgesehen, was ein "Kategorienfehler" eigentlich genau sein soll/ist. Gut. Was ich nun leider nicht verstehe und mir auch nicht selber zusammendenken kann, was denn die Konsequenz eines solchen Fehlers sein könnte/wäre. Im vorliegenden Fall also die Einordnung des Gehirns und des Geistes in dieselbe Klasse von Gegenständen?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 22. Dez 2019, 16:55Der Neurologe (!) Richard Festak macht in seinem Buch "Geist und Gehirn" darauf (mit Ryle) aufmerksam, dass es sich bei der "Gleichsetzung" von Geist und Gehirn um einem Kategorienfehler handelt: "Geist ist keine physische Struktur wie das Gehirn, er ist kein Ding. Geist hat keine sichtbare Form, keinen Geruch, keine Geschmack, man kann ihn nicht in die Hand nehmen wie das Gehirn. ..." [...] Wenn wir eine Handlung in den Blick nehmen, dann nehmen wir ebenso nicht einfach ein "Ding" in den Blick. Wir können die Handlung daher nicht mit einer bestimmten Region innerhalb des Körpers identifizieren, sei es das Gehirn oder was auch immer. Damit würden wir uns erstens des gleichen Kategorienfehler schuldig machen, auf den der Neurologe aufmerksam macht.
- Jörn Budesheim
- Beiträge: 28226
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
- Wohnort: Kassel
- Kontaktdaten:
Es gibt darüber einen schönen Witz, den ich gerne erzähle:
Ein Mann, schon etwas angetrunken, bewegt sich suchend um eine Laterne. Ein Polizist tritt heran und fragt: Kann ich Ihnen helfen? Der Betrunkene antwortet: ja klar, ich suche meinen Schlüssel! Nachdem die beiden eine Weile gesucht haben, kommen dem Polizisten Zweifel: Haben sie den Schlüssel wirklich hier verloren? Darauf der Betrunkene: nein natürlich nicht! Ich habe ihn dahinten verloren. Der Polizist konsterniert: Ja, aber warum suchen wir dann hier? Der Betrunkene: Ja, weil hier das Licht ist.
So ähnlich ist es mit manchen/wenigen Hirnforschern (und ihrem Publikum) bestellt. Sie suchen da, wo ihr Licht hin scheint, also entsprechend ihrem "Suchraster". Wenn man aber nach dem Geist (oder Handlungen) sucht, sich aber so verhält, als sei der Gegenstand der Suche Ding, dann ist man von Vornherein auf dem falschen Dampfer. Das heißt der Kategorienfehler hat direkten Einfluss auf die Forschungsarbeit. Nun sind natürlich nicht alle Forscher so gestrickt. Leider werden ihre Ergebnisse oft dennoch seltsam kommuniziert.
Weil wir bei Witzen sind: Richard Schröder aus dem Aufsatz des Lachzentrum: "Vor einiger Zeit wurde per Zufall im Gehirn des Lachzentrum entdeckt. Wenn man die fragliche Region im Gehirn einer Person mit einer Elektrode reizt, dann fängt sie an zu lachen. Und zwar ganz unabhängig davon, ob in ihrer Umgebung etwas Witziges oder Lächerliches vorgefallen ist. Bei dieser Gehirnregion handelt es sich also um die notwendige Voraussetzung für unsere lebensweltliche Fähigkeit zu lachen. Diese Person lachte "bloß mit Ursache im Gehirn, aber ohne Grund in der Welt. Nichts Lächerliches war vorgefallen. Es war ein weltloses Lachen und wenn wir nicht wüssten, dass es von der der Elektrode kommt, würden wir sagen: die Arme ist verrückt, das ist ja ein irres Lachen." (R.S.)
Schröder hatte mit dem fraglichen Forscher noch einen kurzen Disput bei dem es auch um normative Aspekte des Lachens ging, etwa bei Trauerfeiern. Das Witzige kann man nicht im Gehirn finden. Brigitte Falkenburg hat es in dem Video schön formuliert: Es fehlen die gemeinsamen Messgrößen. Ein Witz hat kein Gewicht :-) Eine Pointe keine Ausdehnung. Dennoch danach zu fragen oder zu suchen, wäre ein Kategorienfehler.
Leider finde ich den gesamten Artikel nicht mehr. Sehr lehrreich und unterhaltsam.
Mit kurzen Worten: Solche Kategorienfehler können ganze Forschungsprojekte infrage stellen.
Ein Mann, schon etwas angetrunken, bewegt sich suchend um eine Laterne. Ein Polizist tritt heran und fragt: Kann ich Ihnen helfen? Der Betrunkene antwortet: ja klar, ich suche meinen Schlüssel! Nachdem die beiden eine Weile gesucht haben, kommen dem Polizisten Zweifel: Haben sie den Schlüssel wirklich hier verloren? Darauf der Betrunkene: nein natürlich nicht! Ich habe ihn dahinten verloren. Der Polizist konsterniert: Ja, aber warum suchen wir dann hier? Der Betrunkene: Ja, weil hier das Licht ist.
So ähnlich ist es mit manchen/wenigen Hirnforschern (und ihrem Publikum) bestellt. Sie suchen da, wo ihr Licht hin scheint, also entsprechend ihrem "Suchraster". Wenn man aber nach dem Geist (oder Handlungen) sucht, sich aber so verhält, als sei der Gegenstand der Suche Ding, dann ist man von Vornherein auf dem falschen Dampfer. Das heißt der Kategorienfehler hat direkten Einfluss auf die Forschungsarbeit. Nun sind natürlich nicht alle Forscher so gestrickt. Leider werden ihre Ergebnisse oft dennoch seltsam kommuniziert.
Weil wir bei Witzen sind: Richard Schröder aus dem Aufsatz des Lachzentrum: "Vor einiger Zeit wurde per Zufall im Gehirn des Lachzentrum entdeckt. Wenn man die fragliche Region im Gehirn einer Person mit einer Elektrode reizt, dann fängt sie an zu lachen. Und zwar ganz unabhängig davon, ob in ihrer Umgebung etwas Witziges oder Lächerliches vorgefallen ist. Bei dieser Gehirnregion handelt es sich also um die notwendige Voraussetzung für unsere lebensweltliche Fähigkeit zu lachen. Diese Person lachte "bloß mit Ursache im Gehirn, aber ohne Grund in der Welt. Nichts Lächerliches war vorgefallen. Es war ein weltloses Lachen und wenn wir nicht wüssten, dass es von der der Elektrode kommt, würden wir sagen: die Arme ist verrückt, das ist ja ein irres Lachen." (R.S.)
Schröder hatte mit dem fraglichen Forscher noch einen kurzen Disput bei dem es auch um normative Aspekte des Lachens ging, etwa bei Trauerfeiern. Das Witzige kann man nicht im Gehirn finden. Brigitte Falkenburg hat es in dem Video schön formuliert: Es fehlen die gemeinsamen Messgrößen. Ein Witz hat kein Gewicht :-) Eine Pointe keine Ausdehnung. Dennoch danach zu fragen oder zu suchen, wäre ein Kategorienfehler.
Leider finde ich den gesamten Artikel nicht mehr. Sehr lehrreich und unterhaltsam.
Mit kurzen Worten: Solche Kategorienfehler können ganze Forschungsprojekte infrage stellen.
Eine gute Frage, wie ich finde. Eine, die man sich oft gar nicht mal stellt, weil das Etikett 'Kategorienfehler' sozusagen schon angibt: "Bitte hier nicht weiterdenken!"Friederike hat geschrieben : ↑Mo 23. Dez 2019, 15:14Zuerst habe ich nachgesehen, was ein "Kategorienfehler" eigentlich genau sein soll/ist. Gut. Was ich nun leider nicht verstehe und mir auch nicht selber zusammendenken kann, was denn die Konsequenz eines solchen Fehlers sein könnte/wäre. Im vorliegenden Fall also die Einordnung des Gehirns und des Geistes in dieselbe Klasse von Gegenständen?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 22. Dez 2019, 16:55Der Neurologe (!) Richard Festak macht in seinem Buch "Geist und Gehirn" darauf (mit Ryle) aufmerksam, dass es sich bei der "Gleichsetzung" von Geist und Gehirn um einem Kategorienfehler handelt: "Geist ist keine physische Struktur wie das Gehirn, er ist kein Ding. Geist hat keine sichtbare Form, keinen Geruch, keine Geschmack, man kann ihn nicht in die Hand nehmen wie das Gehirn. ..." [...] Wenn wir eine Handlung in den Blick nehmen, dann nehmen wir ebenso nicht einfach ein "Ding" in den Blick. Wir können die Handlung daher nicht mit einer bestimmten Region innerhalb des Körpers identifizieren, sei es das Gehirn oder was auch immer. Damit würden wir uns erstens des gleichen Kategorienfehler schuldig machen, auf den der Neurologe aufmerksam macht.
Der Kategorienfehler im Zusammenhang mit der Mind-Body-Problematik könnte darauf verweisen, dass man Aussagen über das eine nicht auch in Aussagen über das andere ummünzen kann. Aussagen wie: 'Das Gehirn besteht aus selbstwirksamen Neuronenkomplexen' macht keine Aussage darüber, wie Geist entsteht oder was Geist ist. Die biophysische Kategorie umschliesst nirgends, was Geist ist, denn auch wenn Biophysis im Spiel ist bei der Ausbildung von Geist, so ist letzteres kategorial gesehen etwas vollkommen anderes. So, wie wenn man über die BRD überhaupt nichts sagt, wenn man die geologischen Tatsachen des geographischen Gebiets beschreibt, das man Deutschland nennt. Die BRD ist schlicht nicht zu beschreiben durch Geologie oder Geografie, weil sie ein Gegenstand eigenen Rechts ist (und auch auf dem Mond stattfinden kann, z.B. wenn man als BRD-Bürger Eigentumsrechte an einem Krater erwirbt.)
Wenn man den Geist also einfangen will, sollte man es nicht mit einer Flasche versuchen, denn sie wird das, was er ist, nicht begrenzen können: er bewegt sich einfach in einer anderen Kategorie

-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.
Alle lächeln in derselben Sprache.
Oh, ja, das gibt es tatsächlich.
Kant sprach vom gestirnten Himmel über mir und meinte dabei den Kosmos. Aus der Optik des Bauchhirns, das dem moralischen Gesetz in mir entsprechen könnte, könnte man auch das Gehirn als Sternen-Gewölbe ansehen. Sehr surreal, mir schon klar.

-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.
Alle lächeln in derselben Sprache.
- Jörn Budesheim
- Beiträge: 28226
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
- Wohnort: Kassel
- Kontaktdaten:
Das Kopfhirn ist das Sternengewölbe des Bauchhirns?
Manche Forscher gehen sogar davon aus, dass das Bauchhirn eigentlich unser erstes Gehirn ist. Erst nach der Erfindung des Feuers, wo durch das Fleisch sozusagen vorverdaut wurde, wurden für dieses Kapazitäten frei. Es musste jetzt nicht nur "verdauen", sondern konnte auch ein wenig denken :-)
Manche Forscher gehen sogar davon aus, dass das Bauchhirn eigentlich unser erstes Gehirn ist. Erst nach der Erfindung des Feuers, wo durch das Fleisch sozusagen vorverdaut wurde, wurden für dieses Kapazitäten frei. Es musste jetzt nicht nur "verdauen", sondern konnte auch ein wenig denken :-)
Mit Betonung auf 'wenig' oder wie?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 23. Dez 2019, 16:13Es musst jetzt nicht nur verdauen, sondern konnte auch ein wenig denken![]()

Ich vermute schon länger, dass der nächste Evolutionsschritt derjenige vom Fleischfresser zum Vegetarier ist. Denn hat der Mensch mal ein Gehirn, sollte er es vermehrt auch nutzen

-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.
Alle lächeln in derselben Sprache.
- Jörn Budesheim
- Beiträge: 28226
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
- Wohnort: Kassel
- Kontaktdaten:
Lese gerade in einem Buch mit dem Titel "Kann sich das Bewusstsein bewusst sein?"
"Das ist auch das große Problem der Hirnforschung, dass sie die Sinnstrukturiertheit, die ja ein wesentliches Merkmal von menschlichem Bewusstsein ist, nicht lokalisieren kann. Die Hirnforschung kann immer nur die Parallelität feststellen: Wenn der Proband etwas denkt, dann feuert es im Gehirn an dieser Stelle. Aber den Sinn findet man im Gehirn nicht. »Blau«, »schön«, »warm«, »neuer Beruf«, »Apfel« – das kommt im Gehirn nicht vor. [...] Der österreichisch-amerikanische Kybernetiker Heinz von Foerster hat sich ebenfalls eingängig mit dem Erkenntnisproblem beschäftigt. Er sagt: Wenn ich so eine schwierige Frage, wie die nach dem Bewusstsein habe, gäbe es drei Möglichkeiten darauf zu antworten. Erstens: das Problem ignorieren. Zweitens: die Welt trivia-lisieren. Und drittens: Entwickle einen nichttrivialen Ansatz! Wenn die Hirnforscher das Bewusstsein gleichsetzen mit bestimmten Prozessen im Gehirn, dann verfolgen sie die erste Strategie. Sie antworten auf die Frage nach dem Bewusstsein mit etwas, das kein Bewusstsein ist – nämlich dem Gehirn. Es ist ja augenscheinlich etwas völlig anderes, ob ich Messungen im Gehirn vornehme, oder ob ich etwas Bewusstes vor mir habe und beispielsweise frage, wie es zu dieser Sinnstruktur kommt. Das heißt, die Neurowissenschaft ignoriert das Problem. ..."
Johannes Wagemann, geboren 1967, studierte Elektrotechnik, Mathematik, Physik und Philosophie. Er [ist] Professor für Bewusstseinsforschung mit Schwerpunkt Strukturphänomenologie an der Alanus Hochschule in Alfter.
Das Buch ist übrigens sehr empfehlenswert, weil Denker aus den verschiedenen Bereichen zu Wort kommen:
Matthias Eckoldt
Kann sich das Bewusstsein bewusst sein?
Gespräche mit
DIRK BAECKER
MARKUS GABRIEL
JOHN-DYLAN HAYNES
PHILIPP HÜBL
NATALIE KNAPP
CHRISTOF KOCH
GEORG KREUTZBERG
KLAUS MAINZER
ABT MUHÔ
MICHAEL PAUEN
JOHANNES WAGEMANN
"Das ist auch das große Problem der Hirnforschung, dass sie die Sinnstrukturiertheit, die ja ein wesentliches Merkmal von menschlichem Bewusstsein ist, nicht lokalisieren kann. Die Hirnforschung kann immer nur die Parallelität feststellen: Wenn der Proband etwas denkt, dann feuert es im Gehirn an dieser Stelle. Aber den Sinn findet man im Gehirn nicht. »Blau«, »schön«, »warm«, »neuer Beruf«, »Apfel« – das kommt im Gehirn nicht vor. [...] Der österreichisch-amerikanische Kybernetiker Heinz von Foerster hat sich ebenfalls eingängig mit dem Erkenntnisproblem beschäftigt. Er sagt: Wenn ich so eine schwierige Frage, wie die nach dem Bewusstsein habe, gäbe es drei Möglichkeiten darauf zu antworten. Erstens: das Problem ignorieren. Zweitens: die Welt trivia-lisieren. Und drittens: Entwickle einen nichttrivialen Ansatz! Wenn die Hirnforscher das Bewusstsein gleichsetzen mit bestimmten Prozessen im Gehirn, dann verfolgen sie die erste Strategie. Sie antworten auf die Frage nach dem Bewusstsein mit etwas, das kein Bewusstsein ist – nämlich dem Gehirn. Es ist ja augenscheinlich etwas völlig anderes, ob ich Messungen im Gehirn vornehme, oder ob ich etwas Bewusstes vor mir habe und beispielsweise frage, wie es zu dieser Sinnstruktur kommt. Das heißt, die Neurowissenschaft ignoriert das Problem. ..."
Johannes Wagemann, geboren 1967, studierte Elektrotechnik, Mathematik, Physik und Philosophie. Er [ist] Professor für Bewusstseinsforschung mit Schwerpunkt Strukturphänomenologie an der Alanus Hochschule in Alfter.
Das Buch ist übrigens sehr empfehlenswert, weil Denker aus den verschiedenen Bereichen zu Wort kommen:
Matthias Eckoldt
Kann sich das Bewusstsein bewusst sein?
Gespräche mit
DIRK BAECKER
MARKUS GABRIEL
JOHN-DYLAN HAYNES
PHILIPP HÜBL
NATALIE KNAPP
CHRISTOF KOCH
GEORG KREUTZBERG
KLAUS MAINZER
ABT MUHÔ
MICHAEL PAUEN
JOHANNES WAGEMANN
- Friederike
- Beiträge: 4984
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48
Oja, man darf sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, so wie ich öfter auf derlei Fehlerhinweise reagiere ... und wenn dann noch die moralische Komponente sprachlich mit reinkommt ("schuldig" - @Jörn, bitte verstehe das nicht als gegen Dich gerichtet, mir ist es nur aufgefallen und es paßt so schön zu meiner Reaktion, die seltsamerweise meistens in solchen Fällen so ausfällt, als hätte ich ein "Vergehen" begangen, selbst wenn von "schuldig" gar nicht die Rede ist). Und nur grundsätzlich, das betrifft nicht den Kategorienfehler bei Gehirn und Geist, man kann natürlich überlegen, ob nicht, wird ein Kategorienfehler behauptet, eine Ordnung der Gegenstände vorausgesetzt wird, die man infrage stellen kann.Alethos hat geschrieben : ↑Mo 23. Dez 2019, 15:44Eine gute Frage, wie ich finde. Eine, die man sich oft gar nicht mal stellt, weil das Etikett 'Kategorienfehler' sozusagen schon angibt: "Bitte hier nicht weiterdenken!"Jörn hat geschrieben : [...]Damit würden wir uns erstens des gleichen Kategorienfehler schuldig machen, auf den der Neurologe aufmerksam macht.
Dies nur eine Anmerkung am Rande.