Philosophische Reflexionen der Gefühle

Mit Beginn der 1920er Jahre bilden sich in der deutschen Philosophie die Disziplinen der Philosophischen Anthropologie und der Lebensphilosophie aus, deren Grundfragen in den 1990er Jahren eine Renaissance erleben.
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NaWennDuMeinst
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So 4. Jun 2023, 11:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Jun 2023, 07:37
Außerdem verstehe ich weder Hans noch Emma :) Ich kann mir auch keinen Hans vorstellen, der so etwas sagt. Ich kann mir zwar natürlich jemanden vorstellen, der unglücklich ist, weil seine Liebe zurückgewiesen wird, aber das was Hans sagt, dafür habe ich keine Erklärung.
Hans ist traurig. Er ist traurig, weil Emma seine Liebe nicht erwidert. Das kannst Du dir vorstellen. Ist dir bestimmt auch schon mal passiert.
So, jetzt frage ich einfach ob es von Emma angemessen sei zu sagen sie habe mit Hans' Gefühlen nichts zu tun.
Mehr frage ich gar nicht.
Und ich frage das deshalb, weil Emma doch der äußere Auslöser für Hans Gefühle ist (Ohne Emma liebt auch Hans keine Emma). Also hat sie schon damit zu tun.
Sie sagt aber: Was kann ich für deine Gefühle? Das findet alles nur in dir selbst statt.
Was stimmt denn nun? Oder stimmt beides?
Für das Beispiel bedeutet es, dass weder Melisso noch ich eine Position vertreten, die damit zusammenhängt, das Beispiel ist kein Beispiel für unsere Sicht.
Aber geht es nicht darum, wo Gefühle lokalisiert sind?
Falls nicht, dann habe ich das falsch verstanden.
Der Fall interessiert mich aber trotzdem brennend.



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Jörn Budesheim
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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 4. Jun 2023, 11:12
Aber geht es nicht darum, wo Gefühle lokalisiert sind?
Nein, es geht gerade nicht darum :-)
Melissos hat geschrieben :
So 25. Dez 2022, 15:53
Gefühle und deren Objekte verlaufen also orthogonal zum Innen/Außendualismus.
Wenn ich mir vorstelle, dass Emma Hans abweist, stelle ich mir verschiedene Szenen vor, in denen Emma und Hans vorkommen. Ich kann auch versuchen, mich in beide hineinzuversetzen. Aber bei all dem stelle ich mir nicht nur oder gar ausschließlich eine Stelle oder einen Ort vor, an dem das Gefühl "zurückgewiesene Liebe" vorkommt. Das halte ich sogar für völlig abwegig. Natürlich stelle ich mir den Schmerz von Hans vor. Aber ich stelle mir nicht einfach Schmerzen (oder Herzklopfen oder was auch immer) vor, sondern Schmerzen, die dadurch entstehen, dass er sich von Emma zurückgewiesen fühlt. Hier allein oder wesentlich nach innen oder außen zu fragen, passt einfach nicht. Deshalb sprechen wir im Alltag, in der Literatur oder sonst wo über solche Dinge, indem wir Geschichten darüber erzählen.

Zu dem Beispielsatz von Emma. Was könnte Emma mit folgendem eigentlich meinen: "Was kann ich für deine Gefühle? Das spielt sich alles nur in dir ab"? Schwer zu deuten. Vielleicht ist sie eine Hirnforscherin, die einer Version des lokalisierenden Fehlschlusses aufgesessen ist? Möglich. Vielleicht will sie aber auch sagen, dass Hans nur ein Phantom liebt, eine Emma, die nur in seiner Vorstellung existiert und nichts mit ihm zu tun hat. Auch das ist möglich. Es gibt sicher noch andere Interpretationen.

Ich weiß noch nicht, worauf du damit hinaus willst. Wie soll man sich das vorstellen und welches Argument möchtest du ggf. damit verknüpfen?




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AufDerSonne
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Mo 5. Jun 2023, 10:19

Das ist hart, wenn man von jemandem abgewiesen wird.

Ich habe einmal folgendes gehört. Unstimmigkeiten in der Beziehung zu anderen Menschen hängen oft damit zusammen, dass man selbst mit sich nicht im Reinen ist.
Wenn man die eigenen Probleme löst, lösen sich oft auch die Probleme mit den anderen Menschen.



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Jörn Budesheim
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Mo 5. Jun 2023, 12:01

Das ist das gleiche falsche Muster wie bei der Selbstverteidigung. Immerhin in etwas abgeschwächter Form durch das "oft".




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Mo 5. Jun 2023, 13:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 5. Jun 2023, 12:01
Das ist das gleiche falsche Muster wie bei der Selbstverteidigung. Immerhin in etwas abgeschwächter Form durch das "oft".
Eben, das "oft" ist wichtig! :lol:



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Jörn Budesheim
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Mo 5. Jun 2023, 15:18

Das "Selba Schuld" Muster wird dadurch nicht besser.




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Mo 5. Jun 2023, 15:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 5. Jun 2023, 15:18
Das "Selba Schuld" Muster wird dadurch nicht besser.
Ja, das hätte mich noch wunder genommen, was du da für ein Muster bei mir entdeckt hast.
Wie meinst du "selbst Schuld"?

Dass ich behaupte, die anderen seien selbst Schuld oder dass ich selbst Schuld bin?



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Mo 5. Jun 2023, 20:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 5. Jun 2023, 08:08
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 4. Jun 2023, 11:12
Aber geht es nicht darum, wo Gefühle lokalisiert sind?
Nein, es geht gerade nicht darum :-)
Melissos hat geschrieben :
So 25. Dez 2022, 15:53
Gefühle und deren Objekte verlaufen also orthogonal zum Innen/Außendualismus.
ok, ich lass das erstmal so, weil ich denke ich kann da erst später drauf zurückkommen wenn ich verstanden habe was das bedeutet, also was damit gemeint is.
Es ist offensichtlich etwas Anderes als ich dachte.
Wenn ich mir vorstelle, dass Emma Hans abweist, stelle ich mir verschiedene Szenen vor, in denen Emma und Hans vorkommen. Ich kann auch versuchen, mich in beide hineinzuversetzen. Aber bei all dem stelle ich mir nicht nur oder gar ausschließlich eine Stelle oder einen Ort vor, an dem das Gefühl "zurückgewiesene Liebe" vorkommt.
Da stutze ich schon das erste Mal.
Das Wort "Gefühl" kommt ja von "fühlen". Also Irgendwer fühlt da was (ein Gefühl).
Aber wenn ich sage "Hans fühlt", was ja sowas bedeutet wie "Hans hat ein Gefühl", dann ist das doch Lokalisation (nämlich bei Hans), oder nicht?

Mir ist natürlich klar, dass Gefühle äußere Ursachen haben können. Also die Ursache für Hans Gefühl ist laut Hans die Emma.
Aber da geht dann schon der Dissenz los, denn in meiner fiktiven Geschichte sagt Emma sie sei gar nicht der Auslöser sondern sie ist einfach nur da.
Was Hans nun fühlt, das passiert einzig und allein in Hans, er allein sei der Auslöser (die Ursache) für seine Gefühle.
Vielleicht will sie [Emma] aber auch sagen, dass Hans nur ein Phantom liebt, eine Emma, die nur in seiner Vorstellung existiert ...
Nehmen wir das mal. Hans liebt also eine Emma die es gar nicht gibt, die er sich nur einbildet. Aber wie steht es dann mit den Gefühlen die Hans fühlt?
Sind die dann auch nur "Phantome" und haben die dann eine äußere Ursache oder haben sie ihre Ursache in Hans allein?
Wenn ich sage sie haben ihre Ursache nur bei Hans (weil es die äußere Ursache, den äußeren Auslöser nur in Hans' Einbildung gibt), wie können sie dann nicht (bei Hans) lokalisiert sein?
Ich weiß noch nicht, worauf du damit hinaus willst. Wie soll man sich das vorstellen und welches Argument möchtest du ggf. damit verknüpfen?
Ich frage mich halt wenn sich Gefühle und ihre Auslöser nicht verorten lassen... was bedeutet das dann für diese Situationen?
Macht das Gespräch von Hans und Emma überhaupt noch irgendeinen Sinn?

Und was anderes interessiert mich auch:
Nehmen wir mal an, Emma sei ein kleines Schlitzohr und mache sich die Gefühle von Hans zu Nutze um ihn dazu zu bringen die eine oder andere Sache für sie zu erledigen, weil sie weiß Hans kann ihr nichts abschlagen.
Wie verhält es sich dann? Ist Emma dann mitverantwortlich für Hans' Gefühle oder macht sich Emma eiinfach nur zu Nutze das Hans fühlt wie er fühlt?
Wie wäre Emmas Verhalten moralisch zu berwerten?
Ich weiß wir kommen damit weit vom Thema ab.
Ich überlege das in einem eigenen Thread zu besprechen.



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Jörn Budesheim
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Do 16. Mai 2024, 08:47

Quk hat geschrieben :
Mi 15. Mai 2024, 11:58
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mi 15. Mai 2024, 11:05
Quk hat geschrieben :
Di 14. Mai 2024, 20:20
Ich hege ja seit langem die starke Annahme, dass die meisten visuellen Mimiken und die meisten akustischen Qualitäten und Melodiephrasen interkulturell von den meisten Menschen verstanden werden;
Eine sehr starke Hypothese, die mir gefällt, die ich gleichwohl bezweifle. Man sollte sie wissenschaftstheoretisch operationalisieren, sie erweitert die Frage, wie universell Sprachen sind, ob es eine Universalgrammatik gibt, usw.
Grammatik ist schon wieder zuviel. Das wäre dann wieder eine Komplexität wie in meinem Beispielsatz "Hinterm Felsen sind drei Äpfel". Nein, so meinte ich das nicht. Ich meine nur das Verständnis für einzelne Gefühle und Empfindungen an sich im Jetzt.
Aus einem Thread über Musik. Ich denke schon, dass Gefühle auch so etwas wie eine Grammatik haben können, ähnlich dem "Gegenbeispielsatz" "Hinter dem Felsen sind drei Äpfel". In dem Beispiel wird etwas über die Wirklichkeit gesagt, bei Gefühlen ist es in der Regel ähnlich, denke ich. Ein Gefühl kann zum Beispiel ausdrücken, dass etwas besonders schön, besonders angenehm oder eher gefährlich ist. Das könnte man eine grammatische Struktur nennen, es wird etwas über etwas gesagt.




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Quk
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Do 16. Mai 2024, 10:38

Ja. Gut, bis zu diesem Grad der Komplexität würde ich mitgehen.

Ich muss selber aufpassen, wenn ich "Komplexität" erwähne: Meine ich dabei die Komplexität der Symbolik oder die Komplexität der Situation, auf welche die Symbolik verweist?

Beispiel: Moll und Dur benötigen jeweils drei Töne. Einer davon in Relation zu den anderen zwei Tönen bestimmt den Unterschied zwischen Moll und Dur. Ja, dieses Dreierpack ist eigentlich schon ein ziemlich komplexes Symbol; es enthält mindestens 7 Informationen (Töne und deren Verhältnisse, Gesamttonhöhe), dann innerhalb der Töne überdies noch Qualitäten wie Lautheit, Schärfe, Rauhigkeit, Schwankungsstärke, Impulshaltigkeit und so weiter. Das ist schon recht komplex. Ja, vielleicht kann man das auch "Grammatik" nennen.

Also in dem Fall wäre das Symbol "Dur" an sich schon eine fortgeschrittene Grammatik, -- und das, was sie ausdrückt, sagen wir mal "freudiges Gefühl im singenden Vogel im Jetzt", wäre etwas weniger komplex.

Woran ich ursprünglich dachte, war das: Ein Dur-Symbol enthält nicht die notwendige Grammatik für eine solch komplexe Situationsbeschreibung wie "hinterm Felsen liegen drei Äpfel". Sondern eher: "Freude".

Der Kontext der gesellschaftlich-körperlichen Stellungen und Abläufe kann dann weitere Interpretationen ermöglichen: Vogel A landet hier, Vogel B landet dort. A singt ein Dur-Symbol. B erkennt dadurch Freude in A. Weiterhin liest B aus diesem Kontext, dass A sich über die Anwesenheit von B freut.




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Jörn Budesheim
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Fr 17. Mai 2024, 10:16

Stefanie hat geschrieben :
Do 16. Mai 2024, 22:09
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Wut und Zorn?
Ist das HB Männchen wütend, zornig oder ärgerlich, wenn er in die Luft geht?
Im alltäglichen Sprachgebrauch werden wütend und ärgerlich verwendet, so mein Eindruck. Aber zornig habe ich ewig nicht mehr gehört und auch nicht verwendet.

Wütend finde ich:
Ich glaube, dass Ärger, Wut und Zorn einerseits in einer Art Steigerungsverhältnis stehen. Wut ist intensiver als Ärger. Und andererseits sind Wut und Zorn oft moralische Gefühle. Man ist wütend und zornig, weil man glaubt, dass jemand etwas moralisch Verwerfliches getan hat. Das ist bei Ärger nicht oder nur selten der Fall. Besonders deutlich wird dies beim Begriff der Empörung, der meines Erachtens ausschließlich im moralischen Sinne verwendet wird.

Soweit ich mich an das HB-Männchen vor allem im Kino erinnere, ging es dabei in der Regel um mehr oder weniger starke Missgeschicke, das HB-Männchen war kein Wutbürger.

Hier könnte man sich auch fragen, ob der allgemeine Sprachgebrauch, dem Unterschied der Gefühle stets gerecht wird. Einerseits und andererseits fragt sich dann natürlich auch, inwiefern der Sprachgebrauch auf die Gefühle zurückwirkt.




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