Philosophische Reflexionen der Gefühle
- NaWennDuMeinst
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Vernunft walten zu lassen heißt nach Gründen handeln. Gefühle können solche Gründe sein. Ich sehe da (heute) keinen Gegensatz (mehr). Das sind einfach zwei Aspekte unseres Menschseins.
Die Vernunft hilft uns dabei nicht einfach unreflektiert unseren Bedürfnissen und Affekten nachzugeben (weil das auch negative Konsequenzen für uns haben kann). Also in der Theorie zumindest. In der Praxis scheitern wir dabei häufig.
Die Vernunft hilft uns dabei nicht einfach unreflektiert unseren Bedürfnissen und Affekten nachzugeben (weil das auch negative Konsequenzen für uns haben kann). Also in der Theorie zumindest. In der Praxis scheitern wir dabei häufig.
But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)
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- Friederike
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Ich bin mir nicht sicher, ob wir über "Leib" und "Gefühle" schon gesprochen haben. Über "Leibempfinden" schon, aber das ist nicht dasselbe wie das, was wir als "Gefühle haben" bezeichnen. Wenn ich aus dem Zitat von Schmitz den Satz rausnehme:
dann finde ich die Formulierung nebulös. Die Gefühle greifen durch die leiblichen Regungen ein? @Jörn, hast Du eine weiterführende Stelle von Schmitz parat, wo klarer wird, wie er Leib und Gefühle unterscheidet?Schmitz hat geschrieben : [...]damit er als Vernunft Herr im eigenen Hause über die unwillkürlichen Regungen, namentlich die leiblichen und die durch sie eingreifenden Gefühle, werden kann.
- Friederike
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O, ich habe eine Leseprobe aus "Der Leib, der Raum und die Gefühle" gefunden, immerhin bis S. 28 mit den beiden Kapiteln "Leib" und "Gefühle".
Schmitz hat geschrieben : Gefühle sind räumlich, aber ortlos, ergossene Atmosphären. Diese These wird man für einige Fälle leicht zugeben können, wenn man sich mit den Differenzierungen der Räumlichkeit genügend vertraut gemacht hat und nicht mehr für alles, was räumlich ist, einen bezifferbaren Dimensionsgrad, Lagen, Abstände und eine meßbare Größe oder Figur erwartet. Die bereits skizzierte Eigenart der Räumlichkeit des Leibes wird darauf vorbereitet haben. Andere Beispiele liefert die Räumlichkeit des Schalls oder auch die seines Gegenteils, der Stille. S. 23
Schmitz hat geschrieben : Während die Gefühle räumlich ergossene Atmosphären sind, ist das Fühlen der Gefühle, soweit es sich um Ergriffenheit von ihnen und nicht um bloßes Wahrnehmen der Atmosphäre handelt – wie wenn ein ernsthafter Beobachter in ein albernes Fest gerät –, stets ein leibliches Betroffensein von ihnen. Dieses kann in teilheitlichen oder in ganzheitlichen leiblichen Regungen bestehen, besonders aber in der Suggestion oder Vorzeichnung ausgeführter oder unausgeführter Bewegungen, wobei diese Suggestion vom Ergriffenen am eigenen Leibe gespürt wird. S. 28
- NaWennDuMeinst
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.
Mir ist klar, dass manche Dinge nicht beschreibar sind, es fehlt einfach das Vokabular. Oft fehlt aber auch einfach die Kenntnis, bzw das Wissen und die Lücke wird dann mit schön klingenden Metaphern gefüllt. Der schöne Klang kann aber kein Ersatz für Wissen sein. Das ist unbefriedigend.
Es sei denn es geht gar nicht um ein Wissen, sondern um Ästhetik.
Ich muss bei sowas immer passen. Solche Metaphern sind mir zu "unpräzise". Das kann ja alles und nichts bedeuten.ergossene Atmosphären
Mir ist klar, dass manche Dinge nicht beschreibar sind, es fehlt einfach das Vokabular. Oft fehlt aber auch einfach die Kenntnis, bzw das Wissen und die Lücke wird dann mit schön klingenden Metaphern gefüllt. Der schöne Klang kann aber kein Ersatz für Wissen sein. Das ist unbefriedigend.
Es sei denn es geht gar nicht um ein Wissen, sondern um Ästhetik.
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- NaWennDuMeinst
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Als zur Vernunft in Gegensatz stehend wurden Gefühle als etwas angesehen,
das einem passiv widerfährt, von dem man ergriffen wird, wie es das griechische Wort
pathos, das lateinische affectus und das deutsche Wort Leidenschaften es nahelegt.
Immanuel Kant war der Überzeugung, dass „Affekten und Leidenschaften
unterworfen zu sein, wohl immer Krankheit des Gemüts ist; weil beides die Herrschaft
der Vernunft ausschließt.“.
Die moderne philosophische Gefühlsforschung hebt diese
scharfe Trennung zwischen Gefühlen und Vernunft auf und weist auf die Rationalität
der Gefühle hin. Darüber hinaus zeigt sich in neueren Forschungen immer deutlicher,
dass die Vernunft auf eine funktionierende Emotionalität angewiesen ist, denn
Entscheidungen kommen nicht nur rein rational zustande. Zudem können Handlungen,
die aufgrund rationaler Erwägungen zu erfolgen haben, ohne die motivierende und
bewertende Kraft von Emotionen nicht umgesetzt werden.
Ich möchte in meinem Artikel die zeitgenössische philosophische Debatte
vorstellen, in der es in den 1960er insbesondere im angloamerikanischen Raum zu
einer „kognitivistischen“ Wende in der Gefühlsforschung gekommen ist. Gefühle
werden nicht mehr nur als Körpergefühle (feelings) mit einer bestimmten Qualität und
Intensität angesehen, sondern als repräsentationale und damit kognitive mentale
Zustände, die ihrem Subjekt Wissen über die Welt vermitteln können (emotions).
weiter hier:
https://homepage.univie.ac.at/Susanne.M ... fuehle.pdf
das einem passiv widerfährt, von dem man ergriffen wird, wie es das griechische Wort
pathos, das lateinische affectus und das deutsche Wort Leidenschaften es nahelegt.
Immanuel Kant war der Überzeugung, dass „Affekten und Leidenschaften
unterworfen zu sein, wohl immer Krankheit des Gemüts ist; weil beides die Herrschaft
der Vernunft ausschließt.“.
Die moderne philosophische Gefühlsforschung hebt diese
scharfe Trennung zwischen Gefühlen und Vernunft auf und weist auf die Rationalität
der Gefühle hin. Darüber hinaus zeigt sich in neueren Forschungen immer deutlicher,
dass die Vernunft auf eine funktionierende Emotionalität angewiesen ist, denn
Entscheidungen kommen nicht nur rein rational zustande. Zudem können Handlungen,
die aufgrund rationaler Erwägungen zu erfolgen haben, ohne die motivierende und
bewertende Kraft von Emotionen nicht umgesetzt werden.
Ich möchte in meinem Artikel die zeitgenössische philosophische Debatte
vorstellen, in der es in den 1960er insbesondere im angloamerikanischen Raum zu
einer „kognitivistischen“ Wende in der Gefühlsforschung gekommen ist. Gefühle
werden nicht mehr nur als Körpergefühle (feelings) mit einer bestimmten Qualität und
Intensität angesehen, sondern als repräsentationale und damit kognitive mentale
Zustände, die ihrem Subjekt Wissen über die Welt vermitteln können (emotions).
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- Friederike
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Ja, die Sprache von Schmitz ist schon sehr eigen. Man muß ein spontanes Abgestoßensein überwinden (so geht es mir) - vorhin habe ich den Text auch erst einmal ungnädig zur Seite gelegt.NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑Do 12. Aug 2021, 14:32Ich muss bei sowas immer passen. Solche Metaphern sind mir zu "unpräzise". Das kann ja alles und nichts bedeuten. Mir ist klar, dass manche Dinge nicht beschreibar sind, es fehlt einfach das Vokabular. [...]ergossene Atmosphären
Ich finde aber, die Befremdung beim Lesen zeigt auch, wie unvertraut man mit dieser Art von Betrachtung ist: "Gefühle sind räumlich, aber ortlos".
- NaWennDuMeinst
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Ich weiß, ich bin hier immer der Meckerfritze, aber sowas hat für mich nichts mit einer philosophischen (das ist für mich: wissenschaftlichen) Reflexion der Gefühle zu tun.Friederike hat geschrieben : ↑Do 12. Aug 2021, 16:12Ich finde aber, die Befremdung beim Lesen zeigt auch, wie unvertraut man mit dieser Art von Betrachtung ist: "Gefühle sind räumlich, aber ortlos".
Höchstens auf einer Metaebene: Auf wie viele Arten kann man über Gefühle reden?
Wenn der Gefühlsvogel frei in der Welt rumflattert und sich im Bauchchakra zu den ergossenen Atmosphären wandelt, dann ist mir das einfach zu esoterisch angehaucht. Da kann ich nichts mit anfangen. Das bringt mir nichts. Jedenfalls kein Wissen so wie ich mir das vorstelle.
Als nächstes kommen wieder die sprechenden Berge (sorry, Alethos).
Kann sein, dass ich hier ein Defizit habe, aber damit kann ich gut leben.
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- Friederike
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Ich versteh' Dich gut @NWDM.
Zu mir selber habe ich gesagt "wenn Schmitz dir nun en detail erzählt, wie es ist, leiblich Gefühle zu fühlen, was du doch wissen wolltest, warum bist du angewidert".
Zu mir selber habe ich gesagt "wenn Schmitz dir nun en detail erzählt, wie es ist, leiblich Gefühle zu fühlen, was du doch wissen wolltest, warum bist du angewidert".
- Jörn Budesheim
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Ja, allerdings ist auch das, was er sagen will, sehr eigen, denn dafür gibt es bisher keine Sprache. Ich finde es auf jeden Fall sehr anregend. Man muss sich auch nicht allem anschließen, was man schätzt.Friederike hat geschrieben : ↑Do 12. Aug 2021, 16:12Ja, die Sprache von Schmitz ist schon sehr eigen ...
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Ich bin mir noch nicht im Klaren darüber, ob Schmitz den "kognitiven Aspekt" außer acht läßt oder ob ich ihn nur nicht erkenne, weil der kognitive Anteil für gewöhnlich unter "intentional" behandelt wird.NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑Do 12. Aug 2021, 16:33Ich weiß, ich bin hier immer der Meckerfritze, aber sowas hat für mich nichts mit einer philosophischen (das ist für mich: wissenschaftlichen) Reflexion der Gefühle zu tun. [...]
Wenn der Mensch über seine Gefühle so viel wüsste, was sie ausmacht, was sie sind, wie sie entstehen und was die bedeuten, wie er über den Aufbau der Materie weiss oder das Funktionieren eines Kondensators, wäre ein grosser Schritt hin zum Weltfrieden getan: Denn mit der Selbsterkenntnis fängt die Weltverbesserung an.NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑Do 12. Aug 2021, 16:33Jedenfalls kein Wissen so wie ich mir das vorstelle.
(keine Sorge, das mit den sprechenden Bergen erspare ich dir )
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Alle lächeln in derselben Sprache.
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- NaWennDuMeinst
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Ja, ich weiß. Das liegt halt in der Natur der Sache. Das Immaterielle läßt sich eben nicht mit den gängigen Methoden untersuchen und man muss andere Wege gehen.Alethos hat geschrieben : ↑Do 12. Aug 2021, 17:54Wenn der Mensch über seine Gefühle so viel wüsste, was sie ausmacht, was sie sind, wie sie entstehen und was die bedeuten, wie er über den Aufbau der Materie weiss[...]NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑Do 12. Aug 2021, 16:33Jedenfalls kein Wissen so wie ich mir das vorstelle.
Es ist nur so, dass ich als Leser, wenn ich die "ergossenen Atmosphären" nicht nachfühlen kann, einfach verloren habe. Ob ich Schmitz verstehe hängt davon ab, ob ich ähnliche Erfahrungen teile. Vielleicht ähnlich wie bei der Poesie.
Schade, aber was soll ich da machen? Aber wenn ihr das nachfühlen könnt, dann macht nur.
(Ich halte mich deshalb eher an Texte wie den von mir verlinkten. Das verstehe ich besser.)
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Du weisst, dass ich auf solche Formulierungen stehe. Sie sind teils metaphorisch, teils poetisch und treffen den Kern der Sache eben umschreibend. Und ich bin überzeugt, dass du ihnen nachfühlen kannst.NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑Do 12. Aug 2021, 18:10Es ist nur so, dass ich als Leser, wenn ich die "ergossenen Atmosphären" nicht nachfühlen kann
Dass es dir zu „schnulzig“ oder zu „abgehoben“ ist, das kann ich wiederum nachvollziehen. Du willst, wie die meisten Wissenschaftler, robuste Fakten mit widerborstigem Charakter
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- Jörn Budesheim
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Ich glaube, wir müssen den Ruf der Naturwissenschaftler stärken, ich widme ihnen ein kleines Gedicht.
Besides the big bang:
Three quarks
For Muster Mark!
One: up down
Two: charm strange
Three: top and bottom!
But:
After the Big Crunch
Feynman's Penguin
Will Die!
- NaWennDuMeinst
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Du willst sagen das "Widerborstige" ist auch eine kreative Wortschöpfung? Stimmt, ist es. Ich meinte damit ja aber nur, dass man Naturgesetze nicht brechen kann. Sie können nicht dem Willen unterworfen werden (also wir können uns zwar wünschen dass sie nicht gelten, aber sie werden dennoch weiter gelten).
Robuste Fakten: Das klingt so hart, so als ob ich nur Wissenschaft in meinem Leben akzeptiere. Das ist nicht so. Es ist nur so, dass wenn Jemand vorgibt von Fakten zu sprechen dann muss das auch robust sein.
Es gibt aber noch Meinung und Gllaube und Hoffnung und Wünschen. All das ist auch für mich nicht irrelevant. Ganz und gar nicht. Es ist ganz wichtiger Teil des Menschseins.
Also ich möchte einfach nicht, dass Du glaubst, dass in meinem Leben nur "robuste, wissenschaftliche Fakten" zählen. Das ist nicht der Fall, denke ich.
Aber das hier ist ein Thread über Gefühle. Also sprechen wir über Gefühle. Und mir ist schon klar, dass es da nicht immer möglich ist "robuste Fakten" zu liefern. Nur bitte, dann lasst es auch nicht aussehen als wären es solche. Das stört mich dann.
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Mhm,... beim Lächeln schwingt ja das Gefühl der Freude mit. Vielleicht sollte darauf die Konzentration mehr gelegt werden. Wenn ich einem von mir geliebten Menschen begegne, freue ich mich sehr. Mit dieser Freude lächel ich denjenigen an. Mit diesem Gefühl der Freude versuche ich nun mich selbst anzulächeln.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 12. Aug 2021, 06:37Ich mache abends oft eine geführte Meditationsübung. Gestern habe ich mir - wenn man so will: als kleines philosophisches Experiment - eine Meditation zum Thema: Atmen, Gelassenheit und Lächeln ausgewählt. Ich mache alle Übungen grundsätzlich mit "sanft geschlossenen Augen", wie es im entsprechenden Jargon heißt. Setze ich ein Lächeln auf, ergreift es gewissermaßen sofort von mir Besitz. Die Stimmung hellt sich instantan auf. Wenn man partout einen Ort des Geschehens angeben wollte - es fällt mir nicht leicht - dann würde ich sagen: vordere "Leibes-Inseln" ab der Bauchgegend aufwärts. Lächeln hebt! Interessanterweise, aber das mag eine Idiosynkrasie sein, habe ich beim Lächeln ein ganz vages visuelles Bild meines eigenen Gesichtes "vor" mir. Insbesondere lächelnde Augen, sehr schwer zu beschreiben ...
Eine angenehme Erfahrung, sehr schwierig in Worte zu fassen ... Aber das Wort "innen" ist hier nach meinem Gefühl ganz überflüssig. Ich wüsste gar nicht, wo ich es einsetzen sollte.
- Jörn Budesheim
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Ja, sicher Freude! Aber innen? In was? Ich nehme mal an, die Antwort soll lauten: "in mir". Oder? Wenn es der Wahrheitsfindung dient, mache ich gerne die Übung noch mal. Ich habe noch ein bisschen Zeit.
Nehmen wir als Beispiel für die Freude und das Lächeln mal gleich einen worst case: ich treffe meine Frau nach langer Zeit, sagen wir nach einem Urlaub, ich freue mich total, sie freut sich total, wir lächeln uns beide an und nehmen uns am Ende auch noch in den Arm. Fürchterliche Fantasie für einen Innenwelt-Theoretiker 🤐 aber so etwas gibt es.
Wenn ich mir vorstelle, wie ich eine solche Situation erlebe, dann ist "innen" ein Ausdruck, der als genereller überhaupt nicht passt. Man sagt doch viel eher, dass man vor Freude außer sich ist, ganz aus dem Häuschen. Wie also erlebe ich die Situation? Alles rundherum wird weitgehend ausgeblendet, die gesamte Stimmung hebt sich, hellt sich auf, öffnet sich, der Körper ist leicht und freudig, alles richtet sich auf die geliebte Person ... Ich bin weder ein Phänomenologe, noch ein Dichter, mir fehlen dazu eigentlich die Worte. Aber "innen", das trifft doch in der Gesamtbetrachtung überhaupt nicht die Gefühlslage. Gerade ein Lächeln, was könnte weniger "innen" sein als ein Lächeln, insbesondere wenn es einer geliebten Person gilt?
Bei der Meditationsübung, die ich gestern gemacht habe, hatte das Lächeln übrigens einen Gegenstand, nämlich das eigene Atmen. Man könnte fast sagen, es ging um die Freude an der eigenen Existenz. Aber ebenso, wie ich selbst nicht in mir bin, ist auch meine Freude nicht in mir.
Ich habe sehr schnell aufgehört, mich über die Ausdrücke "innen" in solchen angeleiteten Meditationen zu echauffieren, weil ich mir diese Übungen auch nicht verderben will. Wenn es z.b. heißt, dass ich die Aufmerksamkeit nach Innen richten soll, dann verstehe ich das einfach so, dass ich auf mich selbst aufmerksam werde. Innen ergibt da meistens keinen Sinn, ich bin schließlich keine Matroschka.
(Es gibt auch Übungen, wo man versuchen soll, die inneren Organe zu spüren, dann hat innen einen relativ klaren Sinn bezogen auf den Körper. Ich kann übrigens meine inneren Organe nicht spüren. Wenn es um das Herz geht, ist es etwas anderes, aber auch da komme ich auch nicht über eine Art mulmiges Herzgefühl hinaus - aber das ist ein ganz anderes Thema. Wichtig ist nur, dass innen an dieser Stelle einen Körperbezug hat: die inneren Organe sind tatsächlich innen.)
Wenn ich also selbst im Fokus stehe, dann kann das - je nach Übung (!) - in etwa folgendes heißen: es blendet sich die Umgebung mehr oder weniger aus und ich komme zu einer gewissen Präsenz. Ich bin dann jetzt und hier. (Wenn es gelingt.)
- Friederike
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Ich zitiere noch einmal einen etwas längeren Abschnitt aus "Der Leib, der Raum und die Gefühle", von dem ich finde, daß er gut zeigt, auf welche Weise Schmitz das leibliche Erleben, hier der Freude, akribisch zu beschreiben versucht.
Was ich bemerkenswert an der phänomenologischen Erfassung des "Fühlens" finde (geht es Euch beim Lesen genauso?), daß die Einzigartigkeit des "wie es sich anfühlt" nicht mehr durch "so fühle ich" gekennzeichnet ist, sondern durch "so fühle ich". Eigentlich fühlen alle Menschen dasselbe, die Besonderheit liegt darin, daß ich es bin, die fühlt, was alle fühlen.
Außerdem überlege ich, ob das leibliche Fühlen der Gefühle denn alles sein soll - man denkt an die beteiligten Personen, sieht Bilder der Situation, im Fühlen ist doch viel mehr "drin". Aber "fühlen" tut man eigentlich nicht mehr als das, was Schmitz beschreibt.
@NWDM, ich glaube, Du brauchst nichts nachfühlen, die Beschreibung ist handfest.
Was ich bemerkenswert an der phänomenologischen Erfassung des "Fühlens" finde (geht es Euch beim Lesen genauso?), daß die Einzigartigkeit des "wie es sich anfühlt" nicht mehr durch "so fühle ich" gekennzeichnet ist, sondern durch "so fühle ich". Eigentlich fühlen alle Menschen dasselbe, die Besonderheit liegt darin, daß ich es bin, die fühlt, was alle fühlen.
Außerdem überlege ich, ob das leibliche Fühlen der Gefühle denn alles sein soll - man denkt an die beteiligten Personen, sieht Bilder der Situation, im Fühlen ist doch viel mehr "drin". Aber "fühlen" tut man eigentlich nicht mehr als das, was Schmitz beschreibt.
@NWDM, ich glaube, Du brauchst nichts nachfühlen, die Beschreibung ist handfest.
Schmitz hat geschrieben : [...] es [daß Gefühle "räumlich" sind] trifft aber auch auf private Atmosphären zu, wenn sie nur einen ergreifen. Ein gutes Beispiel ist die Freude, die den Glücklichen hüpfen oder gar, wie man sagt, in Seligkeit schweben läßt, als ob die Schwere keine Rolle mehr spielte. Es liegt nahe, diese Leichtigkeit und Schnellkraft auf ein gesteigertes leibliches Kraftgefühl, mit dem der Frohe die Gravitationskraft zu überspielen meint, zurückzuführen, aber diese Erklärung genügt nicht. Das leibliche Befinden, das durch Freude angeregt wird, kann von vielerlei, sogar von gegensätzlicher Art sein. Zwar gibt es die kraftvolle, expansive, hochgespannte Art, sich zu freuen, aber auch die weiche Freude, in die man sich fallen läßt, und auch die kann dem Ergriffenen das mühelose Angehen gegen die Schwere eingeben. Es ist also nicht die kraftvoll angefachte Leiblichkeit, sondern die Freude selbst als eine Atmosphäre, in die der Frohe leiblich spürbar hineingeraten ist, die für sein leibliches Befinden die drückende Schwere löscht. Wie durch einen Zauberschlag sind alle niederdrückenden Vektoren umgedreht, so daß der Mensch von einer Atmosphäre, die es ihm erlaubt, sich über die Schwere hinwegzusetzen, gleichsam mitgezogen wird. Physikalisch hat sich dadurch natürlich nichts geändert, aber der Mensch kann eben nicht nur als Körper unter den Einfluß des Schwerefeldes der Erde oder der Schwerelosigkeit kommen, sondern auch als Leib unter den Einfluß einer Atmosphäre des Gefühls, von Schwere oder Leichtigkeit anderer, nicht physikalisch meßbarer Art. S. 23f.
- Jörn Budesheim
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